Gruppenleitungs-Handbuch

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NETZWERK

Endlich Leben-Gruppen kompetent leiten

Die Mitte f端r Gott offen halten!

Helge Seekamp



Helge Seekamp

Die Mitte für Gott offenhalten Endlich-Leben-Gruppen kompetent leiten

Einsichten. Handreichungen. Übungen. Für GruppenleiterInnen mit dem 12-Schritte-Konzept

NEU


Gelassenheits-Gebet Herr, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Lass mich den Tag ganz ausleben im Bewusstsein seiner Zeit. Lass mich jeden Augenblick ganz genießen im Bewusstsein seiner Begrenzung. Lass mich Not auch als einen Weg zum inneren Frieden akzeptieren können. Lass mich – wie Jesus es auch tat – diese sündhafte Welt annehmen, wie sie ist, nicht wie ich sie gerne hätte. Lass mich dir vertrauen, dass du alle Dinge richtig machen wirst, wenn ich mich dir und deinem Willen überlasse. So werde ich wirklich glücklich werden in diesem Leben und überglücklich mit dir für immer im kommenden Leben. (Reinhold Niebuhr)

Die Bibelstellen sind entnommen aus: 1. „Hoffnung für alle®“ (Hfa), © 1983/1996/2002 International Bible Society®, Colorado Springs, USA, übersetzt und herausgegeben durch: Brunnen Verlag Basel und Gießen und, soweit entsprechend angegeben, aus: 2. der Revidierten Luther-Übersetzung von 1984 (Luther), © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1984/1999, 3. „Neue Genfer Übersetzung” (NGÜ), © Genfer Bibelgesellschaft, Genf 2009 1. Auflage 2010

© 2010 Seekamp-Seekamp: kreative Medien Lemgo Umschlaggestaltung: Kristina Dittert Titelbildrechte: iStockfoto.com Bild Nr. 5501218 Illustrationen im Innenteil: Bernd Reuter Satz: Helge Seekamp Lektorat: Gundula Seekamp Herstellung: epubli.com Verlag: Seekamp:Seekamp kreative Medien, Lemgo


Inhalt Einführung Gelassenheits-Gebet Zertifizierung Endlich-Leben®-Gruppen Vorwort Denkvoraussetzungen und Definitionen Einführung in die Leitungsrolle Planung zum Verlauf der Gruppentreffen

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Die Gruppenregeln Zeiten, Phasen, Medien/Methoden Merkmale guter Prozessgestaltung Die Arbeit mit Selbsttest-Fragbögen Selbsttest „Stressbelastung” Was sind deine Ziele für die Räume? Planung Startphase (1.-4. Treffen)

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Das 12-Schritte-Programm Schritt 1 Endlich am Ende Selbsttest „Symptome” Schritt 2 Nie mehr allein Was ist seelische Gesundheit? Selbsttest „Religiosität” Schritt 3 Sich Gott geben Schritt 4 Endlich das Ganze sehen Selbsttest „Biografie” Selbsttest „Ziele” Selbsttest „Konfliktlösung” Selbsttest „Bindungsstile” Selbsttest „Symptome” 1. Update Schritt 5 Endlich dazu stehen Schritt 6 Bereit für Veränderung Schritt 7 Verwandlung zulassen Schritt 8 Beziehungsklärung Schritt 9 Wiedergutmachung Selbsttest „Symptome” 2. Update Schritt 10 Das „Sofort!–Konzept“ Schritt 11 Beziehung mit Gott leben Schritt 12 Zum Zeugen werden Abschluss-Abfrage der Selbsttests Nachmessung nach 6 Monaten

35 54 65 68 77 89 105 118 123 126 128 133 139 161 177 197 213 228 233 247 263 271 277

Gründungshilfen für die Praxis und Kontakte Literaturverzeichnis Copyright 12 Schritte Finanz-Philosophie der Arbeit Konzeptbuch christliche Selbsthilfe

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Anhang


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Coypright, Impressum

®

Zertifizierung Endlich-Leben -Gruppen Das Logo der Marke endlich-leben®.net – wie oben dargestellt– ist rechtlich geschützt und darf nur von dazu autorisierten Personen genutzt werden. Gemeinden, die als sogenannte zertifizierte Gemeinden in einer vertraglich geregelten Beziehung mit dem Netzwerk verbunden sind , dürfen den Markennamen endlich-leben®.net, bzw. Endlich-Leben®Gruppen (in Verbindung mit der entsprechenden Wort-/Bildmarke) für ihre Werbung nutzen. Durch einen Zertifizierungsvertrag mit dem endlichleben.net eV. können sie die unten beschriebene Unterstützung für ihre Gruppenarbeit bekommen. Lesen Sie alle weiteren Details dazu unter der Internetadresse www.zertifizierung.endlich-leben.net Das endlich-leben®.net eV. ist als gemeinnützig anerkannter Verein organisiert. Zweck des Vereins ist die Förderung des Wohlfahrtsbereich durch die ideelle, materielle, tatsächliche bzw. aktive und finanzielle Unterstu!tzung bei der Entwicklung und Verwirklichung von Endlich-Leben®-Gruppen. Diese sind Selbsthilfegruppen zur Förderung der psychischen Gesundheit und der Verbesserung der Beziehungsfähigkeit. Sie arbeiten nach einem 12-Schritte-Programm (© siehe S. 243) und werden durch von christlichen Gemeinden ausgewählte LeiterInnen modeDieses Gruppenleitungs-Übungsbuch ergänzt das riert. Professionelle haben einen eigenen Vertrag mit Teilnehmenden-Arbeitsbuch »Endlich Leben«. Dieses eigenen Regelwerk. Buch ist copyrightgeschützt und darf in keine Weise vervielfältigt werden. Es steht nur Mitarbeitenden in Schwerpunkte von endlich-leben®.net e.V. zertifizierter Gemeinden, die in zertifizierten EndlichLeben-Gruppen arbeiten, zur Verfügung. • Förderung der Grundung von Endlich-Leben®Die Selbsttests sind nur registrierten Gruppen im Internet zugänglich, um möglichen Missbrauch auszuGruppen; • Information uber diese Endlich-Leben-Arbeitsfor- schließen. Das endlich-leben®.net eV. hat dieses Verfahren men nach innen (z.B. christlichen Gemeinden und Werke) und nach außen (Öffentlichkeitsarbeit z.B. in gewählt, um Namen und Qualität der Endlich-LebenSelbsthilfenetzwerken, Fachgremien wie AMD); Gruppenarbeit für Sie zu schützen, damit auch wirk• Kommunikation und Zusammenarbeit mit Organi- lich drin ist, was drauf steht: Leben! Sprechen Sie uns sationen, die Seelsorge und Therapie verantworten; an. • Fachliche und geistliche Reflexion der EndlichZertifizierung bedeutet für uns eine VertrauensbeLeben-Arbeit; ziehung, ein Geben und Nehmen auf allen Ebenen in • Integration von Endlich-Leben-Gruppen in Ortsge- Offenheit, Zustimmung zu Grundwerten und Anermeinden unterschiedlichster Konfessionen; kennung von definierten Grenzen dieser Selbsthilfe• Reflexion und Hilfen zur Durchfuhrung von Quali- Arbeitsform. tätssicherung, z.B. durch Schulungen und WorksEndlich-Leben-Gruppen dürfen nicht mit Gewinhops, Arbeits- und Schulungsmaterialien, Leitlinien nabsicht betrieben werden. Unkosten für Raummiete, fur Supervison Heizung, Material können entstehen und werden • Bereitstellung eines Qualitätssicherungsverfahrens durch eine vom Netzwerk festgelegten Gebühr erho(wissenschaftlich genormte Fragebögen) mit gleich- ben. Darüberhinaus steht es jeder Gemeinde offen, zeitiger Beforschung der Wirksamkeit. Fundraisingaktivitäten unterschiedlichster Art (Spenden, Sponsoring, Zuschüsse usw.) für ihre EndlichLeben-Arbeit zu entwickeln.


Vorwort

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Vorwort Anleitungen und Übungen zur Praxis des 12-Schritte-Programms Mit dieser Anleitung halten Sie das erste deutschsprachige 12-Schritte-Programm für GruppenleiterInnen in der Hand, das auf einem christlichen Grundverständnis beruht. Eigene Erfahrungen unserer 15-jährigen Praxis mit christlichen 12-Schritte-Gruppen, eine gründliche Beschäftigung mit den Prinzipien der 12 Schritte, die Literatur und Hilfe unserer amerikanischen Freundinnen und Freunde und viele wertvolle Rückmeldungen auf Schulungen von MitarbeiterInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz haben dazu beigetragen, dieses Endlich-Leben-Mitarbeiterhandbuch vorzulegen. Millionen von Menschen haben weltweit durch das 12-Schritte-Programm Hilfe und Veränderung erlebt. Der Wert und die Bedeutung des 12-Schritte-Programms wurde uns selbst erst bewusst, als wir in unseren Endlich-Leben-Gruppen erlebt haben, wie Heilung, Veränderung und Gelassenheit in das Leben von Menschen kam. Und das waren teilweise Menschen, die jahrelang sehnlichst nach Hilfe gesucht hatten. Gerade die neuesten Nachrichten aus deutschen Gefängnissen, besonders aus dem Hochsicherheitsgefängnis Straubing, zeigen uns, wie hilfreich mit dem Arbeitsbuch selbst in einem solch herausfordernden Umfeld gearbeitet werden kann. Unsere Erfahrungen mit dem 12-Schritte-Programm begannen 1994 in Lemgo (Deutschland) unter meiner Leitung als 50% Pfarrer der ev.-reformierte Lippische Landeskirche. Im Rahmen einer überkonfessionellen christlichen Kulturkneipe erlebten Männer und Frauen zwischen 20 und 60 Jahren Veränderung und Hilfe bei Ängsten, psychischen Problemen und Abhängigkeiten. Etwa zur selben Zeit und unabhängig davon wurde in der Vineyard-Gemeinde Bern (Schweiz) unter der Leitung von Gero Herrendorff mit demselben 12-Schritte-Programm gearbeitet. Auch dort machten viele dieselben wertvollen, das Leben verändernden Erfahrungen! Das hat uns bei der Arbeit der folgenden Jahre ermutigt. Zusammen mit Karin Prentzel (Lemgo) bildeten wir das Autorenteam für das 12-Schritte-Programm »Endlich Leben« für die Gruppenmitglieder.

Das Gruppenangebot mit besonderem Profil Inzwischen ist das Endlich-Leben-Netzwerk ins Leben gerufen worden und wir können jetzt nach 15-jähriger Erfahrung viel klarer sehen und beschreiben, welchen Ort unsere Arbeit in der Seelsorgelandschaft einnimmt und was unsere besondere Berufung ist. Das 12-Schritte-Programm kann bestimmten Menschen helfen, ihre Lebensmuster zu verändern. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass es nur eines von verschiedenen Instrumenten ist, um in seelischen Krisensituationen Menschen zu helfen. Unterschiedliche Seelsorgeansätze behalten ihre geschichtliche und biografische Begründung. Es gibt wohl nicht das Universalwerkzeug für Veränderungen oder die Universalmethode. Das macht uns bescheiden und demütig. Und doch merken wir, dass zumindest der Gruppenansatz eine entscheidende Ergänzung zu den bekannten Seelsorge-Werkzeugen (Einzelgespräche, Einzel-Beratung) und Therapien unterschiedlichster Fachrichtungen ist. In einer individualistischen Gesellschaft ist das Angebot einer verbindlichen Gemeinschaft, wie sie eine Endlich-Leben-Gruppe bietet, eine wichtige Alternative – quasi ein Gegentrend. Es gehört zu der wesentlichen Ermutigung für die Gruppenmitglieder festzustellen, dass sie nicht allein sind mit ihren Schwierigkeiten. Hat jemand aus der Gruppe Veränderungen erlebt, kann dies zu einem ermutigenden Beispiel für die anderen werden. Es hat vielleicht sogar Modellcharakter und weckt Hoffnungen bei den anderen Gruppenmitglieder. Die Sehnsucht nach Veränderung wird so auf natürliche Weise in diesen Gruppen wach gehalten. Kleine oder auch erstaunliche Veränderungen, die immer wieder berichtet werden, nähren dann die Glut der Hoffnung auf Heilung, Veränderung und Gelassenheit. Diese Effekte haben alle Gruppen.


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Vorwort

Ein Handbuch für die Praktiker GruppenleiterInnen Dieses Gruppenleitungs-Handbuch richtet sich konkret an die GruppenleiterInnen von Endlich-Leben-Gruppen. Ihre besondere Rolle, ihre konkreten Aufgaben und auch die Grenzen ihres Engagements werden hier aufgezeigt werden. Die Lektüre dieses Buches soll ihnen eine klare Vorstellung über die Theorie ihrer Arbeit als GruppenleiterInnen in Endlich-Leben-Gruppen vermitteln. KoordinatorInnen Das Endlich-Leben-Netzwerk kann nur gut funktionieren, wenn es die Rolle der KoordinatorInnen gibt. Für das Netzwerk sind sie die AnsprechpartnerInnen in den jeweiligen Partnergemeinden. Für die GruppenleiterInnen sind sie eine wichtige Schaltstelle zwischen dem gesammelten Wissen und den Möglichkeiten (Ressourcen) des Netzwerks und den Erfahrungen in der jeweiligen Ortsgemeinde. Ihre wichtige Vermittler-Rolle, ihre konkreten Aufgaben für die Supervision und auch die Grenzen ihres Engagements werden in einem eigenen Buch für KoordinatorInnen den nötigen Raum bekommen. PfarrerInnen oder Leitungsverantwortliche Endlich-Leben-Gruppen fördern eine Kirche, die zu einem Ort der Barmherzigkeit wird. Damit können, – so hoffen wir jedenfalls –, gesetzliche und zwanghafte Tendenzen (die in esoterischen wie in christlichen Traditionen vorkommen) verringert werden. Mindestens aber machen Endlich-Leben-Gruppen für solche Fehlinterpretationen des Evangeliums die Gruppenmitglieder immer wieder sensibel. Endlich-Leben-Gruppen fördern eine offene Kirche, die sprachlich und deshalb auch kulturell für das 21. Jahrhundert von Bedeutung bleiben kann. Wir erfahren in bunt zusammengesetzten Gruppen: Menschen unterschiedlicher Glaubensvorstellungen können voneinander lernen. Unser Endlich-Leben-Programm kann damit auch einen neuen missionarischen Impuls in Form eines interkulturellen Gesprächs für die Ortsgemeinde vermitteln. So wird dieses Handbuch auch klären, auf was sich eine Gemeinde einlässt, die mit Endlich-Leben-Gruppen arbeitet. Selbsthilfe und Weiterbildung? Endlich-Leben-Gruppen sind eine Chance, die neue Arbeitsform »Selbsthilfe« in die christliche Seelsorge in Ortsgemeinden zu integrieren oder vorhandene SeelsorgeAngebote so zu erweitern, dass sie für eine große Zahl von Hilfe suchenden Menschen einladend wirken. In Endlich-Leben-Gruppen geschieht Seelsorge auf der Basis der Liebe Gottes inspiriert von der Methodik der Selbsthilfegruppen. Wir benutzen den Begriff »Selbsthilfe« also trotz aller möglichen Missdeutungen bewusst, um die Arbeit nach innen und nach außen klar von Therapie, Beratung oder geschulter Laienseelsorge zu unterscheiden und damit ihre besonderen Stärken auf einen Begriff zu bringen. Die Stärke der Selbsthilfe ist nämlich, dass Betroffene selbstmotiviert sich ohne fachliche Hilfe in Gruppen sammeln und solidarisieren, wie es eben nur Betroffene können. Auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt werden die Not und die Hoffnung, Lösungen und Krisen miteinander geteilt. Selbsthilfe lebt von dieser quasi unorganisierten, spontanen Gemeinschaft von durch Not „Gebeutelten“. Zugleich werden solche Menschen nicht ruhen, bis sie an Wissen und Erfahrung gewachsen sind, um sich ihren Herausforderungen besser zu stellen. Sie werden sich weiterbilden, lernen und ihre Kompetenzen im Umgang mit ihrem Lebensschicksal auch für andere erweitern. Die wertvolle Arbeit von Selbsthilfekontaktstellen in allen Regionen Deutschlands und bundesweit wirksamen Netzwerken, die Weiterbildung und Information der Selbsthilfegruppenarbeit fördern, zeigt wie dieses Lernen mehr


Vorwort

und mehr auch organisiert wird. Im christlichen Kontext kommt die Aufgabe hinzu, die jeweiligen Gruppen in die Gemeindestrukturen einzuordnen und den entsprechenden Leitungstraditionen einer christlichen Gemeinschaft anzupassen.

Der Verhältnis von Theorie und Praxis Jede gute Praxis benötigt eine gute Theorie. Menschen, die theoriefeindlich eingestellt sind, haben trotz aller anderen Beteuerungen auch eine Theorie – nur keine schriftlich verfasste, geordnete, in sich stimmige, sondern eine unbewusste in ihrem »Bauch». In Wirklichkeit kommen sie natürlich ohne klare Vorstellungen ihrer Schlüsselbegriffe nicht aus, verwenden sie Methoden, die sich in ihrer Praxis bewährt haben. Sie können oder wollen sich nur nicht in den oft mühevollen Abstand zu sich selbst und ihrer Arbeit begeben. Warum? Vielleicht haben sie schlechte Erfahrungen mit solchen Theorien (Abstraktionen) von der Praxis gemacht? Oder sie fürchten, durch ein festgelegtes Konzept eingeengt zu werden? Diese Befürchtungen müssen nicht sein, denn in diesem Buch geht es ausschließlich um eine Theorie für die Anwendung des Endlich-Leben-Programms, die die Praxis verbessern soll. Wir nehmen also nur den unbedingt nötigen Abstand von den konkreten Handlungen ein, um sofort wieder für die Anwendung in der Praxis Argumente oder Anleitung zu erhalten. Eine zweite Theorieebene, die über die Theorie hinter der Anleitung zur Praxis nachdenkt, finde ich grundsätzlich nötig, muss aber nicht allen GruppenleiterInnen zugemutet werden. Wer sich weitere Gedanken über die Einordnung dieser Arbeit in Seelsorgetheorien, psychologische Methodenlehren oder theologische Grundansätze machen möchte, dem empfehlen wir zu einem ersten Überblick unser Buch “Grundkurs Barmherzigkeit”.

Zertifizierte Gruppen bedeuten Qualität und Schutz Seit 2008 hat das Netzwerk endlich-leben.net e.V. die Gruppenarbeit neu organisiert. Seitdem arbeiten in vielen Gemeinden unterschiedlicher Kirchen zertifizierte EndlichLeben-Gruppen auf einer gemeinsamen Basis von Werten, Definitionen, Standards und Verbindlichkeiten zusammen. Nur Gemeinden, die diesen Standards in einem Vertrag zustimmen, erhalten mit diesem Vertrag exklusiv Zugang zu den unterstützenden Materialien des Endlich-Leben-Netzwerks. Dazu gehören: • Fragebogeneingabe im Internet • Gründungsberatung • Mitarbeitermaterial wie z.B. diese ausführlichen Anleitungen für die Gruppenleitung. Damit soll unsere Erfahrung denen zugute kommen, die sich dem Prinzip Nehmen und Geben im Wissensnetz des Endlich-Leben-Netzwerks verpflichtet haben. Diese Netzwerkpartner finden sich im Verzeichnis von Endlich-Leben-Gruppen im Internet aufgelistet www.gruppen.endlich-leben.net. Bei allen weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an das Netzwerkbüro (siehe Anhang). Wir danken allen, die ihre Lebensberichte für unsere Arbeit zur Verfügung gestellt haben und in der Verbundenheit mit uns über viele Jahre ihre wertvollen Rückmeldungen und Anregungen gegeben haben. Wir wünschen allen, die sich auf unseren gemeinsamen 12-Schritte-Weg einlassen, Gottes Segen, Heilung, Veränderung und Gelassenheit in ihrem verantwortlichen Umgang mit den Aufgaben als GruppenleiterInnen oder KoordinatorInnen. Jens Albrecht (1. Vorsitzender des endlich-leben.net), Lemgo Solange Freyd (2. Vorsitzende und Sprecherin des französischen Bereichs), Colmar Helge Seekamp (Öffentlichkeitsbeauftragter des endlich-leben.net), Lemgo Gero Herrendorff (Schweiz), Bern Jochen Klaas (Kassenführung), Lemgo

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Definitionen

Denkvoraussetzungen und Definitionen Dieses Handbuch für GruppenleiterInnen soll die Methoden der Gruppenarbeit erklären und einüben. Die Entscheidung, statt eines Lesebuches ein Übungsbuch für die Gruppenleitung herauszugeben, passt zu den 12-Schritte-Werten: Es geht uns um ein lebenslanges Einüben. Ein weiterer Wert der Endlich-Leben-Arbeit ist es, in die Weite zu führen, anstatt enge Grenzen zu setzen und übermäßige Kontrolle auszuüben. Deshalb soll alles Folgende zum eigenen Nachdenken anregen und helfen, Meinungen selbstkritisch zu überprüfen, um eine eigene begründete Position zu finden.

Das übergeordnete Ziel der Endlich-Leben-Gruppen Es geht mit allem, was in Endlich-Leben-Gruppen geschieht, um einen ganzheitlichen, d.h. Gefühle, Denken und Körper einschließenden Beziehungsaufbau • zu sich selbst, • zu anderen, • seiner Umwelt und • auch zu Gott.

Die Definition Eine Endlich-Leben-Gruppe ist ein geschützter Ort, wo Menschen (gewissermaßen unter »Laborbedingungen« mit festen Regeln und Ritualen) angeregt werden, zu lernen, wie sie diesen lebensnotwendigen Beziehungsaufbau verbessern können.

Wissenschaftliche Erklärungsmodelle Die Wissenschaften, vom Menschen (Humanwissenschaften), geben uns Erklärungshilfen, sogenannte Modelle vom Menschen und seinem gesunden Funktionieren. Mit Hilfe solcher wissenschaftlichen Theorien aus Psychologie, Neurowissenschaften, Religionswissenschaften und Theologie kann gutes Gruppenleitungsverhalten besser bechrieben werden, als wenn ich dich nur auf persönliche Gruppenleitungserfahrungen verwiesen würde.

Die Möglichkeiten einer Gruppenleitung Es gibt Methoden oder Techniken, die den Beziehungsaufbau in Gruppen ausdrücklich fördern. Durch die Psychotherapieforschung sind hinderliche oder förderliche Effekte für verändernde Prozesse bekannt. Schrittweise sollen hilfreiche Verhaltensmöglichkeiten für die Gruppenleitung eingeübt werden.

Die Grenzen einer Gruppenleitung Ein gutet Beziehungsaufbau lässt sich nicht erzwingen – weder bei einem selbst, noch bei Gruppenmitgliedern. Daher ist es nötig, mit Gelassenheit diesem Werden und Wachsen der Beziehungen Raum zu geben. Als Christen vertrauen wir auf Gott und wollen gerade in den Gruppenprozessen seinem Wirken Raum geben.

Gruppenleitungsverständnis in der Endlich-Leben-Arbeit Im Sinne der Selbsthilfegruppenarbeit verstehen wir GruppenleiterInnen als ModeratorInnen der Gruppe, die für ein gutes Gruppenklima und Gruppenfunktionieren sorgen helfen. Darum machen GruppenleiterInnen die gleichen 12 Schritte durch wie die anderen – nur erweitert um den Blick, für die ganze Gruppe zu sorgen, ohne überverantwortlich zu werden. Als geistliche Richtlinie gilt dabei: »Halte die Mitte offen oder frei für das Wirken Gottes.«


Definitionen

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Krankheits-, bzw. Gesundheitsbegriff Die Definition Krankheit/Gesundheit sind von der jeweiligen Kultur, bzw. dem Wissensstand der Wissenschaft und Forschung abhängig. Endlich-Leben-Gruppenarbeit bezieht sich auf einen wissenschaftlich nachprüfbaren Krankheitsbegriff (z.B. Klaus Grawes »KONSISTENZ-MODELL« vgl. S. 68) oder Suchtbegriff. Als christliche Arbeit wird die Perspektive der christlichen Theologie hinzugezogen, um geistliche Aspekte von Gesundheit oder Krankheit zu verstehen. Das Endlich-Leben-Material weicht damit von den Definitionen der GründerInnen der 12-Schritte-Bewegung ab, die sich auf den Forschungsstand von 1939 bezogen.

Systemisch denken – alles wirkt vernetzt Das Denken in Systemen ist mit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in viele Wissenschaftbereiche aufgenommen worden und hat wertvolle Erklärungsmodelle für komplexe Strukturen (lebende Organismen, Gruppen, physikalische Phänomene) entwickelt. In den Wissenschaften vom Menschen wurden diese Erkenntnisse von der Psychologie z.B. in der systemischen Therapie oder systemischen Familien-Modellen aufgenommen. Auch die Suchtforschung hatte früh einen systemischen Ansatz. Mit diesem Denkansatz verbindet sich die Suche nach Wirkmustern und Regelmäßigkeiten der Abläufe innerhalb dieser Systeme. Einfache Ursache-Wirkung-Erklärungsmodelle wurden durch die systemische Regelkreis-Erklärung abgelöst.

