Tobias Wall Das unmögliche Museum

Page 1


Tobias Wall Das unmögliche Museum Zum Verhältnis von Kunst und Kunstmuseen der Gegenwart


Dr. Tobias Wall, Kunsttheoretiker, Kulturmanager und Kunstberater; Lehraufträge u.a. am Institut fßr Kulturmanagement, Ludwigsburg, und der International University Bruchsal. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kunst- und Museumstheorie, Kommunikation im Kulturbetrieb und Theorie des Kulturmanagements.


Tobias Wall

Das unmögliche Museum Zum Verhältnis von Kunst und Kunstmuseen der Gegenwart


Mit freundlicher Unterstützung der Freunde der PH-Ludwigsburg.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2006 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung & Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Sol LeWitt: incomplete open cube 7/11; Weatherspoon Art Museums, University of North Carolina at Greensboro; © VG Bild-Kunst, Bonn 2006 Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-522-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: info@transcript-verlag.de


Inhalt

Vorbemerkung

9

Das Kunstmuseum – Ort der Distanz und Objektivierung

19

Die Entwicklung des Museums als Ort der Distanz

20

Philosophische Grundlagen der Trennung von Kunst und Leben

35

Museum und Wissen – Die wissenschaftliche Distanz

48

Das kunstwissenschaftliche Museum – Distanz durch Wissen

53

Zusammenfassung: Das Wesen des traditionellen Kunstmuseums: Distanzierung, Objektivierung und Ästhetisierung

67

Erlebnis und Ereignis – Ästhetik und Anti-Ästhetik

69

Ästhetik und die Autonomie der Kunst im Kunstmuseum

69

Anti-Ästhetik als Alternative? Friedrich Nietzsches Kritik des autonomen Kunstbegriffs Martin Heideggers Anti-Ästhetik – Ereignis als Gegenbegriff zu Erlebnis Ereignis als Basis eines neuen Museumsbegriffs?

73 73 76 86

Der Wandel des Kunstbegriffs im 20. Jahrhundert und seine Konsequenzen für das Kunstmuseum

89

Die Auflösung des traditionellen Kunstbegriffs Abstraktion – Der Anfang der Auflösung des autonomen Kunstobjekts Avantgarde – Das Ende des bürgerlichen Kunstbegriffs

90 91 95


Aktionsmalerei – Das Ende der Statik Happening und Aktionskunst – Das Ende des Objekts Joseph Beuys: Die totale Auflösung des Kunstbegriffs

102 108 120

Zusammenfassung: Die Auflösung der Grundlage des traditionellen Museums in der Kunst des 20. Jahrhunderts – Prozess und Ereignis statt Objekt und Erlebnis

131

Das Museum und die Kunst des 20. Jahrhunderts

133

Zwei Postitionen der Museumskritik von Künstlern

133

Die Bedenken der Kunstwissenschaftler

142

Die Museumsdebatte der 70er Jahre

144

Joseph Beuys und Marcel Broodthaers: Die Kunst überholt das Museum – und sich selbst Joseph Beuys: Das Museum als Labor der Gesellschaft Marcel Broodthaers: Das Museum als Untersuchungslabor seiner selbst

173

Das Museum auf dem Weg vom Archiv zum Labor

193

Alexander Dorners Museum als Kraftwerk

193

Moderne Museumsarchive

225

160 160

Das Neue Museum Nürnberg als klassisches Archivmuseum Alternative Archive

225 228

Innovative Museumskonzepte: Aktion – Reflexion – Dislokalität

248

Das Karl-Ernst-Osthaus-Museum – Museum der Selbsterforschung museum in progress – Museum ohne Ort und Original Das Ende des Museums Die Zukunft des Museums

