
1 minute read
KORRUPT i O N - DER ROSA ELEFANT im RAUm ?
Allgegenwärtig, geflissentlich übersehen, beredt beschwiegen und scheinbar aussichtslos zu bekämpfen – derart lässt sich der Zustand der Bestechlichkeit in Westafrika beschreiben. Nicht nur Unternehmen, Banken oder der Staat sind zugleich Täter und Opfer, sondern auch die Entwicklungszusammenarbeit. Wie könnte es auch anders sein, wenn Veruntreuung in einigen Fällen einem üblichen Einkommensverhältnis gleicht und in diversen Bereichen des alltäglichen Lebens zu finden. Hilfswerke, NPOs, NGOs und andere ausländische Geldgeber werden zwangsläufig damit konfrontiert, wenn sie in Liberia oder Sierra Leone arbeiten. Nicht anders geht es der deutschen mittelgroßen Hilfsorganisation ora Kinderhilfe international e.V., die in 11 Ländern an etwa 35 Projektstandorten in Afrika und Osteuropa tätig ist und deren Projektländer ich als Mitarbeiterin regelmäßig besuche. In den vergangenen sechs Jahren habe ich eine Vielzahl an Korruptionserfahrungen gesammelt und dabei festgestellt, dass sie im Kleinen häufig aus der Not geboren sind.
So in Sierra Leone, das als Karibik Westafrikas bekannt ist, dessen BIP jedoch nur 4 Milliarden USD beträgt. In Deutschland liegt das BIP tausendfach höher: 4260 Milliarden USD. Sierra Leone zählt zu den zehn ärmsten Ländern der Welt und entsprechend niedrig ist auch das Steueraufkommen. Die meisten Menschen leben von Subsistenzwirtschaft und zahlen keine Abgaben. Die Staatsbeamten werden nur mäßig entlohnt. Bei der Ankunft an Straßensperren, die jeweils zu passieren sind, um in andere Regionen zu gelangen, werden wir regelmäßig angehalten. Einen ersichtlichen Grund für die Absperrungen, die
Persönliche Erfahrungen aus der Entwicklungszusammenarbeit in den westafrikanischen Ländern Liberia und Sierra Leone
v on C A rmen S CH öngr AF
Aaus einfachen Seilen gespannt sind, gibt es nicht. Durchs geöffnete Beifahrerfenster benennen wir das Reiseziel. „Ich brauche kaltes Wasser“, wird uns entgegnet. Der Satz bildet den Code für die Aufforderung Schmiergeld zu zahlen. Wenn man nach den Gründen fragt, begegnet einem häufig Schweigen. Einmal hat mir eine Beamtin erklärt, dass sie seit drei Monaten kein Gehalt erhalten hat, aber zuhause drei kleine hungrige Kinder auf sie warten.
Systemisches versagen
Bestechung und Korruption werden geduldet. Jeder weiß um die Illegalität dessen, jedoch gibt es kaum Vorbilder der Redlichkeit. In Liberia, einem immer noch vom Bürgerkrieg geschundenen Land, missbrauchen korrupte Eliten das System zu ihren Gunsten. Ehemaligen Kriegsherren, die heute die Staatsgewalt innehaben, werden hinsichtlich Machtmissbrauchs wenige Grenzen gesetzt. Liberia ist ein Staat der Prinzipiengewalt, erklärt W. Lawrence Yeanue II., der wohl bekannteste Kämpfer gegen Korruption in dem westafrikanischen Land. Er ist der Landesdirektor des Accountability Lab. Dieses vom liberianischen Staat unabhängige Netzwerk, welches es auch in anderen Ländern gibt und u.a. durch US-Aid, die Weltbank und die GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) finanziert wird, existiert seit zehn Jahren im Land und versucht mit einer Vielzahl an aufklärerischen Kampagnen einen sozialen Wandel herbeizuführen. Vermittelt werden anti-korrupte Verhaltensmuster, rechtsstaatliche Regeln und Grundsätze einer demokratischen und guten Regierungsführung.