Greenpeace – ungemein nützlich

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GREENPEACE: UNGEMEIN NÜTZLICH

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INHALTSVERZEICHNIS 1. GREENPEACE UND GEMEINNÜTZIGKEIT: EINE EINORDNUNG

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2. GREENPEACE BEWAHRT LEBENSGRUNDLAGEN

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2.1 Für eine umfassende Lösung der Klimakrise Erneuerbare Energien Nachhaltiger Finanzplatz Klimagerechtigkeit Schutz der Wälder Atomare Sicherheit

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2.2 Für verantwortungsvolle Konsumsysteme Überkonsum und Kreislaufwirtschaft Globale Plastikflut und Zero Waste Nachhaltiges Ernährungssystem

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2.3 Für den Schutz der Weltmeere Antarktis Arktis Globaler Ozeanvertrag Tiefseebergbau

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2.4 Für einen verantwortungsvollen Umgang mit Chemie und Giftmüll 15 2.5 Hilfe in der Katastrophe 16 Fukushima: Unabhängige Messungen zum Schutz der Bevölkerung 16 Russland: Freiwillige im Einsatz gegen Waldbrände 17 3. DAS GROSSE GANZE: CHANGE!

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1. GREENPEACE UND GEMEINNÜTZIGKEIT: EINE EINORDNUNG

Bilder aus den frühen Zeiten von Greenpeace. © Robert Keziere / Rex Weyler / Greenpeace

Seit über 50 Jahren verändert Greenpeace die Welt: 1971 stach eine kleine Gruppe von Aktivisten in See, motiviert durch ihre Überzeugung, dass auch wenige im Streben nach einer grünen und friedlichen Welt viel bewegen können. Sie protestierten gegen die amerikanischen Atomversuche auf Amchitka, einer kleinen Insel vor der Westküste Alaskas und legten so den Grundstein für die Gründung der Greenpeace Foundation 1972 in Vancouver. Seither engagiert sich Greenpeace an vorderster Front gegen Umweltzerstörung. Bearing witness, also Zeugnis ablegen, Probleme aufzeigen und auf Missstände aufmerksam machen: Das war schon in den Gründerzeiten von Greenpeace eine unserer zentralen Aufgaben, insbesondere dort, wo Staaten, Behörden, Politik und Wirtschaft ihre diesbezügliche Ver-

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antwortung nicht wahrnehmen. Die «Regenbogenkämpfer» von 1971 taten genau dies: Sie fuhren mit ihrem Schiff an den Ort des Umweltverbrechens und deckten dieses für die Öffentlichkeit auf. Eine Sympathiewelle rollte ihnen von Kanada und den USA aus entgegen. Die Tests wurden erst verschoben, dann abgebrochen und die Insel später sogar zum Vogelschutzgebiet erklärt. Die Aktionen von Greenpeace-Freiwilligen in den weiteren Jahren führten dazu, dass Frankreich die oberirdischen Atomtests im Pazifik beendete. Greenpeace Schweiz gründete sich 1984 als gemeinnützige Stiftung mit dem Zweck, «die öffentliche Wohlfahrt durch Bestrebungen im Natur-, Umwelt- und Tierschutz zu fördern». Die Gemeinnützigkeit ist ein wichtiger Aspekt

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unserer Arbeit: Wir verstehen uns als Anwältin der Natur, die sich für die Sicherung der Lebensgrundlagen von Mensch und Tier und Umwelt engagiert und damit dem Wohlergehen der Allgemeinheit dient. «Grün, gerecht, friedlich», so ist die Welt, die Greenpeace anstrebt. Gemeinnützigkeit ist in der Schweiz nicht einheitlich definiert und stellt auch keinen geschützten Begriff dar. Wer sich auf die Suche nach einer Definition begibt, stellt dementsprechend fest, dass der Begriff werte-bezogen ist, örtlich unterschiedlich interpretiert wird und einem zeitlichen Wandel unterliegt. Unter gewissen Bedingungen sind gemeinnützige Organisationen in der Schweiz steuerbefreit und entsprechend gibt es nebst der nationalen Sicht auch 26 verschiedene kantonale Betrachtungsweisen, wer gemeinnützig handelt und wer nicht. Es gibt aber einende Elemente, die in den meisten Definitionen enthalten sind: • Uneigennützigkeit, also das Fehlen von Eigeninteressen und in dem Sinne … • … die Verfolgung von Allgemeininteressen, zum Beispiel in karitativen, humanitären, ökologischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Bereichen. • Keine Gewinnorientierung. Greenpeace vereint alle diese Elemente: Um unsere Vision einer Erde, auf der sich das Leben in seiner ganzen Vielfalt entfalten kann, zu erreichen, deckt Greenpeace auf, zieht Umweltsünder zur Rechenschaft, stellt Forderungen an Regierungen und Unternehmen, treibt Lösungen voran und die Greenpeace-Freiwilligen organisieren unter vielem anderen aufsehenerregende Aktionen. Eine grosse Stärke von Greenpeace ist es, öffentlichen Druck zu machen. Neben den Aktionen üben wir Einfluss auch im direkten Kontakt aus: vor der UNO-Generalversammlung, bei der Weltbank oder in nationalen und internationalen Foren und Expert:innengruppen – GreenpeaceMitarbeitende sind überall anzutreffen. Für unsere Expertise recherchieren wir gründlich, bevor Umweltskandale und die dafür Verantwortlichen öffentlich gemacht werden. Wir sammeln die relevanten Fakten und unterziehen sie strengen, unabhängigen Analysen, unter anderem in eigenen wissenschaftlichen Labors. Unser Herz sind 50 000 Freiwillige, die sich weltweit an vorderster Front engagieren; in der Schweiz können wir auf das Engagement von Hunderten Freiwilligen zählen. Um Probleme aufzuzeigen, auf Missstände aufmerksam zu machen, sowie positive Veränderungen einzufordern und herbeizuführen, ist für Greenpeace die gewaltfreie direkte Aktion neben anderen