248 264 269 270

Zusammenfassung und Schlussbemerkung: Pluralität statt Uniformierung

271

Literaturverzeichnis

275

Detailliertes Inhaltsverzeichnis

305


Danksagung

Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich bei der Verfertigung dieses Buches begleitet und unterstützt haben. Zunächst gilt mein Dank Professor Dr. Werner Heinrichs und Professor Dr. Armin Klein für ihre Förderung und die Beratung meines Projekts. Ich danke allen Museumsdirektoren, Kuratoren und Wissenschaftlern, die mir zu ihren Museen und Ausstellungen bereitwillig Auskunft gaben oder das Thema des Buches mit mir diskutierten. Besonders wichtig waren für mich die Gespräche mit Dr. Michael Fehr, Prof. Carla Schulz-Hoffmann und Hans Ulrich Obrist sowie die wertvollen Anregungen von Prof. Dr. Beat Wyss, Jean-Baptist Joly und Dr. Martin Tröndle. Außerdem möchte ich den aufmerksamen Korrektorinnen meines Textes danken: vor allem Ursula Fölsch und meiner Mutter Edelgard Wall. Der Druck des Buches wurde freundlicherweise von der Landesbank BadenWürttemberg sowie den Freunden der PH Ludwigsburg finanziell unterstützt. Mein ganz besonderer Dank gilt jedoch Katrin Henke, die mir in allen Phasen meiner Arbeit zur Seite gestanden hat und die mit ihren Ratschlägen, Ideen und ihren Ermutigungen entscheidenden Anteil an der Fertigstellung dieser Veröffentlichung hat. Ihr möchte ich dieses Buch widmen.



Vorbemerkung

Das Thema Im Mai 2003 eröffnete in Basel eine neue Institution für Gegenwartskunst: das Schaulager, eine Kombination aus Kunstdepot und Ausstellungshalle. Gebaut nach den Plänen des Architektenduos Herzog & de Meuron beherbergt es auf mehreren Stockwerken die Kunstsammlung der Emanuel-Hoffmann-Stiftung. Hierbei handelt es sich um eine herausragende Kollektion von Werken zeitgenössischer Kunst, die aufgrund ihrer empfindlichen Materialität und ihrer außergewöhnlichen Formate größtenteils nur selten in öffentlichen Museen präsentiert werden können.1 Mit den umfangreichen Räumlichkeiten des Schaulagers2 wurde nun ein Ort geschaffen, an dem diese schwer ausstellbaren zeitgenössischen Kunstwerke zumindest zum Teil zugänglich sind: Die Kunstwerke sind jeweils in 15 Quadratmeter großen, beleuchtbaren und klimatisierten Kojen aufbewahrt, wo sie nach Voranmeldung oder in Zeiten öffentlicher Ausstellungen besichtigt werden können.3

1

2

3

Die Gründer der Stiftung sammelten gezielt „zukunftsgerichtete Kunst“, die aus außergewöhnlichen Materialien besteht. „Die Emanuel Hoffmann-Stiftung sammelt Werke von Künstlern, die sich neuer, in die Zukunft weisender, von der jeweiligen Gegenwart nicht allgemein verstandener Ausdruckmittel bedient.“ (http://www.schaulager.org). Insgesamt stehen rund 9000 m2 Lagerfläche zur Verfügung, ein Drittel davon steht für die Aufbewahrung zukünftiger Ankäufe noch leer. Die Ausstellungsfläche beträgt zusätzliche 4000 m2. Zum Aufbau des Schaulagers vgl. Peine 2003. Die „Erfinderin“ des Schaulagers, Maja Oeri, unterstreicht, dass sie in Basel kein weiteres Museum für Gegenwartskunst, sondern ein verselbstständigtes, aktiviertes Kunstdepot etablieren will, das besonders der Forschung dienen soll. 9


DAS UNMÖGLICHE MUSEUM

Das Schaulager in Basel ist in vielerlei Hinsicht eine bemerkenswerte Einrichtung. Es nimmt die Lösung eines grundlegenden Problems des Kunstmuseums für moderne und zeitgenössische Kunst in Angriff: die Musealisierung von nicht-ausstellbarer Kunst. Im 20. Jahrhundert werden Museen zunehmend mit Kunstwerken konfrontiert, deren Bewahrung und Präsentation aufgrund der Vergänglichkeit ihres Materials oder ihrer enormen Ausmaße auf herkömmliche Weise schwierig bis unmöglich werden. So stellte z.B. 1970 der damalige Direktor der Staatsgalerie Stuttgart, Peter Beye, fest: „Für zahlreiche in jüngerer Zeit entwickelte Durchdringungs- und Mischformen von Malerei bietet das Museum in seiner bisherigen Form nur selten räumlich befriedigende Möglichkeiten der Darbietung an.“ (Beye 1970, 18). Die Probleme für das Museum beim Umgang mit neuen Kunstformen liegen jedoch nicht allein in ihrer räumlichen Beschränktheit oder in konservatorischen Schwierigkeiten. Es scheint vielmehr, dass sich ein beträchtlicher Teil der Kunst im 20. Jahrhundert der Musealisierung entzieht. So bemerkt der Kunsttheoretiker Christian Kravagna in einem Beitrag zur Diskussion des Museums für Gegenwartskunst: „Das Kunstwerk verschwindet immer mehr. Zumindest in der avantgardistischen Kunstproduktion [...] werden zunehmend weniger handgreifliche Gegenstände hervorgebracht. Aber auch dann, wenn diese hervorgebracht werden, sind sie immer weniger dazu bestimmt, museale Tauglichkeit zu haben oder auch nur als Gegenstände zu überdauern [...]“ (Noever 2001a, 7).

