Gießerei 4.0
Deutschlands Gießereien in der Pole-Position
Udo Kiel, H-Faktor GmbH Frank Koch, Gienanth GmbH
Arbeit 4.0 – Die neue Realität im Handformguss
© 2015 H-Faktor GmbH
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Ein Blick in die Umfeldbedingungen – Woher leitet sich der Trend ab? Revolution oder Evolution Ausgangslage im Handformguss Das Vorgehen im Überblick Resultate - ein Zwischenfazit
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Woher leitet sich der Trend ab?
Ein Blick in die Wachstumsprognosen ergibt für einige Länder massive Wachstumsraten und damit deutliche Hinweise für Wachstumschancen für die deutsche Industrie. Über Preis und Qualität werden sich diese Märkte allerdings nicht erschließen bzw. dauerhaft halten und ausbauen können. Wachstumsfaktor Indien
ca. 5,7
China
ca. 3,5
Brasilien
ca. 3,0
USA
ca. 2,4
Deutschland ca. 1,8
Trend -> serielle Unikatfertigung
Mit steigendem BIP pro Kopf erhöht sich die Nachfrage nach Unikaten oder zumindest Lösungen, an denen der Käufer maßgeblich seine Bedürfnisse und Wünsche mit einfließen lassen kann. Bedarfe entlang des Wachstums des BIP (schematisch) Konsumrate
kundenindividuelle Produkte & Dienste Konsumgüter Mobilität Kommunikation Basismaterialien BIP/Kopf
Arbeiten 4.0 – Deutschlands Gießereiunternehmen in der Pole-Position – Ein Beispiel aus der Praxis
Was sind die Kernbotschaften aus unserem Vortrag? Der Wandel zur Industrie/ Arbeit 4.0 wird kein revolutionärer, sondern ein evolutionärer Prozess sein. Der Wandel bedingt in erster Linie einen Standpunktwechsel und führt zwangsläufig zum Verlassen von Komfortzonen. Die wichtigsten Potentiale sind bereits vorhanden, nur bedarf es eines kollektiven Engagements, um diese für Werterhalt und Wertzuwachs nutzbar zu machen.
Nichts Revolutionäres oder doch?
Industrie 4.0 propagiert die Abkehr vom Prinzip der industriellen Massenfertigung - Zugunsten des Einzugs einer kundenindividuellen Serienfertigung, bisweilen sogar mit Anforderungen zur seriellen Unikatfertigung. Für die industriellen Fertigungsprozesse sind die Folgen: ü
eine Verlängerung der Taktzeiten je Arbeitsschritt,
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ein langsamer Abschied von der drückenden Fertigung,
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das schleichende Ende der Größendegression und insbesondere
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eine Aufwertung des Facharbeiterprinzips und teilautonomer Arbeitssysteme bis hin zu fraktalen Organisationsprinzipien.
Nichts Revolutionäres oder doch?
Mit Einzug der kundenindividuellen Serienfertigung stellen sich neue Anforderungen an die Arbeitssysteme. Arbeit 4.0 bedingt: ü
Selbstkonfiguration; die Fähigkeit einzelner Arbeitssysteme, sich weitgehend friktionslos auf kurzfristig veränderte Umfeldbedingungen einzustellen und sich mit vor- und nachgelagerten Systemen abzustimmen
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Selbstoptimierung; Störungen und Schwankungen stetig erfassen, analysieren und Lösungswege dokumentieren
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Selbstdiagnose (Kognition); die Fähigkeit, aus Informationen Wissen zu generieren und zu verteilen
Survival of the fittest
Zum Ziele einer gerechten Auslese lautet die Aufgabe für alle gleich: Klettern Sie auf den Baum! Wenn der Baum der „Preis“ wäre, dann wäre der Affe ein Chinese oder Inder und wir hätten den Wettbewerb verloren!
Survival of the Fittest hingegen meint: Das Überleben des Anpassungsfähigsten und nicht des Stärksten oder Preiswertesten!
Traxler, mfG., Quelle: Tempel und Ilmarien, 2013 S. 92
Vergleichbar mit den Besten – aber einzigartig im Kundensinne
Qualität und Produktivität werden zunehmend zu „einfach kopierbaren“ Eintrittskarten in den Markt. Ob Sie in Ihren Unternehmen weiterhin erfolgreich die Werte steigern, hängt ganz allein von Ihrer Fähigkeit ab, Ihre Kunden zu begeistern, indem Sie etwas können, was kein anderer Marktteilnehmer für Ihre Kunden so gut erfüllt wie Sie und Ihr Unternehmen.
