Mappe von Sebastian Grundke | freier Journalist

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Reportage über eine Demonstration von Freunden und Gegnern des ehemaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg erschienen in der Tageszeitung Financial Times Deutschland am 7. März 2011

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10 Deutschland Merkel macht Druck bei Frauenförderung Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der Wirtschaft vorgeworfen, ihre selbst gesteckten Ziele zur Frauenförderung verfehlt zu haben. „Deutschland gehört zu den Letzten in der Welt, wenn es um den Anteil von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft, insbesondere bei den großen Unternehmen geht“, sagte Merkel in ihrer am Samstag verbreiteten wöchentlichen Videoansprache. Die Selbstverpflichtung, die die Wirtschaft vor zehn Jahren abgegeben habe, sei unerfüllt geblieben. Deshalb werde die Bundesregierung Gespräche mit der Wirtschaft führen, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, kündigte Merkel an. In der Debatte um eine gesetzliche Festschreibung eines Frauenanteils in Führungspositionen hatte sich die Kanzlerin ablehnend zu einer Quote geäußert und sich damit gegen eine entsprechende Forderung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gestellt. REUTERS

Kauder attackiert Bundestagspräsidenten

FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND

MONTAG, 7. MÄRZ 2011

De Maizière geht in Deckung Der neue Verteidigungsminister schweigt sich zur Zukunft der Wehrreform aus, entlässt aber Staatssekretär Walther Otremba Thomas Steinmann, Berlin

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An Forderungen, was der Neue jetzt tun soll, herrscht kein Mangel. Die Bundeswehrreform wie geplant durchziehen, etwas überarbeiten, komplett umkrempeln – viele sehen den Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums als willkommene Gelegenheit, das wichtigste Projekt von Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in ihrem Sinne zu beeinflussen. Nur der Mann, auf den es ankommt, hält sich zurück: Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maizière lässt sich noch nicht in die Karten schauen, was er bei der Bundeswehr genau vorhat. Seit Donnerstag hat der CDU-Politiker jetzt das Sagen im Bendlerblock, viel gehört hat man von außen noch nicht. Es gibt keine Interviews, auch externe Termine sind bislang nicht geplant. Veröffentlicht wurde am Freitag nur der erste Tagesbefehl des neuen Ministers, in dem er versicherte, er werde die Wehrreform „konsequent fortsetzen“ – zugleich aber auch ankündigte, sich trotz der Dringlichkeit Zeit für ein gründliches Lagebild zu nehmen. Ein Ministeriumssprecher ergänzte, de Maizière behalte sich „bestimmte Streckungen, Kürzungen oder leichte Richtungsänderungen“ vor. Laut Kabinettsbeschluss vom

Dezember soll die Zahl der Soldaten von mehr als 240 000 auf maximal 185 000 sinken. Bei den Zivilbeschäftigten hatte Guttenberg einen Abbau von etwa 75 000 auf 60 000 bis 65 000 angepeilt. Eine Personalentscheidung, die für die Bundeswehrreform von Bedeutung ist, hat de Maizière dagegen bereits getroffen. Den beamteten Staatssekretär Walther Otremba, Guttenbergs Architekt vor allem für den Umbau des Ministeriums, ließ er in den einstweiligen Ruhestand versetzen – ohne Angabe von Gründen, wie dies jederzeit möglich ist. Als Beleg für eine grundsätzliche Abkehr von den bisherigen Plänen ist die Personalie jedoch wohl nicht zu sehen. Vielmehr gilt das Verhältnis zwischen beiden schon länger als schwierig. Während der Großen Koalition gerieten der damalige Kanzleramtschef de Maizière und Otremba, der zu dieser Zeit Staatssekretär im Wirtschaftsressort unter Guttenberg war, in wichtigen Fragen aneinander, etwa bei den Staatshilfen für Opel. Ein Ministeriumssprecher sagte gestern, der Nachfolger werde „zeitnah“ ernannt. Auch wenn sich de Maizière erst in Ruhe einarbeiten will, wird es in der Finanzierungsfrage – dem Fundament für alle weiteren Entscheidungen wie der endgültigen Truppenstärke und dem angepeilten Attraktivitätsprogramm zur Freiwilligengewinnung –