Der Philosoph Arthur C. Danto behauptet sogar, dass das Museum im 20. Jahrhundert seine Rolle als grundlegende ästhetische Institution eingebüßt hat, da sich die Kunst vollkommen von ihm wegentwickelt. „Man kann durchaus davon ausgehen, dass die Zeit jener Kunst, welche das Museum definiert, vorüber ist ...“ (Danto 2000, 241). Das Baseler Schaulager macht ganz den Eindruck als könnte es mit seinem großzügigen Konzept die Bedenken der zitierten Kunstexperten zerstreuen: Hier scheint das Unmögliche zu gelingen. Die enormen räumlichen Ausmaße und die aufwendige technische Ausstattung machen es möglich, Werke auszustellen, die sich bislang einer Präsentation widersetzten.4 Das Schaulager hat, so scheint es, auch die widerspenstigste Kunst des 20. Jahrhunderts in den Schoß der musealen Präsentation zurückgeholt.5 Ist damit das Problem des musealen Umgangs mit zeitgenössischer Kunst gelöst? Ist es also eine 4 5

10

Z.B. Werke von Katharina Fritsch und Robert Gober, die jeden anderen Museumsraum sprengen würden. Als Eröffnungsausstellung zeigte das Schaulager eine Retrospektive des Werkes Diter Roths, für dessen künstlerische Arbeit Flüchtigkeit und Verfall von herausragender Bedeutung sind.


VORBEMERKUNG

Frage des technischen bzw. architektonischen Aufwandes, ob ein Kunstmuseum der Kunst des 20. Jahrhunderts gewachsen ist oder nicht?6 Es besteht kein Zweifel, dass das Schaulager überzeugende Lösungen hinsichtlich Bewahrung und Vermittlung zeitgenössischer Kunst anbietet. Allerdings geht die Institution mit ihrer Konzeption auf die grundsätzlichen Fragen, wie sie Danto, Kravagna oder Beye aufwerfen, nicht ein: Diese beschäftigt nämlich weniger die Frage nach der technischen Machbarkeit von Ausstellungen bestimmter Kunstwerke. Ihre Fragestellung reicht tiefer: Sie gehen von einer prinzipiellen Unvereinbarkeit von Kunst und Museum im 20. Jahrhundert aus. Diesem grundsätzlichen Problem kann freilich nicht technisch oder konservatorisch, also durch eine Perfektionierung der traditionellen musealen Strategien begegnet werden, sondern nur durch eine differenzierte theoretische Erörterung des Verhältnisses des Kunstmuseums zum Kunstwerk im 20. und 21. Jahrhundert. Genau dieser Aufgabe stellt sich die folgende Untersuchung.

Einige Begriffsklärungen Das Forschungsfeld ist die deutschsprachige Museumslandschaft. Unter „Kunstmuseen“ sollen diejenigen Museen verstanden werden, deren Bestand primär aus Exponaten besteht, die von Fachleuten der Kunst zugeordnet werden.7 Es wird sich im Laufe der Untersuchung zeigen, dass der Begriff des Kunstmuseums inhaltlich nicht eindeutig eingeschränkt werden kann. Je nach Problemkontext, besonders bei der Analyse der gegenwärtigen Situation, wird es nötig sein, über ein engeres Museumsverständnis herauszugehen und bei der Diskussion auch andere museumsnahe Ausstellungsinstitutionen, etwa Ausstellungshallen oder Kunstvereine zu berücksichtigen. Im Text wird bisweilen das Präfix „Kunst-„ weggelassen und nur von „Museum“ die Rede sein. Hier sei mit „Museum“ immer „Kunstmuseum“ gemeint.8