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Formen der Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiges Mittel. Greenpeace-Aktivist:innen konfrontieren diejenigen, die Umweltschäden verursachen oder zu verantworten haben – wenn möglich am Ort des Umweltverbrechens. Immer wieder legen sie auf friedliche Weise Zeugnis über Umweltzerstörungen ab. Der provozierende, kraftvolle, manchmal freche und konfrontative Charakter, das überraschende, kompromisslose, mutige und stets gewaltfreie Vorgehen unter vollem persönlichen Einsatz und Risiko ist das Ungewöhnliche an Greenpeace. Wir lösen relevante, gesellschaftsverändernde Konflikte und Debatten aus und erzeugen Reibung, die es für Veränderung braucht. Von der Notwendigkeit, sich selber aktiv einzubringen, haben ausgebildete Greenpeace-Freiwillige über viele Jahre hinweg auch Tausende von Schüler:innen mit dem Programm «Schulbesuche» überzeugen können. So geben wir unserem Planeten auf vielfältige Art und Weise eine Stimme und engagieren uns uneigennützig für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Natur, im Heute und für künftige Generationen. Greenpeace setzt sich dazu auch für oder gegen politische Anliegen ein, weil in der Politik wichtige Weichen hinsichtlich der gemeinnützigen Ziele gestellt werden. Und wir fordern und fördern eine umweltfreundliche Gesetzgebung. Aus Sicht von Greenpeace ist die GemeinwohlÖkonomie ein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell, welches die Mehrung des Gemeinwohls, des guten Lebens aller ins Zentrum stellt und nicht Kapitalgewinn, Höchstumsätze oder ähnliche finanzielle Massstäbe. Deshalb erstellte Greenpeace Schweiz über sich eine Gemeinwohlbilanz. Greenpeace ist eine politisch und finanziell unabhängige Organisation – wir nehmen keine Unterstützungen und Zuwendungen von Firmen, von der öffentlichen Hand, von politischen Parteien oder von internationalen Einrichtungen an. Im Gegensatz zu den meisten anderen Organisationen finanziert sich Greenpeace ausschliesslich durch Spenden von Einzelpersonen und unabhängigen Stiftungen. Dadurch können wir frei, glaubwürdig, ohne Angst und Vorurteile Stellung beziehen, Umweltsünder:innen öffentlich beim Namen nennen und Umweltskandale anprangern. Die dafür notwendige finanzielle Unterstützung und politische Durchschlagskraft gewährleisten weltweit mehr als drei Millionen Menschen, davon über 130 000 Spender:innen in der Schweiz. Mittlerweile ist Greenpeace mit 4000 Mitarbeiter:innen in nationalen und regionalen Büros in 26 Ländern vertreten.

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2. GREENPEACE BEWAHRT LEBENSGRUNDLAGEN Die globalen sozialen und ökologischen Probleme können heute nicht mehr von Nationalstaaten allein bewältigt werden. Nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace fällt deshalb eine immer wichtigere Verantwortung und Rolle zu. Sie leisten einen entscheidenden Beitrag, um Missstände öffentlich zu machen, Verantwortliche zu benennen und Vorschläge für Lösungen zu unterbreiten, die das Gemeinwohl an die erste Stelle setzen. Dabei haben erfolgreiche Kampagnen in einem Land oft Signalwirkung für andere Regionen.

KlimaSeniorinnen legen riesige Pflaster zwischen zwei schmelzende Gletscher in den Schweizer Alpen. © Matthias Lüscher / Greenpeace

Wir zeigen im Folgenden eine exemplarische Auswahl von Umweltthemen, in welchen sich Greenpeace – teilweise seit Jahrzehnten – erfolgreich engagiert und so hilft, die Lebensgrundlagen von uns, unseren Kindern und unserer gesamten Umwelt zu erhalten.

2.1 Für eine umfassende Lösung der Klimakrise Die Klimakrise ist die grösste Herausforderung, der sich die Menschheit derzeit stellen muss. Seit Beginn der Industrialisierung stieg die Temperatur auf der Erde durchschnittlich um mehr als ein Grad Celsius, in der Schweiz gar um über zwei Grad. Und unser Land erwärmt sich weiter: Die Schweiz wird trockener, heisser, schneeärmer und kämpft künftig mit heftigeren Niederschlägen. Greenpeace nutzt, wo immer sinnvoll, auch die politischen Instrumente unserer Demokratie, um dem Klimaschutz zum Durchbruch zu verhelfen; so waren wir zum Beispiel massgeblich beim Aufbau der Gletscherinitiative beteiligt, welche 2023 als indirekter Gegenvorschlag (Klimaschutzgesetz) vom Volk deutlich angenom-

Ukraine Recovery Konferenz 2022 in Lugano. © Joakim Chardonnens / Greenpeace

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Künstlerische Kundgebung für klimafreundliche Rentenfonds von GreenpeaceAktivist:innen in Bern, 2023. © Jorma Mueller / Ex-Press / Greenpeace

men wurde. Unsere Expert:innen liefern Politik und Wirtschaft mit Studien und Szenarien die wissenschaftlichen Grundlagen, wie eine klimafreundliche Energieversorgung ohne fossile Energieträger und ohne Atomkraft wirtschaftlich realisierbar ist. Erneuerbare Energien Greenpeace setzt sich seit Jahrzehnten international und national für einen starken Klimaschutz ein, für den Ausstieg aus fossilen und die Förderung erneuerbarer Energien. So präsentierte Greenpeace bereits 1996 das von drei Schweizer Firmen gebaute Sparmobil SmILE und erhielt den «Schweizer Innovationspreis». SmILE verbrauchte auf 100 Kilometer nur 3 Liter und bewies der Autoindustrie, dass die Halbierung des Benzinverbrauchs möglich ist. Greenpeace entwickelte gemeinsam mit Expert:innen auch den SolarChill, ein Kühlsystem, welches Umweltschutz, Entwicklungshilfe und Gesundheitsvorsorge kombiniert. Ab 1998 hat das mehrfach ausgezeichnete Projekt «Jugendsolar» 20 Jahre lang Kinder und Jugendliche für Solarenergie sensibilisiert und begeistert, und zwar ganz konkret: Zusammen mit Jugendlichen bauten wir Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden, sozialen Einrichtungen, Bauernhöfen, Firmen- und Privatgebäuden. So entstanden in den zwei Jahrzehnten 260 Solaranlagen mit über 13 000 Schüler:innen in der ganzen Schweiz. Greenpeace gelang es auch, die Verantwortlichen vom Sinn von Solaranlagen auf den Stadion-Neubauten «Joggeli» in Basel und «Wankdorf» in Bern zu überzeugen. 2007 gibt Greenpeace die erste Ausgabe des wegweisenden Reports «Energy{R}evolution» heraus – eine Vision und ein Fahrplan zugleich,