Ich kaufe ein d
Gienanth Porträt HF
Der Handformguss hat sich auf Zylinderkurbelgehäuse für Diesel- und Gasmotoren spezialisiert. Kunden: MTU, Cummins, GE Jenbacher, Guascor, usw. Einsatzbereiche der Motoren: Dezentrale Energieversorgung, Schiffsdiesel, stationäre industrielle Anwendungen, Lokomotiven, Off-Road-Trucks Gewicht pro Gussteil: 500 kg bis 5.000 kg 6 Kernschießmaschinen: 2 x 250 Liter, 2 x 65 Liter, 1 x 2 x 40 Liter, 1 x 2 x 65 Liter Formsandmischer: 1 x 40 t, 1 x 30 t, 1 x 20 t, 1 x 10 t Fertigung: Teilmechanisiert
Wo kommen wir her? Fakten für den Perspektivwechsel
Vor 10 Jahren produzierten wir rund 200 Zylinderkurbelgehäuse bei 13 Varianten pro Woche. Vor 5 Jahren bis zu 300 Gehäuse bei 20 Varianten und aktuell rund 150 Gehäuse in 45 Varianten pro Woche. Unser Kernprogramm stieg von rund 80 Kernen auf derzeit über 350. Nahezu jede Woche haben wir an vorhandenen Gehäusen Optimierungen und gießen derzeit im Schnitt zwischen 4 bis zu 6 Gehäuse pro Woche als Prototypen-Serie. Wir sind definitiv weg von der Massenfertigung, aber unsere Prozesse verharrten noch in den alten Mustern. Angefangen von den Ablaufprozessen, über die Steuerung bis hin zur Entlohnung. Wir lebten noch in der Welt der Massenfertigung und des Akkords. Dabei waren wir schon längst bei der kundenindividuellen Serienfertigung angekommen.
Der Wendepunkt
Der Moment der Bewegung bei Gienanth kam aus: ●
einem Anstieg der Krankenquote – trotz Vermeidung von Überstunden und Zusatzschichten
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dem Anstieg der Ausschussquote und des Nachbearbeitungsaufwands
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Produktivitätsverlusten trotz geringerer Stückzahlen
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Lieferengpässen trotz zunehmender Kontrolle und Einsatz der FK als Terminjäger
„Die Probleme löst man nicht mit jenen Instrumenten, die sie verursacht haben.“ (Einstein)
Perspektivwechsel: Anerkennen der Situation
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Die Zeiten der industriellen Massenproduktion von leicht kopierbaren Gütern gehören der Vergangenheit an. Den Preiswettbewerb um diese Typen werden wir auf Dauer, trotz massiver Anstrengungen in Produktivität, nicht gewinnen können. Der Rückgang der Stückzahlen – verbunden mit dem Anstieg der Typenvielfalt – bringt unsere traditionellen Prozesse zunehmend in Engpässe. Nicht das Verhalten der Mitarbeiter ist für den Anstieg der Ausschusszahlen verantwortlich, sondern die neuen Verhältnisse durch die Typenvielfalt.
Perspektivwechsel: Konzentration auf Stärken im Kontext zum Kundenbedarf
Als Wettbewerbsvorteile verfügen wir hingegen über:
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eine Arbeitsvorbereitung, die erfahren in der stetigen Optimierung und bei der Umsetzung von Neuprodukten ist sehr gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte, deren Know-How wir nicht ausreichend berücksichtigen gießereispezifisches Know-How, insbesondere in der Fertigung komplexer Kerne sowie der Entwicklung von Sonderlegierungen
Unser Vorgehen - Analyse
Was: Einsatz der Arbeitssystemanalyse nach TH-Zürich zur Identifikation von „Bottlenecks“ & Durchführung der Störungs- und Schwankungsanalyse Zweck: Analyse der Produktionsbedingungen unter dem Aspekt der Auswirkungen auf Produktivität und Ausschuss - Weg vom Verhalten, hin zu den Verhältnissen Ergebnis: Jedes Arbeitssystem in sich „leidet“ aufgrund mangelnder Regelbefugnisse und unklarer Verantwortung. Hierdurch kommt es vermehrt zu Störungen im Ablauf und dem Verdecken von Abweichungen. In der Konsequenz versuchen die Mitarbeiter, die durch Störungen und Schwankungen verursachten Zeitverluste, durch Anpassung der Arbeitsweise zu kompensieren.