Selbsthilfe-Definition

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG) e.V. (Hrsg.): SelbsthilfegruppenUnterstützung. Ein Orientierungsrahmen. Gießen 1987, Seite 5

Die Selbsthilfegruppen-Bewegung ist ein neues Phänomen aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Durch die 12-Schritte-Gruppen wurden in den USA seit den 39ern und in Europa seit den 70ern eine breite Bewegung initiiert, die zuerst als Konkurrenz und Kritikerin auf dem Gesundheitsmarkt wahrgenommen wurde, sich später aber zu einer wertvollen Partnerin für das Gesundheitssystem entwickelte. »Selbsthilfegruppen sind freiwillige, meist lose Zusammenschlüsse von Menschen, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten, psychischen oder sozialen Problemen richten, von denen sie - entweder selber oder als Angehörige - betroffen sind. Sie wollen mit ihrer Arbeit keinen Gewinn erwirtschaften. Ihr Ziel ist eine Veränderung ihrer persönlichen Lebensumstände und häufig auch ein Hineinwirken in ihr soziales und politisches Umfeld. In der regelmäßigen, oft wöchentlichen Gruppenarbeit betonen sie Authentizität, Gleichberechtigung, gemeinsames Gespräch und gegenseitige Hilfe. Die Gruppe ist dabei ein Mittel, die äußere (soziale, gesellschaftliche) und die innere (persönliche, seelische) Isolation aufzuheben. Die Ziele von Selbsthilfegruppen richten sich vor allem auf ihre Mitglieder und nicht auf Außenstehende; darin unterscheiden sie sich von anderen Formen des Bürgerengagements. Selbsthilfegruppen werden nicht von professionellen Helfern geleitet; manche ziehen jedoch gelegentlich Experten zu bestimmten Fragestellungen hinzu.« Zwar sind bei weitem die meisten Selbsthilfegruppen im Gesundheitsbereich aktiv; aber sie beschäftigen sich nicht nur mit Krankheiten, sondern sie bearbeiten auch psychische und soziale Probleme. Endlich-Leben-Gruppen beziehen sich auf Abhängigkeiten (Süchte) und seelische Probleme (z.B. Angst, Panik). Endlich-Leben-Gruppen sind wie viele Selbsthilfegruppen Gesprächsgruppen; sie arbeiten darüber hinaus aber oft auch handlungsorientiert. Selbsthilfegruppen entfalten sowohl das Selbsthilfe-Prinzip das heißt Lösung von Problemen ohne professionelle Hilfe -, als auch das Gruppen-Prinzip - das heißt gemeinschaftliche Problembearbeitung.


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Einführung in die Mitarbeiterrolle

Einführung in die Leitungsrolle Leitziel: »Bringe deine eigene Geschichte mit hinein!«

Schön, dass du dich mit mir auf den spannenden Weg machst, dich nicht nur zu verändern, sondern auch Leitungsfunktionen zu übernehmen. Ich sage einfach mal „du“, oder? Wir sind ja in der Aufgabe miteinander sehr persönlich verbunden. Wir teilen vermutlich viele gleiche Grunderfahrungen und Werte, wir besprechen in unseren Gruppen ähnliche vertrauliche Dinge miteinander. Da stört das etwas unpersönliche „Sie“ doch mit der Zeit. Lass uns auch durch dieses Buch auf gleicher Augenhöhe miteinander reden, in gegenseitigem Respekt und angesteckt von der Leidenschaft, eine Lebensveränderung der Menschen zum Guten bewirken zu helfen. Darum betone ich jetzt gleich am Anfang: Meine Theorie der Endlich-Leben-Gruppenarbeit ist als ein Vorschlag zu verstehen, den du kritisch überdenken kannst wie alle Beiträge in deinen Endlich-Leben-Gruppen. Nimm, was dir hilft, und lass, was du nicht gebrauchen kannst! Denn es ist doch klar: Alles, was ich hier schreibe, habe ich aus meiner Perspektive, aufgrund meiner persönlichen Lebenserfahrungen, meiner Bildung und Ausbildung, meiner Buchlektüre und GesprächspartnerInnen und mit Worten beschrieben, die bei mir Bedeutungen, Gefühle und oft sogar Begeisterung auslösen. Im einfachsten Falle teilst du meine Theorie – also meinen hier durchdachten Blickwinkel. Im schlechtesten Falle, übernimmst du einfach komplett alles ungeprüft. Im besten Falle ist es dir Anregung, eine eigene, stimmigere und für dich und dein Umfeld bessere Theorie zu entwickeln, von der du mir hoffentlich Kenntnis gibst. So könnte ich von dir lernen, wie du jetzt von mir.

Bist du schon wirklich überzeugt, dass du eine Theorie brauchst? Ich möchte mit dir doch noch einmal kurz über diesen Gedanken diskutieren: Braucht man eigentlich eine Theorie? Oder machen Theorien das ganze Leben nicht komplizierter als es sein müsste? Vielleicht denkst du ja so: “Gut, irgendwelchen Wissenschaftlern nützen ja Theorien und theoretisches Wissen, aber ich bin eher ein praktischer Typ. Ich bin gut gefahren mit lebenspraktischen Erfahrungen. Die gebe ich in konkreten Gebrauchsanleitungen aus der Praxis für die Praxis an andere weiter. Vielleicht teile ich mit dir vielleicht ja den gleichen Frust. Viele Theorien haben mich schon beim ersten Anblick eines dicken Buches ermüdet. Ich denke da zum Beispiel an wissenschaftliche Abhandlungen mit ellenlangen und unendlich komplizierten Sätzen. Die Gliederung war unklar, die Sprache war langatmig und es wimmelte von Fremdwörtern. Anregende Beispiele gab es nicht. Das Herz oder die Leidenschaft des Autors konnte ich nicht richtig erkennen. Alles blieb eben so »theoretisch«. Das Wort »Theorie» bedeutet in diesem Fall: unverständlich, langweilig und für die Praxis sogar hinderlich – wenigstens demotivierend. Das genaue Gegenteil sind Bücher, in denen jemand in bunten Farben seine Geschichte erzählt, begeistert von Wundern Gottes oder Entdeckungen berichtet. Das Lesen führt dazu, dass seine Leidenschaft direkt überspringt und ich nicht abwarten kann, alles das, was dieser Mensch da beschreibt, in meinem Umfeld in die Tat umzusetzen. Doch halt. Was so einfach scheint, ist eben nicht genauso eins zu eins in meinen Alltag zu übersetzen. Warum eigentlich nicht? Die klassische Ratgeber- und Selbsthilfeliteratur lebt von den anschaulichen Beispielen, den begnadeten Geschichtenerzählern, die Herzen in Brand setzen können. Das ist eine Gabe Gottes. Nur in jeder dieser Geschichten versteckt sich eine Weltanschauung, eine besondere Weltsicht. Hinter solchen Geschichten steht ein Universum an Überzeugungen, Denkvoraussetzungen und kulturell erlernten Selbstverständlichkeiten. Nur das erzählt der Typ nicht mit. Darüber macht er sich in der Regel keine Gedanken. Er hilft oft nicht, die mühsame Übersetzungarbeit zu leisten. Denn was bei ihm funktioniert, muss ja noch lange nicht bei mir funktionieren. Es kann, ja. Aber es muss nicht! Was für ihn eine Offenbarung war, könnte für mich in meiner Situation und mit meinen Charaktereigenschaften oder meiner Art von Denken ein Flop werden – wenn ich ihn einfach so imitiere. Also. Mit diesem Buch mute ich dir eigenes Nachdenken zu. Damit du am Ende nicht nachmachst, was ich dir vorbete. Bitte prüfe, was du mit deiner Person vor Gott und dir selbst verantworten kannst, und tu es!


Einführung in die Mitarbeiterrolle

Welche Geschichte bringst du mit?

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Träume werden nicht wahr

Wieso hältst du eigentlich dieses Buch in der Hand? Wie bist du zum Gruppenleiter oder zur Gruppenleiterin einer Endlich-Leben-Gruppe geworden? Oder bist du noch gar nicht in der Leitung, sondern stehst mit einer vagen Sehnsucht kurz davor, die Gruppe in deiner Gemeinde zu übernehmen? Oder bist du sogar nur zu schüchtern und konntest nicht nein sagen, als dich jemand gefragt hat, ob du nicht diese Gruppe übernehmen könntest, da doch so dringend GruppenleiterInnen gesucht würden?

»Meine Behinderung machte mir schwer zu schaffen und ich litt sehr darunter, mich nicht fließend artikulieren zu können. Dieses Handicap verunmöglichte mir sogar meinen Wunschtraum, Seeoffizier (Kapitän zu See) zu werden. Nach der Schulzeit begann ich die Ausbildung zum Seemann. Irgendwann wurde mir dann klar, dass eine berufliche Offizierslaufbahn durch diese Behinderung wirklich ausgeschlossen war, und ich brach die Ausbildung ab. Dieses Scheitern gab den Ausschlag für meine Flucht in die Sucht.

Egal – es gibt unterschiedlichste Wege zu einer Gruppenleitung. Auf allen Wegen kann Gott einen guten Gruppenleiter oder eine hilfreiche Gruppenleiterin machen. Und doch gilt für alle Gruppenleitenden ein entscheidenes Prinzip:

Alkohol wirkte wie Medizin

»Jeder bringt sich selbst mit« Um dir an einem Beispiel zu verdeutlichen, wie sehr du deine Denkweisen immer schon mitbringst, möchte dir gleich zu Anfang eine Gedankenübung vorschlagen. Ich stelle dir eine Kurzfassung einer Lebensgeschichte vor Augen und du überlegst dir: Wie wird dieser Mensch wohl als Gruppenleiter in einer Endlich-Leben-Gruppe auftreten… Jetzt zuerst einmal die Geschichte:

Während einer Sprachtherapie mit 16 Jahren fand ich zu meinem Unglück heraus, dass ich mit Hilfe von Alkohol fast fließend sprechen konnte. Nach einer zweijährigen erfolglosen Behandlung riet mir zu allem auch noch der Arzt, in Situationen, in denen ich zum Sprechen gezwungen wäre, doch die Hilfe von ein wenig Alkohol in Anspruch zu nehmen. Alkohol schien das einzige Mittel zu sein, das mir ganz konkret half. So wurden meine Weichen damals falsch gestellt. Da ich enorme Mengen an Alkohol vertrug, steigerte sich mein Konsum rasch. Mit 22 Jahren war ich dem Alkohol total verfallen. Da die kritische Menge, die meinen Sprachfehler aufhob, ständig zunahm, sah ich mich auch nach anderen Hilfsmitteln um. Mehr als 2 Liter Whisky pro Tag konnte ich nicht mehr verkraften.

Am Anfang stand das Trauma In den Fängen des Suchtsystems Einer unserer Mitbegründer der Endlich-Leben-Gruppen hat eine bewegende Geschichte hinter sich. Er erzählt – wie du im Arbeitsbuch nachlesen kannst–, wie er schon als 2-jähriger 1945 auf der Flucht vor den Russen von Posen nach Berlin bei einem der vielen Tieffliegerangriffe einen schweren Schock erlebt, dessen Folge ein starkes Stottern war. Ein zweiter Schock verstärkte das Stottern noch, als er mit etwa 3 Jahren erlebte, wie seine Mutter von zwei russischen Soldaten vergewaltigt wurde. Er soll mit aller Kraft geschrien und am Bettchen gerüttelt haben. Dieses Handicap prägte den weiteren Verlauf seines Lebens. Nach der Rückkehr seines Vaters aus der Kriegsgefangenschaft wurde die Ehe seiner Eltern geschieden. 1952 flüchtete seine Mutter mit seinem Bruder und ihm und seinem heutigen Stiefvater nach Westberlin. Dies bedeutete für ihn die endgültige Trennung von seinem Vater. Er erzählt weiter:

Ich begann, den Alkoholkonsum zu reduzieren und glich den fehlenden Rest mit Medikamenten (Amphetaminen) aus. Dieser Doppelkonsum beschleunigte meine Sucht um so mehr, und ich sackte moralisch, sozial, physisch und auch geistlich völlig ab. Fragen, viele Fragen nach dem Sinn des Lebens, dem Woher, Wozu und Wohin, begannen meine Sinne in Beschlag zu nehmen. Verzweifelt suchte ich nach Antworten. Doch fand ich keinen gangbaren Weg, weder bei den großen Philosophen noch bei den Religionsstiftern, auch nicht in moralischen Programmen und schon gar nicht im Erkenntnisstreben der Wissenschaft. Da ich auf rationalem Weg keine Begründung für den Sinn meiner Existenz finden konnte, wandte ich mich mystischen Einflüssen zu und begann, halluzinogene Drogen zu konsumieren. Diese Trips und rauschähnlichen Zustände verhalfen mir zu ganz neuen, grenzüberschreitenden Erfahrungen, aber die Frage nach dem Sinn meines Lebens blieb weiter ungelöst.


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Einführung in die Mitarbeiterrolle

Ich begann, mich spiralförmig in diese Sinnlosigkeit hineinzusteigern. Meine Räusche nahmen an Stärke, Häufigkeit und Heftigkeit derart zu, dass ich kaum mehr aus dem Rauschzustand herauskam. Ich realisierte, dass ich mich auf diesem Wege langsam, aber sicher umbringen würde. Ja, ich spürte gar, dass ich dieses „Ziel“ zwangsmäßig bewusst ansteuerte. Isolation als die größte Falle

dann in dieses Licht hineingezogen und mein ganzer Leib selbst Licht wurde. Eine tiefe Gewissheit, vollständig erlöst worden zu sein und ewiges, unzerstörbares Leben aus Gott erhalten zu haben, durchflutete mein ganzes Sein. Ich wurde mit einem unbeschreiblichen Glück und Frieden erfüllt und ich wusste, ich war frei, echt frei! Endlich hatte ich meine Antwort. Meine Suche war zu Ende. Ich konnte alle Dinge in einem neuen Licht sehen und vieles wurde glasklar. Ich war geplant, gewünscht und tief geliebt von Gott. Diese Erkenntnis bewirkte ein unglaubliches Maß an innerer und äußerer Heilung. Dadurch, dass Gott mich annahm, so wie ich war, konnte ich zum ersten Mal in meinem Leben Ja zu mir sagen und mich selbst mit einer kaputten Vergangenheit annehmen. Die Minderwertigkeitskomplexe wegen meines Stotterns waren wie ausgelöscht. Ich konnte endlich ich selber sein, echt sein und neu zu leben beginnen.

Die Menschen wurden zum Feindbild und meine Wut und mein Hass wuchsen gefährlich ins Unermessliche. In wüsten Schlägereien versuchte ich mir etwas Luft zu verschaffen. Auch einige kleinere Siege, errungen durch widerliche okkulte Kraftspielchen, konnten meinem kaputten Selbstwertgefühl nicht mehr auf die Beine helfen. Verschiedene gerichtsmedizinische klinische Zwangs-Entzugs-Einweisungen blieben ohne Erfolg. Mit der Diagnose einer unheilbaren Polytoxikomanie wurde ich, als hoffnungsloser Fall, aus einer psychiatrischen Klinik entlassen. Ich selbst hatte mich aufgegeben. Ich befand mich in einem Zustand der Eine neue Schöpfung – anfällig für das Alte totalen Sinn- und Hoffnungslosigkeit. Ich war tatsächlich ein neuer Mensch. Mit dem Verstand konnte ich diesen Vorgang nicht fassen. Auch Gott zeigt sich Elenden besonders eindrücklich viele meiner alten Freunde waren sprachlos über Tief in meinem Elend versunken, offenbarte sich mir meine plötzliche Wandlung und versuchten vergebJesus Christus eines Abends auf außergewöhnliche lich, für diese Vorgänge eine plausible Erklärung zu Weise. Ich durfte den Inhalt des Evangeliums in einer finden. Für sie war ich ein lebendiges Wunder. „Wie ausführlichen, bestechend klaren Vision in einer kann ein so kaputter Mensch sein Leben von einem unglaublichen Tiefgründigkeit erleben. Ich erkannte Tag auf den anderen um 180 Grad wenden?“, hörte die absolute Notwendigkeit, erlöst werden zu müs- ich sie sagen.« sen. Ich musste erlöst werden! Ich erlebte eine regelrechte Gerichtsverhandlung, bei der ich zum Tode ver- Diese Geschichte ist in der Ich-Form im Arbeitsbuch urteilt wurde. Aus dem Gitterfenster der Gefängnis- »Endlich Leben!« noch ausführlicher beschrieben. zelle sah ich, auf meine Hinrichtung wartend, wie in einiger Entfernung auf einem Hügel ein Holzkreuz errichtet wurde. Ich spürte, dass man mich jeden Welche Rolle spielt deine Erfahrung als LeiterIn? Augenblick abholen würde. Doch dann sah ich, wie ein anderer an dieses Kreuz geschlagen wurde. Der Jetzt komme ich auf meine kleine Gedankenübung Schrecken blieb mir in den Gliedern stecken. Wie zurück. Meine Frage lautet: Welche Lehre ziehst du gebannt starrte ich auf dieses Geschehen. Danach aus solch einer Geschichte? kam jemand auf mich zu und erklärte: „Du bist frei, Um das herauszufinden, bitte ich dich um folgendu kannst gehen!“ Völlig verwirrt fragte ich stockend, des: warum ich denn jetzt plötzlich frei wäre. Die Antwort Schreibe möglichst schnell (ohne langes Grübeln) durchzuckte meinen ganzen Leib: „Ein anderer ging 10 Lehrsätze auf, die man aus dieser Geschichte folfür dich an das Kreuz. Er nahm deine Strafe auf sich… gern könnte. Ja, ich möchte exakt 10 Lehren von dir, Du kannst gehen!“ 10 kurze Sätze, die jeweils anfangen: Aus dieser Geschichte kann man lernen, dass … Wenn du nach 6 Sätzen Probleme hast, erfinde Gott überließ es mir, ob ich seine Liebe erwidere auch Aussagen, zu denen du inhaltlich nicht stehen kannst, die aber theoretisch möglich wären. Jesus ließ mir die Wahl, sein Opfer anzunehmen oder abzulehnen. Voll Ergriffenheit betete ich und gab dem auferstandenen Herrn mein Leben. Es war ein unbeschreiblicher, wunderbarer Augenblick, als ich


Meine 10 Lehren aus der Geschichte

Meine 10 »Lehren« Aus dieser Geschichte kann man lernen, dass…

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Einführung in die Mitarbeiterrolle

Jede Theorie ist denkbar, wenn…

mal über scheinbare Selbstverständlichkeiten kritisch nachdenkt? Hinter jedem dieser eben aufgelisteten Neugierig auf meine „Theorien”? Hier findest du Sätze steckt wieder eine komplette Theorie oder eine mal meine 10 Lernsätze, die ich willkürlich aneinander ganze Weltanschauung vom Leben. reihe… Aus dieser Geschichte kann man folgern, dass …

Motiviert für eine geordnete Theorie?

1. … jeder stotternde Mann gefährdet ist, später einmal harte Drogen zu nehmen. 2. … Alkohol eine echt hilfreiche Medizin ist. 3.… Gott diesen Mann so lange hat leiden lassen, weil er sich durch seinen Alkoholkonsum schuldig gemacht hat. 4.… christliche Bilder von Gott nur grausam sind, weil es immer und immer wieder um Gericht geht. 5.… jeder Mensch, selbst wenn er noch so viel Chaos im Leben angerichtet hat, eine Chance bekommt. 6.… solch ein verkorkster Mensch auf jeden Fall keine Gruppe in meiner Gemeinde leiten sollte. 7.…unschuldige Menschen beim Start in ihr Leben Opfer mit schweren Schicksalen sein können und später infolge falscher Reaktionen und Entscheidungen selbst zu Schuldigen und Tätern werden. 8.… wenn man seine ganze Geschichte mit Vorgeschichte kennt, derselbe Mensch viel genauer und gerechter beurteilt werden kann, als wenn ich nur einen Ausschnitt seiner Lebensgeschichte kenne. 9.… Gott bei einigen Menschen erstaunlich real wird – ihnen körperlich, zum Greifen nahe kommt. 10.… Menschen, die Gott nicht so konkret erlebt haben, etwas fehlt und sie womöglich keine wahren Christen sind.

Lehren, Theorien, Ansichten, Weltanschauungen? Natürlich möchte ich dich nicht über das Maß hinaus verwirren. Aber ein bisschen muss ich die Illusion stören, dass es einfach und selbstverständlich sei, dass zwei Menschen sich verständigen können. Es gehört mit zu den erstaunlichsten Wundern, wenn das geschieht. Gründlich durchdachte Theorien können dir in der Praxis (auch in Endlich-Leben-Gruppen) helfen, möglichen Fehlschlüssen, naheliegenden Missverständnissen oder selbstverständlichen Denkgewohnheiten nicht auf den Leim zu gehen.

Stellen wir uns einfach mal ganz dumm…

Der berühmte Satz aus der Feuerzangenbowle: »Stellen wir uns doch einfach mal ganz dumm…« ist der Schlüsselsatz, um Neues als Neues zu erkennen, um den eigenen Vorurteilen und vorschnellen Schlüssen auf den Grund zu gehen und um möglicherweise einfach nur lernbereit zu werden. Das lässt uns staunen wie ein Kind, die Welt entdecken, die verborgenen Gesetze herausfinden, die Regeln verstehen oder überprüfen, ob sie auch in einem anderen Bereich, in einem anderen Leben oder zu einer anderen Zeit gelIch habe meine »Lehren« wirklich spontan aufge- ten. So lernen wir, so entwickeln wir uns weiter. Das schrieben. Vielleicht oder sicherlich gibt es noch ganz also soll dieses Buch bei dir fördern. andere. Vergleiche doch einmal, ob du auf ähnliche Lehren gekommen bist oder noch völlig andere Ansichten herausgefunden hast. Oder müsste ich bes- Endlich-Leben-Gruppe als Lernraum ser sagen: Ob du andere Standpunkte eingenommen hast oder noch einmal anders gefragt: Wenn du gefragt wirst: Was ist eigentlich eine Welche Theorie über das Leben aktivierst du in dir, Endlich-Leben-Gruppe? Wie würdest du ohne viele wenn du diese Geschichte zu verstehen versuchst? Fachworte zu gebrauchen antworten? Hat dich diese Übung nachdenklich gemacht? Was für eine Lehre ziehst du aus dieser Übung? Vielleicht: • Alles ist denkbar. • Jeder Mensch glaubt, woran er glauben will. • So missverständlich kann einer sich ausdrücken, dass nachher andere zu völlig unterschiedlichen Schlüssen kommen. • Die Sache mit Gott ist ziemlich kompliziert. • Jetzt bin ich völlig verwirrt. Das Leben steckt voller Überraschungen. • Das Leben ist völlig willkürlich und es gibt keine Ordnung, wenn ich es nicht ordne. Merkst du, wie kompliziert es wird, wenn man ein-

Eine mögliche Antwort ist vielleicht die: Endlich-Leben-Gruppen sind Orte, wo Menschen sich treffen, um besser leben zu lernen. Alle bringen ihre bisherigen Lernerfahrungen mit, tauschen sich aus und entdecken, wo sie ihre Ansichten über das Leben vielleicht ändern oder anpassen müssen an neue Fakten, neue Erkenntnisse oder neue Herausforderungen. Und weil jeder seinen blinden Fleck hat, ist es gut, dass es in der Gruppe viele Meinungen über das Leben gibt. So können wir durch sorgfältiges Zuhören und Vergleichen herauszufinden suchen, was für uns wahr, vollkommen und gut im Leben ist.


Meine Definition meiner Endlich-Leben-Gruppe

Endlich-Leben-Gruppen sind‌

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Einführung in die Mitarbeiterrolle

Damit Veränderung im Leben passiert, müssen bestimmte Voraussetzungen dafür gegeben sein. Moderne Lernpsychologie beschreibt die Faktoren, die Lernen fördern oder blockieren, bzw. für Lernen eine günstige oder ungünstige Wirkung haben. Veränderung ist nämlich nichts anderes als Lernen. Wir müssen als GruppenleiterInnen für EndlichLeben-Lerngruppen also möglichst herausfinden: Was fördert das Lernen? Oder was kann Lernen möglicherweise verhindern? Dabei ist besonders spannend die Frage: Was kann ich als GruppenleiterIn dazu beitragen, dass ein förderlicher Lerneffekt entsteht? Und die Folgefrage: Was kann ich nicht beeinflussen? Selbst wenn ich mich sehr anstrenge, gibt es einiges was ich nicht bei anderen oder mir »machen« kann, also aktiv herstellen kann. Was sind also meine Möglichkeiten und Grenzen als GruppenleiterIn in dem besonderen Lernraum, den es eine Endlich-Leben-Gruppe darstellt?