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wie man global im Energiesektor die Treibhausgasemissionen massiv reduzieren und die Klimaziele mit dem Energiebedarf abstimmen kann. 2013 (überarbeitet 2022) zeigen wir mit der Schweizer Energy{R}evolution, dass eine sichere, Atomstrom- und nahezu CO2-freie Energieversorgung möglich und ökonomisch ist. Nachhaltiger Finanzplatz Greenpeace Schweiz legt heute einen Fokus auf den Schweizer Finanzplatz: Dieser ist einer der grössten der Welt. Billionen von Franken fliessen über diesen in wirtschaftliche Aktivitäten weltweit. Und unsere Banken und Pensionskassen investieren dabei Milliarden in klimaschädliche Projekte wie Ölbohrungen, Stahlwerke, Schwertransporte oder die Abholzung von Regenwald für die Fleischproduktion. Mit unseren Kampagnen engagieren wir uns dafür, dass dieses Geld eine nachhaltige und soziale Wirtschaft ermöglicht – damit unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Unsere Kampagnenarbeit hat mitgeholfen, die Problematik ins öffentliche und wirtschaftlich-politische Bewusstsein zu tragen und zeigt weitere Erfolge: So beschlossen 2017 die Versicherungskonzerne Swiss Re und Zurich, ihre Investitionen in die Kohleindustrie zu reduzieren. Dies verringert den CO2-Ausstoss massiv und ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einem klimaverträglichen Schweizer Finanzplatz. 23 500 Menschen unterzeichneten im Jahr 2020 unsere Beschwerde gegen die Finanzplatz-Aufsichtsbehörden: Gemeinsam forderten wir Politik und Behörden auf, regulatorische Massnahmen für eine klimaneutrale Weltwirtschaft zu ergreifen. Institutionen wie UBS, Credit Suisse,

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die Schweizerische Nationalbank und der AHVFonds haben seither konkrete Schritte in Richtung Klimaschutz unternommen. Noch sind die Schritte zu klein, sie werden aber bedeutsamer. Dass Finanzinstitute und Aufsichtsbehörden den Klimaschutz zusehends berücksichtigen, hat Greenpeace Schweiz wesentlich vorangetrieben. Klimagerechtigkeit Die Mühlen der Politik mahlen langsam; im Falle der Klimakrise schlicht viel zu langsam, also sucht Greenpeace immer wieder alternative Wege, um ans Ziel zu gelangen. Und so machen zum Beispiel seit 2016 die sogenannten KlimaSeniorinnen regelmässig Schlagzeilen: Ein von Greenpeace initiierter und nach wie vor unterstützter Verein aus über 2500 Rentnerinnen, die gegen die Schweiz klagen. Sie sagen, der Staat schütze ihr Menschenrecht auf Leben nicht genügend. Seit 2016 kämpfen die KlimaSeniorinnen für Klimagerechtigkeit. Damals gelangten sie an den Bund und verlangten mehr Klimaschutz zum Schutz ihrer Grundrechte auf Leben und Gesundheit. Sie stiessen jedoch nicht auf Gehör, und auch das Bundesverwaltungsgericht sowie das Bundesgericht wiesen ihre Beschwerden ab. Darum zogen die KlimaSeniorinnen ihren Fall an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Die Schweizer Klimaklage ist am Gerichtshof eine der ersten ihrer Art und könnte zu einem Präzedenzfall für Europa, ja die ganze Welt werden. Was in jahrzehntelangen Verhandlungen und politischem Gezänk nicht geschafft wurde, könnte sich dank der KlimaSeniorinnen durch einen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ändern: dass Staaten wie die Schweiz durch mehr Klimaschutzmassnahmen unsere Menschenrechte wahren. Und wir sind nicht alleine: Überall auf der Welt wehren sich mutige Bürger:innen gegen die zu lasche Politik oder gegen Konzerne. Nach ersten vielversprechenden Erfolgen wächst die Bewe-

Die KlimaSeniorinnen klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg, 2020. © Emanuel Büchler / Greenpeace

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gung von mutigen Menschen, die Staaten oder Konzerne verklagen, weil diese trotz überwältigender Beweise unsere Erde weiter gefährlich aufheizen und damit unsere Grundrechte verletzen. Schutz der Wälder Wälder sind neben den Weltmeeren die artenreichsten, produktivsten und wertvollsten Lebensräume der Erde. Sie erzeugen Sauerstoff, binden Kohlenstoff und regulieren das Klima. Deshalb engagiert sich Greenpeace für den Schutz der Wälder, weltweit. Greenpeace stellt sich der Abholzung entgegen, rund um den Globus. Viele Waldgebiete stehen heute auch deshalb unter Schutz oder sind überhaupt noch vorhanden, weil Greenpeace immer wieder protestiert, informiert und verhandelt hat, auch mit der Unterstützung von Greenpeace Schweiz. Eine Auswahl: Finnland und Russland: Die nordischen borealen Wälder bilden das grösste Waldökosystem der Erde. Seit 2000 hat sich Greenpeace gemeinsam mit den Ureinwohner:innen Nordfinnlands, den Sámi, für den Erhalt dieser letzten Naturparadiese engagiert. Mit Erfolg: 2009 und 2010 stellte die finnische Regierung 250 000 Hektar Wald unter Schutz. Und in Russland trugen Greenpeace-Aktivist:innen dazu bei, dass der Kalevalski-Urwald 2006 zum Nationalpark erklärt wurde. Seit 2019 darf das Gebiet im sogenannten Dvinsky-Urwald von der Grösse Luxemburgs nicht mehr dem Kahlschlag zum Opfer fallen. Darüber hinaus bewirkte eine Greenpeace-Kampagne, dass die Wälder entlang von Laichgebieten wie Flüssen unter Schutz stehen. Kanada: Mit 6,4 Millionen Hektar ist der Great-Bear-Regenwald in British Columbia der grösste gemässigte Küstenregenwald der Erde. Ab 1997 engagierte sich Greenpeace gemeinsam mit den Ureinwohner:innen für seinen Erhalt. 2009 stellte die kanadische Regierung 2,1 Millionen Hektar dauerhaft unter Schutz und sperrte weitere 700 000 Hektar für Bergbau und Forstwirtschaft. 2016 konnte dann nach weiteren Verhandlungen die endgültige Einigung erzielt werden: 85 Prozent der bewaldeten Fläche des Great-Bear-Regenwaldes sind nun vor der Säge geschützt. Indonesien: In Südostasien werden Regenwälder abgeholzt, vor allem, um Ölpalmplantagen Platz zu machen. Die Rodung der Wälder, die oft auf meterdicken Torfböden stehen, in denen enorme Mengen Kohlenstoff gespeichert sind, ist besonders dramatisch für das Klima. Dazu kommt, dass Tierarten wie der Orang-Utan mit den schwindenden Wäldern ihren Lebensraum verlieren. Das billige Öl der Ölpalmen landet in Lebensmitteln, Kosmetika und im Kraftstoff. Mit der Waldschutzkampagne «Nestlé, give the orangutan a break» gab Greenpeace 2010 einen ersten Impuls zum Umdenken. Nestlé erklärte damals, künftig auf Palmöl und Papier aus Regenwaldzer-