Unser Vorgehen - Umsetzung Phase 1
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Umstellung von der drückenden zur ziehenden Produktion mit Hilfe einer arbeitsplatznahen Produktionsplanung von der Monats- über die Wochen- die Tages- bis zur Schichtplanung auf der Ebene der einzelnen Teams – digital unterstützt Die Ermächtigung der Zurichter (als erste Gruppe) zur sofortigen Mängelbeseitigung nach dem Verursacherprinzip und Rückbesinnung auf das Facharbeiterprinzip – über Regelbefugnisse unterstützt Die Einführung einer digitalisierten und kaskadierten Störungs- und Schwankungsanalyse inklusive der Einbindung jeden Mitarbeiters in den Prozess – digital unterstützt
Unser Vorgehen - Umsetzung Phase 1
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Die massive Reduktion der Kontrolltätigkeiten der Vorarbeiter und der Delegation der Verantwortung für eine fachgerechte Arbeitserfüllung an die Facharbeiter – umgesetzt mittels Organisationsänderungen Die Einführung von teilautonomer Gruppenarbeit – allerdings schichtübergreifend mit dem Gruppenprinzip des gemeinsamen Montageplatzes – partizipativ mit Mitarbeitern entwickelt und erprobt Die Einführung eines kombinierten Leistungslohnes mit den Faktoren Quantität und Qualität Auflösung des alten Vorabeiterprinzips zugunsten der Einführung von Fachkarrieren (Experten)
Die Resultate
1. Die Kommunikations- und Informationsprozesse für Produktionsplanung sind digitalisiert und „gedoppelt“. Bedeutet, Planungen werden durch die jeweilig folgende Stufe – angefangen von der Monats- und Wochenplanung durch die Bereichsleitung, über die Tagesplanung durch den Meisterbereich, bis hin zur übergreifenden Schichtplanung durch die Teams - am einzelnen Montageplatz geprüft und an die Realität angepasst, zurückgemeldet und bei Abweichungen zeitnah priorisiert. Effekt: Rückgang von Planungsabweichungen gegen 0 -> Wochenziel wird zu 100% erreicht oder übertroffen
Die Resultate
2. Störungen und Schwankungen werden am Montagearbeitsplatz ermittelt und dokumentiert, durch Vorgesetzte verdichtet, bewertet und verteilt. Die Verfolgung und Abstellung dokumentiert und an die Beschäftigten zurückgemeldet, damit der Erfolg erfasst werden kann. Effekt: Reduktion der Reaktionszeiten auf Abweichungen um mehrere Wochen. Breite Sensibilisierung der Mitarbeiter für geringe Störungen und hierdurch permanente Verbesserung der Werte Ausschuss und Mehrarbeit.
Die Resultate
3. Reaktivierung des Facharbeiterprinzips mit eindeutigen Regelbefugnissen bei Abweichungen innerhalb UND zwischen Arbeitssystemen. Effekt: Weitgehende Selbstregulation zwischen Mannschaften aufeinanderfolgender Schichten, sowie zwischen aufeinanderfolgenden Arbeitssystemen bei Abweichungen in Qualit채t und Sorgfalt. Hierdurch bedingter Wegfall von Kontrolle durch Vorarbeiter und proaktive Vermeidung von Produktionsstillst채nden.
Die Resultate
4. Einführung der teilautonomen Gruppenarbeit, horizontaler Fachkarrieren und eines kombinierten Leistungslohnes. Effekt: Stärkung des Prinzips „Montagearbeitsplatz“ als Gruppenprinzip mit eindeutiger Steigerung der Produktivität. Bildung von „Expertenteams“ mit signifikanten Ergebnissen bei der Umsetzung von 0-Serien oder umfangreicheren Optimierungen. Kombination von Leistung und Qualität als entgeltrelevante Bestandteile zur Unterstützung der Qualitätskennzahlen – Tendenz stetig sinkende Ausschussquoten.
Die Resultate
5. Abbau der Kontrolltätigkeiten durch Vorgesetzte - ABER - sukzessive Delegation qualitativer Aufgaben aus dem Personalmanagement zu den Vorgesetzten. Effekt: Halbierung der Vorarbeiterstellen durch Aufgabendelegation und Reduktion. Einführung von Regelgesprächen mit Mitarbeitern zur Förderung des qualifikationsgerechten Personaleinsatzes.
Die Resultate
6. Etablierung einer Paritätischen Kommission zur begleitenden Umsetzung der organisatorischen und personellen Änderungen. Effekt: Mit Hilfe des externen Mediators Umsetzung sämtlicher mitbestimmungsrelevanter Aspekte, wie Einführung der Gruppenarbeit, Einführung des neues Entlohnungsmodells, Änderungen der ERA-Grundentgelte für Experten etc., sowie Ausschreibung der neuen Stellen innerhalb von 3 Monaten verhandelt und verabschiedet.
