Komplex 2018

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also nicht wie beim sequenziellen Modell eine kosten- und zeitaufwendige detaillierte TU-Ausschreibung, sondern ein Pflichtenheft zur Definition und Sicherstellung der vom Besteller erwarteten Funktionalität eines Bauwerks. Dabei steuert das ausführende Unternehmen die integrale Bauprojektplanung – das sogenannte Engineering – inhaltlich selber und stellt die gewünschte Funktion gegenüber dem Besteller von Beginn an und über alle Phasen hinweg sicher. Die funktionale Zieldefinition umfasst insbesondere: die Sicherstellung der erwarteten architektonischen Erscheinung, die anhand von Visualisierungen und 3D-Simulierungen vorgegeben werden kann; die Sicherstellung des definierten Nutzungsmixes sowie der zahlenmässig vorgegebenen Nutzflächen und der aufgezeigten und festgelegten Grundrissqualitäten; die Sicherstellung der erwarteten Materialisierungsqualitäten im Ausbau anhand von ausgeführten Projektreferenzen oder funktionalen Beschrieben; die Sicherstellung der nutzerbezogenen Ansprüche an die Wohnhygiene (Lärm- und Schallschutz) und den Komfort in Bezug auf die Gebäudetechnik (Heizung, Lüftung, Klima, Kälte, Sanitär, Elektro) anhand von Standards, Normen und Projektreferenzen; und schliesslich die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der funktionalen Lösungen aufgrund des bereits im TU-Werkvertrag definierten Gewährleistungssystems. KOMPETENZ UND VERANTWORTUNG LIEGEN IN EINER HAND

Die Definition und Beibringung der dazu notwendigen konzeptionellen, planungs- und ausführungstechnisch optimalen Lösungen werden nicht wie beim sequenziellen Modell durch ein reines Planerteam erarbeitet und anschliessend den ausführenden Unternehmen vorgegeben, sondern direkt durch diese erstellt. Somit liegen Kompetenz und Verantwortung nicht mehr bei unterschiedlichen Parteien, sondern allein bei den ausführenden Unternehmen. Hanspeter Berchtold, der in seiner Funktion als Director Acquisitions Real Estate beim Schweizer Vermögensverwalter Patrimonium gemeinsam mit der Halter AG das Projekt CityGate in Basel beFUNKTIONALE ZIELDEFINITION treut, schätzt vor allem die partnerschaftliche HeDas Gesamtleistermodell basiert auf dem Prinzip rangehensweise im Gesamtleistermodell. Er beder Definition von funktionalen Zielen. Die Aus- stätigt: «Wir konnten zu einem frühen Zeitpunkt gangslage für das ausführende Unternehmen ist ein hohes Mass an Sicherheit im Projekt erreichen,

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Transparenz, Informationskontinuität sowie frühere und bessere Entscheidungsgrundlagen. Dank Simulationen, Koordination, Optimierung und der Arbeit mit dem digitalen Gebäudezwilling, dem BIM-Modell, können Planungsleerläufe, späte und dadurch teure Entscheide sowie konzeptionelle und bauliche Mängel minimiert werden. Das Building Information Modeling (BIM) stellt einen kontinuierlichen Daten- und Informationstransfer in allen Projektphasen sicher: von der Entwicklung über die Realisierung bis hin zum Betrieb und zu einer möglichen Umnutzung oder Sanierung am Ende der Lebenszyklen. Damit bieten sich neue, ungeahnte und entscheidende Voraussetzungen hinsichtlich einer erforderlichen Produktivitätssteigerung. Richtungsweisend wird sein, dass die Branchenteilnehmer mit der Digitalisierung nicht Zusatzleistungen und -honorare generieren wollen, sondern ihr Potenzial für neuartige Zusammenarbeitsmodelle nutzen. Die Digitalisierung der Baubranche ohne eine fundamentale und konsequente Veränderung der Zusammenarbeits- und Vertragsmodelle ist eine Farce. Die wenigen und schwachen Argumente derjenigen, die krampfhaft für das Überleben des Phasenmodells und gegen das Gesamtleistermodell kämpfen, werden durch die verfügbaren digitalen Instrumente widerlegt, ja, führen sogar zu Widersprüchen. Das heute noch vielfach angewendete, sequenzielle Phasenmodell sieht vor, dass die ausführenden Unternehmen möglichst spät und damit zu spät involviert werden. Auftraggeber entwickeln Konzepte, ohne die ausführenden Unternehmen einzubeziehen, übertragen ihnen aber die Verantwortung für die einwandfreie Funktionstauglichkeit eines Bauwerks. Dies bewirkt, dass das Ausführungswissen der Generalunternehmer bei der Konzeption aussen vor bleibt und Kompetenz und Verantwortung nicht am gleichen Ort liegen. Die hieraus resultierenden Zielausrichtungen führen zu Fehlern, Schäden und Schuldzuweisungen. In der Folge entstehen zeitliche und finanzielle Mehraufwendungen, qualitativ mangelhafte Resultate sowie nicht partnerschaftliche und wenig nachhaltige Geschäftsbeziehungen zwischen allen Beteiligten.


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