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„Nur weil der Minister wechselt, ist doch die Reform nicht falsch“ HORST SEEHOFER, CSU-Chef

sofort ernst. Bis Mittwoch müssen die Ministerien beim Finanzministerium Einwände gegen die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2012 geltend machen, und bei den Finanzen droht de Maizière ein erster Konflikt. Die FDP hat bereits klargemacht, dass sie auf das ursprüngliche Sparziel für den Wehretat von 8,3 Mrd. Euro bis 2014 pocht und die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Aussicht gestellte leichte Lockerung ablehnt, um nicht mit Sonderregeln für ein Ressort das Sparpaket der Regierung zu gefährden. Zugleich setzt sich aber auch in der Koalition zunehmend die Erkenntnis durch, dass die nach dem Ende der Wehrpflicht teurere Anwerbung von Rekruten und die bisherigen Sparziele kaum in Einklang zu bringen sind. Aus der Opposition war vergangene Woche wegen der vielen Unklarheiten der Ruf laut geworden, die Wehrreform aufzuschieben – was Kanzlerin Angela Merkel (CDU) umgehend ablehnte. Am Wochenende sagte auch CSU-Chef Horst Seehofer, die Pläne dürften „weder verschoben noch verwässert“ werden. „Nur weil der Minister wechselt, ist doch die Reform nicht falsch“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Dagegen sprach sich der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, für eine „Option B“ aus, falls der bisherige Zeitplan nicht haltbar sei.

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat das Vorgehen von Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) in der Plagiatsaffäre um Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg offen kritisiert. „Einige Wortmeldungen waren nicht nötig“, sagte Kauder der „Bild“-Zeitung mit Blick auf Äußerungen von Lammert und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). „Vor allem die Bemerkungen des Parlamentspräsidenten haben in der Union zu erheblichem Unmut geführt. Hilfreich waren diese sicher nicht.“ Den CSU-Vorwurf, die CDU habe Guttenberg in der Plagiatsaffäre zu früh fallen lassen, wies Kauder aber zurück. „Davon kann nicht die Rede sein! Pauschale Vorwürfe aus Bayern sind fehl am Platz. Wir haben uns klar und deutlich hinter den Verteidigungsminister gestellt – da gab es kein Wackeln“, sagte der Fraktionschef. Lammert soll von einem „Sargnagel“ für das Vertrauen in Demokratie gesprochen haben. DPA

Friedrich lockt Union in die Islamfalle Neuer Innenminister entfacht Integrationsdebatte Claudia Kade, Berlin

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Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner wird neue Vorsitzende der CSU Oberbayern. Bereits am 16. März übernimmt sie zunächst kommissarisch die Amtsgeschäfte des scheidenden Bezirkschefs Siegfried Schneider. Der Bezirksvorstand wählte sie am Wochenende in einer außerordentlichen Sitzung einstimmig. Am 23. Juli soll auf dem CSU-Bezirksparteitag endgültig abgestimmt werden. Schneider wird im Herbst Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und zieht sich deswegen aus der Berufspolitik zurück. Unklar bleibt derweil, wer den Vorsitz des CSU-Bezirks Oberfranken übernimmt, der durch den Rücktritt von KarlTheodor zu Guttenberg frei wurde. Der parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Hartmut Koschyk, brachte den neuen Innenminister Hans-Peter Friedrich ins Spiel. DPA

Embryonentest spaltet Ethikrat Der Deutsche Ethikrat wird sich in seiner Stellungnahme weder klar für noch gegen Embryonentests aussprechen. Vielmehr werde es ein gespaltenes Votum zur umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) geben, berichtet das „Hamburger Abendblatt“. Die Stellungnahme, die an diesem Dienstag erwartet wird, werde in ihrem Empfehlungsteil wie ein Streitgespräch aufgebaut sein, dabei aber die Mehrheitsverhältnisse zwischen PID-Gegnern und Befürwortern durchaus angeben. Da der Bundestag mit seinen Beratungen in der kommenden Woche beginnen wolle und dafür extra auf den Ethikrat gewartet habe, sei vor allem darauf Wert gelegt worden, alle denkbaren Argumente pro und kontra zu diskutieren, schreibt das Blatt. DPA

dapd/Michael Gottschalk

Aigner steigt in der CSU auf

Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen: Aktivisten machen sich vor dem Brandenburger Tor über den Kult um den Ex-Verteidigungsminister lustig