Ergebnisse in Zahlen
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Reduktion der Ausschussquote auf derzeit < 2,5% (von über 4%) Reduktion von „Fehlarbeiten“ ; Beispiel gefüllte – nicht zugelegte - Kästen gegen 0 (in der Spitze > 40 Monat) Kernverlust durch Kernalter – Tendenz gegen 0 – durch First In First Out - Prinzip Abbau von Qualitätsschwankungen, verursacht durch „Fehlverhalten“ der Zurichter - zwar nicht messbar, aber, nach Aussagen der Mitarbeiter selbst, eindeutig. Kein Verbauen von warmen Kernen, kein Zulegen unzureichend geschlichteter Formen, Reduktion von Manipulationen am Kern gehen gegen 0
Ergebnisse in Zahlen
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Reduktion der Probeabgüsse bei umfangreichen Optimierungen eindeutig – Ziel von 5 Probeabgüssen aber noch nicht durchgehend erreicht Reduktion der Probeabgüsse bei Prototypen auf Ziel 15 noch nicht erreicht – Tendenz durch engere Zusammenarbeit von Arbeitsvorbereitung und Expertenteam aber eindeutig positiv Senkung der Krankenquote um > 4 %. Punkte Nicht messbar aber eindeutig: Verantwortungsbewusstsein, Sorgfalt, Engagement, Zusammenarbeit zwischen Teams deutlich gestiegen
Was hat das mit Arbeit 4.0 zu tun? Aus dem Grünbuch Arbeit 4.0 (S. 68 ff)
Entscheidend für die Zukunft von Branchen und Unternehmen ist ihr Innovationspotenzial und ihre Fähigkeit, Wandlungsprozesse erfolgreich zu bewältigen (…) Der gesamte Prozess basiert auf einem breit und transparent gestalteten Standpunktwechsel. Anstatt weiterhin am Prinzip der industriellen Massenfertigung zu hängen und auf bessere Zeiten zu warten, geht Gienanth bewusst den Weg in Richtung der seriellen Unikatfertigung und stärkt jene Potentiale, die der schnelleren Anpassungsfähigkeit dienlich sind. Mitgestalten, mitwirken und mitbestimmen sind die zentralen Prinzipien einer guten Unternehmenskultur – denn sie sind die Grundlage für Kreativität, Offenheit und Engagement. Sämtliche Prozesse basieren zunehmend auf dem Prinzip des Dialogs und erlauben in beide Richtungen den Informationsfluss. Dafür wurden eine Reihe von arbeitsplatznahen Softwaretools in enger Abstimmung mit den Beschäftigten entwickelt, erprobt und als Standards eingeführt.
Was hat das mit Arbeit 4.0 zu tun? Aus dem Grünbuch Arbeit 4.0 (S. 70 ff)
Wie kann in einer modernen Arbeitswelt die Teilhabe und Teilnahme von Beschäftigten so gestaltet werden, dass die Erwartungen und Fähigkeiten der Beschäftigten und die Herausforderungen für Unternehmen gleichermaßen berücksichtigt werden? Unsere Antwort: Softwaregestützte Regelgespräche erlauben den strukturierten Dialog mit den Beschäftigten, erfassen das reale IST und erlauben aufgrund der erarbeiteten Fachkarrieren eine genaue Planung der beruflichen Qualifizierung in Abstimmung mit den betrieblichen Notwendigkeiten. Welche Herausforderungen stellen sich für die Mitbestimmung als wichtige Institution der demokratischen Teilhabe und des Interessenausgleichs in der veränderten Arbeitswelt? Unsere Antwort: Klare Perspektiven, transparenter Informationsfluss und frühe Teilhabe mittels paritätische Kommission reduzieren Konflikte und bieten eine belastbare Basis für schnelle Anpassungen an sich dynamisch verändernden Umfeldbedingungen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit
Für weitere Informationen stehen Ihnen folgende Ansprechpartner zur Verfügung: Udo Kiel H-Faktor GmbH Büro Ratingen Lengelshof 1 40883 Ratingen Tel.-Nr.: 02102 / 3076930 Mobil: 0173 / 3734987 E-Mail: kiel@h-faktor.de www.h-faktor.de
Frank Koch Gienanth GmbH Ramsener Straße 1 67304 Eisenberg Tel.-Nr.: 06351 / 408 – 272 Mobil: 0172 / 6960197 E-Mail: frank.koch@gienanth.com www.gienanth.com