Dein Hirn lernt Tag und Nacht ohne Ende Die Hirnforschung ist in den letzten Jahren für die unterschiedlichen Wissenschaften vom Menschen immer wichtiger geworden, weil viele Verhaltensweisen der Menschen durch moderne Hirnforschung in einem neuen Licht erscheinen. Eine spannende Erkenntnis ist: Alles, was wir denken, alles, was wir tun, alles, was wir fühlen – wird vom Gehirn aus gesteuert. Na gut. Das ist noch nicht so neu. Aber alle Gehirnaktivitäten sind bis ins hohe Alter veränderbar! Veränderbar bis zum Tod? Ja, die Hirnforscher sprechen von der erstaunlichen »Plastizität» des Gehirns. Alles ist formbar. Nur nach welchen Gesetzen formt oder verformt sich das Gehirn? Wer oder was formt da? Nun, soweit wir wissen, funktioniert das Gehirn nach einem Grundprinzip: dem Gleichgewichtsprinzip (Homöostase). Dieses Prinzip steuert in den allermeisten Fällen unbewusst unser Verhalten, Fühlen und unsere Aufmerksamkeit dahin, dass wir besser mit der nächsten Situation in unserem Leben umgehen können, besser auf die Herausforderungen eingestellt sind und im günstigsten Fall zufriedener mit uns selbst und unserer Umwelt umgehen können – möglichst ohne das vorhandene Gleichgewicht zu stören. Ob wir es uns bewusst machen oder nicht: Das Gehirn lernt ständig. Es nimmt durch die Sinne Augen, Ohren, Nase, Haut unsere Welt wahr. Alles, was da an Informationen reinkommt, wird gefiltert, gemustert und an die jeweiligen zuständigen Instanzen verteilt. Es werden die nötigen Schlussfolgerungen gezogen, manche (falschen) Gedanken, Verhaltensweisen oder EInstellungen werden »verlernt«. Das sind die Dinge,

die nicht passen. Und das Gehirn erlernt neu (oder vertieft Bekanntes), was aus irgendeinem Grund jetzt passig erscheint. Unser ganzes Leben besteht daraus, ein an die Herausforderungen dieser Welt optimiert angepasstes Verhalten zu lernen. Und nachts speichert das Gehirn das Gelerntr und sortiert es in seine »Schubladen« ein, um später auf das Wissen zugreifen zu können. Möchtest du deinem Gehirn dabei bewusst und unterstützend zur Seite stehen? Du kannst auch in mühevollen Lernfortschritten durch Versuch und Irrtum den Weg herausfinden. Aber der Mensch ist im Unterschied zum Tier ja fähig, Erlerntes in Sprache festzuhalten. Ist es nicht faszinierend, dass wir sogar von Menschen, die vor Tausenden von Jahren gelebt haben, lernen können. Möchtest du herausfinden, was hilft, dass EndlichLeben-Gruppen zu einem optimalen Lernraum für das Leben werden – ich muss hinzufügen: für ein Leben wie es aus christlicher Perspektive gut wäre? Möchtest du die möglichst gute Bedingungen für eine EndlichLeben-Gruppe schaffen? Dann beachte die folgenden Effekte, die immer in einer Gruppe mitwirken.

Auf welche Effekte muss ich noch achten? Eine Endlich-Leben-Gruppe wird immer in einem größeren Umfeld platziert sein: • in einer christlichen Gemeinde • in einem bestimmten Land • mit einer bestimmten Kultur • mit einer (jahrhundertealten) Frömmigkeitstradition • mit einer bestimmten Sprache • mit unterschiedlich geprägten Familien • und deren Familientraditionen • mit Menschen, die einzigartige Geschichten haben. Und wenn wir eine Endlich-Leben-Gruppe völlig neu erfinden könnten, wird sie eine Leitungsperson brauchen… • und zwar z.B. dich • mit deinem Leitungsverständnis • mit deinem Leitungsstil • mit deinen dir wichtigen Werten • deinen Haltungen, die du dort erkennen lässt • deinen unbewussten oder bewussten Theorien • und unbewussten oder bewussten Erfahrungen • deinem Glauben oder Unglauben • deiner Persönlichkeit • deinen christlichen Ritualen • deiner spirituellen »Muttersprache» • deinen millieubedingten Ekelgrenzen • deinen einzigartigen Ressourcen und vielem mehr…


Einführung in die Mitarbeiterrolle

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Darum wird wohl keine Endlich-Leben-Gruppe sein wie eine andere. Erstaunlich genug: Trotzdem 70 Jahre später… kannst du eine Endlich-Leben-Gruppe als eine solche erkennen – nur woran genau? Und ab wann ist es Mein Versuch mit diesem Handbuch für Gruppenkeine Endlich-Leben-Gruppe mehr? Am besten orien- leitung in Endlich-Leben-Gruppen geht aber über das tierst du dich für die Antwort an der 12-Schritte-Tra- Modell »Einleben» hinaus. dition. Denn aus dieser Tradition lebt ja die EndlichIch habe die Erklärungen der Gründungsväter und Leben-Gruppenarbeit. -mütter der 12 Schritte ausführlich studiert, um sie zu verstehen. Ich habe auch die Nachfahren der Gründungsgeneration durch ihre Bücher und persönliche Wieso helfen die 12 Schritte beim Lernen? Begegnungen kennengelernt, ihre Erklärungen und Deutungen reflektiert. Ich habe außerdem die Vielleicht fragst du dich immer noch: Warum kann 2000jährige Theologiegeschichte durch mein Studium ich manches verändern, anderes aber gar nicht ein- im Hinterkopf, kenne die Theorien der Heiligungsfach ändern? Wenn es doch immer darum geht, Neues und Seelsorgebewegungen unterschiedlicher Epozu lernen? Warum kann mein Superhirn nicht einfach chen und stoße auf die noch junge Psychologiegeauf eine neue Idee kommen? Einfach mal etwas schichte, die heute mit der aktuellen Hirnforschung anders machen? Mal eine neue Lösung ausprobieren? auf biologische und biochemische GrundlagenforOder sich einfach auf den WIllen besinnen und etwas schung aufbauen kann. Alles in allem eine Vielfalt an Modellen und Theorien, die sich alle um den Menanderes als sonst üblich wollen? Vieles, wenn nicht sogar das Allermeiste, lernen schen und sein Leben und die Veränderung dieses Menschen wie von selbst – mehr oder weniger schnell. Lebens zum Guten kümmern. Wenn du das alles hörst, merkst du, dass ich eine Und doch gibt es das erstaunliche Phänomen, dass ein Mensch nicht mehr lernt. Aus irgendeinem Grund Auswahl treffen musste. Ich kann dir hoffentlich ein scheint das Sinnvolle, Gute, Nützliche nicht mehr bisschen plausibel machen, warum ich genau diese erstrebenswert. Wirken sich hier Lernblockaden aus? Auswahl getroffen habe. Aber ich gebe auch zu: Es ist Oder erkennt das Gehirn nicht mehr, was dem Men- meine spezielle Mischung aus Erklärungen geworden. schen gut täte? Was ist passiert? Warum brauchen Ein anderer hätte dir die Perlenkette anders aufgefämanche Menschen spezielle Lernhilfen? delt oder das Denkgebäude anders abgestützt. In Endlich-Leben-Gruppen finden sich Menschen Darum bleibt deine Aufgabe weiter bestehen: Finde ein, die wenigstens diese Erkenntnis gemeinsam deine eigene Theorie heraus! haben: Wir brauchen einander, um neue Wege in unserem Leben gehen zu lernen. Wir brauchen aus einem geheimnisvollen Grund diese Gemeinschaft. Die prägende Kraft der Leitbilder Selbst wenn sie keine Theorie darüber entwickeln, warum diese Gruppe mit den 12 Schritten ihnen hilft, Vielleicht hast du ja schon deine »Theorie« – unbeerleben sie, dass es ihnen gut tut, teilzunehmen. wusst, irgendwo im Bauch? Stell dir vor, du könntest So haben zumindest die Väter und Mütter des 12- in einem Bild beschreiben, wie eine Endlich-LebenSchritte-Programms immer wieder argumentiert. Gruppe deiner Ansicht nach zu verstehen sei und welNach jedem Gruppentreffen hieß es: »Komm wieder, che Aufgabe du darin als LeiterIn hast. Im Unterschied es hilft» (auf amerikanisch klingt es einfach schöner: zur Übung auf S. 15 geht es hier vor allem um deine »Come back, it works!») Leitungsrolle. Du darfst alle Vergleiche heranziehen, Warum »es» wirkt? Darüber gibt es wieder unter- die dir irgendwie passend erscheinen. Damit du es dir schiedliche Theorien oder Ansichten. Wir haben im nicht zu einfach machst, solltest du die klassischen BilArbeitsbuch eine Menge Erklärungen dazu aufge- der der christlichen Seelsorge (für diese Übung jedenschrieben. Zusammenfassend läßt sich sagen: falls!) nicht benutzen. Also beschreibe sie bitte jetzt Die Anonyme Alkoholiker haben durch mühevol- nicht so: les Versuch-Irrtum-Experimente an sich selbst herausSie ist wie eine Herde von Schafen, bei der ein gefunden, was ihnen half und was nicht. Dann haben Hirte hilfreich die Leitung übernimmt und den Schasie es in ihrem damaligen Umfeld mit Hilfe ihrer The- fen den Weg zu den Weidegründen vorangeht. orien (medizinischer, psychologischer oder spiritueller Theorien) in einer pragmatischen Praxisanleitung – Nun, wie lautet deine Leitungsauffassung in einem den 12 Schritten – formuliert. Und für alle, die ähnli- Bild? Werde kreativ und versuche wenigstens 2 mögliche Lebensmuster mitbringen wie eben Alkoholiker, che Bilder zu formulieren. Wenn du noch keine Endscheint »es« eine Verbesserung ihres Lernens zu brin- lich-Leben-Gruppe erlebt hast, kannst du diese Übung gen. als Fantasieübung umsetzen. Benutze die S. 19, um Ihr Tipp damals wie heute lautet: Lebe dich in deine Leitbilder aufzuschreiben. unsere Gemeinschaft ein und du wirst es erleben.


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Einführung in die Mitarbeiterrolle

Begründung meiner Auswahl an Theorien Ich hatte eben gesagt, dass meine spezielle Auswahl an Erklärungsmodellen für das Verhalten in christlichen 12-Schritte-Gruppen nach dem EndlichLeben-Modell natürlich der 12-Schritte-Tradition, aber auch persönlichen Vorlieben und biografischen Fakten zu verdanken ist. Und doch kann ich im Nachhinein zumindest etwas erklären, wieso ich diese Theorien lieber ausgewählt habe als andere. Ich mag – wie die meisten anderen – möglichst stimmige Modelle. Das bedeutet: Wenn ein Modell mit wenig Aufwand und möglichst einfach erklären kann, wie die Wirklichkeit ist, dann nehme ich es – bis der mögliche Fall eintritt, dass ein Widerspruch auftaucht, der nicht ins »Schema« passt. Dann muss ich diesen Widerspruch entweder leugnen, kleinreden oder umdeuten oder anderswie beseitigen … oder ich bin gezwungen, mein Erklärungsmodell anzupassen. Solange ich möglichst viele Einzelbeobachtungen in mein Modell einbauen kann, ohne dass sie alles durcheinanderbringen, ist es für mich brauchbar. Denn jedes Modell ist nur so gut wie es die Wirklichkeit vereinfacht abbilden kann. Wenn ein Modell zu komplex (also unübersichtlich) wird, kann ich im Alltag damit nicht mehr umgehen. Dann nützt es als Modell der sowieso immer komplexen Wirklichkeit nicht mehr. Es ist zu kompliziert geworden.

Erklär es mir einfacher… Du kannst mich also immer dann überzeugen, wenn du es schaffst, mir eine Erfahrung, eine Lebensveränderung oder ein Symptom einfacher zu erklären, als ich es bisher konnte. Dann werde ich dein Modell gerne übernehmen, weil es mir besser hilft, die Welt um mich her zu verstehen. Übrigens werden dir meine Erklärungen nicht unbedingt einfach erscheinen. Das liegt auch daran, welches Vorwissen jede oder jeder mitbringt. Oder vielleicht brauchst du gar nicht so viel Hintergrundswissen und du nutzt einfach nur die Ergebnisse meiner Theorien und arbeitest damit. Für manche sind die Details gar nicht so nötig oder wichtig. Es reicht also oft schon, denn Sinn einer Theorie zu erfassen.

Mal es mir schöner… Einfache Modelle sind also nicht die Wirklichkeit, aber sie helfen, besser mit der Wirklichkeit umzugehen. Und einfache Modelle sind auch in der Regel ästhetischer oder schlicht schöner. Wenn du mir ein schöneres, schlichteres oder cooleres Design für ein Schaubild eines einfachen Modells

machen kannst, hast du mich persönlich sofort überzeugt. So funktioniert mein Gehirn: Alles Große ist einfach und schön. Wahrscheinlich geht es dir ähnlich wie mir, weil auch dein Gehirn überschaubare, schlüssige Erklärungen liebt. Aber halt, da liegt auch eine Gefahr.

Vereinfachungen nützen am Ende nicht Ja, ich weiß es. Wenn ein Modell zu simpel wird (was etwas anderes als einfach ist), verfälscht es die Wirklichkeit und nützt gar nicht mehr, sondern führt zu falschen Schlüssen. Viele sind schon auf ein einfaches, schönes Modell hereingefallen, weil es so plausibel wirkte und so schön verständlich war. Dabei haben sie nicht gemerkt, dass die Wirklichkeit viel komplexer (vielfältiger und spannungsreicher) ist, als in diesem Modell vielleicht abgebildet werden konnte. Ein Beispiel in der Forschungsgeschichte ist die Entdeckung des »Systems». Erstaunlich ist es schon, dass die Systemforschung erst im 20. Jahrhundert so richtig Fahrt aufgenommen hat. Die »Kybernetik«, was übersetzt Steuerungslehre bedeutet, also die Steuerungslehre von komplexen Systemen hat es schließlich geschafft, komplizierteste Zusammenhänge von unwahrscheinlich vielen einzelnen Teilchen zu verstehen – wie z.B. das Zusammenwirken der Nervenzellen des Gehirns, das aus Milliarden von einzelnen Zellen, den Neuronen, besteht. Dabei wirken erstaunlich wenige und einfache Steuerungsprinzipien, die Voraussagen über das Verhalten eines komplexen Systems möglich machen. Wenn Menschen dieses für uns jetzt verfügbare Wissen nicht nutzen, um die wichtigsten Steuerungsentscheidungen zu treffen, die z.B. das Finanzsystem, das Ökosystem oder auch ein Familiensystem oder ein Gemeindesystem weise steuern, liegt das oft daran, dass sie intuitiv oder sogar bewusst nach Modellen arbeiten, die simplifizieren. Wer simplifiziert, macht es sich zu einfach und erzeugt damit falsche Modelle oder Überzeugungen. Dann kommen solche Ratschläge auf wie: »Du musst nur dies und das tun… dann erhältst du das gewünschte Ergebnis«. Gerade bei Sucht scheint es aller Erfahrung nach so einfach nicht zu gehen.»Du musst nur aufhören mit…!« Dieser Vorschlag fußt auf einem simplifizierten Modell über die Kraft der Gedanken oder Willensentscheidungen. Die neuere Hirnforschung hilft uns, Sucht als Suchtsystem mit vielen Zusammenhängen und Wirkungen zu verstehen.


Was ist dein Leitbild f端r Gruppenleitung?

Meine Leitbilder f端r Gruppenleitung 2 Bilder, die mich leiten k旦nnen

Welches der aufgeschriebenen Bilder ist deine Nr. 1? Welche Anforderungen an die Gruppenleitung passt dort zu dir? Welche sind vielleicht 端berfordernd?

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Einführung in die Mitarbeiterrolle

Motiviert für ein Lehrbuch zum Mitdenken? Nachdem ich einige meiner Denkvoraussetzungen für die Arbeit mit diesem Übungsbuch dargelegt habe, fragst du dich vielleicht: »Meint er das wirklich ernst? Kann ich nach dem Durcharbeiten dieses Mitarbeiterhandbuch machen was ich für richtig halte? Das wäre ja das erste Lehrbuch, das von sich selbst nicht überzeugt ist.« Nein, diesen Eindruck wollte ich nicht hinterlassen. Natürlich bin ich von meiner Meinung, meinen Theorien und dem Aufbau dieses Lehrbuches überzeugt. Nur mein Ziel ist es nicht, von mir abhängige Schüler zu produzieren, sondern selbständige und selbstbewusste Lehrer, die wissen, wofür sie selbst stehen. So hast du z.B. auf S. 19 dein eigenes Leitbild für deine Gruppenleitung beschrieben und kannst es auch mit eigenen Worten begründen, wenn du gefragt wirst. Wenn du am Ende tust, was du deinem Leitbild gemäß für richtig hältst, finde ich das gut. Nur frage ich natürlich kritisch nach, wenn du –mit welchem Modell auch immer – handelst: Hast du zum Beispiel dieses Gruppenleitungs-Leitbild gewählt, weil es dir so nahe lag? Weil es das war, das du mit möglichst wenig Selbstveränderung umsetzen kannst, was eben glatt in dein bisheriges System passt? Vielleicht ist es auch ein theologisch begründetes Modell, das deine Gemeinde bevorzugt, und es würde nur Stress bringen, wenn du das Gemeinde-Leitungs-Modell verlassen würdest. Bist du dir aber sicher, dass du damit wirklich gut fährst? Oder hast du dir eine handlungsleitende Theorie ausgewählt, die wirklich alle Herausforderungen, Aufgaben und Fälle, die im Endlich-Leben-Gruppenalltag auftauchen, erklären und bewältigen und das Leben für alle sowohl ethisch-moralisch wie auch gesundheitlich und spirituell besser machen kann? Solche Fragen helfen dir, dich zu orientieren und deiner Zielsetzung um so gewisser zu werden.

Zusammenfassende Lernziele für das Gruppenleitungs-Übungsbuch Die bisherigen Ausführungen enthielten übrigens schon die wesentlichen Werte des Endlich-Leben-Programms, hast du es gemerkt? Ich werde unsere Werte im folgenden Buch ausführlich in eine praxistaugliche Theorie für Gruppenleitung von Endlich-Leben-Gruppen übersetzen. Und das ist ein kurzer Überblick über das, was du lernen wirst: • Intuitiv gilt: Gelungene Endlich-Leben-Gruppen wirken selbstverstädnlich, einfach und harmonisch (einfach schön!). • Die Lernziele der Endlich-Leben-Gruppe sind der ganzheitliche Aufbau von Beziehungen zu mir, anderen, der Welt und Gott als dem Geheimnis hinter dieser materiellen Welt. Alle Methoden werden nicht ohne solchen Beziehungsaufbau auskommen. • Gruppenprozesse in einem Lernsystem kann ich nie von außen erzwingen: »Schritte» sind dementsprechend keine »Gesetze», sondern sie ereignen sich selbstmotiviert. Es gibt keine geheimen „Techniken”. Das gilt auch für meine Gruppenleitung: Entweder ich bin echt und motiviert oder ich bin es nicht. • Ich kann als LeiterIn in Weisheit etwas in der Gruppe steuern, aber es bleibt das unverfügbare Moment, dass in der Wirklichkeit mehr passiert, als ich per Modell verstehe oder in der Hand habe. Gott und seine Wunder müssen von der Leitung immer einkalkuliert werden. • Ich kann mich nie aus dem Ganzen heraushalten. Als LeiterIn bin ich immer mit meiner ganzen Person im System anwesend. Und das macht etwas mit mir und mit allen anderen. Es gibt keine objektiv gute Leitung. Solange ich dabei bin, gibt es subjektiv gute Leitung – aber das mit guten Begründungen. • Ich bleibe mein Leben lang am Lernen. Darum bin ich bereit, mich immer wieder der ganzen Wahrheit der Wirklichkeit auszusetzen und »kapituliere« (Schritt 1), wenn meine Theorie nicht mehr passt. Dann werde ich meine unpassende Theorie zugunsten einer besseren aufgeben. Lernen bleibt ein lebenslanger Weg.


Einführung in die Mitarbeiterrolle

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Schlüsselbegriffe Jede Praxis benötigt eine Theorie • Ich mache zwar einen Theorievorschlag für unsere Gruppenarebeit, aber mir wichtig, dass du deine eigene Theorie an meiner schärfst und bewusst klärst, wie du dich und deine Rolle im Ganzen verstehst.

Gruppendefinition • Die Gruppe ist ein Raum zum Umlernen schlecht angepasster Verhaltensmuster (dysfunktionaler Muster) zu funktionalen Lebensmustern.

Rolle der Humanwissenschaft • Gehirnforschung im Verbund mit Psychologie, Theologie und Soziologie hilft uns besser zu verstehen, was Leben fördert oder hindert.

Theologie • Theologie ist der menschliche Versuch, ein systematisches Gespräch über die Wirklichkeit und Wirkweise Gottes über die Jahrtausende zu organisieren. Der moderne Wissenschaftsbegriff machte »Theologie« einseitig zu einem Universtätsfach. Jede Gemeinde bringt ihre christliche Deutung mit in die Gruppenarbeit, ohne Denkvorgaben für die Gruppenmitglieder zu machen. Jeder und jede steht in der Gruppe für den eigenen Glauben ein und lernt vom Glauben der anderen. Auch das ist Theologie – eben ein andauerndes Gespräch miteinander und mit Gott.

Selbsterfahrung • Als GruppenleiterIn bist du mit dir selbst, deiner Theologie und deiner Geschichte mitten im Gruppengeschehen drin. Darum ist Selbstreflektion und ein selbstkritischer Abstand für deine Moderations-Aufgabe eine wichtige Hilfe.

Gruppenregeln • Die Gruppenregeln und -formen haben einen Sinn. Du solltest sie gründlich verstehen und erklären können, um sie in der Gruppenarbeit gut einzusetzen.

Gruppenprozesse • Die Prozesse in der Gruppe verlaufen nach eigenen Gesetzmäßigkeiten, die zu verstehen dir hilft, die Gruppe zu fördern.

Der Raum • Wie der Raum gestaltet wird, ist deshalb wichtig, weil er durch seine Atmosphäre bei den Gruppenprozessen mitwirkt.


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Verlauf der Gruppentreffen

Planung zum Verlauf der Gruppentreffen Zeit:

Inhalt

Beschreibung der Phasen

19.15 Uhr

Raum vorbereiten

19.30 Uhr

Geistliche und praktische Vorbereitung von Leitung/Coleitung

0. Vorbereitungs-Phase: Selbstklärung (vor Gott und Co-Leitung). Als Gastgebende übernehmen sie Verantwortung für die Räume: Denk-, Leibraum und VersammlungsRaum.

20.00 Uhr:

Herzliche Begrüßung

20.05 Uhr:

Geistliche Einstimmung für alle: Lieder und Gebete

20.25 Uhr:

1. Gesprächsrunde »Blitzlicht» „Wie geht es dir?“

20.45 Uhr:

2. Gesprächsrunde: Inhalte rund um den Schritt (Prozess) oder Buch (Inhalt). • Was ist mir wichtig • Fragen? • Geschichten aus der letzten Woche • Feedback der Gruppe erfahren

21.30 Uhr:

3. Austausch über die Ziele /Hausaufgaben

21.40 Uhr:

Abschlussgebet: • freie Gebete füreinander/miteinander • Segensgebete

1. Phase: Sein (vor Gott und Menschen) Jede christliche Gemeinschaft hat ihre Lieder und Gebete. In Endlich-Leben-Gruppen nimmt man Rücksicht auf Suchende und Anfänger im Glauben. So sein dürfen, wie man wirklich ist.

2. Phase: Zeigen Wo stehen wir inhaltlich? Den jeweiligen Schritt vorstellen. Geschichten aus dem Alltag der Teilnehmenden zum Schritte-Thema. Die Gruppenteilnehmenden sind sich gegenseitig »Spiegel« durch ihr spontanes Feedback und die hilfreichen persönlichen Geschichten aus ihrem Leben. Gruppenmitglieder dürfen konkret um Korrektur, Rat oder Unterstützung bitten, wenn sie das wollen. 3. Phase: Mitnehmen Was habe ich heute gehört? Was möchte ich behalten? 4. Phase: Entscheiden Mein Vertrag mit mir selbst, mit Gott oder der Gruppe. Ich mache etwas fest. Andere stehen für mich ein.

22.00 Uhr:

Abschluss Vaterunser / Gelassenheitsgebet

5. Phase: Geistlicher Schlusspunkt Jetzt gehe ich mit Gott weiter…

22.10 Uhr

mögliches Nachtreffen

22.40 Uhr

Ende für LeiterInnen

Mitarbeitende machen noch ein IntervisionsTreffen (um aktuell voneinander zu lernen)


Verlauf der Gruppentreffen

Die Gruppenregeln Nur von sich reden! Sage nicht: „Man kann das nicht ...“, sondern: „Ich kann das nicht!“ Rede in der Ich-Form! Einander stehen lassen!” In unseren Endlich-Leben-Gruppen herrscht eine Atmosphäre von Liebe, Annahme und Vergebung. Das macht es dir möglich, Gefühle ohne Furcht vor Ablehnung zuzulassen und auszudrücken. Ehrlich, offen und echt sein! Auch wenn ihr euch gegenseitig stehen lassen sollt, ist deine ehrliche, offene und echte (z. B. spontane) Reaktion für die anderen Gruppenmitglieder sehr wichtig. Sie lernen daran. Beispiel: „Kann es sein, dass du dir da etwas vormachst?“, oder: „Kann es sein, dass du hier vor dir wegläufst? Ich kenne das bei mir auch, das war so …, darf ich dir das erzählen?“ Bitte keine ‚billigen‘ Lösungen! Wenn Gefühle, Aussagen oder Situationen auftreten, von denen ihr euch überfordert fühlt, weil ihr keine passende Reaktion findet, haltet das aus. Bitte keinen voreiligen „Zuspruch“ oder „Trost“ spenden, der nur dir selbst hilft, deine Unsicherheit zu verlieren. Beispiel: „Das wird schon wieder! Du musst nur…“. Also: Keine vorschnellen Lösungen anbieten! Jede und jeder muss die Lösungen für die eigenen Probleme selber herausfinden und verstehen können. Lass Glaubensüberzeugungen stehen! Diskutiere in den Gruppen nicht über (konfessionelle) Glaubensüberzeugungen. Du darfst deinem Glauben Ausdruck geben. Aber wir gestehen einander zu, unterschiedliche Auffassungen und Stile in unserer Frömmigkeit zu haben. Alle sind noch auf dem Weg! Respektiere das. Was in der Gruppe gesprochen wird, bleibt dort! Verschwiegenheit nach außen hilft uns allen, uns in der Gruppe zu öffnen, verletzbar und ehrlich zu werden. Eine Atmosphäre des Vertrauens ist ohne diese gegenseitige Zusicherung nicht möglich. Wenn du nicht kommen kannst, melde dich ab! „Abstürze“, schlechte Gefühle oder Scham sind kein Abmeldegrund. Komme besonders dann! Dazu ist die Gruppe schließlich da. Definiert eure Ausnahmen vorher. Das hilft zur Verlässlichkeit.