Keine gutten Freunde In Berlin wird eine von Guttenberg-Unterstützern geplante Demonstration von linken Aktivisten gekapert. Fernab der Hauptstadt spricht dessen Vater von einer „Menschenjagd“ Sebastian Grundke, Berlin

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„Ich persönlich würde ihm seine Doktorarbeit ja am liebsten noch mal neu schreiben!“, sagt Tatjana Popovic mit mütterlicher Fürsorge in der Stimme. Und bestätigt damit noch einmal ungewollt den Verdacht, über den KarlTheodor zu Guttenberg (CSU) am Ende gestürzt ist: Dass der Ex-Verteidigungsminister seine Doktorarbeit abgeschrieben oder gar komplett von jemand anders hat schreiben lassen. Dabei ist die 66-jährige Berlinerin an diesem kalten Samstagmittag an den Pariser Platz gekommen, um für die Rehabilitation des gestürzten Verteidigungsministers zu kämpfen, den sie als „Opfer einer gemeinen Mobbingkampagne“ sieht. Ihre Lippen hat sie strahlend rot angemalt, sie trägt einen eleganten Pelzmantel. Doch nun findet sich die ältere Dame plötzlich wieder unter lauter linken Aktivisten, die die geplante Pro-Guttenberg-Demonstration in einen Maskenball aus Hohn und Spott verwandelt haben. Ursprünglich waren es mehr als 500 000 Menschen, die sich über die Internetseite Facebook im Laufe der letzten Woche gefunden haben. In einem Diskussionsforum mit dem Titel „Wir wollen Guttenberg zurück“ hat-

ten sie ihren Ärger über den Abgang des Verteidigungsministers öffentlich gemacht und Demonstrationen in mehreren deutschen Städten angekündigt. Eine Art Zapfenstreich des Volkes zu Ehren des beliebten Politikers sollte es werden. Doch am Ende bleiben die meisten daheim. Lediglich im oberfränkischen Guttenberg, dem Heimatort des ExVerteidigungsministers, gehen 2000 Verehrer auf die Straße. Am Rande der Veranstaltung spricht Guttenbergs Vater, der Dirigent Enoch zu Guttenberg, von einer „Menschenjagd“, die auf seinen Sohn veranstaltet worden sei. In Hamburg versammeln sich etwa 350 Anhänger auf dem Gänsemarkt. In Berlin überlassen Guttenbergs Fans am Ende jenen das Feld, die mit Demonstrationen mehr Erfahrung haben – so wie ein 36-Jähriger, der sich „Felix Wilhelm Krull“ nennt. Etwa eine halbe Stunde nach dem offiziellen Beginn der Demonstration steht er plötzlich auf dem Pariser Platz. Hinter sich her zieht er einen Einkaufswagen, auf den ein großer Lautsprecher geschnallt ist. Im Korb des Wagens liegen Demonstrationsutensilien: Ein Megaphon sowie Plakate. „Lieber gut kopiert als schlecht frisiert!“ steht auf einem der Transparente, „Wir wollen die Monarchie zurück“ auf einem anderen.

Union leidet Umfragetief Der Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kostet die Union Zustimmung bei den Wählern. Laut einer Umfrage der „Bild am Sonntag“ könnten CDU und CSU bei der nächsten Bundestagswahl nur noch mit 33 Prozent der Stimmen rechnen. Zwei Prozentpunkte weniger als zuvor. 74 Prozent der Deutschen sind der Erhebung zufolge der Meinung, dass die Regierungskoalition nach Guttenbergs Rücktritt schlechter dastehe als vorher. 61 Prozent erwarten darüber hinaus, dass der Abgang des CSU-Politikers der Union auch bei den anstehenden Landtagswahlen schaden wird. Stimmungsdämpfer Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sieht seinen Wahlkampf durch die Guttenberg-Affäre belastet. „Die Sache hilft uns nicht, das ist klar“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“. Kurzfristig dämpfe so etwas natürlich die Stimmung. Er zeigte sich aber überzeugt, dass seine Partei bei der Landtagswahl am 27. März trotzdem keinen Schaden nehmen werde.

