Heft 196 01.08. - 31.08.2016
Wie alles begann – Die ersten schreibenden Gäste in Graal-Müritz
Grafik: Joachim Weyrich Graal-Müritz, umgeben von ausgedehnter Waldfläche, gehört wohl unbestritten mit zu den landschaftlich schönsten Ostseebädern. Als Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten Erholungssuchenden kamen, war der Ort oder genauer gesagt waren die Orte, denn es waren zwei, Graal und Müritz noch ein Geheimtipp unter Sommerfrischlern. Das änderte sich, als nach den Malern die ersten Autoren diese Gegend entdeckten. In das GraalMüritzer Geschichtsbuch haben sich große Namen der Literatur eingeschrieben wie Kafka, Fallada, Kästner, Tucholsky, aber die ersten waren Heinrich Seidel
und Johannes Trojan, die entdeckten, dass dieser Ort nicht nur wunderschön war, sondern auch wunderbare Bedingungen für das kreative Schaffen lieferte. Ab 1881 trafen sich die beiden Dichter, die sich vom Berliner Literaturverein „Tunnel über die Spree“ her kannten, regelmäßig in Graal und Umgebung zu ihren ausgedehnten Wanderungen. Hier pflegten sie ihre Freundschaft, die lebenslang hielt. Der eine Pfarrerssohn mit mecklenburgischen Wurzeln und eigentlich Ingenieur, der andere Danziger Kaufmannssohn, studierter Naturwissenschaftler und Chefredakteur der Satire Zeit-
schrift „Kladderadatsch“. Die Liebe zur Natur und zur Ostsee verband die beiden Schriftsteller, aber auch solch spezielle Feinheiten wie derselbe Verleger, dieselbe Zigarrensorte und übertriebener Optimismus, wie sie es nannten. Außerdem konnten sie beide von sich behaupten, dass sie seefest waren. Trojan sagte über ihre gemeinsamen Wanderungen: „Die Rostocker Heide habe ich zusammen mit Heinrich Seidel, dem Dichter des „Leberecht Hühnchen“ oft durchstreift. Viel Menschenvolk ist uns dabei nicht begegnet, wohl aber allerhand Wild, und auch manches
Hübsche sonst noch haben wir zu sehen bekommen.“ Einen ganz besonderen Platz hatten die Schriftsteller auf ihren Wanderungen für sich entdeckt. Das Wirtshaus zur Stranddistel, einen Dünenkessel, (Höhe Rosenort) in welchem die „Seemanntreue“ blühte. Die Verehrung der Stranddistel gehörte nämlich auch zu ihren Gemeinsamkeiten und war für sie ein geheimes Zeichen. Im Sommer 1895, als Heinrich Seidel in seinem Garten in Berlin Lichterfelde einen Trauermantel sah, den er als Boten der Ostsee identifizierte, telegrafierte er an seinen Dichterfreund Johannes Trojan,