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Regeln oder Gesetze? Weil es viele Rückfragen zu den Auslegungen der Gruppenregeln gibt, möchten wir darauf hinweisen: Gruppenregeln sind Leitlinien. Die erfahrene Gruppenleitung orientiert sich letztlich intuitiv an den Werten und Zielen der Endlich-Leben-Gruppenarbeit. Wir haben 7 Schlüsselworte gefunden, die solche leitenden Kernwerte bewusst machen können: • spirituell christlich • ganzheitlich • beziehungsfähig • demütig • ehrlich • gelassen • schön Je nach Phase, ob du in Schritt 1, 3 oder 12 bist, und je nach dem jeweiligen Ziel für deine Beteiligung in der Gruppe wirst du (quasi automatisch) eine spezielle Kombination dieser 6 Werte und damit eine andere Mischung deiner persönlichen Kompetenzen und Verhaltensformen im richtigen Augenblick in der Gruppe einbringen. Vertraue deiner Intuition.

Selbsthilfegruppe und Leitung? Endlich-Leben-Gruppen stehen Selbsthilfe-Gruppen in ihren Werten, Zielen und ihrer Kultur nahe. Sie haben eine klar definierte Leitungsrolle. Unsere GruppenleiterInnen sind von den tragenden Gemeinden ausgewählt und wirken als ModeratorInnen und bringen so möglichst die Stärke der Gruppe zum Zuge.

Argumente für gut geordnete Abläufe Die folgenden Punkte zeigen dir, inwiefern klare Regelungen eurer Gruppenarbeit helfen können: • Jede Gruppe auf der Welt hat (heimliche) Regeln.

• Sollte eine dieser Regeln euer gemeinsames Leben behindern, solltet ihr sie dis• Unklare Regeln führen zu kutieren und an eure SituaBeliebigkeit und Unsicherheit. tion anpassen. • Endlich-Leben-Gruppen orientieren sich an Regeln von Selbsthilfegruppen bzw. «Begegnungsgruppen«, in englisch »Encountergroups«.

• Endlich-Leben-Gruppen sind keine Bildungsveranstaltungen oder Bibelstunden. Ihr selbst seid und bleibt das wichtigste Thema. Immer.

• Hauptziel ist es, dass lebensförderliche Haltungen ausgelebt und erlebt werden können.

• Diskutiert Sachfragen an anderen Orten oder in extra dafür definierten Settings, wenn es nötig erscheint.


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Nachdem auf den Seiten 24-25 die genauen Phasen eines Gruppentreffens gezeigt wurden, beschreibe ich hier, welche Prozesse in diesen Phasen im Hintergrund ablaufen, bzw. welche Prinzipien eine gute Gruppenleitung ausmachen. Vorbereitungsphase: »Willkommen!«

Verlauf der Gruppentreffen

Merkmale guter Prozessgestaltung Offenheit zum Lernen ermöglichen Oft wird der Raum samt den immer vorhandenen Gerüchen unterschätzt. Denke nur an den Zahnarzt (sofort kommt Raum, Geruch ungenehm ins Gedächtnis). Darum ist die praktische/geistliche Vorbereitung des Raumes (Innenraum wie Außenraum) so wichtig. Die Begrüßungsphase hat also die Funktion, das Gegenteil vom »Zahnarzteffekt» auszulösen: Vorfreude, positive Emotionen, Geborgenheit, innere Bereitschaft für Aufbruch. Die Lernbereitschaft und die Bereitschaft, sich für die Gruppe zu öffnen wird im Vorfeld schon unbewusst durch ein angenehmes Klima (Raum, Beziehungen, Gerüche) ausgelöst (fördert das sogenannte »Annäherungspriming«).

Grundbedürfnisse beachten: Beziehung vertiefen, Wertschätzung erleben 1. Phase »Sein» Wie geht es dir?

Das Sein-Dürfen ist eine der wichtigsten Erfahrungen von Menschen: Hier werden die Beziehungs- und Bindungsbedürfnisse befriedigt. Gruppenmitglieder erleben sich als wertgeschätzt (ohne abwertende Kommentare; alles, wirklich alles darf sein). Darum ist so entscheidend: In dieser Phase darf es keine Unterbrechungen oder Verständnisnachfragen geben. Auch Nachfragen kann wie eine Korrektur erlebt werden. Manche befürchten eine Umdeutung ihres Beitrags, z.B. versteckte Kritik oder Tadel. Sofort ist die Lernbereitschaft (»Annäherungspriming«) wie abgeschaltet.

Klare Zielperspektive hilft lernen! Fördere: »sich selbstbestimmt einbringen» 2. Phase »Zeigen» Wo stehen wir?

Offene Gesprächsrunde: eigene Erfahrungen – immer in der Form von Geschichten – werden (passend oder unpassend) zu den Inhalten rund um den Schritt eingebracht. - Jedes Mitglied hat jetzt in dieser zweiten Runde Zeit, wichtige Erlebnisse, offene Fragen, Niederlagen oder Erfolge aus der letzten Woche zu berichten. - In dieser Phase kann jede/r frei reden. Manchen hilft es, mitzuteilen, was er oder sie sich zu den Fragen aufgeschrieben hat. Als Einstieg für Ungeübte hilft der Impuls der Gruppenleitung: „Mit welchem Thema hast du dich in der letzten Woche intensiv beschäftigt? Erzähle deine Geschichte dazu!“

Feedbackregeln: Prozesse (z.B. Muster) oder Inhalte (Emotionen) zurückspiegeln Das Feedback der Gruppe stärkt vor allem das Bindungsbedürfniss: positive Einfühlung, (Empathie) hilft am besten, selbst bei Fehlern/Niederlagen gibt es positive Resonanz! Feedback beschränkt sich in der Form auf folgende Möglichkeiten: • Nonverbale Signale des Verstehens oder des inneren Mitgehens • Geschichten-Kette: Wenn der Beitrag abgeschlossen ist, kann sich der nächste oder die nächste mit ihrer Geschichte anschließen (sie kann »passig» sein, muss es aber nicht). • Feedback fordern: Wenn die Person Feedback wünscht, muss sie es selbst äußern („Was denkt ihr dazu? Was soll ich machen?) Die Reaktion der anderen wird nach kurzem Nachsinnen in der Form… • …eine persönliche Erfahrung sein, eine assoziativ passende Geschichte (was da »passt» und ob es wirklich »passt», wird sich herausstellen. Hier gibt es keine Regeln). • …eine Mitteilung über ein Gefühl sein, das beim Zuhören beim Zuhörenden aufkam • …eine Verständnisfrage sein, die dann weiterführt zu Erfahrungen, Gefühlen. • …auf keinen Fall ein Ratschlag sein: nie sagen ihr oder ihm die anderen, was sie oder er jetzt tun müsste oder was man im allgemeinen so tun muss.


Merkmale guter Prozessgestaltung

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Erlaubt ist: »Ich habe in einer ähnlichen Situation getan…» und dann die Geschichte erzählen. Ob sie passt, wird der andere selbst herausfinden. Das Selbsthilfeprinzip bedeutet: Ich bin Spezialist für mein Thema und bin Modell für andere oder lerne an den anderen Modellen (auch ohne Worte). Bedenke: Die Selbstaktivierung jedes einzelnen ist das Wertvollste, was in der Gruppe passieren kann. • Wenn jemand kein Feeback wünscht, muss er/sie nichts tun und der/die Nächste ist dran.

Klarer Fokus zur Verankerung im Gehirn ist wichtig Neben dem unbewussten Lernen am Vorbild (Modell-Lernen) durch Beobachtung der 3. Phase »Mitnehmen» Gespräche, Gefühle, Verhaltensformen (Interaktionen) ist das bewusste Lernen eine Was lerne ich? wichtige Form, um Veränderungen zu verankern. Diese Phase befördert einiges vom Unbewussten in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei ist wichtig, dass jede und jeder sein »Thema» (Fokus) in seinen eigenen Worten erfasst. Dadurch ist garantiert, dass es wichtig für sie oder ihn ist (emotionale Berührung) und dass er/sie es in seiner/ihrer Sprache / Denkkonzept begreift und zu Hause, im Alltag weiterbearbeiten kann. Eine kurze Ruhephase hilft, um die eigene Befindlichkeit (Gefühle, innere Dialoge) besser wahrzunehmen. Möglichst positive Lösungen (Verhaltens- oder Denkbewegungen) in den Blick nehmen. Das Gehirn kann sich die Verneinungsform (ich will …nicht) nicht merken.

Verträge verstärken die Bahnung in Gehirn Auch hier gilt wieder: alle Verträge (so etwas wie neue Muster (Verhalten, Gedanken, 4. Phase »Entscheiden» Gefühle) sollten bewusst aus eigenem Impuls aktiviert werden. Mein Vertrag… Durch die »Modelle» (z.B. GruppenleiterInnen) in der Gruppe werden diejenigen lernen, die mit dieser Methode noch nicht vertraut sind. Verträge sollten positiv formuliert werden. Beispiel: (unangemessene) Angst (z.B. unbegründete Panik) ist ein störendes Muster. Es wird nicht durch einen Vertrag »Ich will keine Angst mehr haben!» gelöst. Ein neues, positives Verhaltensmuster muss an diese Stelle treten und wird die Angst indirekt hemmen: »Bei Angst konzentriere ich mich darauf, dass Gott größer ist als alle Angst.« oder »Ich werde, wann immer ich Angst spüre, meine Laufklamotten anziehen und ein paar Runden drehen.«

Spiritualität hilft psychisch indirekt – Gott hilft direkt Spirituelle Ausdrucksformen wie Gebet, Schweigen, Bibelverse rezitieren, mit Musik entspannen, Segen durch Handauflegung spüren, Zuspruch hören usw. helfen auf vielfältige Weise auch indirekt zur Förderung seelischer Gesundheit. Die menschlichen Grundbedürfnisse (vgl. mehr dazu S. 66f) werden dabei oft gut befriedigt. Wichtig für die Gruppe ist es, Rituale zu entwickeln, in der sich möglichst viele ohne Anstrengung ausdrücken können. Für unterschiedliche »spirituelle Muttersprachen« gibt es auch unterschiedliche Rituale. Ein Wechsel der Formen kann bereichern. Aber Einleben in bestimmte Formen braucht immer auch Zeit. Gottes Wirken ist unverfügbar für unsere Kontrolle. Wunderbarerweise kann er manches direkt (oder vermittelt durch Menschen und Umstände indirekt) verändern.

Die Raumdimension ernst nehmen Die Gruppe beim Aufräumen integrieren! Dadurch wird auch äußerlich ein gemeinsa- 5. Phase »Raum klären» mer Abschluss symbolisiert. Wenn die Gruppenmitglieder gegangen sind, kann für mehrere GruppenleiterInnen noch ein kurzer Austausch helfen. Hier sollte aber das Zeit- und Kraftmaß jeder Person ernst genommen werden. Wie auch immer es organisiert wird. Erfinde eine Form wie du dich als »Leibraum» von der meist starken Energie (Gefühle, Gedanken, Interaktionen) der Gruppe entlasten kannst.


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Verlauf der Gruppentreffen

Die Arbeit mit Selbsttest-Fragebögen Grundsätzliche Erklärung zu den 7 Selbsttest-Fragebögen Auf der nächsten Seite findest du den ersten unserer 7 Selbsttests. Mit Hilfe dieser Tests im Arbeitsbuch lernst du dich selbst besser verstehen und kannst deine Situation genau einschätzen. Alle Fragen der 7 Tests im Arbeitsbuch und auch in diesem Handbuch sind nach wissenschaftlichen Standards gut erprobt und ausgewertet worden. Wir wollen erforschen, ob unsere Gruppen wirklich helfen, wie gut sie helfen und bei welchen Nur wenn wir die typischen Problemen oder Lebensmustern sie besonders viel Daten – natürlich oder auch gar nicht nützen. Eine gute Auswertung hilft dir aber anonym und kosten- auch selbst, dich persönlich besser zu verstehen und deine Prolos – von Gruppenbleme einzuordnen. mitgliedern erhalten Gib deine Antworten bitte im Internet ein. Das ist für alle Perund statistisch aussonen in zertifizierten Endlich-Leben-Gruppen kostenlos. Du werten können, wer- bekommst über den Koordinator eurer Gruppenarbeit ein Grupden wir die Qualität pen-Passwort für die Eingabe deiner Daten. Damit deine Eingader Endlich-Lebenben immer anonym bleiben und doch aufeinander bezogen werGruppen messen den können, definierst du dir zusätzlich einen Codenamen, den können. Damit nur du allein kennst (s. S. 304). So kannst du später mit diesem erhalten wir gute Codenamen deine Auswertung zu deinen verschiedenen FrageChancen, die Grupbögen im Internet ansehen und ausdrucken. Hier kannst du die penarbeit für die Gebrauchsanleitung zur Eingabe schon einmal studieren: Zukunft verbessern zu können. www.gebrauchsanleitung.endlich-leben.net Die sogenannten Selbsttest-Fragebögen im Arbeitsbuch werden für eine wissenschaftliche Auswertung genutzt.

Wir erwarten Antworten auf diese und andere Fragen:

• Wie du genau den Selbsttest im Internet ausfüllst, • wie du eine persönliche Auswertung erhältst und • was für eine Hilfe diese Auswertung für dich ist, das bekommst du in einfachen Schritten im Internet beschrieben. • Bei welchen Symp- Informiere dich jetzt www.gebrauchsanleitung.endlichtomen helfen die leben.net und gehe auch auf diese Seite im Internet: Gruppen am besten?

www.fragebogen.endlich-leben.net • Effektstärke: Wie sehr helfen EndlichLeben-Gruppen? • Welche Auswirkungen auf die Religiosität der Teilnehmenden gibt es?

Hast du dringende Fragen und kommst gar nicht zurecht? Hier ist deine schnellste Möglichkeit, Fehler, Probleme oder Fragen zu melden. Auf diese Mails reagieren wir möglichst sofort. Gehe zu der Internetadresse:

www.hilfe.endlich-leben.net

Damit du als GruppenleiterIn besondere Unterstützung bekommst, bieten wir dir an, dass du durch Telefonkonferenzen mit anderen GruppenleiterInnen Austausch bekommst. So kannst du über den begrenzten Kreis deiner Gemeinde hinaus Fragen loswerden oder im Gespräch mit anderen eigene Stärken oder Schwächen der Gruppenarbeit wahrnehmen. Du wirst durch die Gerade als GruppenleiterIn ist es wichtig, dass du für mögliche Selbsttest–Fragebö- Störungen durch eigenen Stress oder »blinde Flecken« bei gen selbst einen gro- besonderen Herausforderungen sensibel bleibst. Natürlich hilft ßen Gewinn haben. dir auch das persönliche Gegenüber deiner Co-Leitung. • Biografie: Gibt es Zusammenhänge zwischen Biografie und Lebensmustern?


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Verlauf der Gruppentreffen

Was sind deine Ziele für die Räume? Im Folgenden spreche ich in einem Bild von verschiedenen Räumen, z.B. vom Gefühlsraum, vom Leibraum usw. Das Raumbild erleichtert es dir, einen Blick für die verschiedenen Dimensionen der Wirklichkeit zu bekommen. Stell dir die verschiedenen Bereiche einfach mal als Räume vor: • Wort- und Gedankenraum (der sogenannte Kortex, präfrontaler Kortex, ist unser bewusst steuerbarer Hirnbereich, den wir über Gedanken ansprechen) • Gefühlsraum (das limbische System arbeitet höchst selbsttätig, reagiert spontan und ohne Umweg über die Gedanken auf visuelle, Geruchs- und Geräuschreize, besonders wenn sie Gefahr bedeuten könnten: Alarmbereitschaft wird ausgelöst) • Leibraum (hierzu zähle ich alle Funktionen, die wir nie bewusst wahrnehmen oder steuern können, wie Körpertemperatur, Ph-Wert des Blutes, Nierenfunktion, Herzschlag, Muskeltonus, Körperselbstwahrnehmung). • äußere Räume wie Gebäude, Gruppenräume, Vorhalle, Stadtviertel: Architektur und Einrichtung sprechen Bände. Alles, was Menschen um sich her installieren gehört zu ihrer Kultur und verrät etwas über ihre Bedürfnisse und Vorlieben. Alles wird zum Symbol. Welche Ziele formulierst du persönlich für diese unterschiedlichen Räume? Ziele kannst du messen oder überprüfen. Wünsche bleiben oft schwammig oder unkonkret wie z.B.: „Ich möchte ein zufriedener Mensch werden!“. Ziele für alle deine »Räume» sind überprüfbar. Hier einige Beispiele für Zielformulierungen: • „Ich möchte, dass sich mein Kopf klar anfühlt. Wenn ich in der Stille bin, sollen die Gedanken in Ruhe kommen und gehen, nicht über mich herfallen oder sich im Kreis drehen.“ • „Meine Gefühle kommen selbständig. Aber ich möchte besser verstehen, was sie ausgelöst hat, wie sie hervorgerufen werden. Ich möchte wachsam mit meinen Gefühlen umgehen und alle Gefühle grundsätzlich begrüßen– selbst wenn sie schwierig zu steuern sind.“ • „Ich brauche regelmäßig Bewegung. Wenn meine Nackenmuskeln sich ständig ver spannen, werde ich 1x in der Woche schwimmen gehen. • „Für meinen Gruppenraum brauche ich folgende Ordnung, um mich wohl zu fühlen…” Formuliere deine Zieleliste, um deinen Idealzustand zu erkennen.


Verlauf der Gruppentreffen

Räume wahrnehmen üben

Stille als Voraussetzung zur bewussten Wahrnehmung Fang doch für dich selbst schon einmal an, dich ungeschminkter im Blick auf deine Räume wahrzunehmen! Rühre ruhig Tabus an! Es nützt nicht, wenn du dir etwas vormachst. Wie nehme ich meinen Wort- und Gedankenraum wahr?

Wie erlebe ich meinen Gefühlsraum ?

Was fällt mir zum meinem Leibraum im Augenblick auf?

Was behagt mir im Gruppenraum? Was ist am Gruppenraum, Vorraum, Versammlungsraum unerträglich. Was ist zu verbessern?

Wie können diese 4 Räume mit der Gegenwart des Heiligen Geistes Gottes erfüllt werden? Welche Vorbereitungen oder Rituale kenne ich? Was werde ich (mit meiner Co-Leitung konkret tun, um mich angemessen auf die Gruppe einzustellen?

Nachdem wir uns mit den Zielen, Phasen und Abläufen vertraut gemacht haben und die Einflussfaktoren für unsere eigene Befindlichkeit geklärt haben, wenn wir uns nun den Inhalten und Prozessen in den einzelnen 12 Schritten zu.

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Schritt 1 Endlich am Ende

Schritt 1

Endlich am Ende „Wir gaben zu, dass wir den Abhängigkeiten und Problemen anderer gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten!“

Kontrolle aufgeben Bei der Beschäftigung mit dem ersten Schritt werden wir uns mit drei Themen auseinandersetzen: 1. Wir lernen, die Wahrheit zuzugeben (ehrlich werden). 2. Wir lernen, nichtförderliches Gruppen-Leitungs-Verhalten zu erkennen. 3. Wir lernen zuzugeben: Wir haben die Probleme der Gruppenmitglieder nicht im Griff. Wenn wir diese 3 Erkenntnisse verstehen und umsetzen, nennen wir das Kapitulation. Diese Haltung der Kapitulation in Schritt eins wirkt sich auf die Gruppenleitungsrolle aus. Du darfst als GruppenleiterIn zugeben: • in Wahrheit bin ich schwach, • ich kämpfe nicht für eine Veränderung der anderen, • ich gebe die Kontrolle über die Probleme anderer auf. Diese Vorstellung reibt sich mit anderen Konzepten von Gruppenleitung. Darum ist es notwendig, die besondere Rolle und Aufgabe von GruppenleiterInnen in Selbsthilfegruppen zu verstehen. Um einen besseren Zugang zu diesem ersten Schritt zu finden, werden wir das Selbsthilfekonzept und die psychologischen und neurophysiologischen Hintergründe für Lernprozesse genauer anschauen.

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Überblick zur Hausarbeit

Anleitung für deine Hausarbeit Bei allen Aufgaben gilt: Tu das, was du kannst, aber überfordere dich nicht. Es gibt kein Rezept für die »perfekte Gruppenleitung«. Die 12 Schritte sind keine 12 Regeln, die du abarbeiten müsstest. Nein, es sind 12 Erfahrungswerte, die Menschen auf ihren ganz persönlichen Veränderungswegen gesammelt haben. Hinter der Gliederung jedes Kaptels pro Schritt steckt eine innere Logik. Wir gehen entlang der folgende Gesichtspunkte im jeweiligen Unterkapitel vor: 1. Tag: Die genaue Bedeutung des jeweiligen Schrittes Jeder Schritt hat ja eine traditionelle Formulierung, die 1939 entstanden ist. Einiges hat sich in Wissenschaft und Forschung und Alltagswissen seitdem verändert. Darum muss jeder Schritt auch in unsere heutige Zeit hinein übersetzt und erklärt werden. 2. Tag: Wo stehen wir im Prozess? (Phasen des Transtheoretischen Modells) Jeder Schritt provoziert eine Veränderungsphase. Oder anders gesehen: Die Anregung des jeweiligen Schrittes funktioniert nur in einer bestimmten Phase deines Veränderungsweges. Das Transtheoretische Modell beschreibt aus der Vogelperspektive die Eigendynamik des jeweiligen Schrittes. 3. Tag: Psychologisch-neurobiologische Erklärungshilfen Wir glauben, dass alles Verhalten einen Sinn oder eine Funktion hat. Erklärungen helfen, diesen Sinn besser zu begreifen. Damit haben wir die Lösungen zwar nicht immer in der Hand, aber wir können entspannter auf die Lösung warten. 4. Tag. Wie hilft der Fragebogen - und wie erfolgt die Auswertung? Der besondere Sinn der Selbsttestfragebögen und die Erklärungen zur Auswertung werden ausführlich erläutert. Die Details der Auswertung findest du aber im Internet zusammen mit der Darstellung deiner eingegebenen Daten. 5. Tag: Welche Rolle spielt die praktische Theologie (Spirituelle Raumübungen)? Für Christen stellt sich die Frage, welche besondere Funktion der Glaube auf diesem Veränderungsweg hat und welche nicht. Das überprüfen wir jeweils zu den Themen der 12 Schritte. Ich lade ein, sich kritisch mit möglichen Stolpersteinen der eigenen religiösen Tradition auseinander zu setzen. 6. Tag: Was bedeutet dieser Horizont für deine Leiterrolle – Selbstreflexion? Hier geht es um konkrete Haltungen und Verhalten in deiner Leitungsrolle. Dabei kommen die zuvor erklärten Modelle zum Tragen. Im Horizont dieser Erkenntnisse wirst du deine Leitungsaufgabe besser herausfinden. 7. Tag: Wie du kreativ den Raum weitest (Design, Material, Gemeinde, Übungen) Zuletzt sollen Übungen dazu anregen, immer wieder den bekannten und gewohnten Raum zu überschreiten. Dafür ist Erfindungsfreude und Entdeckermentalität gefragt. Übungen in verschiedene Richtungen werden dich herausfordern. • Fazit: Deine Zusammenfassung über das bisher Gelernte an einer Beispielgeschichte aus dem Arbeitsbuch. • Gruppenablauf - ausgeführte Ablaufpläne für Gruppenstunden im jeweiligen Schritt.


Schritt 1 Endlich am Ende

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1. Tag: Gruppenleitung an Schritt 1 ausrichten

Lernen im „wir …” Das kleine Wörtchen „wir” in Schritt 1 drückt etwas entscheidend Neues aus: Nicht mehr allein, sondern mit den anderen gemeinsam. Für einige Gruppenmitglieder ist es schon ein gewaltiger Schritt, überhaupt in eine solche Gruppe zu gehen. Damit müssen sie ja eingestehen, dass es in ihrem Leben irgendetwas gibt, was sie allein nicht bewältigen können. Oder anders gesagt: Sie geben (wenigstens unbewusst) zu, dass sie aus irgend einem Grund es nicht lernen, ein für sie besseres oder förderlicheres Leben zu erlernen.