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Links: Bergwaldprojekt in Entlebuch. © Nicolas Fojtu / Greenpeace Rechts: Greenpeace-Freiwillige in einem russischen Wald nach einem Brand. © Daniel Müller / Greenpeace Unten: Nordischer Wald in Finnland. © Markus Mauthe / Greenpeace

störung zu verzichten und 2011 schwenkte auch der grosse Palmölproduzent und Lieferant von Nestlé, Golden Agri Resources, um. In der Folgezeit trugen weitere Greenpeace-Kampagnen dazu bei, dass sich mehrere Konzerne – darunter Ferrero, L’Oréal, Procter&Gamble, Unilever und der indonesische Papierkonzern Asia Pulp and Paper – dazu verpflichteten, ihre Produkte nicht länger auf Kosten der Regenwälder herzustellen. Brasilien: Der Regenwald Amazoniens ist eines der grössten zusammenhängenden Waldgebiete der Erde und eine wichtige «Klimaanlage» des Planeten. Welche enormen Auswirkungen besonders der Fleischkonsum – und damit die Rinderhaltung – auf die Wälder Brasiliens hat, zeigte Greenpeace 2009 mit umfangreichen Karten- und Hintergrundmaterialien. Nach jahrelanger intensiver Kampagnenarbeit im brasilianischen Urwald und bei der Regierung stellte Brasilien im Jahr 2004 zwei Millionen Hektare Amazonas-Regenwald unter Schutz. Zwei Jahre später wurde die Marke von 6,5 Mio. Hektaren überschritten. Heute – insbesondere nach der für die Umwelt verheerenden Amtszeit von Prä-

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sident Bolsonaro – ist der Schutz der Amazonaswälder dringender denn je. Afrika: Eine hartnäckige Kampagne von Greenpeace Afrika – ein von Greenpeace Schweiz mitfinanziertes Büro – veranlasst 2018 den KautschukKonzern «Halcyon Agri», seine Waldrodungen in einem Gebiet im Kongobecken in Kamerun auszusetzen. Seit 2019 bewirtschaften zwei Gemeinden in der Demokratischen Republik Kongo ihre Wälder ohne Zerstörung und verbessern ihre Lebensbedingungen. Sie setzen mit Greenpeace Afrika die gemeinschaftsbasierte, nachhaltige Waldbewirtschaftung als Alternative zum industriellen Holzeinschlag um. 2020 werden im Kongobecken Abholzungspläne auf Druck von Greenpeace storniert. Schweiz: 1987 initiierte Greenpeace Schweiz das Bergwaldprojekt, bei dem Freiwillige einen aktiven Beitrag für die Bergwälder in Deutschland, Österreich und der Schweiz leisten. Greenpeace trug das Projekt finanziell lange mit; heute ist es unabhängig, renommiert, international und ein Brückenschlag zwischen Umweltschutz und Bergbevölkerung. Eine Erfolgsgeschichte.

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Greenpeace-Aktivist:innen hatten einige Male vor Ort gegen den Risikoreaktor demonstriert. 2013 wurde die Betreibergesellschaft BKW einsichtig und beschloss die Schliessung des Werks.

2.2 Für verantwortungsvolle Konsumsysteme

Rund 100 Greenpeace-Aktivist:innen dringen 2014 in das Gelände des AKW Beznau (Kt. Aargau) ein und fordern dessen Stilllegung. © Michael Würtenberg / Ex-Press / Greenpeace

Atomare Sicherheit 1978 starteten Greenpeace-Aktivist:innen mit dem Schiff «Rainbow Warrior» erste Einsätze gegen die Praxis, Atommüll einfach auf der Hohen See ins Meer zu kippen. Sommer für Sommer waren sie den Verklappungsschiffen auf der Spur. Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Im Februar 1983 beschlossen die Vertragsstaaten der London-Konvention ein zehnjähriges Moratorium für Atommüllverklappung. 1993 wurde es in ein endgültiges Verbot mit weltweiter Geltung umgewandelt. Greenpeace setzte und setzt sich unermüdlich gegen Atomkraft ein und hat dazu beigetragen, dass die Sicherheitsvorschriften für AKW zum Wohle der Bürger:innen und der Umwelt in vielen Ländern heute deutlich strenger sind, als noch vor Jahrzehnten und Länder wie die Schweiz oder Deutschland den Atomausstieg beschlossen bzw. vollzogen haben. Durch jahrelangen Druck und mit vielen Aktionen gegen Atommülltransporte in der Schweiz wird die Wiederaufbereitung von Atommüll mit einem langjährigen Verbot belegt. 2019 wurde das AKW Mühleberg bei Bern endgültig abgeschaltet. Greenpeace Schweiz hat sich auf vielfältige Weise für dessen Abschaltung engagiert. Wir haben Sicherheitsdefizite öffentlich thematisiert, Anwohner in Rechtsverfahren unterstützt und die Bevölkerung mobilisiert. Und

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Überkonsum und Kreislaufwirtschaft Seit den 1970er-Jahren hat sich der globale Ressourcenverbrauch mehr als verdreifacht, was unter anderem daran liegt, dass wir schlicht zu viel konsumieren und unsere Sachen ständig durch Neues ersetzen. Wenn alle auf der Welt so konsumieren würden wie wir in der Schweiz, bräuchten wir drei Erden. Um dies zu verhindern, fordert Greenpeace ein Umdenken des Konsumsystems. Dafür braucht es eine echte Kreislaufwirtschaft und darin verankert ein Recht auf Reparatur. Greenpeace Schweiz ist Teil der Koalition «Lang leben unsere Produkte!». Damit wollen wir einerseits erreichen, dass die Konsument:innen Gebrauchsgegenstände nicht wegwerfen müssen. Andererseits will sie den Übergang zu einer echten Kreislaufwirtschaft unterstützen. Im Frühling 2022 haben wir dem Parlament eine entsprechende Petition überreicht. Eine von uns in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass sich der Schweizer-CO2-Fussabdruck um 1,8 bis 4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent reduzieren liesse, wenn wir alle Konsumprodukte in der Schweiz ein bis drei Jahre länger nutzen würden. Damit die Konsument:innen aber überhaupt nachhaltig konsumieren können, braucht es die Detailhändler:innen, denn sie sind das Bindeglied zwischen Hersteller:innen auf der einen und Konsument:innen auf der anderen Seite. Deshalb legt Greenpeace Schweiz heute einen Fokus auf die Grossen dieses Marktes, wie zum Beispiel Migros oder Coop. Mit einer Analyse zeigten wir im Jahr 2022, dass diese bezüglich Kreislaufwirtschaft grossen Nachholbedarf haben; entsprechend fordern wir deshalb mehr Transparenz, Ehrgeiz und bessere rechtliche Rahmenbedingungen. Globale Plastikflut und Zero Waste Mit dem Überkonsum wachsen auch die Abfallberge. Mit über 700 kg pro Person produziert die Schweiz viel zu viel Abfall. Einwegverpackungen machen etwa ein Drittel dieser Abfälle aus und sind damit ein wichtiger Aspekt unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Deshalb setzen wir auf «Zero Waste». Unsere Vision «Zero Waste» bedingt ein Umdenken und mehr Achtsamkeit beim Einkaufen von uns allen. Aber auch Staat, Kantone und Gemeinden nehmen wir in die Pflicht: So zeigten wir in einem Vergleich, welche Städte Mehrwegsysteme (wie stark) unterstützen