Bis etwa 14 Uhr hat Krull die Kundgebung zu Ehren Guttenbergs in eine Demonstration verwandelt, auf der Schilder mit ironischen Slogans geschwenkt werden. Einige der Demonstranten haben sich verkleidet: Manche sind als adelige GuttenbergFans zurechtgemacht, andere geben den Ex-Verteidigungsminister selbst und faseln Werbetexte für Haargel in die Mikrofone der Journalisten. „Wir sind genauso falsch wie der Doktortitel des Ministers!“, schreien manche. Um halb drei sind nach Einschätzungen der Polizei insgesamt etwa 100 Menschen vor dem Brandenburger Tor versammelt. Die GuttenbergFans sind klar in der Minderheit. „Die Mehrheit davon ist wohl der linken Szene zuzuordnen“, sagt eine Polizeisprecherin. Doch manche Maskerade ist täuschend echt. Tatjana Popovic, offenbar die einzig wahre Guttenberg-Verehrerin, kämpft hier auf verlorenem Posten. Konsterniert schaut sie auf den Haufen von Aktivisten, die in der Mitte des Pariser Platzes protestieren. Dann fixiert sie einen Guttenberg-Darsteller mit Plakat. Sie stürzt auf ihn zu und will ihm das Schild entreißen. Einige Schaulustige gehen dazwischen. Popovic, Puder auf dem Mantel und Lippenstift verschmiert, stampft wütend zur S-Bahn davon.

Der frisch ernannte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die Union in einen neuen Streit über die Rolle des Islam getrieben. Mehrere CDU-Politiker warfen Friedrich am Wochenende vor, die Muslime hierzulande mit seiner Äußerung herabzuwürdigen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Vier Millionen Muslime müssten nun das Gefühl haben, ihre Religion sei in Deutschland nicht offiziell anerkannt, sagte der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz. Unterstützung erhielt der neue Innenminister dagegen von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU), der mitten im Landtagswahlkampf steht. Mappus sprach sich zwar für Religionsfreiheit aus. „Prägend für uns in Deutschland soll aber nach meiner Überzeugung stets das christliche Menschenbild sein, das auch eine Grundlage unserer Verfassung ist“, sagte Mappus der „Leipziger Volkszeitung“. Damit verstricken sich CDU und CSU wenige Wochen vor der wichtigen Landtagswahl im Südwesten abermals in eine Islamdebatte, die sie bereits im vorigen Herbst nach der Rede von Bundespräsident Christian Wulff zum Jahrestag der deutschen Einheit und der Veröffentlichung islamkritischer Thesen des damaligen Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin schwer belastet hatte. Wulff hatte im Oktober gesagt, der Islam sei Teil Deutschlands. Friedrich, damals noch Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, widersprach ihm prompt und wiederholte dies zu seinem Amtsantritt am Donnerstag. Mit der Neuauflage des Streits hofft der konservative Unionsflügel um Kauder, Mappus und Friedrich, die Stammwählerschaft zu mobilisieren. Modernisierer wie Polenz und der frühere NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) fürchten dagegen um den Zulauf neuer Wähler. „Ich warne davor, hier wieder in parteipolitische Schlachten zu verfallen“, sagte Laschet der FTD. „Der Islam ist Teil von Deutschland, da hat der Bundespräsident recht. Und der Islam hat die Geschichte und Kultur Deutschlands nicht geprägt, das waren Judentum und Christentum. Diese beiden Tatsachen können nebeneinanderstehen.“ Angesichts der Kritik auch aus den Muslimverbänden und aus der Opposition gab Friedrich sich am Wochenende versöhnlich. Er wolle den Dialog mit den Muslimen voranbringen, sagte er. Die Einladung für die Islamkonferenz am 29. März stehe.


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