Lernen ist normal In der Regel sollte man davon ausgehen, dass jedes Lebewesen und der Mensch in besonderer Weise auf die sich verändernde Umwelt mit Lernen reagiert. Wir können uns in erstaunlichsten Situationen mühelos anpassen und sofort richtig oder angemessen reagieren. Wir lernen als Einzelne und als soziale Gruppe immer wieder Neues und können so in einer komplexen Welt leben. Diese Anpassung an Herausforderungen nennen wir Lernen, denn es ist eine Lernleistung, eine passende Lösung oder ein der Situation angemessenes Verhalten an den Tag zu legen. Und das funktioniert oft fast ohne Mühe. Und wenn man Menschen nicht die Lust am Lernen verdirbt, macht Lernen sogar richtig Spass. Es ist die Lust an der Selbstentdeckung. Bei allem, was ich lerne erfinde ich mich für die neue Situation quasi neu. Wundern müssen wir uns eigentlich über das Phänomen, dass manche Menschen nicht lernen. Warum verweigern sie, die Lösung zu finden, warum haben sie keine Entdeckerfreude, warum wiederholen sie ein offensichtlich erfolgloses Verhaltensmuster immer wieder ohne ein besseres Lebensmuster zu lernen?

Die Gruppen: Schutzraum zum Leben Lernen

Lernunfähigkeit oder die Optimierungsfalle Warum das Lernen blockiert ist, lässt sich gut am Beispiel eines Ertrinkenden zeigen. Wenn ein Mensch im Wasser den Halt verliert, ist das eine große Bedrohung, weil es um alles oder nichts geht. In Lebensgefahr aktiviert das Gehirn automatisch Verhaltensroutinen, die das Überleben sichern sollen. Nur im Wasser gibt es nicht viele Alternativen. Die einzig verheißungsvolle Handlung scheint die zu sein, alle Bemühungen um »Halt» zu verstärken. Das bedeutet mehr rudern, schneller und hektischer bewegen, nach allem greifen, was schwimmt und Halt bieten könnte. Ein Rettungsschwimmer kennt die Tücken, die ihn bei der Rettung eines solchen Verzweifelten erwarten. In der Regel klammert dieser sich an ihn mit aller Kraft und entwickelt in der Todesangst gewaltige Kräfte. Warum kann der Rettungsschwimmer nicht im Vorfeld mit dem Ertrinkenden reden, ihn über ein besseres Verhalten aufklären, indem er ihn z.B. auffordert: »Lassen Sie sich treiben, ich ziehe Sie hier sicher raus!« In dieser Situation kann die Vernunft die starken Gefühle, die nur auf das Überleben konzentriert sind, nicht beherrschen. Das Muster zum Überleben scheint einfach und eindeutig zu sein: »Optimiere deine Anstrengungen.» Damit ist die Person in der Optimierungsfalle gefangen. Dass es auch eine Lösung bedeutete, loszulassen, die Kontrolle aufzugeben oder die eigene Machtlosigkeit einzugestehen, leuchtet nicht ein. Darum ist eine bekannte Strategie der Lebensretter die: Sie versuchen, den Ertrinkenden zu einem »Denkmusterwechsel» zu zwingen, indem sie ihm • erst einmal nicht helfen, sondern zulassen, dass er ohnmächtig wird oder seine Kräfte nachlassen. • Jetzt kann der Retter ohne Gefahr, selbst mit hinunter gerissen zu werden, den Ertrinkenden in eine Position bringen, um ihn ans rettende Ufer zu schleppen. • Nur mit einem vollständigen Strategiewechsel gegen alle »üblichen» oder »normalen» Verhaltensweisen unter Menschen für Retter und Ertrinkenden wird also die Rettung gelingen.

Die Endlich-Leben-Gruppe ist somit ein Schutzraum für Menschen, die aus irgend einem Grund nicht richtig Leben lernen können. Die Gruppen-Regeln und -Werte helfen dabei, gesundes Verhalten zu erlernen. Alle anderen, die von selbst im Leben zurechtkom- Muster festhalten oder Muster lockern? men (also alleine lernen können), brauchen diese Gruppe nicht. In bestimmten Situationen ist es sicherlich eine Die spannende Frage bleibt. Warum können die einen Lösung, ein Verhalten zu verbessern, durch Optimiees alleine und inwiefern hilft eine Gruppe beim rung zu Lösungen zu kommen. Und das haben viele ja Lebenlernen? jahrelang erfolgreich erlebt.


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Schritt 1 Endlich am Ende

Ein Verhalten hat in einer Familie oder in einer Krise Sinn gemacht, hat geholfen, war also eine Lösung – wenigstens vorübergehend. Und mehr zu trinken, zu schweigen, zu schreiben, zu essen, zu kaufen, zu rauchen, zu lieben, nett zu sein, sich zu verstecken oder Gefühle zu unterdrücken – alles das hat geholfen, immer wieder geholfen. Darum kommen Menschen nicht im Traum darauf, solch ein erlerntes, bisher hilfreiches Verhalten zu hinterfragen. Sie kommen quasi nicht auf die Idee, dass das, was immer geholfen hat, jetzt zum Problem geworden ist. Darum sind Menschen in der Suchtfalle so blind oder scheinen so dumm zu sein, dass sie weitermachen, selbst wenn es ihnen schadet. Was könnte ihnen helfen, ihr Erfolgsmodell, ihr erlerntes Überlebensmuster aufzugeben?

Lernhilfe »Stören» Wenn die Endlich-Leben-Gruppe solchen Menschen aus ihrer Musterfalle oder aus der Optimierungsfalle heraushelfen soll, muss eines geschehen: Das bisher erfolgreiche Muster muss so »erfolgreich« als Misserfolg erlebt werden, dass gar nichts anderes übrig bleibt, als etwas Neues, Besseres zu lernen. Wie kann eine Gruppe dabei helfen? Die Gruppe muss zwei Funktionen in guter Ausgewogenheit erfüllen: • Sie muss jede Hilfe verweigern, die das alte Muster stabilisieren und verewigen hilft. • Sie muss alternative Verhaltens- und Lebensmuster beispielhaft vorleben. Denn Worte allein scheinen ja nicht zu helfen.»Sei einmal vernünftig, reiß dich zusammen, du musst nur wollen, sieh doch endlich mal ein…« Diese Worte sind im Vorfeld sicher schon oft genug gefallen. Denken wir an den Ertrinkenden: Er wird auf Lehrvorträge oder moralisch richtiges Verhalten in diesem Augenblick nicht positiv reagieren können. Dabei ist gerade das Spannungsfeld zwischen Hilfe verweigern und Neues vorleben die Kunst. Gruppen, die diese Kunst lebendig verkörpern, bieten die größten Chancen für die am Leben Verzweifelten. Gegen alle üblichen und normalen Verhaltensweisen von Menschen, die mitfühlend und liebevoll anderen helfen wollen, geht es nämlich zuerst darum, alles zu tun, die falsche Stabilisierung das alten, nutzlosen Musters zu verhindern. Das ist also der Grund, warum in Endlich-Leben-Gruppen Regeln und Werte gelten, die in einer »normalen» Situation für unhöflich, unfreundlich und sogar für falsch gehalten werden, wie z.B. diese: Destabilisieren ist gut. Stören ist gut. Nicht helfen ist gut. Kontrolle aufgeben ist gut.

Definition »Sucht» Das Phänomen »Sucht«, auf den die 12 Schritte-Arbeit grundlegend aufbaut, erklärt die Dynamik dieser »Optimierungsfalle« so: Der entscheidende Faktor beim Suchtgeschehen liegt nicht in irgendeiner Substanz, die der Süchtige konsumiert, sondern vielmehr in dem dadurch herbeigeführten Gefühlszustand. Ich beziehe mich auf die Definition des Suchtbegriffs von Werner Groß: »Sucht ist ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Gefühls-, Erlebnis- und Bewusstseinszustand.« Das Lösung besteht also nicht darin, rein körperliche Wirkungen bestimmter Suchtstoffe durch Abstinenz zu vermeiden. Vielmehr steht der suchtkranke Mensch vor der Aufgabe, eine Veränderung in den Bereichen Erleben, Bewusstsein und Fühlen zuzulassen. Schritt 1 ist für den Süchtigen den Entscheidung, alle Ersatzlösungen aufzugeben und sich dem Kampf mit seiner Sucht zu stellen. Bei einer »Sucht« geht es also um ein Verlangen, das nicht mehr der normalen Kontrolle unterliegt und mit dem Willen allein nicht mehr gesteuert werden kann. Das Wollen «läuft Amok» und wird zum »Müssen«. Es handelt sich um einen eigenständig ablaufenden Prozess, der faktisch das Verhalten der süchtigen Person steuert. Nicht der Mensch hat die Sucht im Griff, sondern die Sucht hat den Menschen im Griff. Viele Menschen in 12-Schritte-Gruppen erleben es als eine Befreiung, dass die Suchtforschung mit dem Aufzeigen dieser Mechanismen eine Erklärung für ihre Erfahrung anbietet, trotz Aufbietung aller eigenen Kräfte immer wieder zu scheitern. Dieses Suchtverständnis ermöglicht es vielen Teilnehmern, ihre eigenen, für sie bis dahin oft unverständlichen Verhaltensmuster zu durchschauen. Es verdeutlicht ihnen, warum es ihnen so schwer fällt, von längst als ungesund erkannten Verhaltensweisen abzulassen und entlastet sie von dem moralischen Vorwurf, sie strengten sich eben nicht genug an.

Ein »Schlüssel« zur der »Co-Abhängigkeit« Was in der Suchtforschung den Begriff Co-Sucht oder Co-Abhängigkeit bekam, ist aus vielen leidvollen Erfahrungen gewonnenes Wissen. Die »Lebensretter« von Süchtigen gerieten bei ihren engagierten Versuchen, ihre PartnerInnen zu retten, mit denen sie oft liebevoll verbunden waren, selbst in den Abgrund, sie wurden mitgerissen von dem Strudel der Suchtspirale. Die Abhängigen klammerten sich mit aller Macht an sie als ihre neuen RetterInnen und ließen gar nicht mehr los. Wenn Lebensretter bei dem Versuch zu helfen selbst untergehen, kann das keine gute Methode gewesen sein. Sie haben nicht gelernt, dass ihr Hilfeversuch kein geeignetes Verhaltensmuster für diese


Wo stehen wir im Prozess?

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2. Tag: Wo stehen wir im Prozess? Erkärung der 6 Phasen des »Transtheoretischen Veränderungs-Modells«

Veränderungsbereitschaft in Schritten Vielleicht hast du dich schon gefragt, warum es eigentlich 12 Schritte sind und nicht 10 oder 15 oder 6? Da gibt es historisch nur eine Antwort: Die Formulierung der 12 Schritte ist aufgrund von ähnlicher Erfahrungen vieler Betroffener in den Jahren 19351939 gereift. Die Entstehungsgeschichte der 12 Schritte ist dann in dem «Blauen Buch« das erstemal 1939 veröffentlicht worden. In diesem Buch wurden viele Lebensbeispiele der damals sogenannten Anonymen Alkoholiker erfasst. Dabei haben die Gründer dieser Bewegung und Autoren des Blauen Buches, Bill und Bob, das typische Muster ihrer eigenen Geschichte und ihre Veränderungserfahrungen mit denen ihrer vielen Gefährten erfasst und intuitiv sind dabei 12 wichtige Phasen für ihre Veränderung deutlich geworden.

Ein Erfolgsmodell setzt sich durch Die Beschreibung von Veränderung mit diesen 12 Phasen hat sich dann als ziemlich erfolgversprechend durchgesetzt und wurde zu einer weltweiten Bewegung, der sogenannten 12-Schritte-Bewegung oder A(wie anonyme…)-Bewegung. Vielen Menschen vor allem mit Suchtproblematiken hat diese Beschreibung eines Veränderungsweges augenscheinlich genützt. In den 60ger Jahren wurden dann viele solche A-Gruppen mit unterschiedlichsten Symptomen (Alkohol-, Drogen–, Nikotin-, Ess-, Putz, Beziehungs-, Liebes-, Sex-, Spiel-, und und und–Süchte) gegründet. Damit wurde deutlich, dieses Veränderungsmuster scheint nicht nur Alkoholikern zu helfen, sondern Menschen mit unterschiedlichsten Abhängigkeiten. Und es kamen sogar Abhängigkeiten ohne sichtbare »Substanzen« hinzu, sogenannte »Prozess«-Süchte. Fast könnte man sagen, dass man von allem oder jedem »süchtig« werden kann und darum am Ende die Gruppen mit den 12 Schritten zu dem Modell für Veränderung von Problemen überhaupt werden können.

Wissenschaftliche Forschung in den 80gern

rungsmodell der Veränderung in 6 Phasen entdeckt zu haben. Diese Entdeckung erklärt mir, warum die 12 Schritte so erfolgreich waren. Die Gründer des 12Schritte-Modells haben intuitiv vieles von dem erfasst, was für Veränderungsprozesse allgemein gilt. Veränderung ist auch ein Schlüsselwort für religiöse Traditionen im Christentum, Judentum, Islam oder östlichen Religionen, die sie dann »Umkehr», »Bekehrung« oder auch »Transformation» nennen. Das Transtheoretische Modell der Verhaltensänderung, TTM, haben Prochaska & DiClemente 1982 entwickelt, und es hat seit etwa 1985 vor allem in den USA, Australien und Großbritannien große Popularität. Es findet Anwendung in der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, in der Klinischen Psychologie und in der Gesundheitspsychologie. »In einer aktuellen Literaturrecherche identifizierten Bunton et al. (2000) weit über 1000 englischsprachige Studien, die einen Bezug zum TTM aufwiesen. Neben einer Vielzahl von theoretischen Arbeiten fanden sie 368 Arbeiten, die sich mit dem Konzept der Veränderungsphasen… beschäftigen.« (Maurischat, 2001, S. 8) In Deutschland wird dieses Denkmodell bisher noch nicht so häufig genutzt, was sich in letzter Zeit aber ändert.

Wie hilft uns das Transtheoretische Modell (TTM)? Was macht dieses Modell so interessant? Es räumt mit dem Vorurteil auf, dass Veränderung in 2 Schritten geschieht: Schritt 1: Du hast ein Problem, das dich nervt. Schritt 2: Du entscheidest dich zu einer Änderung deines Verhaltens oder deiner Einstellung. Viele Menschen sind mit dieser Anschauung nicht zurecht gekommen– zu Recht! Es braucht 6 Phasen. Das Transtheoretische Modell von Veränderung sagt: Verhaltensveränderung entwickelt sich immer in 6 Veränderungsphasen. Und in jeder dieser Phasen gibt es phasentypische Anforderungen, Strategien und Lernziele.

Das ist dem Denken der 12 Schritte sehr ähnlich. Deshalb nutze ich dieses Modell gerne, um unsere Die wissenschaftliche Erforschung von Verände- Gruppenleitungsaufgabe besser auf die jeweiligen rung hat nachgehakt und dabei ist ein bedeutender phasentypischen Anforderungen zu beziehen. Ansatz herausgekommen: Das sogenannte Transtheoretische Modell. Der Name bedeutet nichts anderes, als dass dieses Modell von sich behauptet, ein allgemeines (für alle Schulen und Theorien gültiges) Erklä-


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Schritt 1 Endlich am Ende

Das Transtheoretische Phasenmodell 1. Stadium der Sorglosigkeit (Precontemplation) Eine Person hat noch keine Veränderungsbereitschaft. Das kann mehrere Gründe haben: Sie ist zu wenig informiert über sich oder über die negativen Effekte (blinder Fleck), sie hat zu wenig Motivation für ein neues Verhalten (geht doch noch) oder sie ist durch erfolglose Versuche schon demoralisiert. Sie zeigt deshalb typisches Vermeidungsverhalten (Ignoranz, Gedankenlosigkeit, kein Austausch über Problemverhalten) für Veränderungen. Kurz: sie ist noch “resistent” gegen Veränderung.

2. Stadium des Bewusstwerdens (Contemplation) Eine erste Veränderungsbereitschaft wächst (”…in den nächsten 6 Monaten werde ich…”). Personen in dieser Phase werden möglicherweise bereit, sich in Endlich-Leben-Gruppen einzufinden. Die Vorteile einer Änderung werden bewußt, Nachteile sind vor Augen. Typisch ist in dieser Phase die sogenannte »Pro & KontraBalance«, deshalb kämpfen sie mit sich selbst, haben ein »Ambivalenzproblem«. Das zeigt sich daran: sie sind chronisch unentschieden. In der Regel sind sie noch unerreichbar für übliche 2-schrittige Verhaltensänderungs-Programme.

3. Stadium der Vorbereitung (Preparation) Der Veränderungswille wird konkreter: »In nächster Zukunft (”im nächsten Monat”) werde ich…« Voraussetzungen dafür sind: Personen entwickeln gedanklich Pläne, sie suchen Beratung, gehen in eine Selbsthilfegruppe, gehen zum Arzt usw. In dieser Phase sind sie offen für Verhaltens-Änderungs-Programme.

4. Stadium der Handlung (Action) Dies ist die Phase offenkundiger Veränderungen (innerhalb der letzten 6 Monate bin ich dabei, zu tun…) Verhaltensänderungen sind nach außen sichtbar. Die übliche Versuchung besteht darin, eine Änderung auf diese 4. Phase zu reduzieren! Nein. Im »Transtheoretischen Modell« zählen auch die Phasen 1-3 als wichtig für die Veränderungsprozesse, genau wie im 12-Schritte-Weg. Aufgabe der 4. Phase: Wachsamkeit gegen mögliche Rückfallgefahren in altes Verhalten!

5. Stadium der Aufrechterhaltung (Maintenance) In der 5. Phase arbeiten die betroffenen Personen weiter gegen die allgegenwärtige Rückfallgefahr an. Sie sind aber selbstsicherer und hoffnungsvoller, dass Verhaltensänderungen bleiben oder wirksam werden könnten. Diese Phase kann bei einzelnen eine lebenslang notwendige Phase bleiben (nach dem Motto: wachsam bleiben!). Gerade für bestimmte stoffliche Süchte, die starke Bahnungen im Gehirn hervorrufen, ist hier besondere Wachsamkeit möglicherweise lebenslang nötig. Bei anderen schließt die 5. Phase mit dem letzten Schritt ab, nämlich dem

6. Stadium der Stabilität (Termination) Das Transtheoretische Veränderungsmodell lehrt im Blick auf Veränderungen also: Sie brauchen • kognitive, gedankliche Veränderungsprozesse • emotionale, die Gefühlsmuster betreffende Veränderungsprozesse • und das in allen 5 Phasen auf unterschiedlich intensive Weise vor der eigentlichen (abgeschlossenen) Veränderung. Diese in der Regel verborgenen »Einstellungsveränderungen« sind aber wahrnehmbar, wenn danach gefragt wird und damit auch messbar. Zwei Unterscheidungen sind wichtig: • »Rückschritt« (regression) bedeutet einen Rückgang in eine frühere Phase (das könnte für ein vertieftes Lernen auf emotionaler oder kognitiver Ebene wichtig sein). • »Rückfall« (relapse) ist ein Verhaltensrückfall während der 4. Phase (Aktionsphase), bei uns Schritte 6-9. Selten fallen Menschen aber bis zur Phase 1 zurück!


Wie Neurospychologie Symptome und Probleme erkärt

Der Suchtkreislauf

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Was kann dir und der Gruppe Stabilität geben? Stell dir die Gruppe wie ein vernetztes, soziales Gehirn vor. Dort gelten ähnliche Gesetzmäßigkeiten wie in deinem eigenen Gehirn. Blitzschnell funken Informationen, Eindrücke, Beurteilungen und Wahrnehmungen im Raum hin und her. Unterschiedlichste Reaktionen treten fast gleichzeitig auf durch Worte, Stimmungen, Körpersprache vermittelt. Auch hier versucht das »soziale Gehirn«, die Gruppe ein Gleichgewicht zu finden. Das ist meistens von Vorteil. Wenn es in einer Ecke emotional wird und brodelt, wird in der anderen Ecke z.B. jemand aufstehen und für Beruhigung sorgen. Wenn du das jetzt liest, wie eine Gruppe funktioniert, kannst du dich bei der Gruppenleitung entspannen und neugierig beobachten, wie die Gruppe ihr Gleichgewicht findet? Beschreibe jetzt, wie du dich (in der Regel) in der Gruppe bei Stress erlebst.

Vereinfacht könnte man sagen: Wo keine Entzugsprobleme auftreten, handelt es sich nicht um eine wirkliche Sucht. Denn nur die Angst vor dem Entzug, genauer vor den »Entzugssymptomen«, bewegt den Menschen dazu, entgegen aller Einsicht, dennoch im zerstörerischen Suchtverhalten zu verharren.

Wie reagierst du eigentlich in Stresssituationen? Als GruppenleiterIn einer Endlich-Leben-Gruppe findest du dich in einer Situation wieder, die besonders herausfordernd ist: • Du hast mit dir selbst und deinen Herausforderungen zu tun • Es kann sein, dass die Gruppe ganz schön emotional wird • Du bist keine geschulte Fachperson dafür, um richtige Diagnosen zu stellen • Du kennst beim Gruppenstart die möglichen Stressauslöser bei anderen nicht • Jede und jeder ist noch sehr vorsichtig und hält sich bedeckt • Das Gefühl, machtlos und klein zu sein, kann übermächtig deutlich werden Welche Auswirkungen kann diese Situation für dich persönlich haben? Wie bist du »gestrick«, wenn du in einer Stresssituation bist? Wie erlebst du hochemotionale Augenblicke, wenn z.B. Menschen mit Entzugsgefühlen oder Panikgefühlen in der Gruppe sind.

Achte in der nächsten Gruppenstunde einmal auf deine Stressreaktionen und tausche dich mit deiner/m Co-LeiterIn dazu aus, wie du typischerweise reagierst. Wie kannst du dich davor schützen, zuviel (gutgemeinte) Verantwortung zu übernehmen? Mein Tipp: Weise die Gruppenmitglieder in der nächsten Sitzung ausdrücklich darauf hin, dass die Regeln in der Gruppe die Leitung übernehmen und du wie die anderen lernen möchtest, besser zu leben. Gerade in der Anfangsphase werden viele auf dich schauen und heimlich erwarten, dass du Lösungen zu Fragen anbietest. Wenn diese Situation eintritt, darfst du den Ball immer wieder in die Gruppe zurückspielen:»Ihr seid Fachleute für euch selbst, jeder und jede ist ein Spezialist für ganz bestimmte Herausforderungen und braucht die anderen Spezialisten da, wo er oder sie noch etwas lernen könnte.« Die Gruppe ist eine Lerngemeinschaft. Was könnte deine typische Falle sein, in die du leicht hineinfällst, wenn Gruppenmitglieder von dir ihre »Rettung« erwarten? Oder wenn sie dich herausfordern, um dich in deiner Kompetenz als GruppenleiterIn zu prüfen?