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und fordern von den Städten und Gemeinden Vorschriften für Mehrweg. Greenpeace-Untersuchungen zeigen auch, dass die Schweizer:innen für Mehrweg bereit wären, die Detailhändler hingegen leider nicht. Entsprechend setzen wir uns bei den Detailhändler:innen konsequent für ein umfassendes Überdenken ihrer Angebote ein.

Böden» angenommen. Jetzt muss der Bundesrat mit den betroffenen Branchen Massnahmen ergreifen, um die Umweltbelastung durch Kunststoffe umfassend zu bekämpfen. Die Notwendigkeit von Mehrweg in der Gastronomie hat Greenpeace Schweiz mit allen verfügbaren Mitteln in die Öffentlichkeit getragen.

Auf internationaler Ebene kämpft Greenpeace seit Jahren gegen die globale Plastikflut. Plastik gefährdet das Klima, schädigt die menschliche Gesundheit und vermüllt Flüsse, Seen, Meere und ganze Landstriche. Wenn es nach der Plastikindustrie geht, könnte sich die Plastikproduktion in den nächsten Jahren verdoppeln und bis 2050 verdreifachen. Das hätte katastrophale Auswirkungen auf unseren Planeten und seine Bewohner:innen. Die Verhandlungen der Vereinten Nationen für eine internationales Plastikabkommen zeigen vor allem eines: Ölproduzierende Länder und die Fossilindustrie wollen ein solches Abkommen möglichst schwächen. Deshalb engagiert sich Greenpeace unter vielem anderen mit einer Petition für ein globales Plastikabkommen, welche bislang fast eine Million Menschen unterzeichnet haben. In der Schweiz setzen wir den Grosskonzern Nestlé unter Druck, das Thema ernst zu nehmen und nicht auf Scheinlösungen wie Bioplastik zu setzen. Nestlé belegt seit Jahren einen der vordersten Ränge der global grössten Plastikverschmutzer, wie von uns mitgetragene Studien zeigen. 2019 haben National- und Ständerat die Motion «Weniger Plastikmüll in Gewässern und

Dazu gehörte der nationale Refill Day. Seit 2020 verbietet die Stadt Genf Einwegplastik bei allen Gastro-Angeboten und bewilligten Veranstaltungen auf öffentlichem Grund. Einwegartikel aus alternativen Materialien sind weiterhin erlaubt – Greenpeace Schweiz setzt sich ein, dass die Wegwerfkultur nicht unter dem Deckmantel anderer Materialien bestehen bleibt.

Greenpeace protestiert 2019 mit einem riesigen Kunstwerk aus philippinischem Plastikmüll gegen Einwegplastik. © Greenpeace / Nicolas Righetti

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2018 beschliesst die Europäische Union ein Verbot von Einwegplastik-Produkten wie Geschirr und Besteck. Zudem nimmt die EU die verantwortlichen Firmen in die Pflicht: Sie werden fürs Aufräumen und die Verwertung gewisser Einweg-Plastikgegenstände zur Kasse gebeten. Die Schweizer Politik hinkt dem hinterher – der Nationalrat hat aber immerhin eine Motion gutgeheissen, die den Bundesrat beauftragt, zusammen mit den betroffenen Branchen Massnahmen gegen die Plastikflut zu ergreifen. Auch Mikroplastik ist eine Gefahr für Mensch und Umwelt, weshalb wir seit Jahren ein Verbot in Kosmetikartikeln fordern; mit Erfolg: 2017 verbieten Grossbritannien, die USA und Neuseeland die winzigen Kunststoffteilchen in kosmetischen Produkten.

Aktivist:innen markieren 2021 an einer Berner Brücke den Start der «Refill Diet Week». © Joël Hunn / Greenpeace

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Nachhaltiges Ernährungssystem Wenn wir das Klima und die Artenvielfalt retten wollen, kommen wir auch nicht umhin, unsere Ernährungssysteme grundlegend umzustellen: Weg von einer tier- und fleischbasierten Produktion und Ernährung hin zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft. Greenpeace Schweiz hat zusammen mit dem Verein «energiewende-ja» Lösungen für einen klimafreundlichen Wiederaufbau der Wirtschaft erarbeitet. Diesen Transitionsplan zur Landwirtschaft haben wir einem breiten (Fach-)Publikum präsentiert. Anlässlich der alljährlichen wütenden Feuer im Amazonas, die unter anderem zum Anbau von Futtermitteln entfacht werden, lancierte Greenpeace Schweiz

© Greenpeace / Ex-Press / Miriam Künzli © Severin Nowacki / Greenpeace © Greenpeace / Ex-Press / David Adair

2019 eine Futtermittel-Petition. Über 33 000 Menschen unterstützen deren Forderung, keinerlei Futtermittel mehr in die Schweiz zu importieren. Als Mitglied der Umweltallianz, dem Bündnis der grossen Schweizer Umweltorganisationen, lancierten wir 2020 die Kampagne «Agrarlobby stoppen» und zeigten so die Macht grosser Agrarlobbies wie dem Schweizerischen Bauernverband auf. Oder wir wehren uns gegen die Pläne der Migros, in der Westschweiz einen grossen Geflügelschlachthof zu errichten. Auch im Einsatz gegen übermässigen Pestizid-Einsatz kann Greenpeace global und in der Schweiz auf jahrelange Kampagnen und einige Erfolge zurückblicken. So verbot zum Beispiel das Bundesamt für Landwirtschaft 2019/20 zwölf Pestizide mit dem Wirkstoff Chlorpyriphos sowie das Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil. Auf Ebene EU und in der Schweiz wurden in den Jahren zuvor bereits unzählige andere schädliche Pestizide auf Druck von Greenpeace aus dem Verkehr gezogen, während Grossverteiler Produkte zum Teil freiwillig aus dem Sortiment streichen, so wie zum Beispiel Migros und Coop 2015 glyphosathaltige Produkte. ALDI Suisse verlangt 2015 von seinen inländischen Frucht- und Gemüseproduzenten, keine bienenschädigenden Pestizide mehr einzusetzen. Kurz gesagt: Das Thema Ernährung ist zentral. Übermässiger Konsum von Tierprodukten richtet verheerende Schäden an. Deshalb beschäftigen wir uns damit, was auf unseren Tellern landet – insbesondere mit der Rolle der grossen Detailhändler:innen bei der Vermarktung von tierischen Produkten. So zeigte Greenpeace in einer Studie, wie Werber:innen manipulative Techniken einsetzen, um den Konsum von Tierprodukten zu rechtfertigen und zu steigern. Wir fordern deshalb ein Werbeverbot für tierische Nahrungsmittel. Oder wir decken auf, wie stark die Schweizerische Landwirtschaft von Futtermittelimporten abhängig ist.

