HATE #3

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Die Moral und Ethik im Sport ist also durchaus an staatliche und gesellschaftliche Interessen gekoppelt und Doping ist dann eben nicht gleich Doping, sondern firmiert gerne unter dem Label »Nahrungsergänzung« und »Regenerationsunterstützung«. Die Entwicklung des medizinischen Tunings im Radsport war im zwanzigsten Jahrhundert eng mit der Entwicklung der pharmazeutischen Industrie verknüpft: Von Amphetaminen in den 60ern, über Anabolika in den 80ern, bis zu Epo in den 90er-Jahren. In all den Jahren wurde Doping, wenn nicht geduldet, so zumindest nicht»ICH HABE GEHÖRT, ICH SOLL EINE TRANSFUSION MIT DEM BLUT thematisiert. Es entstand eine Art schweigen-MEINES VATERS GEMACHT HABEN. DAS IST ABSURD. DANN WÄRE (Alexander Winokurow) de Übereinkunft zwischen dem Rennsport undICH POSITIV AUF WODKA GETESTET WORDEN.« den Medien. Nur wenn es einer übertrieb, wie Tom Simpson, der nach einem Kollaps infolge seines Alkohol- und Speedkonsums bei der Tour de France 1967 starb, horchte die Öffentlichkeit auf. Es ist aber selten die Gesundheit der Sportler, die im Mittelpunkt der Dopingdiskussion steht, sondern es sind moralische, erzieherische oder politische Erwägungen. So bringt es Stefan Voll, Leiter des Hochschulsportzentrums an der Universität Bamberg auf den Punkt: »Denn Helden werden noch immer im Sport geboren, und Märchen werden auf den Spielfeldern der Welt Wirklichkeit. Die Faszination, alles erreichen zu können und der uneingeschränkte Schmied seines eigenen Schicksals zu sein, beschert dem Sport eine nahezu mythische Aura.« So kommt es zur Vermischung von Sport, Ethik und Ökonomie. Um auf dem deregulierten Arbeitsmarkt bestehen zu können, greift der eine oder andere auch mal zu Helfern wie Kokain oder Speed und die frustrierte Hausfrau auf Antidepressiva darf in keinem Artikel zur Materie fehlen. Im Falle des Profisports ist es durchaus umstritten, was denn nun die Gesundheit der Sportler mehr angreift: Blutdoping oder 40 000 km Radfahren im Jahr? So kann man sich am Bodensee in einer Privatklinik für teures Geld einer Blutwäsche unterziehen, um die Zahl der roten Blutkörperchen EPO ist die Abkürzung für Erythropoietin und so etwas wie die Wunderdroge aller Radfahrer. EPO zu erhöhen, die für den Transport von Sauerstoff verantwortlich sind. Im Fall des Radsportlers solmacht das Blut dick, aber den Fahrer ausdauernd. Ex-Tour-Gewinner Bjarne Riis war einmal so len so die Muskeln mit mehr Sauerstoff versorgt werden, um eine höhere Leistung länger aufrechtzugepumpt mit EPO, dass er laut seines damaligen Betreuers, ob der Gichtanfälle, kaum die Finger zuerhalten, der Gewinn für Ottonormalverbraucher liegt wahrscheinlich im nicht messbaren Bebewegen konnte. reich. Für die Regeneration der Radlerbeine bei dreiwöchigen Rundfahrten allerdings, dürfte der gesundheitlich positive Effekt des »Blutdopings« die gesundheitlich negativen Aspekte der Schinderei überbieten. Das berüchtigte Dopingmittel EPO sorgt übrigens für den selben Effekt, allerdings kann es bei übermäßigen Gebrauch auch schon mal zu Thrombosen kommen, weshalb Radprofis auffallend häufig des nächtens durch die Hotelflure hüpfen, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Ähnlich wie in der Drogenproblematik allgemein, eröffnet die Illegalisierung von Dopingmitteln dem Schwarzmarkt lohnende Perspektiven. So existieren ganze Netze von Medizinern, Apotheken

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