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Schritt 1 Endlich am Ende

4. Tag: Wie hilft der Fragebogen – und wie erfolgt die Auswertung? Aber mit einer Messung hast du natürlich noch keine Lösung für den Grund einer möglichen Überforderung bei der Gruppenleitung. Diese Messung deiIn das Arbeitsbuch sind die wissenschaftlich genorm- nes Stresslevels könnte aber für dich das Signal sein: ten Fragbögen zur Selbstwahrnehmung seit der 8. »Achtung, hier läuft etwas aus dem Ruder. Hole dir Auflage (September 2009) aufgenommen worden. Hilfe!« Dies ist auch die Ausgabe, auf die sich unser GruppenleiterInnen-Übunbsbuch bezieht. Was hat es Stresslevel-Messung als ein objektives Signal grundsätzlich damit auf sich? Solche Fragebögen sind von Psychologen oder Natürlich ist jedes persönliche Feedback direkt vor Ort Religionspsychologen entwickelt worden, um wissen- unbezahlbar und wertvoll. Dennoch kann ein objektischaftlich vergleichbare Antworten auf Forschungs- vierter Vergleich auf mögliche »schiefe Gleichgefragen zu erhalten. Die Hauptrichtung unserer Aus- wichte« in eurer Gruppenintelligenz hinweisen. Du wertung bezieht sich auf Fragen wie diese: erinnerst dich: Das Gehirn gewöhnt sich an alles und • Verändert sich das Denken oder Verhalten in End- erklärt es am Ende für »Normal«. So könnt ihr lich-Leben-Gruppen wirklich? gemeinsam dem auf die Spur kommen, ob ihr in eurer • Welche Symtpome sind da und wie genau verändern Gruppe oder sogar im größeren Kontext eurer sie sich? Gemeinde eine hohes Stresslevel für ganz »normal» • Gibt es auffällige Unterschiede bei der Veränderung haltet. Langfristig hätte das nämlich für die Gesundzwischen Gruppen oder bei unterschiedlichen Symp- heit negative Auswirkungen. Natürlich gibt es immer tomen? Phasen, wo besondere Belastungssituationen nicht zu Für eine gute Gruppenleitung brauchst du natür- vermeiden sind. Aber wir wollen ja gerade lernen, lich kein wissenschaftliches Studium absolvieren, um Dauerstress oder ungesunde Lebensmuster sehr kridie Funktion und Ergebnisse dieser Fragebögen in der tisch wahrzunehmen und zu verändern. Tiefe zu verstehen oder anderen vermitteln zu kön- Mein Tipp: nen. Wir bieten diese Möglichkeit zu einer wissenNutze regelmäßig persönlich dieses internetgeschaftlichen Begleitung der Gruppen vor allem als stützte Werkzeug, um die Veränderung deiner MusSicherheit für die GruppenleiterInnen und Gemein- ter immer wieder zu messen! Dadurch wirst du ein den an, damit sie an konkreten, überprüfbaren Punk- objektiveres Feedback bekommen, als deine Co-Leiten wahrnehmen, inwiefern ihre Endlich-Leben-Grup- tung in der Gruppe es je geben kann. Gerade die pen wirklich helfen können. Stresslevel-Messung (PSQ) und die SymptomemesWomöglich werden auch Überforderungssituatio- sung (KPD-38) können dir auch Aufschluss über deinen oder Hinweise auf Themenfelder oder Symp- nen persönlichen seelischen Zustand geben. tome, wo keine Hilfe zu erwarten ist, viel deutlicher in den Blick kommen. Alles in Allem nützt das einer Sorgfaltspflicht und kann die Qualität der Arbeit Was du über die Interneteingabe wissen solltest nachhaltig verbessern. Ein entscheidendes Merkmal für eine gelungene In diesem Handbuch gebe ich nur eine Kurzfassung Gruppensitzung lässt sich mit diesen Fragebögen der Anleitung, wie du das Internet bei der Fragebonicht direkt erfassen: Gelingt es der Gruppe, jedem geneingabe nutzen kannst. Die ausführliche AnleiGruppenmitglied zu vermitteln, dass es geliebt, getra- tung werde ich extra veröffentlichen, weil sich in diegen und verstanden ist? Werden so die Grundbedürf- sem Bereich immer wieder mal etwas schnell ändern nisse der Einzelnen gut befriedigt? kann. Für deine Selbsthilfegruppe reicht es völlig aus, Es klingt beim ersten Mal komplizierter als es am eine Atmosphäre der Geborgenheit zu erleben. Denn Ende ist. Wir wollen deine persönlichen Daten ja dann trauen Menschen sich zu, Risiken einzugehen, schützen und zugleich immer wieder miteinander versich zu öffnen und sich von anderen Unterstützung gleichbar machen. beim Lernen zu holen. Direkt messen lässt sich z.B. Darum brauchen wir drei eindeutige Namen: dein ganz subjektives Stressgefühl, indem du dich • Codenamen (für deine Person) fragst: Wie zufrieden fühlst du dich, wenn du die • Gruppennamen Gruppenstunde wahrnimmst? Wenn du dich (warum • Gruppenpasswort (ein Passwort für die ganze Gruppe) auch immer) überfordert fühltest, würde dein Stresslevel entsprechend erhöht sein.

Die Selbsttest-Fragebogen – Nutzen und Grenzen


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Schritt 1 Endlich am Ende

5. Tag: Die Rolle der Theologie Theologie wird lebendig durch deine Gruppe Unser Glaube gründet auf der Liebe, die Gott uns schenkt, egal, wie wir uns gerade fühlen. Schmerzen und Nöte sind gerade Hinweise dafür, dass wir einen Heilungsprozess dringend benötigen. Sie sind kein Indiz dafür wie Gott zu uns steht. Das erfahren wir aus seiner Offenbarung in der Bibel. In den Endlich-Leben-Gruppen wollen wir lernen, wie uns die Bibel und die darin enthaltene gute Botschaft (griechisch: „Evangelium“) zu einem gesunden und stabilen Leben hilft. Dabei ist der Schwerpunkt nicht die Bibel oder theologische Auslegungsfragen, sondern die lebendige Gemeinschaft der Glaubenden (die eine fleischgewordene »Bibel» oder GottesOffenbarung füreinander darstellen). Natürlich geht es in allem, was Christen tun oder denken, auch immer um Theologie. Das können und sollen wir auch nicht aus Endlich-Leben-Gruppen herausnehmen. Mit jedem Schritt ist eine biblische Passage verknüpft, die kürzer oder länger durch eine Auslegung ergänzt wird. Grundsätzlich ist es unmöglich, eine Auslegung in dieser Kürze so zu gestalten, dass alle unterschiedlichen theologischen Bedürfnisse und Meinungen befriedigt werden. An dieser Stelle erwarten wir konstruktive Kritik. Allein die Entscheidung, die Menge der biblischen Zitate (im Vergleich zu früheren Ausgaben des Arbeitsbuches) deutlich zu kürzen, hat nicht allen gefallen. Bitte nimm auch diesen Teil des Arbeitsbuches als eine Lernerfahrung. Du kannst selbstverständlich alle Inhalte kritisch lesen oder um eigene Erkenntnisse ergänzen. Du hast selbstverständlich als GruppenleiterIn in einer speziellen kirchlichen Tradition jedes Recht, deine theologische Erkenntnis einzubringen. Dabei möchte ich dich auf zwei biblische Grundwahrheiten hinweisen, die für Endlich-Leben-Gruppen sicherlich förderlich sind:

• Er suchte die Nähe eben gerade von solchen Menschen, die von allen gemieden wurden. Dieses Verhalten von Jesus machte in der damaligen Umwelt unmissverständlich klar, dass er selbst Sünder liebte, und ließ Gottes Liebe und Annahme spüren. Für die damalige religiöse Gesellschaft lag genau in diesem Verhalten von Jesus der Skandal. Man befürchtete, dass Jesus einen falschen Eindruck von Gott vermittelte, nämlich den: Gott würde sich mit Sünde verbünden.

Grenzen sind für das Leben unerlässlich Jesus war sich sehr genau bewusst, dass sein Verhalten missverstanden werden konnte. Er wollte den Menschen jedoch die radikale elterliche Liebe Gottes zeigen. Seine Absicht war die: • dass seine Art, mit Menschen umzugehen, Gottes bedingungslose Liebe zeigte und • dass Menschen dadurch bewegt wurden, ihr Geschick seinem liebevollen Vater anzuvertrauen. Diese Art des Auftretens Jesu illustriert, was Gnade Gottes meint: Du bist vorbehaltlos angenommen trotz deines „Aussatzes“, deiner Gottlosigkeit oder Schuld. Und dennoch gelten Grenzen, die in der Bibel durch das Konzept »Gesetz» aufgerichtet werden. Hier sind unterschiedliche kirchliche Traditionen zu verschiedenen Antworten gekommen. Es wäre gut, wenn du deine Prägung und Tradition reflektierst. Wie nimmst du gemäß deiner Tradition Gottes Liebe wahr?

Welche Stellung hat deine Tradition zum »Gesetz«?

Vorbehaltlose Liebe entspricht Gottes Art 1. Theologen stimmen darin überein, dass in der Person »Jesus« Gottes Haltung zu uns Menschen allgemein zu erkennen ist: Gott begegnet erstaunlicherweise Menschen ohne Vorwürfe und Verurteilungen. Typisch für Jesus waren nämlich solche Szenen: • Er aß und trank mit Sündern. Das tat keiner aus der Gruppe der sogenannten „Pharisäer“, einer Gruppe wirklich aufrechter „Frommer“ damals (vgl. Lukasevangelium Kap. 5,27-31).

In Endlich-Leben-Gruppen werden Menschen mit unterschiedlichsten Vorerfahrungen zu Liebe und Gesetz (Grenzen) anwesend sein. Umso wichtiger ist ein behutsamer und respektvoller Umgang mit unterschiedlichsten Theorien, bzw. Theologien dazu. Nimm gerade in dem Bereich, wo du dich sicher fühlst, um so mehr ernst, dass hier auch für dich neue Lernerfahrungen – ein Leben lang– möglich sind.


Die Rolle der Theologie

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Unterschiedliche spirituelle Sprachen sind erlaubt „Du musst nur richtig glauben, mehr beten, reiß dich zusammen, kram nicht in deiner Vergangenheit, dreh dich nicht um dich selber, sei dankbar in allen Dingen, nimm dein Kreuz auf dich, lies mehr in der Bibel! Wenn du das tust, hast du auch weniger Probleme!“ So lauten unterschiedliche Sätze aus christlichen Traditionen, die Lösungsmodelle sein sollten, aber manchmal zu einem falsch verstandenen christlichen Glauben geführt haben, der Menschen krank macht. Meistens ist er am Perfektionismus zu erkennen: Alles wirkt extrem, übertrieben und schwarz-weiß und wird dann auch noch „fromm“ genannt.

Das zwei- oder das mehrdimensionale Weltbild – wie denkst du? Ein Weltbild mit nur zwei Farben, schwarz oder weiß als mögliche Denkalternativen nennt man »dualistisch«. Ist unsere Welt aber nicht viel bunter – und die göttliche Wirklichkeit vielleicht auch? In Endlich-Leben-Gruppen wünsche ich mir auch in spiritueller Perspektive einen bunteren Raum, als in der Regel eine einzige kirchliche Tradition darstellen kann. Wie können wir das ermöglichen? Eine anregende Auslegung und ganz praktischer Versuch ist das 3-Farben-Konzept von Christian A. Schwarz: »Die 3 Farben deiner Spiritualität«, C&P-Verlag, 2009. Er entwickelt ein Modell, die Wirklichkeit nicht »dualistisch« (2-farbig), sondern »trinitarisch« (also 3-farbig) wahrzunehmen. Dabei ist klar. Auch sein Versuch ist nur ein vereinfachendes Modell der komplexen Wirklichkeit. Aber es hilft ganz praktisch, mit sehr unterschiedlichen Frömmigkeitstraditionen umzugehen.

Meine Grundlagen für ein spirituelles Miteinander in Wahrheit und Echtheit 1. Ich unterscheide verschiedene Räume mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben. So verstehe ich eine Endlich-Leben-Gruppe nicht als eine Bibelstunde. Die Hauptaufgabe einer Bibelstunde ist zu Recht, sich um die Auslegung der Bibel zu kümmern. Da ist es nötig, sich gründlich über Auslegungsregeln und Inhalte auszutauschen und gegebenenfalls auch zu streiten. 2. Endlich-Leben-Gruppen haben nach meinem Verständnis die Hauptaufgabe, sich um die »Auslegung der Menschen«, also um ihre Befindlichkeiten und Probleme zu kümmern. Und das in gebührendem Respekt vor ihrer jahrelangen Geschichte, ihren Beziehungserfahrungen mit Gott und dem, was sie mit Gott verbindet. Diese Erfahrungen können nicht einfach mal so umgedeutet werden, weil sie oft zum Herzstück einer persönlichen Identität gehören. 3. Endlich-Leben-Gruppen könnten nach meiner Vorstellung zu einem idealen Übungsraum werden. Wo haben wir in Gemeinden solche Versuchslabore, wo unterschiedliche spirituelle Sprachen und Dialekte ausdrücklich erwünscht sind, eben um möglichst viele Aspekte von Gott und der Welt zu erfahren und aus verfahrenen Situationen aufzubrechen? Dabei soll eins klar bleiben: Ich gehe davon aus, das es spirituelle Erfahrungen nicht an und für sich gibt, sondern jede spirituelle Erfahrung schon eine Deutung ist. Sie ist auf ihrem langen Weg durch den Kopf einer konkreten Person mit deren konkreter Sprache und konkre-

ter historischer Frömmigkeitstradition gefiltert worden und kommt auch durch vielfältige Filter erst wieder beim anderen an. Dieser Herausforderung waren sich übrigens die Väter und Mütter der 12-SchritteBewegung schon bewusst. Darum haben sie hier schon sensibel nach Vielfalt gesucht und einen weiten Raum eröffnet. 4. Das alles lässt mich folgern: »Missionieren« im Sinne einer bewussten Überzeugungsarbeit am anderen sollte in Endlich-Leben-Gruppen nicht vorkommen. In Endlich-Leben-Gruppen geht es vor allem um Modell-Lernen. Im besten Falle vertraue darauf, dass dein Modell, wie du Gott verstanden hast und wie du ihn repräsentierst durch deine spirituelle Praxis, ein Denkanstoß für die anderen sein kann. Oder es kann eine Störung, manchmal sogar eine Verstörung bedeuten. Nicht mehr und nicht weniger. Überlass es den Gruppenmitgliedern, das zu übernehmen, was sie jetzt in ihrer Situation von deinem Beitrag gebrauchen können. Auch für diese, meine hier zusammengefassten Grundanschauungen gilt: Du kannst das alles natürlich anders sehen. Du hast das Recht und die Pflicht dazu, wenn das Gesagte deiner Grundüberzeugung nicht entspricht. Sei deiner Sache gewiss und lebe deinen Glauben – Hauptsache authentisch und persönlich verantwortet vor Gott.


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Schritt 1 Endlich am Ende

6. Tag: Was bedeutet Schritt 1 für deine Leitungsrolle? Hier geht es um das konkrete Verhalten und deine Haltungen bei der Ausübung deiner Leitungsrolle. Dabei kommen die zuvor erklärten Denk-Modelle oder Theorien zum Tragen. Je nachdem wie du dich im Blick auf psychologische, neurobiologische oder theologische Modellvorstellungen entscheidest, wirst du deine Leitungsrolle anders verstehen, wirst du die Gruppenleitungsmethoden anders begründen und entsprechend andere Schwerpunkte in der Arbeit setzen. Im Horizont dieser Erkenntnisse wirst du die spezielle Art deiner Leitungsstils herausfinden. Ich kann dir hier nur meine Schlussfolgerungen vorstellen. Entscheide du, wie du vorgehen willst.

Leitende als „Gruppenkönige“ (Kontrollsucht) Eine der größten Gefahren ist die Überzeugung der Leitenden, sie könnten den Prozess der Teilnehmenden in irgendeiner Weise steuern, alles in der Gruppe also »machen« oder Veränderungen selbst bewirken. Im guten Glauben, Verantwortung für die Gruppe zu übernehmen, verhält er oder sie sich überverantwortlich, was ein Symptom von „Co-Abhängigkeit“ ist. Theologisch gesagt setzt der Leitende sich dadurch an die Stelle Gottes. Das Bewusstsein, die Heilung und Veränderung der TeilnehmerInnen „nicht machen zu können“ und somit machtlos zu sein, ist das Fundament der Leitenden in Endlichleben-Gruppen. Schritt 1 muss daher vor allem von dir als Verantwortlichem immer wieder persönlich umgesetzt werden.

Mangelndes Gespür für die eigenen Grenzen Wenn Leitende ihre Grenzen nicht erkennen, hat das Folgen. Sie überschätzen sich in ihren Kenntnissen oder Kompetenzen. Deshalb sollen sie sich immer wieder klar darüber werden, dass ihr Wissen nur „Stückwerk“ ist, und so immer einer Begrenzung unterliegt. GruppenleiterInnen sind verpflichtet, Menschen, mit denen sie oder die Gruppe überfordert sind, an fachlich ausgebildete SeelsorgerInnen oder Ärzte und Therapeutinnen weiter zu verweisen. Die Frage bleibt für dich immer wieder wichtig: Woran erkennst du deine Grenzen? Wie fühlen sich Grenzen an? Ab wann wird es wirklich grenzwertig, wo ist es noch im grünen Bereich? Ein mangelndes Grenzgespür ist oft biografisch begründet. Du hast in deiner Kindheit und Jugend ein spezielles Konzept für das, was man »gesunde Grenze» nennt, entwickelt. Lass es durch deine CoLeitung überprüfen. Rede mit ihr über deine Gefühle, dein Verantwortungsverständnis und besonders über den Punkt, ab wann es für dich zu »heiß« oder zu »gefährlich« wird oder wie immer du »Grenze« in Worte fasst.

Mangelndes Gespür für die Gruppengrenzen Bei der Leitung darf man sich eingestehen: EndlichLeben-Gruppen können nicht für alle Menschen einen hilfreichen Rahmen bieten. Als GruppenleiterIn bist du in erster Linie für dich verantwortlich. Da wo du dich überfordert fühlst, darfst du dich um die entsprechend nötigen Hilfsmöglichkeiten rechtzeitig bemühen und TeilnehmerInnen an Fachleute, SeelsorgerInnen und SupervisorInnen überweisen (z.B. bei psychischen Erkrankungen oder auch bei Phänomenen mit denen du nicht vertraut bist). Praktisch bedeutet das, dass du deine Überforderung zuerst mit deiner Co-Leitung besprichst. Danach kannst du in der Gruppe ehrlich deine Hilflosigkeit zugeben. Die anderen werden ihre Perspektive mit einbringen. Dabei geht es nicht darum, eine Person »krank« zu reden oder »schlecht« zu machen. Solche Verfahrensweisen hat diese Person aller Wahrscheinlichkeit nach schon erlebt und wird möglicherweise allergisch reagieren. Die Leitperspektive eines solchen Austausches heißt immer: Wie können wir dich darin unterstützen, dass du die Begleitung oder Hilfe bekommst, die dir und deinen Bedürfnissen wirklich gerecht wird. Wenn wir uns überfordert fühlen, signalisieren wir dir nur, dass wir alleine es nicht schaffen. Eine mögliche Lösung könnte so aussehen: Zusätzlich zur Gruppe kann eine professionelle Begleitung stützend oder ergänzend hinzukommen. Manchmal ist die Endlich-Leben-Gruppe auch der Raum, der einem Teilnehmenden zur Klärung verhilft, so dass er/sie sich für einen stationären Aufenthalt in einer Klinik entscheidet. In Überforderungsfällen ist nicht immer professionelle Behandlung und Begleitung erforderlich. Es kann auch einfach sein, dass diese eine Gruppe nicht die natürlichen »Spezialisten« hat, die mit der Gruppen-Dynamik umgehen können. Nur eins ist zu bedenken. Wenn GruppenleiterInnen solche Grenzen nicht ernst nehmen, schadet das nicht nur der einzelnen Person, sondern kann auch die Vertrauenswürdigkeit der Gruppe oder überhaupt der Endlich-


Schritt 1 und deine Leitungsrolle

Leben-Arbeit aufs Spiel setzen. In Endlich-leben-Gruppen lernen wir ja ausdrücklich, dass es o.k. ist, um Hilfe zu bitten. Genau darum geht es, wenn in einer Gruppe der Stresslevel steigt und im Eifer des Gefechtes die Blindheit für bessere Lösungen wächst.

Telefonkonferenzen, Intervision, Supervision

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konferenzen. Was sich gewaltig anhört, ist die schlichte Weiterentwicklung des Telekommunikationswesens. Durch die internetgestützten Möglichkeiten gibt es kostengünstige Angebote, unterschiedlich viele Menschen in einem definierten Zeitfenster miteinander ins Gespräch zu bringen. Erfahrungen zeigen: Es funktioniert, wenn du dich konzentrierst und einige einfache Kommunikationsregeln beachtet werden. In den Gesprächen bekommen alle Fragen zur Gruppenleitung Raum. Antworten oder Lösungen werden gemeinsam erarbeitet. Das ist eine gute gemeindeübergreifende Möglichkeit. Dadurch werden auch mögliche Einseitigkeiten dieser intensiven Gruppenarbeit schnell deutlich. Ideal ergänzen kannst du diesen telefonischen Austausch durch eine Austauschrunde mit euren GruppenleiterInnen vor Ort. Das nennen die Fachleute »Intervision», ein aufeinander Achtgeben unter Gleichgestellten, was von »Supervision» als einer fachlichen Aufsicht durch eine/n ausgebildete/n SupervisorIn zu unterscheiden ist. Wichtig bleibt immer wieder: Was hilft euch, die Lernräume vielfältig zu gestalten und möglichst weit zu halten?

Selbsthilfegruppen haben sich in ihrer noch jungen Geschichte seit den 70ger Jahren in Deutschland als sehr wichtige und auch kompetente Hilfe für unterschiedlichste betroffene Menschen erwiesen. Dennoch haben sich mit den Jahren auch Schwächen dieser Arbeitsform gezeigt. Deshalb gibt es viele Maßnahmen, um diese wichtige Ergänzung im Gesundheitssystem zu stützen. • Selbsthilfekontaktstellen vernetzen Erfahrung und vermitteln gerne Kompetenz • Schulungsangebote unterschiedlichster Anbieter helfen, sich für Spezialgebiete wie z.B. Sucht weiterzubilden. • Literatur zur persönlichen Horizonterweiterung gibt es in unüberschauberer Menge. Das Endlich-Leben-Netzwerk bietet sich als Knotenpunkt an, damit Erfahrungen (gute und schlechte) Schau dir die Beschreibung zur Telefonkonferenz im ausgetauscht werden, um dadurch zu lernen. Über das Internet machen wir eine große Menge Internet an. Du findest alles ausführlich beschrieben Wissen und alle unsere Schulungsangebote öffentlich. unter: www.telefonkonferenz.endlich-leben.net Neue Formen der Weiterbildung entwickeln wir zur Zeit. Eine einfache und effektive Form sind Telefon-

Welche Form begleitender Unterstützung ist für dich und deine Gruppe optimal? Mache dir klar, was in deiner besonderen Situation nötig ist. Du allein weißt, was du brauchst, um dich optimal unterstützt zu wissen. Manchmal gibt dir deine Gemeinde vor, was ihren Standards entspricht. Nutze doch auch die Hilfsmöglichkeiten des Netzwerks. Schreibe auf, wie du begleitet werden willst, wenn das noch nicht geklärt ist oder nicht dem Umfang entspricht, den du dir vorstellst.


Wie kannst du kreativ den Raum weiten?

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7. Tag: Wie kannst du kreativ den Raum weiten? Unter dieser Rubrik üben wir das Querdenken oder Ausbrechen aus dem »Bilderrahmen». Vielleicht fragst du dich, ob das nicht schon die ganze Zeit das Thema war. Ja, auf eine gewisse Weise sicherlich. Hier möchte ich dir gezielt Übungen vorstellen, wie du immer wieder deine Gruppe bei ihrer Arbeit herausfordern und anregen kannst. Nur neugierige Menschen werden lernen. Nur wer von innen gesteuert, selbstmotiviert auf die Suche geht, wird bereit für Veränderungen sein. Darum kannst du niemals in deiner Gruppe Menschen zu ihrem Glück – ihrer Veränderung – zwingen. Aber du kannst den Rahmen ändern, so dass sich völlig neue Perspektiven wie von selbst ergeben.

Gegenständlich Schritt 1 erleben Die Endlich-Leben-Gruppe hat ihre Stärken in der gedanklichen Auseinandersetzung mit der Thematik. Daneben gibt es viel Raum für Begnung in der Gruppe und Austausch. Aber all das läuft stark über das Medium Sprache. Über Sprache ist aber nicht jeder ansprechbar. Manche Menschen müssen fühlen, spüren, berühren, erleben, damit sie wirklich verstehen. Überlege dir eine Möglichkeit, wie du den Schritt 1 erlebbar machen kannst - ohne Worte zu benutzen – oder wenigstens Worte nur ganz reduziert zu nutzen. Lege den Schwerpunkt auf andere Medien: • bildnerisches Gestalten • spürbare (haptische, d.h. mit dem Berührungssinn gemachte) Erfahrungen • Erfahrungen, die über den Geruchssinn wahrgenommen werden • Erfahrungen mit Hören, musikalisch oder akustisch Wähle ein Medium aus, das dir nahe liegt und gestalte für dich ein Symbol oder ein Modell, das für den ersten Schritt stehen kann. Du kannst dabei auch deinen Gruppenraum nutzen, die Gegenstände oder Einrichtungsgegenstände verändern, ganz entfernen oder ergänzen. Du kannst ein Bild, ein Symbol oder einen Geruchsimpuls im Raum installieren. Überrasche deine Gruppenmitglieder – vielleicht nicht gleich beim ersten Treffen, aber fang schon früh an, innerlich in Bewegung zu bleiben. Diese Übung kann auch den geistlichen Abschluss am Ende der Gruppenstunde betreffen. Überlege dir, wie du den ersten Schritt mit einer passenden geistlichen Ausdrucksform sinnenhaft vertiefen kannst. Ein Beispiel: Eine Gruppe hat verschiedene Steine (in verschiedenen Farben, Größen und Formen, mit unterschiedlicher Anordnung) in der Mitte des Raumes platziert. Zum Abschluss der Gruppensitzung sollte jedes Gruppenmitglied sich den Stein auswählen, den sie/er für geeignet hielt, einen Aspekt seines/ihres Problems zu repräsentieren. Nach einer Zeit des Ausprobierens sollte jeder sich mit seinem Stein still in einen für ihn angenehmen Winkel des Raumes zurückziehen. In der Stille sollte er den Stein »wiegen« und sein Problem, so wie es sich anfühlte, mit diesem Stein in Verbindung bringen. Nach einer Weile (die von leiser Musik untermalt war) ging es darum, den Stein wieder loszuwerden. Dabei sollte sich jeder fragen: »Warum will der Stein sich nicht bewegen? Warum bleibt er so gerne bei mir?» Nach dieser Phase legten alle ihren Stein zusammen auf einen Haufen und brachten ihn – und damit ihr Problem – gemeinsam vor Gott. Damit sollte noch keine Lösung gefunden, sondern bis zum nächsten Treffen nur eine »Zwischenablage« gesucht werden, um dann mit diesem Stein weiterzugehen. Es gäbe aber auch die Möglichkeit, dass Teilnehmende ihren Stein mitnehmen, um ihn besser zu erkunden.