Verschiedene Greenpeace-Aktionen gegen Glyphosat, Futtermittelimporte und Gentech-Essen. © David Adair / Severin Nowacki / Miriam Künzli / Ex-Press / Greenpeace

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Global setzt sich Greenpeace seit 1996 mit unzähligen Kampagnen gegen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und für Transparenz in diesem Bereich ein. Auf Druck von Greenpeace Schweiz erklärten 1996 Novartis, McDonald’s und die Detailhändlerinnen Coop und Migros keine Gentechprodukte mehr zu verkaufen. 2005 nimmt das Schweizer Stimmvolk eine Initiative für gentechfreie Pflanzen und gentechfreie Tierfütterung an, nachdem Greenpeace mit Aufklärungskampagnen und Aktionen die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert hatte. Als Mitglied der Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) haben wir 2005 über eine Volksabstimmung ein bis heute bestehendes Moratorium für den Anbau von GVO erreicht. 2021 verlängerte das Parlament das Moratorium um weitere vier Jahre bis Ende 2025.

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Eisberg in der Antarktis. © Marizilda Cruppe / Greenpeace

2.3 F ür den Schutz der Weltmeere Unter Wasser, hunderte Kilometer vom Festland entfernt, befindet sich eine uns kaum bekannte Welt. Dort wandern gewaltige Geschöpfe durch die Ozeane, und Leben gedeiht in lichtloser Tiefe. Diese Vielfalt der Meere gilt es um jeden Preis zu schützen – dabei geht es um nicht weniger als den Fortbestand der Menschheit. Denn die Meere kühlen den Planeten. Doch sie sind aus dem Gleichgewicht geraten. Überfischung, Versauerung, Müllstrudel unter der Wasseroberfläche sind nur einige Folgen des weltweiten Überkonsums. Und nun kommt noch eine weitere Bedrohung hinzu: Globale Konzerne wollen die Tiefsee ausbeuten. Sie möchten möglichst schnell in diesen nahezu unberührten Lebensraum vordringen und Rohstoffe wie Mangan, Kobalt und Nickel abbauen. Greenpeace setzt sich seit ihrer Gründung für den Schutz der Meere ein. Unsere Geschichte begann mit einem Schiff und der Kampf gegen den kommerziellen Walfang war geprägt vom mutigen Hinstehen und Aufdecken: Ab 1973 stellte sich Greenpeace den Jägern buchstäblich entgegen und dokumentierte deren Treiben. Zum ersten Mal gelangten Bilder von der Jagd an die Öffent-

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lichkeit. Nach heftigen Protesten beschloss die Internationale Walfangkommission (IWC) 1982 das Verbot des kommerziellen Walfangs – ein riesiger Erfolg. 1995 verzichtet der Konzern Shell nach einer spektakulären Greenpeace-Kampagne darauf, die ausgediente Ölplattform Brent Spar im Atlantik zu entsorgen. Schiffe sind nach wie vor das Herzstück unserer Umweltkampagnen und Forschungsarbeiten. Die «Rainbow Warrior III» und die «Arctic Sunrise» fahren über die Weltmeere, um Umweltprobleme aufzudecken (u. a. Überfischung, Erdölplattformen), vor Ort sich Zerstörern entgegenzustellen, die Öffentlichkeit zu informieren und zu involvieren und die Diskussion um die dringlichsten Umweltprobleme anzufachen. Antarktis Unserer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass 1991 erstmals ein ganzer Kontinent, die Antarktis, für 50 Jahre unter Schutz gestellt wurde. Die Greenpeace-Dokumentationen über die bevorstehende Rohstoffausbeutung der 42 Antark-

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tis-Vertragsstaaten führten zu internationalem Aufsehen und Empörung, worauf die Vertragsstaaten in Madrid ein Abkommen unterschreiben, welches die industrielle Ausbeutung mineralischer Rohstoffe für die nächsten 50 Jahre verbietet. Dennoch blieb und bleibt dieses einzigartige Ökosystem gefährdet und Greenpeace kämpft mit der Kampagne «Protect the Antarctic» weiterhin für dessen Schutz. Mit Erfolgen: 2016 entstand in der Antarktis auf einer Fläche so gross wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien das bis dahin weltweit grösste Meeresschutzgebiet. 2018 verpflichtet sich der Branchenverband der Krill-Industrie, in grossen Gebieten rund um die antarktische Halbinsel auf Fischerei zu verzichten. Arktis Die Arktis – die nördliche Polarregion – ist eines der letzten unberührten Natursysteme. Bloss: Für wie lange noch? Die Klimaerhitzung bedroht dieses faszinierende Ökosystem. Gletscher, die über Tausende von Jahren bestanden haben, schmelzen immer schneller dahin. Den Eisbären fehlt mit dem Abschmelzen des Packeises die Grundlage für die Robbenjagd, Jungtiere haben zunehmend Mühe zu überleben. Durch den drastischen Rückgang des arktischen Meereises werden ausserdem die Öl- und Gasvorkommen und die reichen Fischgründe für die Ausbeutung zugänglich. Millionen Unterstützer:innen fordern mit uns zusammen Schutzgebiete in der Arktis. Mit Erfolg: Ölkonzerne wie Shell geben Ölbohr-Pläne angesichts des Druckes auf und Staaten wie die USA und Kanada verbieten Bohrungen für weite Teile der Arktis und Gebiete im Atlantik. Auch juristisch unterlag Shell Greenpeace: Ein Amsterdamer Gericht anerkannte 2015 unsere Vorwürfe und Argumentation und wies eine Millionenklage von Shell gegen Greenpeace ab. Der Ölkonzern wollte ein Verbot sämtlicher Protestaktionen auf oder unweit von ShellGrundstücken erstreiten. Globaler Ozeanvertrag Zusammen mit Verbündeten gehörte Greenpeace zu den ersten, die forderten, dass bis 2030 mindestens 30 % der Weltmeere geschützt werden sollten. Wir spielten eine Schlüsselrolle in den fast 20 Jahre dauernden Vertragsverhandlungen der Vereinten Nationen. Im Jahr 2005 veröffentlichten wir unseren allerersten öffentlichen Beitrag dazu. Wir forderten einen neuen Vertrag im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens, der die biologische Vielfalt schützen und Instrumente zur Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf Hoher See bereitstellen sollte. Greenpeace hat damals aufgezeigt, wie ein Netzwerk aus Schutzgebieten die Widerstandsfähigkeit der Meeresökosysteme stärken kann, so dass sie raschen Veränderungen besser standhalten und zur Abschwächung der Klimaerhitzung beitragen. Mit dem weiterentwi-

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Greenpeace Aktivist:innen protestieren 2023 an einem Investorentreffen in Zürich gegen Deep Sea Mining. © Greenpeace

ckelten Bericht «30×30 – In hot water» legte Greenpeace den Entscheider:innen einen einzigartigen, wissenschaftlich fundierten und konkreten Lösungsvorschlag für den Schutz der Meere vor. Und unsere Hartnäckigkeit und Expertise hat sich gelohnt! 2023 einigten sich die Vereinten Nationen auf ein internationales Abkommen zum Schutz der Meere, ein grossartiger Erfolg. Tiefseebergbau Weltweit steigt der Rohstoffhunger. Er führt dazu, dass Staaten und Industrieunternehmen Bodenschätze auch aus schwer zugänglichen Regionen – wie der Tiefsee – gewinnen wollen. Industrienationen wie Deutschland, China, Russland und Grossbritannien haben sich Explorationslizenzen gesichert. Bislang wird nur das Potenzial abgeklärt. Der industrielle Abbau von Rohstoffen findet in der Tiefsee noch nicht statt – er wird aber gezielt vorbereitet. Um die drohende Gefahr des Tiefseebergbaus zu bannen, müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen. Denn die Ausbeutung eines der letzten nahezu unberührten Lebensräume hat gravierende Umweltschäden zur Folge und bedroht die Artenvielfalt. Wir sensibilisieren die Bevölkerung zum Thema und konfrontieren Entscheidträger:innen in Politik und Wirtschaft mit den Fakten. 2023 haben wir eine Petition mit über 25 000 Unterschriften zum Schutz der Meere vor Tiefseebergbau eingereicht. Und unsere Bemühungen tragen Früchte! Im Juni 2023 hat die Schweiz ihre offizielle Position zum Thema Tiefseebergbau verkündet: Sie spricht sich für ein Moratorium aus.

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2.4 Für einen verantwortungsvollen Umgang mit Chemie und Giftmüll In der Schweiz und vielen anderen Ländern setzte und setzt sich Greenpeace für einen verantwortungsvollen Umgang mit chemischen Stoffen und deren Reduktion ein. So verliess bereits 1993 der weltweit erste – von Greenpeace mitentwickelte – FCKW- und FKW-freie Kühlschrank eine deutsche Fabrik und wurde zum globalen Standard: 2010 bekennen sich die 400 internationalen Mitglieder des «Consumer Goods Forum», einem unabhängigen Verbrauchsgüter-Netzwerk, zu klimafreundlichen Kühlmitteln. 1994 beschliessen die Unterzeichner der Basler Konvention ein ausnahmsloses Verbot aller Giftmüllexporte aus den OECD-Staaten nach Osteuropa und in Länder des Südens. Das ist das Resultat einer jahrelangen internationalen Kampagnenarbeit von Greenpeace. 2004 wird nach hartnäckiger Lobbyarbeit von Greenpeace die Stockholmer Konvention verabschiedet. Damit treten global verbindliche Verbote zu Herstellung, Gebrauch und Entsorgung von giftigen

Substanzen wie zum Beispiel das Pestizid DDT in Kraft. 2007 beteiligten sich weltweit GreenpeaceSympathisant:innen und Apple-Fans an der Webkampagne «Green My Apple» und bewirkten, dass die schlimmsten Chemikalien aus den Computern verbannt werden. Mit der Kampagne wurde Apple aufgefordert, ein «Green Leader» zu werden und sich des Problems Elektromüll anzunehmen. Ein lang wirkender Erfolg von Greenpeace-Arbeit im Bereich Chemikalien ist die EU Richtlinie REACH, die in Europa viele wirkungsvolle Regelungen ermöglichte und wiederum in viele Länder ausstrahlte. In der Schweiz erzielt Greenpeace über die Jahre eine Reihe von Erfolgen: So wurde 1996 die jurassische Giftmülldeponie Saint-Ursanne nach der Besetzung durch Greenpeace-Aktivist:innen geschlossen und bis in die 2000er-Jahre vollständig saniert. 2009 errang Greenpeace zusammen mit lokalen Kräften, wie z. B. dem Collectiv Bonfol das Zugeständnis, dass Chemiemülldeponien im Elsass und im jurassischen Bonfol auf Kosten der Basler Chemie fachgerecht totalsaniert werden müssen. Die letzten Arbeiten sind 2023 noch immer im Gange und Greenpeace hält die Beobachtung und Expertise aufrecht.

Greenpeace besetzt 1995 eine Giftmülldeponie in St. Ursanne, Kanton Jura. © Dominik Labhardt / Greenpeace

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Chemie steckt auch in unseren Kleidern: Ob Billig- oder Luxusware, am Anfang unserer Kleidung steht fast immer ein Cocktail aus gefährlichen Chemikalien, der anderenorts die Umwelt verseucht. Jedes Jahr werden weltweit rund 80 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Das ist ein riesiger Markt, der die Ressourcen unseres Planeten strapaziert und Arbeitsrechte und Umweltschutz oft mit Füssen tritt. So setzt die Textilindustrie bei der Herstellung von Jeans, Shirts und Co. massiv gesundheits- und umweltgefährdende Chemie ein. Das Abwasser aus den Fabriken vergiftet in Produktionsländern wie Asien und Mittelamerika Flüsse und Trinkwasser. Dem haben wir unsere «Detox-Kampagne» entgegengestellt: Millionen Menschen unterstützten weltweit die Kampagne. Mit Erfolg: Bislang haben 15 Prozent der Unternehmen am globalen Textilmarkt die Detox-Verpflichtung von Greenpeace unterschrieben. Dazu gehören 79 globale Modemarken wie H&M, Adidas und Aldi, die sich entschieden haben, bis 2020 Schadstoffe durch ungefährliche Substanzen zu ersetzen. In der Schweiz gehört Coop zu den Unterzeichnern. Im Bereich der

Outdoor-Kleidung verzichtet Gore Fabrics, Branchenleaderin und Herstellerin von GORE-TEX®Produkten, seit 2021 in ihrer Produktion auf den Einsatz gefährlicher PFC-Chemikalien.