Schritt 3 Sich Gott geben

Schritt 3

Sich Gott geben

„Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – soweit wir ihn verstanden haben – anzuvertrauen.“

Wir entscheiden uns, die Gruppe Gott anzuvertrauen Schritt 3 berührt zwei Themen: 1. Wille: Bei diesem Schritt geht es um die Rolle von Willensentscheidungen (nicht nur im religiösen Feld). 2. Vertrauen: Gott ist aus christlicher Perspektive vertrauenswürdig. Er kann und will für mein Leben sorgen! Viele von uns haben mit diesem Schritt eine wirkliche Befreiung erlebt. Das bedeutete für das Gehirn wie für den Lebensalltag eine gravierende Umorganisierung der Wichtigkeiten. Sie haben neu erlebt, wie sie ihren Willen einsetzen können: Sie konnten nämlich den Willen hin zu Gottes befreiender Kraft lenken. Es war wie ein Wunder: Vorher hatten sie sich ihr ganzes Leben lang auf sich selbst verlassen. Jetzt konnten sie sich entscheiden, sich auf Gott zu verlassen. Diese Bindung verändert darum das ganze System grundlegend – gerade dann, wenn sie mehr und mehr zur zentralen Beziehung wird. Schritt 3 fordert GruppenleiterInnen heraus, • sich mit der persönlichen Zentralität ihres Glaubens auseinanderzusetzen • für die Gruppe ein weites Herz im Blick auf Frömmigkeitsstile und Inhalte zu bewahren. Dieser Schritt löst auch Ängste aus, dass Gott in der Gruppe nicht wirken könnte. Gerade dann, wenn es in der Gruppe um viel geht, zeigen sich solche Ängste. Viele GruppenleiterInnen haben aber erlebt, dass sie trotz Schwierigkeiten im Vertrauen gewachsen sind. • Gott ist der Gruppe gegenüber gut. • Gott wird wirklich helfen, weil es sein Anliegen ist.

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Schritt 9 Wiedergutmachung / Arbeit an Beziehungen

Checkliste Gruppenqualität (GQ)

In unserer Gruppe beobachte ich mehrheitlich Gruppenmitglieder mit dem folgendem Gruppenverhalten:

tr iff tn ich tr iff t w t zu en ig er tr iff zu te he rz tr iff u tg en au zu

Nutze für die Gruppenbeobachtung die folgende Checkliste. Sie hilft dir, festzuhalten, auf was du in der nächsten Zeit besonders achten willst. Du kannst sie um eigene Items erweitern oder sie in deine Sprache umformen.

1. einfühlsam-empathisch (mitfühlend)

2. verständnisvoll/akzeptierend

3. für das Wohl anderer Gruppenmitglieder engagiert

4. vertrauenswürdig/zuverlässig

5. warm/ unterstützend

6. kompetente, optimistische, selbstsichere Personen

7. Gruppenmitglieder-Tonfall ist unängstlich und vermittelt Sicherheit

8. Humorfaktor der Gruppe ist hoch

9. tiefenwirksame Beruhigungsformen (z.B. Gebetsformen)

10. sich passend zu den Zielen der Gruppenmitglieder verhalten

11. besserwisserisch-belehrend

12. dominant-kontrollierend

13. andere und ihre Beiträge kritisierend-abwertend

14. verurteilende Kommentare

15. kalt und fordernd

16.

17.

18.

2009 Endlich-Leben-Netzwerk, Heustr. 59, 32657 Lemgo, GQ, Gruppenqualitäten messen. nur für Nonprofit-Zwecke oder in Endlich-Leben-Gruppen nutzbar.


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Schritt 12 Zum Zeugen werden

1. Tag: Nachhaltige Frucht der 12 Schritte Durch den Schritt 12 fangen wir an, uns über unseren persönlichen Bereich hinaus nach außen der Gesellschaft und unseren Aufgaben dort zu stellen. Wir leben aus dem neuen Selbstbewusstsein heraus: Wir sind nicht mehr die Hilfsbedürftigen, die wir mal waren. Bei der Gruppenleitung haben wir konkret in der Gruppe erlebt: Wir haben etwas zu sagen und zu geben. Wir haben etwas empfangen, das wir weitergeben können.

„Nachdem wir durch diese Schritte ein „… versuchten wir, diese Botschaft geistliches Erwachen erlebt hatten …” anderen weiterzugeben“ Für viele von uns kam dieses „geistliche Erwachen“ unmerklich und erst rückblickend entdeckten sie die Veränderungen. Selten können wir einen deutlichen Anfang der „Erweckung“ festmachen. Jesus kommt zu uns, wann und wie er will. Wir erkennen dann plötzlich, dass all dies nötig war, um uns dahin zu bringen, wo wir jetzt stehen. Mit Schritt 1 hatten wir bei unserer Machtlosigkeit angefangen und nun ist herausgekommen: Wir sind wach und lebendig geworden. Wir haben eine neue Art entdeckt, unser Leben zu führen, und merken: Es könnte ansteckend wirken! Viele Menschen besitzen diese Art von Reichtum nicht, ja sie hungern direkt danach. So werden wir dankbar – sogar für unser vielleicht schweres Schicksal, das hinter uns liegt, weil wir erlebt haben: Jesus hat Fluch in Segen verwandelt. Er hat aus unserer Misere etwas sehr Kostbares werden lassen. Einige von uns danken Gott sogar für den unendlich schmerzhaften Weg durch die Sucht, weil er sie auf diese Weise in seine Arme getrieben hat. Sicherlich kannst du auch in deiner Gruppenleitungsposition solch eine Freude wahrnehmen: • Du bist sensibler und wahrnehmungsfähiger für dich selbst geworden. • Du bist offener für deine Umgebung und die Gruppenmitglieder. • Deine Beziehung zu dir, anderen und Gott ist vielfältiger und intensiver geworden. • Dein Wertesystem hat sich tief greifend verändert. • Deine Ziele und Prioritäten sind von der Liebe Gottes geprägt. • Du kannst deine menschlichen Grundbedürfnisse angemessener befriedigen. • Erfolg, eigener Ruf, Perfektion und Ehrgeiz sind dir nicht mehr isolierte Werte auf Kosten von menschlicher Nähe, Wärme und Vertrauen. • Negative oder belastende Gefühle haben sich gewandelt und sind einer Grundstimmung der Freude und Hoffnung gewichen, die auch andere bereichert.

Du hast neues Leben geschenkt bekommen! Das Wunderbare ist: Es wirkt sich schon aus. Du gibst durch dein ganzes Sein die Botschaft von der erbarmenden Liebe Gottes weiter. Das geschieht bewusst oder unbewusst dort, wo du lebst. Ganz natürlich bekommen es deine Nächsten mit, was an dir geschehen ist. Deine Familie, deine Freunde, Arbeitskollegen und die Gemeindemitglieder beobachten dich und deine neuen, gesunden Verhaltensmuster. So wird jedes Gruppenmitglied zum positiven Lebensmodell für eine Gesellschaft, in der durch dysfunktionales Verhalten Milliardensummen in der Wirtschaft verloren gehen (z.B. durch das Phänomen der »inneren Kündigung«), Familien und Ehen in die Brüche gehen oder Menschen seelisch krank werden und deshalb nicht mehr produktiv für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Das Weitergeben dieser Gnade, die dir widerfahren ist, geschieht also im privaten wie öffentlichen Raum, jedesmal wenn du mit anderen Menschen zusammen lebst und umgehst. Etwas von dem 12-Schritte-Programm weiterzugeben bedeutet nicht nur, irgendetwas in Worte zu kleiden. Deine Taten sprechen für sich.

»Frucht« vermehrt sich multiplikativ Durch die Arbeit in deiner eigenen ersten EndlichLeben-Gruppe hast du begeistert erlebt, wie du selbst dich gewandelt hast. Das 12-Schritte-Programm hat einen Samen in dich gepflanzt, der aufgegangen ist und Frucht getragen hat: ein besseres, seelisch gesünderes Leben. Im Arbeitsbuch für Gruppenmitglieder haben wir besonders herausgearbeitet, wie sie persönlich an der Weitergabe ihrer Wandlung arbeiten können. Hier im Handbuch für Gruppenleitende möchte ich die Blickrichtung auf die allgemeinen Prinzipien des Fruchtbringens lenken. Meine Schlüsselfrage ist nun: Was umfassend gemeint mit der »Frucht« der Endlich-Leben-Gruppenarbeit? Oder anders gefragt: Warum versuchen wir, diese Botschaft weiterzugeben?


Nachhaltige Frucht der 12 Schritte

Frucht einer Endlich-Leben-Gruppe Zur Frucht einer Endlich-Leben-Gruppe zähle ich zuerst die sieben von unterschiedlichen Herausforderungen betroffenen, Personen, die mit dir und deiner Co-LeiterIn zusammen zum Teil gravierende Veränderungen erlebt haben. Um diese Frucht nicht nur in jeder Gruppe begeistert wahrzunehmen, haben wir in unser Endlich-Leben-Programm eine Bewertung und Messung der Wirkung auf objektive, wissenschaftlich genormte Weise eingebaut: die Fragebögen. Natürlich können Selbsthilfegruppen allein durch die berichteten »Erfolgsgeschichten« glaubwürdig und für andere überzeugend wirken. Dennoch ist es ein wichtiger Schritt gewesen, ab 2007 den Gedanken der Qualitätssicherung durch Qualitätsmessung einzuführen. Mit Hilfe dieses Werkzeugs kannst du persönlich wahrnehmen, welche konkreten Früchte diese Arbeit im Blick auf deine Symptome, deinen Stresslevel, dein Lebensmuster und Religiosität bewirkt hat. Für die Gruppenleitung wirst du in Zukunft von mir noch weitere objektivierte Berichte über die genaue Wirksamkeit oder auch weniger gut gelungene Wirksamkeit erhalten, die dir helfen werden, deine Aufgabe im Sinne Jesu treu und zuverlässig, also fruchtbringend zu erfüllen. Aber ist das wirklich schon die ganze Frucht?

Frucht einer »Endlich-Leben-Gemeinde« Gemeinden werden zwar je nach Konfession unterschiedlich beschrieben. Was aber allen Gemeinden gemeinsam ist, ist die Förderung ihrer Mitglieder zu einem jesusgemäßen Leben. Egal wie das im Einzelnen definiert wird, es bedeutet ein Mehr an Lebensqualität für alle, die dieser Gemeinschaft angehören. Selbst wenn nicht alle »gesund« werden oder alle ethisch-moralisch korrekt leben werden, die Zielperspektive bleibt: Ein Leben nach den vitalisierenden Maßstäben Gottes. Es geht also um Leben. Es geht aber auch für die Gemeinde als Gemeinschaft, als größeres System um die Frage: Wie können wir eine Gemeinde mit Ausstrahlung werden? Wie kann sich nicht nur neues Leben in einzelnen Menschen, sondern auch in den Strukturen und Lebensformen der Gemeinde auswirken? Wie kann diese »Körperschaft« Gottes heilvolle, lebensspendende Kraft modellhaft darstellen? Darum ist die Frucht einer Endlich-Leben-Gruppe nicht nur, dass sieben Gruppenmitglieder zum Leben transformiert werden, sondern dass sich diese Gruppen alle Jahre multiplizieren. Aus einer Pilotgruppe werden zwei Gruppen, im Jahr darauf aus zwei Gruppenleitungspaaren vier Gruppenleitungspaare und Gruppen. So vermehrt sich innerhalb einer Gemeinde

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die Anzahl der Gruppenmitglieder durch die Multiplikation der Gruppen. Nach unseren Erfahrungen bisher gibt es Gemeinden mit 2-3 Gruppen und Gemeinden mit bis zu 10 Gruppen, die parallel das Gemeindeleben bereichern. Das sind in Zahlen um die 70-80 Personen, die jährlich eine persönliche Lebenserneuerung erhalten. Ist das die ganze Frucht einer Endlich-Leben-Arbeit?

Frucht einer »Endlich-Leben-Region« Wenn sich die Weitergabe dieses Gottesgeschenks auf die eigene Gemeinde beschränken würde, gäbe es nicht über 100 Gruppen jährlich in Deutschland und der Schweiz. 1994 wurde, –inspiriert durch Gottes Geist–, in den Gemeinden in Lemgo und Bern diese Arbeit mit Endlich-Leben-Gruppen begonnen. In wenigen Jahren wurden weitere Gruppen in den umliegenden Regionen dieser Gemeinden ins Leben gerufen. So gibt es heute in Bielefeld, Basel, Bonn, Bern, Bochum, Böblingen und Berlin Gruppen, aber auch in Aachen, Oldenburg, Hamburg, München, Fulda, Rheinbach, Olten, Bad Arolsen, Ingolstadt, Kaufbeuren, Kassel, Korbach, Meppen, Neu-Anspach, St. Gallen, Zeilsheim und an vielen anderen Orten Gruppen. Wie es dazu kam? Weil einzelne aus diesen Gemeinden zu Botschaftern über ihre Gemeindegrenzen hinaus wurden, weil MultiplikatorInnen die gute Nachricht über diese Selbsthilfegruppen verbreitet haben. Die aktuellen Orte findest du auf unserer Webseite unter www.finde.endlich-leben.net. Das ist hier die Zukunft einer möglichen Vision: Dass sich jede Endlich-Leben-Gemeinde in der Region vervielfältigt, indem sie regelmäßig Gruppengründungs-Motivationstage für ihre Region anbietet, benachbarte Gemeinden auf die Arbeit aufmerksam macht und so dafür sorgt, dass Gemeinden zu Leuchttürmen für ihre Region werden, bis irgendwann in nicht allzuferner Zukunft ca. alle 30km Endlich-LebenGruppen angeboten werden. Ist das die ganze Frucht einer Endlich-LebenArbeit?

Frucht des nationalen »Endlich-Leben-Netzwerks« Die Endlich-Leben-Gruppen wurden von Anfang an zuerst als informelles Netzwerk, seit 2004 mit Hilfe einer geordneten Vereinsstruktur miteinander vernetzt. Was ist die Frucht dieser Vernetzung? Das Netzwerk sorgt dafür, dass nicht jede Gemeinde neu alle Fehler durchmacht, bis ihre Arbeit auf gesunden Füßen steht. Das Zertifizierungsbüro koordiniert, damit alle Gruppen nicht nur registriert werden, sondern auch für die Gründung Tipps, Hilfen und Material erhalten. Ermutigung, Korrektur und weiterge-


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Schritt 12 Zum Zeugen werden

hende Qualitätserhaltende Maßnahmen werden durch das Netzwerk organisiert. Dieses Handbuch für GruppenleiterInnen ist eine Frucht dieser Vernetzung. So wird mit bisher sehr überschaubarem Personaleinsatz viel Wirkung erzeugt. Weiter werden die TrainerInnen für Gruppenleitungs-Schulung koordiniert und geschult, Material für Werbung produziert und persönliche Ermutigung in Krisen und allgemein für Gruppenleitende durch die Gruppenleitungs-Telefonkonfernz angeboten. Gäbe es solch ein Netzwerk nicht, würde irgend jemand garantiert eines in den nächsten Monaten erfinden. Es reicht für diese Vision eben nicht, einfach nur ein Gruppenarbeitsbuch auf den Markt zu werfen. Zu wichtig ist eine gute Qualtität von Endlich-Leben-Gruppen, damit GruppenteilnehmerInnen überall auf ein Gruppenangebot stoßen, dass ihnen wirklich weiterhilft und nicht zusätzlich Probleme oder sogar Schaden anrichtet. Darum soll sich das Endlich-Leben-Netzwerk kümmern. Aber ist das die ganze Frucht einer Endlich-Leben-Arbeit?

Frucht eines internationalen Dachverbands Einige von den GruppenleiterInnen sind schon bei dem vorletzten Punkt aus dem Staunen gar nicht herausgekommen: »Das wusste ich ja noch gar nicht, dass es außerhalb von unserer Gemeinde so viele EndlichLeben-Gruppen gibt.« Anderen war dies bekannt. Der Aufbau eines Qualitätsnetzwerks ist für solch eine vielversprechende Arbeit einfach Voraussetzung. Gerade im Zeitalter des Internets können Informationen mit geringem Aufwand zentral über die Webseite oder andere Medien direkt auf den Schreibtisch jedes Beteiligten gesendet werden. Aber was kommt jetzt? Gottes Führung war es wohl, dass unabhängig voneinander in Deutschland, Schweiz, aber auch in Frankreich diese Vision in die Herzen der Gründer dieses Netzwerks gegeben wurde. So gibt es seit 2002 einen französischen Zweig und seit 2007 eine französische Übersetzung des Arbeitsbuches. Motivationsstage in Kamerun waren 2009 der erste Schritt auf den neuen Kontinent Afrika. Und Anfang 2010 kam es zu konkreten Kontakten mit Gründern in Belgien, die die französische Version in eine niederländische Sprachversion übersetzen wollen, um in den belgischen Gefängnissen und Gemeinden eine Endlich-Leben-Arbeit zu beginnen. Übersetzungen ins Russische und Polnische sind vor Jahren wie von selbst entstanden. Die Sehnsucht nach Leben ohne Süchte, psychische Probleme oder Ängste breitet sich in Europa aus. Mehr noch: Bei der ersten Netzwerkkonferenz im Jahre 1998 in Frankfurt war der internationale Direktor der »Christian Recovery-Groups«, Dale Ryan, aus Los Angelos angereist, um die Gründer der ersten christlichen 12-Schritte-Arbeit in Mitteleuropa zu

ermutigen. Diese Begegnung führte nicht nur zu persönlicher Ermutigung, sondern auch zum Fachaustausch: Das gesammelte Wissen internationaler 12Schritte-Literatur ist in die deutsche Arbeit eingeflossen. Ein Nebenzweig war die Entdeckung und Entwicklung der Kinder-Mutmach-Gruppen. Dieses 8wöchige Programm für Eltern und Kinder in persönlichen oder familiären Krisen ist ein einmaliges Werkzeug für den Einstieg in Selbsthilfegruppen innerhalb christlicher Gemeinden. Wir lernen, dass Frucht sich im Reich Gottes immer über Gemeinde- und Konfessionsgrenzen hinaus vermehrt, multipliziert und Synergien mit anderen Netzwerken und Arbeitsformen wie der Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste (AMD) seit 2008 sucht und findet. Das alles gehört zur Dimension von Schritt 12: die Multiplikation einer Vision auf vielen Ebenen durch viele Menschen und mit Hilfe von vielen Ressourcen.

Weitersagen nützt dir selbst Die gute Botschaft weiter zu tragen, wird nicht nur anderen, sondern auch dir selbst deutlich machen, wie sich dein Leben während der Arbeit mit den 12 Schritten verändert hat. Du hast bei der Gruppenleitung erlebt, wie wertvoll es ist, den Menschen eine Hilfe sein zu können, deren Nöte oder Abhängigkeiten deinen ähnlich sind. Ihnen kannst du aus eigener Erfahrung eine Menge weitergeben. Beachte: Jedesmal wenn du ihnen deine Veränderungsgeschichte erzählst, erzählst du sie auch noch einmal dir selbst! Du nimmst erneut wahr, wo du herkamst und wo du nicht mehr hin willst. So wird dir selbst auch wieder deutlich, was Jesus in deinem Leben für dich getan hat. Seine Gnade und Liebe leuchtet neu für dich auf. Ein wertvoller Nebeneffekt!

„… und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten“ Dieser Satzteil des zwölften Schrittes hat eine noch umfassendere Reichweite: Die neuen Lebensprinzipien sollen alle unsere Handlungen bestimmen. Wir bekommen eine ganz neue Beziehung auch zu unserem nächsten Umfeld und zur Gesellschaft. Unser soziales Empfinden, kulturelles und politisches Interesse erwacht. Wir tragen den neuen Lebensstil der Offenheit und Konfliktfähigkeit, den Verzicht auf Manipulation und die Bereitschaft zu verzeihen in unsere größere Umwelt. Damit prägen wir unsere Familie, Arbeitsstelle, Gemeinde, Vereine und den ganzen Freundeskreis. Die Herrschaft Jesu in unserem Leben bleibt nie unsere Privatsache.


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3.Tag: Wie kommt es zur Multiplikation auf allen Ebenen? Erinnere dich noch einmal: Dein Leben als Ganzes ist eine Botschaft der Gnade und Liebe Gottes geworden. Du wirst in allen deinen Beziehungen etwas davon ausstrahlen. Vielleicht bist du aufgrund deiner früheren Erfahrung (z. B. als Alkoholiker, Drogensüchtiger, Ess-Süchtige, Beziehungs-Süchtige …) besonders geeignet, anderen Betroffenen Hilfe zu geben.

Helfer sein für andere Betroffene Vielleicht fällt es dir sehr leicht, mit anderen in Kontakt zu kommen, die ähnliche Probleme haben, wie du sie hattest. Viele dieser Menschen stecken noch in ernsthaften Schwierigkeiten, sind verwirrt und verletzt. Du kannst ihnen auf vielfältige Weise helfen: • Erzähle ihnen deine Geschichte! • Bete für sie! • Lade ihn oder sie zur einer neuen Endlich-Leben-Gruppe ein! • Überlege, wer außer dir noch als BegleiterIn für sie in Frage käme! • Nimm sie oder ihn in deine Gemeinde mit hinein! • Mach dir klar: Sie brauchen eine besondere Ermutigung und Unterstützung, damit sie begreifen können, dass das 12-Schritte-Programm eine wirkliche Hilfe für sie sein wird! • Ermutige Neue, geduldig und liebevoll mit sich selbst umzugehen. Sie sollen sich nicht zu viel vornehmen, sondern Tag für Tag vorwärts gehen (»Nur-für-heute-Prinzip«!). Wer fällt dir ein, den du begleiten könntest?

Helfer sein für die Multiplikation in deiner Gemeinde Vielleicht hast du von deinen Gaben her eine menschenbezogene Persönlichkeit, die am besten bei der Gruppenleitung Multiplikationskraft entwickelt. Darum hast du eine solche Aufgabe übernommen und arbeitest dich durch dieses GruppenleitungsÜbungsbuch. Aber vielleicht steckt noch mehr oder anderes in dir? Kannst du gut kommunizieren, Ideen oder auch Projekte gut voranbringen? Bist du ein Mensch, der wie von selbst größere Gruppen leiten oder koordinieren kann? Dann solltest du überlegen, ob du nicht KoordinatorIn für die Endlich-Leben-Arbeit deiner Gemeinde werden willst. Du kannst als KoordinatorIn auf vielfältige Weise helfen: • dafür sorgen, dass die Gruppenleitungen sich regelmäßig zum Austausch treffen • dir Gedanken machen, wie man weitere GruppenleiterInnen gewinnt. • mit einem Team einen Vorstellungsabend in der Gemeinde organisieren • die Gemeindeleitung über die Entwicklungen der Arbeit informieren • über die Arbeit auf allen Kanälen deiner Gemeinde (mündlich, Texte) informieren • den Kontakt zum Endlich-Leben-Netzwerk halten, um die Entwicklungen mitzukriegen, Verbesserungen in eure Endlich-Leben-Arbeit vor Ort einzubringen • überlegen, ob die Strukturen eurer Arbeit eher hindern oder fördern.


Prinzip Multiplikation

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Wer fällt dir ein, wenn du diese Liste liest? Kannst du dir vorstellen, persönlich in die größere Verantwortung der Multiplikation auf Gemeindeebene hineinzuwachsen?

Multiplikation über Gemeindegrenzen hinaus Wenn du anderen helfen willst, ist die Grenze deiner Organisation oder Gemeinde vielleicht viel zu eng gesteckt. In manchen steckt die Leidenschaft, eine große Vision auch möglichst groß umzusetzen, das sind die »GründerInnen« oder auch »MultiplikatorInnen« in unserem Netzwerk. Das Netzwerk organisiert sich aufgrund unseres Selbsthilfeprinzip so, dass auf jeder Ebene aus Betroffenen Beteiligte und »Lernmodelle« für andere werden. Auf jeder Ebene wird so das Selbsthilfeprinzip gelebt, dass jede und jeder immer Gebende und Nehmende bleibt. Darum ist es wichtig, dass die Multiplikation über die Gemeindegrenzen hinaus nicht zentral vom Netzwerk übernommen wird, sondern in der Verantwortung der jeweiligen Organisationen bleibt, die Endlich-Leben-Gruppen vor Ort anbieten. Das hat für die Multiplikation viele Vorteile: Die betroffenen Mitglieder von Gruppen können so in größerem Rahmen ansteckend wirken und ermutigendes Beispiel sein. Andere Gemeinden erleben das mutmachende Modell von ganz normalen Gemeindegliedern und können so ermutigt werden, Gruppen in ihrer Gemeinde zu gründen. Du kannst als GründerIn oder MultiplikatorIn auf vielfältige Weise helfen. Du kannst dich… • informieren über das Netzwerkbüro, welche Hilfe es vom Netzwerk gibt • dir Gedanken machen, wie man weitere Gemeinden gewinnt • dich als offizielle MultiplikatorIn der Gemeinde berufen lassen. • dich vom Netzwerk als MultiplikatorIn zertifizieren und weiterbilden lassen • den Kontakt zum Endlich-Leben-Netzwerk halten, um immer auf dem neusten Stand zu sein. • mit einem Team einen Motivationstag für die Region in der Gemeinde organisieren. Kannst du dir eine Rolle in der Multiplikation auf die oben beschriebene Weise vorstellen? Was spricht dafür, was hindert dich daran? Oder fällt dir eine passende Person vor Ort ein?

Wenn ja, warum nimmst du nicht Kontakt mit Gemeindeleitung und Netzwerk auf? Büro: 0049-5261-93 44 67 (dienstags, donnerstags 8.00-11.00 Uhr, mittwochs 14.0018.00 Uhr) Mail: netz@endlich-leben.net


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4. Tag: Wie kann »Frucht« wachsen, die bleibt? Das Schlüsselgleichnis Jesu in der Bibel zur »Frucht« kennst du ja aus Schritt 11: Ich betone noch einmal die beiden folgenden Verse (lies den Zusammenhang S. 258): 16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt: Ich habe euch dazu bestimmt, zu gehen und Frucht zu tragen – Frucht, die Bestand hat. Wenn ihr dann den Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er es euch geben, was immer es auch sei. 17 Einander zu lieben – das ist das Gebot, das ich euch gebe.« (Johannesevangelium 15, neue Genfer Übersetzung) Wenn du es noch einmal liest, werden dir die folgenden Überlegungen sicherlich verständlich. Für den Schritt 12 ist mir nun wichtig festzuhalten, das das größere Ziel Gottes, die »Frucht«, nicht an den Gemeindegrenzen endet, sondern durch die globale Perspektive des Reiches Gottes eine weitreichende Wirkung entfaltet. Das sind große Worte. Wie wird das konkret?

Verschiedene Perspektive auf die Wirkungen von Endlich-Leben-Gruppen Der Schlüssel zur Bewertung der Wirkungen sind sicherlich zum Guten verwandelte Menschen. Der Name »Endlich Leben« ist ja Programm. Menschen werden aus sozialpolitischer Perspektive »besser« – im privaten wie öffentlichen Raum der Gesellschaft – als seelisch stabile und in diesem Sinne »nützliche« Mitglieder der Gesellschaft leben. Aus wirtschaftspolitischer Perspektive bedeutet es, dass sie produktiver zur Wirtschaftsleistung beitragen können, weil sie fähige TeamarbeiterInnen werden, sich »gesund« abgrenzen und effektiver im Team mit anderen zusammenarbeiten können, nicht so schnell in den Burnout geraten oder durch Folgekrankheiten von Stress ausfallen. Aus theologischer Sicht stellt sich die Frage der Einleitung »Was ist wirklich Frucht?» noch einmal in einem anderen Licht: Ich hatte dir Stück für Stück gezeigt, dass die Königsherrschaft Gottes als »Heilung« für die ganze Welt bestimmt ist. Darum sollte eine Endlich-Leben-Gruppenarbeit nicht an den eigenen Gemeindegrenzen stehen bleiben. Unser Gruppen-Logo wird auch immer für die jeweilige Stadt/Region ausgestellt. Das ist ein deutliches Symbol für die grenzüberschreitende christliche Zusammenarbeit der »Endlich-Leben-Arbeit« zum Wohl der Gesellschaft. Wenn Jesus von »bleibender Frucht«, bzw. von »Frucht mit Bestand« spricht, hat das aber noch andere Aspekte.

Der Ewigkeitswert bleibt- egal wie viel ihr tut Alles, was von Gott kommt hat eine Bedeutung, die in Ewigkeit gültig ist. Das ist die innere Kraft und Würde dieser Arbeit, egal wie (zahlenmäßig) groß sie in deiner Gemeinde zur Zeit ist. Welche Gefühle hast du hinsichtlich des (Stellen)Wertes eurer Gruppenarbeit in der Gemeinde? Was kannst du tun, um diesen Wert in der Gemeinde zu fördern?


Prinzip bleibende Frucht

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Frucht wird sichtbar und öffentlich Diese Frucht kann nicht im Geheimen verborgen bleiben, sondern wächst sozusagen in die größere Öffentlichkeit. In der Pilotphase machen wir noch keine Werbung. Aber dann ist wichtig – das gehört zu unserer Auffassung von dieser Arbeit– auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit (Internet, Flyer, Artikel in Zeitung und Magazinen) zu getalten, um Vorurteilen vorzubeugen und die Ziele und Grenzen dieser Arbeit klar zu kommunizieren. Wie kannst du den öffentlichen Auftritt der Arbeit in der Gemeinde, in der Stadt oder darüber hinaus fördern? Nutzt ihr die Materialien und Hilfen des Netzwerks?

Ständige Frucht - Endlich-Leben-Gruppen werden zur Institution Bleibend kann eine Frucht nur sein, die sich kontinuierlich vermehrt. Das bedeutet nicht, dass du für alle Zeit in deiner Endlich-Leben-Gruppe die Leitung innehaben solltest, sondern dass du dich über das Co-Leitungsprinzip gewssermaßen multiplizierst, indem du Gruppenmitglieder in die Leitung mit hineinnimmst und sie förderst und ermutigst, im nächsten Durchgang selbst eine Gruppe zu moderieren. Wie kannst du den Gedanken der Multiplikation als Gruppenleitung und darüber hinaus konkret voranbringen? Gibt es Hilfen für mögliche neue Co-LeiterInen? Nutzt die die Schulungsangebote des Endlich-Leben-Netzwerks?

Das innere Geheimnis der Gruppen: »in Jesus bleiben« Bleibend ist diese Frucht, insofern sie in Jesus verwurzelt bleibt (V. 4). Der besondere Herzschlag der Endlich-Leben-Gruppenarbeit zeigt sich durch die (von Menschen –inspiriert von Gottes Geist – entwickelten) äußeren Strukturen (Netzwerk, Qualtitätssicherung, Material), aber genauso auch von den Gruppenleitungen, die im Heiligen Geist (bzw. »in Jesus bleibend«) ihre Schwachheit und Ohnmacht für die Gegenwart Gottes öffnen, die dafür sorgen, dass die Mitte in der Gruppe nicht durch menschliche Methoden dominiert wird, sondern von der Kraft des Heiligen Geistes geprägt ist. Wie nimmst du die geistliche Qualität eurer Arbeit zur Zeit wahr? Was könnte konkret helfen, damit dem Wirken von Gottes Geist noch mehr Raum gegeben wird?


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Es bleibt Gottes Sache – Bitte, er wird alles geben! Bleibend ist diese Frucht, wenn alle Beteiligten durch Gebet von Gott empfangen, was not tut (V. 16b). Nach Aussagen der Bible ist Gott ein Gott, der will dass alle Menschen das Leben finden. Warum sollte er also nicht die Mitarbeitenden, Gelder und die nötige Zeit schenken, damit diese Arbeit zu einer dauerhaft bleibenden »Marke« deiner Gemeinde wird. In unserer Zeit brauchen gute Modelle auch ein gutes »Markenimage«, um in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen zu werden. Jeder der Beteiligten im Endlich-Leben-Netzwerk trägt dazu bei, dass dies eine Qualitätsmarke mit Zukunft bleibt oder wird. Wie hat sich dein Verständnis zum Thema „Zeuge sein“ durch diese Gedankengänge verändert?

Betroffene werden zu Beteiligten Bleibend ist diese Frucht, wenn sie vom Geben und Nehmen jedes Teilnehmenden lebt. Wenn viele Einzelne ihren kleinen Beitrag leisten, kann etwas Großes mit Bestand für alle wachsen. Darum ist uns als Netzwerk so wichtig, dass nicht die Gemeinden für »Arme, Notleidende» etwas tun und Spenden zusammentragen, sondern dass möglichst jedes Gruppenmitglied – sofern es in seiner Macht steht – einen finanziellen Beitrag leistet. Das könnten z.B. pro Sitzung und Person 2.- bzw. 3.-CHF sein. Über diesen symbolischen Betrag lassen sich längst nicht alle Kosten tragen, aber es ist ein Zeichen einer liebevollen, aktiven Gemeinschaft von Gebenden und Nehmenden. Wie kannst du konkret um Verständnis zum Thema Beiträge oder Zertifizierungsgebühren bei den Teilnehmenden werben? Unser Tipp: Es geht nicht um »Geld«, sondern um das Symbol des gemeinsamen Geben-und-Nehmen-Prinzips.

Überlege, welche Aktion in deiner Gemeinde geeignet ist, Gelder für die Mitarbeiterschulung oder Spenden für Multiplikation und Werbung zu sammeln und dem Netzwerk zukommen zu lassen. Beispiel: Rege eine Sammlung für die überregionale oder für die örtliche Endlich-Leben-Arbeit im Gottesdienst an. Was fällt dir noch ein?


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Schritt 11: Die Balance zwischen Aktion und Kontemplation ist bleibende Herausforderung. – Was tust du konkret, um dieses Prinzip im Alltag zu leben? Notiere ein Beispiel.

Schritt 12: Dir sind die vielfältigen Möglichkeiten, den Schritt 12 zu leben vor Augen. Wie klärst du regelmäßig deine Berufung, was du in der nächsten Phase (ca. 1-2 Jahre) tun willst?

Wie geht es nach der Gruppe weiter? 3 Beispiele für Folgeangebote nach der Endlich-Leben-Gruppe Grundsätzlich kommt die Frage am Ende jeder Endlich-Leben-Gruppe auf, welche Fortsetzung sich für die Teilnehmenden nach der Gruppe anbieten könnte. Hier gibt es verschiedene Lösungen, wie das Bedürfnis nach Bindung und Beziehung weiter gestillt und die nötigen Stützstrukturen bereitgestellt werden. 1. Da die christliche Gemeinde in der Regel mehr Kleingruppenangeboten oder Gottesdienste als nur Endlich-Leben-Gruppen bereit hält, müssen die Übergänge zu Hauskreisen, Dienstgruppen oder anderen weiterführenden Projekten – wie Glaubenskursen – möglichst transparent gestaltet werden. Hier benötigt jede Gemeinde je nach ihren örtlichen Traditionen und Gegebenheiten ein gutes Konzept, damit niemand beziehungslos und vereinzelt zurückbleibt. 2. Natürlich ist für jedes Gruppenmitglied die Möglichkeit gegeben, einen zweiten oder dritten Jahresdurchgang mit Hilfe einer weiteren Endlich-Leben-Gruppe zu gestalten. Dabei hat sich als Vorteil erwiesen, wenn die Gruppe neu zusammengesetzt wird und auch die GruppenleiterInnen andere sind, damit die Vielfalt der Begegnungen gefördert, sowie die mögliche Fixierung auf wenige verhindert wird. 3. Ein drittes Konzept sind diverse offene oder wenig strukturierte Treffen von ehemaligen Endlich-Leben-Gruppenmitgliedern, die 14tägliche oder monatliche Rhythmen haben. Hier empfehle ich eine möglichst routierende Leitung, bzw. offene Strukturen, die die Eigenverantwortung herausfordern, damit kein Betreuungssystem entsteht. Selbsthilfe lebt von der Grundregel der aktiven Selbstbeteiligung. Die Verbindung von Ressourcen christlicher Gemeinden mit dem Selbsthilfeprinzip bringt enorme Chancen für ein schrittweises Wachsen in größere Verantwortung und Freiheit. Darum ist dieser Ansatz so wegweisend und verheißungsvoll für Kirche und Gesellschaft.


6 Monate danach…

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Nachmessung nach 6 Monaten Warum sollte die Nachmessung nach 6 Monaten unbedingt gemacht werden? Die Veränderungsforschung fragt kritisch nach, ob eine einmal eingeleitete Wandlung auch nach 6 Monaten dauerhaft bleibt. Oft werden positive Effekte sogar in diesem Zeitraum noch verstärkt wirksam. Beides kann am besten überprüft werden, wenn es eine Nachmessung in klar definiertem Abstand gibt. Es wäre also gut, wenn du als GruppenleiterIn für deine Gruppe ein Treffen 6 Monate nach eurer Schlusssitzung einplanst und den Termin mit deinen Gruppenmitgliedern kommunizierst. Bei diesem Treffen kann dann in freiem Austausch über die Ergebnisse der erneuten Fragebogeneingabe diskutiert werden. Es ist aber auch eine gute Möglichkeit, eine Schritt-10-Inventur zu machen. Eventuell können, falls notwendig, Einzelne dazu ermutigt werden, weiter an grundlegenden Veränderungen ihrer Lebensmuster zu arbeiten und einen weiteren Gruppendurchlauf zu wagen, wenn z.B. Rückfälle oder besser Vorfälle dies anzeigen. Auch für die Nachmessung haben wir die Selbsttest-Fragebögen im Arbeitsbuch nicht abgedruckt. Bitte geht direkt zur Interneteingabe. Das ist natürlich nur sinnvoll, wenn alle vorher auch alle Fragebögen im Internet unter ihrem Codenamen ausgefüllt haben, sonst gibt es für sie keine Vergleichsmöglichkeiten bei der Auswertung.

Deine Eingabe startest du hier: www.eingabe.endlich-leben.net ❶ Du loggst dich mit deinem Codenamen und Gruppenpasswort ein und nimmst dir noch einmal 1-2 Stunden (je nach persönlichem Tempo) Zeit. Du kannst natürlich auch in kleinen Häppchen die Fragebogen auf mehre Tage verteilen. ❷ Jetzt gehst die Fragen noch einmal durch und kreuzt deine Antworten an.

Welche Fragebogen werden zum Schluss noch einmal abgefragt? In der Schlussabfrage bei Schritt 12 wirst du dich noch einmal mit den folgenden Fragebögen beschäftigen, um deine besonderen Veränderungen zu messen. Nimm dir in Ruhe Zeit. Du musst nicht alles auf einmal erledigen, aber wenn du es flott durchziehst, hast du schnell ein Ergebnis: PSQ: S. 23 (vor Schritt 1) allgemeines Stressniveau KPD 38: S. 46f (Schritt 1) Symptome und Belastungen RST S. 65ff (Schritt 2) Religions-Test SEO S.104f (Schritt 4) Kontroll-Typ KLSE S.106 (Schritt 4) Konfliktlösungs-Typ BBE S.107f (Schritt 4) Bindungs-Stile Summe an Zeit

(5 Min.) (10-20 Min.) (30-40 Min.) (10-20 Min.) (5 - 10 Min.) (20-40 Min.) 1-2 Stunden


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Anhang

Gründungshilfen für die Praxis und Kontakte Das Endlich-leben-Netzwerk Die GruppengründerInnen, AutorInnen, Lehrenden und MultiplikatorInnen dieser Idee, die auf der Grundlage dieses Arbeitsbuches Endlich-Leben-Gruppen durchführen, haben sich zu einem Netzwerk zusammengetan: Endlich-leben-Netzwerk oder endlichleben.net e.V. organisiert sich als eingetragener gemeinnütziger Verein. Durch diese Vernetzung soll die Qualität von Endlich-Leben-Gruppen gefördert werden. Dafür stehen folgende Angebote zur Verfügung: • Zentrale Schulungsveranstaltungen für (zukünftige) GruppenleiterInnen können im Internet oder bei den unten genannten Koordinierungsstellen erfragt werden. • Motivationstage: Wenn Gemeinden oder Organisationen das Endlich-Leben-Programm bei sich einführen oder über dieses Konzept Hintergrundinformationen haben wollen, kommen MultiplikatorInnen des Netzwerks gerne, bzw. schulen die Gründer vor Ort. • Flyer, Infobroschüren: Für eine professionelle Werbung bietet das Netzwerk Materialien an. • Zertifizierung der Endlich-Leben-Gruppen: Qualitätssicherung für Ihre Arbeit (sprechen Sie uns an). Nur zertifizierte Gruppen erscheinen auf der zentralen Homepage und erhalten die Unterstützung des Netzwerks. Gruppen, die ohne Zertifizierung arbeiten, dürfen ihre Arbeit nicht »Endlich-Leben-Gruppen« nennen und natürlich auch nicht das Logo benutzen. Für Deutschland, Österreich, Schweiz: Endlich-leben-Netz z.Hd. Pfr. Helge Seekamp Heustr. 59 D-32657 Lemgo Öffentlichkeitsreferent: +49-(0)52 61-93 44 66 Geschäftsstelle: +49-(0)52 61-93 44 67 Shop: +49-(0)52 61-93 44 80 E-Mail: info@endlich-leben.net

Für französisch-sprechende Länder: Endlich-leben-Netz z.Hd. Dr. Solange Freyd 197 AVENUE D'ALSACE F-68000 COLMAR Telefon: +33-03 89 24 29 94 E-Mail: info@vivre-enfin.eu

Im Internet: www.endlich-leben.net e-mail: info@endlich-leben.net Unter diesen Internet-Seiten können weitere Informationen zum Endlich-leben-Netz oder zur Plattform der Arbeitsgemeinschaft abgerufen werden. Dort finden sich auch Hinweise zu • www.finde.endlich-leben.net die Liste der zertifizierten Endlich-Leben-Gruppen • www.netz.endlich-leben.net Adressen von Verantwortlichen, • www.eingabe.endlich-leben.net Eingabeseite für die Fragebögendaten • www.schulung.endlich-leben.net Schulungstermine • www.downloads.endlich-leben.net Gruppen-Gründungshilfen, Downloads für die Präsentation der Vision in der Gemeinde und andere Materialien. • www.shop.endlich-leben.net alle Materialien zum Online-Kaufen • www.zertifizierung. endlich-leben.net Verträge und Nachmeldung zur Zertifizierung


Literatur

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Literaturverzeichnis Anonyme Alkoholiker

deutscher Sprache, (Hg.) AA wird mündig, 1990

Henry Cloud, J. Townsend Nein sagen ohne Schuldgefühle. Wie man sich gegen Übergriffe schützt, Hänsler 2008, 12. Auflage (Co-Sucht, gesunde Grenzen) Johanna Domek,

Das Leben wieder spüren, Viertürme 2001 (12-Schritte)

Reiner Fuchs,

Inmitten von Scham, Gewalt und Angst. Theologische Fundierungen der Suchtkrankenpastoral, Echter 2006 (Fachbuch, Missbrauch)

Klaus Grawe,

Neuropsychotherapie, Hogrefe 2004 (Fachbuch)

Werner Groß,

Was ist das Süchtige an der Sucht? Neuland, 1995 (Fachbuch)

Helmut Harsch,

Hilfe für Alkoholiker und andere Drogenabhängige, Kaiser 1993

Peter Kruse,

next practice. Erfolgreiches Management von Instabilität. Veränderung durch Vernetzung, Gabal 2009 (Systemtheorie)

Garth Lean,

Der vergessene Faktor. Vom Leben und Wirken Frank Buchmans, Brendow 1991 (Geschichte)

Carsten Maurischat

Erfassung der „Stages of Change” im Transtheoretischen Modell Prochas ka’s - eine Bestandsaufnahme. Forschungsbereichte des Psychologischen Instituts der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg I. Br. Nr. 154, 2001

Michael L. Moeller,

Psychologisch - Therapeutische Selbsthilfegruppen, Rowohlt 1984 (Geschichte, Selbsthilfeprinzip)

Sebastian Murken,

- Religiosität, Kontrollüberzeugung und seelische Gesundheit bei Anonymen Alkoholikern, Europäischer Verl. der Wissenschaften 1994 (Fachbuch) - Gottesbeziehung und psychische Gesundheit. Die Entwicklung eines Modells und seine empirische Überprüfung, 1998 (Fachbuch)

Monika Rennert,

Co - Abhängigkeit. Was Sucht für die Familie bedeutet, 1990 (Fachbuch, Co-Sucht)

Walter Rebell,

Psychologisches Grundwissen: Ein Handbuch für Theologinnen und Theologen, Neukirchener 2008 (Psychologie, Kompendium)

Anne Wilson Schaef,

- Im Zeitalter der Sucht. Wege aus der Abhängigkeit. dtv 1993, (Sucht) - Die Flucht vor der Nähe. Warum Liebe, die süchtig macht, keine Liebe ist. dtv 2005 (Beziehungssüchte, 12 Schritte)

Christian A. Schwarz

Die 3 Farben deiner Liebe, C&P 2006; Die 3 Farben deiner Spiritualität, C&P 2009

Peter F. Schmid,

Im Anfang ist Gemeinschaft, Personenzentrierte Gruppenarbeit in Seelsorge und praktischer Theologie, Kohlhammer 1998 (Fachbuch, Theologie)

Lothar Schmidt,

Fahrschule des Lebens, federkultur 2007 (12 Schritte)

Walther H. Lechler,

So kann's mit mir nicht weitergehn! Neubeginn durch spirituelle Erfahrungen in der Therapie, Kreuz 1994 (12 Schritte, Sucht)


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Anhang

Copyright 12 Schritte Hinweis zur deutschen Übersetzung der 12 Schritte: Die in diesem Buch verwendeten 12 Schritte und Überzeugungen sind nicht identisch mit dem Original-Wortlaut der von den Anonymen Alkoholikern autorisierten deutschen Version der 12 Schritte aus dem Jahre 1939 und den in den 12 Traditionen ausgedrückten Überzeugungen der AA-Bewegung. Die autorisierten 12 Schritte der Anonymen Alkoholiker lauten: 1. Schritt: Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten. 2. Schritt: Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann. 3. Schritt: Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – wie wir ihn verstanden – anzuvertrauen. 4. Schritt: Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren. 5. Schritt: Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu. 6. Schritt: Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen. 7. Schritt: Demütig baten wir Ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen. 8. Schritt: Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten, und wurden willig, ihn bei allen wiedergutzumachen. 9. Schritt: Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war –, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt. 10. Schritt: Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir Unrecht hatten, gaben wir es sofort zu. 11. Schritt: Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott – wie wir ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten Ihn nur, uns Seinen Willen erkennbar werden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen. 12. Schritt: Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, diese Botschaft an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten.

Die 12 Schritte, wie sie in den Endlich-Leben-Gruppen formuliert werden, haben wir für die besondere Verwendung im christlichen Bereich und für Menschen mit unspezifischen Symptomen gegenüber dem Original leicht verändert: • Der Begriff „Alkohol“ ist durch den allgemeinen Begriff „Abhängigkeiten und Probleme“ ersetzt worden. • In Schritt 3 und 12 heißt es bei Endlich-leben-Gruppen: „Gott, so weit wir ihn verstanden“. • Die 12 Schritte in diesem Buch sind mit Druckerlaubnis des AA-Welt-Dienstes (Alcoholics Anonymous World Services) verwendet worden. Diese Erlaubnis zum Nachdruck und die Anpassung der Zwölf Schritte bedeutet nicht, dass AA zu den Inhalten dieser Veröffentlichung seine Zustimmung gegeben hat. AA hat auch nicht die Anschauungen dieses Buches geprüft oder sich zu eigen gemacht. AA ist ein Programm, das ausschließlich zur Genesung vom Alkoholismus beiträgt. Die Verwendung der 12 Schritte in Zusammenhang mit Programmen, die sich zwar an AA orientieren, aber andere Probleme angehen, haben mit dem ursprünglichen Anliegen von AA nichts zu tun. Endlich-Leben-Gruppen arbeiten im Unterschied zu AA an einer breiten Fülle von Problemen, Abhängigkeiten und Ängsten, sowie unspezifischen seelischen und körperlichen Symptomen, die die seelische Stabilität vermindern. Der konzeptionelle Rahmen von Endlich-Leben-Gruppen ist weltanschaulich und praktisch an christliche Gemeinden gebunden, die sich unter dem Dach der ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland) versammeln.


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Ankündigung

Konzeptbuch christliche Selbsthilfe Arbeitshilfe für Gruppengründung, November 2010

Zielgruppe: • GemeindepastorInnen, • ehrenamtliche KoordinatorInnen, • MultiplikatorInnen und • interessierte GruppenleiterInnen.

Lebenshilfe. Glaubenshilfe. Selbsthilfe. Im Jahre 2002 hatten wir das Konzeptbuch zur Arbeit unter dem Titel »Grundkurs Barmherzigkeit« veröffentlicht. Es reflektierte den Stand der Arbeit 8 Jahre nach der Gründung. In den folgenden 8 Jahren gab es eine Menge Weiterentwicklungen am Inhalt und an der Organisation des Netzwerks. Darum erscheint Ende 2010 eine völlig neu überarbeitete Version unter dem Titel »Lebenshilfe. Glaubenshilfe. Selbsthilfe«. Dieses Buch stellt das bewährte EndlichLeben-System für die nächsten 5 Jahre übersichtlich, verständlich und visionär dar für PfarrerInnen, leitende MitarbeiterInnen und Gründungsinteressierte. Aus dem Inhalt: • Grundlegende Vision und die Werte der Endlich-Leben-Gruppenarbeit • Theologie, Psychologie und Methoden der Gruppenarbeit • Strukturen und Organisationsform (vor Ort und überregional) • Personen, Funktionen und Rollendefinitionen • Ausführlicher Gründungsleitfaden Dieses Buch gehört unbedingt in die Hand von KoordinatorInnen und GründerInnen von endlich-Leben-Gruppen. Aber auch GruppenleiterInnen profitieren von diesem Hintergrundswissen zu Geschichte und Konzeption der christlichen 12-Schritte-Arbeit und vom Überblickswissen über Krankheitsverständnis und Menschenbild für ihre Gruppen, weil sie die größere Vision und die dafür notwendige Qualtitätssicherung und Organisation der Arbeit so besser einordnen können.


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