Während eines weltweiten Aktionstages 2012 fordern 700 Greenpeace-Aktivist:innen in über 80 Städten, dass der Modehändler Zara auf giftfreie Kleider setzt. © Christian Åslund / Greenpeace

Ein Greenpeace-Team überwacht 2011 in Japan die Strahlungswerte nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. © Christian Åslund / Greenpeace

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2.5 Hilfe in der Katastrophe In Katastrophenfällen leistet Greenpeace immer wieder direkte und schnelle Hilfe. Bei der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 war die Organisation als eine der ersten am Ort des Geschehens, führte Messungen durch und forderte unter anderem die sofortige Evakuierung des verstrahlten Dorfes Iitate, um die Bevölkerung zu schützen. Fukushima: Unabhängige Messungen zum Schutz der Bevölkerung Als es im März 2011 in mehreren Reaktoren im japanischen Atomkomplex Fukushima zum Super-GAU kam, war für Greenpeace sofort klar: Wir müssen die Menschen vor Ort unterstüt-

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zen. Strahlenexpert:innen unserer Organisation haben bereits wenige Tage nach Beginn der Reaktorkatastrophe mit Radioaktivitätsmessungen vor Ort begonnen. Die Ergebnisse der Messungen führten mit dazu, dass die Evakuierungszone um die Atommeiler von Fukushima ausgeweitet wurde. Seit diesen ersten Tagen arbeitet das internationale Team in der Region, auch unterstützt durch Greenpeace-Mitarbeiter aus der Schweiz; unzählige unabhängige Strahlenmessungen wurden durchgeführt, die Belastung von Ökosystemen bewertet. Greenpeace-Mitarbeiter:innen waren zum Beispiel unter den Ersten, die das stark radioaktiv belastete Dorf Iitate, rund 40 Kilometer von Fukushima, besuchten. Umfangreiche Greenpeace-Messungen zeigten, dass die Belastung an vielen Orten, an die wieder Menschen zurückgesiedelt werden sollen, nach wie vor sehr hoch ist. Greenpeace hat dazu beigetragen, dass sich der UN-Menschenrechtsrat mit dieser Problematik befasst. Und nach wie vor wirkt Greenpeace einer Verharmlosung der Situation durch die Betreiber der Atomanlage oder durch die japanische Regierung entgegen.

Russland: Freiwillige im Einsatz gegen Waldbrände Jedes Jahr kämpft Russland mit schweren Waldbränden. So tobte 2010 wochenlang eine Feuersbrunst in der Nähe von Moskau. Unzählige Quadratkilometer Wald und Felder gingen in Flammen auf. Dörfer brannten ab, Menschen verloren ihre Heimat. Vom Staat gibt es für die Betroffenen in solchen Fällen so gut wie keine Unterstützung. Greenpeace Russland entschied sich deshalb, selbst anzupacken. Forstexpert:innen und Aktivist:innen von Greenpeace machten in den Sommermonaten Kontrollfahrten durch gefährdete Gebiete. Sie massen die Bodenfeuchte und veröffentlichten Waldbrandwarnungen. Lange war Greenpeace die einzige unabhängige Informationsquelle im Land. Um frühzeitig – möglichst vor Entstehen der Brände – reagieren zu können, trainierte Greenpeace freiwillige Helfer:innen in der Brandbekämpfung und gewährleistete in einigen Gebieten sogar ständige Einsatzbereitschaft.

Bei Waldbränden im Ural 2020 unterstützte Greenpeace die Feuerwehr. © Maria Vasilieva / Greenpeace

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3. DAS GROSSE GANZE: CHANGE! Der Einsatz von Greenpeace in all den hier skizzierten Umweltbereichen ist unbestritten wichtig und die vielen Erfolge sind ermutigend. Nichtsdestotrotz ist eines klar: Alles in allem ist unsere derzeitige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht zukunftsfähig. Wir sind gefangen in einem System von «unendlichem» Wachstum. Es zwingt uns, gegen uns und unsere Nachkommen zu arbeiten. So leisten wir beispielsweise Abgaben in Pensionskassen, die teilweise klimaschädlich investieren und damit unsere Lebensgrundlage zerstören. Es ist höchste Zeit, den Planeten für uns Menschen überlebensfähig zu machen. Der Umbau in eine widerstandsfähige und sozial gerechte Welt ist eine grosse generationenübergreifende Aufgabe. In diesem Prozess kommt uns allen eine gestaltungs- und wirkungsmächtige Rolle zu. Wir sind direkt betroffen, beteiligt und gefordert, breit akzeptierte Annahmen über Bord zu werfen, neu zu denken und danach zu handeln. Wir brauchen ein Gesellschaftssystem FÜR Mensch und Planet. Deshalb setzt Greenpeace Schweiz neu auch einen Fokus auf die gesamtgesellschaftliche Transformation in eine global gerechte Zukunft innerhalb der planetaren Grenzen. Wir initiieren und fördern dazu die gesamtgesellschaftliche Debatte und definieren die notwendigen Schritte hin zu einem echten Systemwandel. In einem ersten Schritt zeigt Greenpeace Schweiz mit einer Studie, dass die Schweiz die planetaren Grenzen in verschiedenen Bereichen zunehmend und stark überschreitet. Und wir zeigen Lösungsansätze, wie wir dem Ziel einer sozialgerechten Gesellschaft innerhalb der planetaren Grenzen näher kommen können.

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Am 15. Mai 2023, dem Overshoot Day in der Schweiz, enthüllen Greenpeace-Aktivist:innen ein grosses Banner an einem Kran, nahe Bundeshaus und Nationalbank in Bern. © Greenpeace

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Impressum Greenpeace – Ungemein nützlich Greenpeace Schweiz, 2023 Redaktion: Urs Wittwer Quellen: Mit bestem Dank an Greenpeace Deutschland für das Zurverfügungstellen verschiedener Grundlagen und insbesondere Texten und Inhalten der Broschüre «Greenpeace – ungemein nützlich. Einsatz und Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft», 2019. Diverse Greenpeace-eigene Quellen, vornehmlich www.greenpeace.ch. Übersetzung Französisch: Karin Vogt Layout: Melanie Cadisch Fotos: Cover: © Marizilda Cruppe / Greenpeace; Rückseite: © Tomás Munita / Greenpeace Greenpeace Schweiz, Badenerstrasse 171, Postfach, CH-8036 Zürich schweiz@greenpeace.org Greenpeace finanziert ihre Umweltarbeit ausschliesslich durch Spenden von Privatpersonen und Stiftungen. www.greenpeace.ch/de/handeln/spenden Spendenkonto: IBAN CH07 0900 0000 8000 6222 8

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