6

7

8

Die gigantischen Formate der jüngsten Museumsbauten wie der Tate Modern, London oder auch der Pinakothek der Moderne, München könnte man als Ausdruck dieser Überzeugung sehen. Diese tautologische Abgrenzung mag hier genügen. Eine genauere, theoretisch fundierte Unterscheidung von anderen, etwa technischen oder historischen Museen kann hier nicht erfolgen. Dies wäre mit einer Erörterung über die Besonderheiten von Exponaten aus dem künstlerischen Bereich gegenüber dem nichtkünstlerischen, d.h. der Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst verbunden, was hier nicht geleistet werden kann. (Vgl. hierzu Goodman 1993, ders. 1998, Danto 1991). Die Abgrenzung von Kunstmuseum und anderen Museumsformen wird nur aufgegeben, wenn, wie etwa in der Frühzeit des Museums, eine Unterscheidung entweder nicht möglich ist oder nicht sinnvoll erscheint. 11


DAS UNMÖGLICHE MUSEUM

Zielsetzung Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, eine Diskussionsgrundlage für die Entwicklung von Präsentations- und Vermittlungskonzepten im Museum für Gegenwartskunst zu erarbeiten. Sie analysiert das sich verändernde Verhältnis von Kunstmuseum und Kunst im Laufe seiner Geschichte und diskutiert die Konsequenzen dieses Wandels für die moderne Museumsinstitution. Es wird also die Frage verfolgt, wie das Kunstmuseum auf die grundlegenden Veränderungen, die sein Sammlungsgegenstand im Laufe der Jahrhunderte erfährt, reagiert und was dies für den musealen Umgang mit Kunst bedeutet. Es ist zu unterstreichen, dass die folgende Arbeit sich nicht das Ziel setzt, Alternativen zum konventionellen Museum zu erarbeiten. Sie kann und will keine verbindlichen Lösungsvorschläge formulieren. Auch werden museumspraktische Probleme, die sich für das Museum im Zusammenhang mit neuer Kunst ergeben, etwa diejenigen der Konservierung bzw. der Archivierung, also der Bewahrung von Kunst, nicht oder nur am Rande behandelt. Ebenso wenig werden konkrete Präsentationsschwierigkeiten, die z.B. von einer bestimmten Materialität bzw. von ungewöhnlichen Formaten zeitgenössischer Arbeiten herrühren, erörtert. Wenn hier von musealer Präsentation von Kunst die Rede ist, geht es um prinzipielle Fragestellungen hinsichtlich der Funktionsweise und Struktur der Institution in ihrem Verhältnis zu neuartigen künstlerischen Phänomenen. Bewusst ausgeschlossen wird in dieser Untersuchung weitgehend der Bereich der Neuen Medien sowohl als künstlerisches Mittel als auch als Instrument der Musealisierung. Die Zusammenhänge von Museum, Neuer Kunst und Digitalen Medien wurden vor allem in den 1990er Jahren ausführlich diskutiert und wissenschaftlich aufgearbeitet.9 Das Anliegen dieser Untersuchung ist es außerdem, auf die enge und hochkomplexe Bezogenheit von Museum und Kunstbegriff hinzuweisen, von der aus erst jede Grundsatzdiskussion über Qualität von Präsentation und Bewahrung bzw. Sinn und Unsinn des Museums, ihre Kontur und Richtung erhält. Die Studie fragt, um mit den Worten Immanuel Kants zu sprechen, nach der Bedingung der Möglichkeit des Kunstmuseums der Gegenwart.

9

12

Besonders intensiv wurde und wird bis heute die Forschung auf diesem Feld am ZKM in Karlsruhe betrieben, wo z.B. 1998 eine Forschungsgruppe „Virtuelle Museen“ eingerichtet wurde. Wichtige Ergebnisse dieser Gruppe wurden von Annette Hünnekens in ihrer äußerst lesenswerten Dissertation „Expanded Museum“ aufgearbeitet (Hünnekens 2002).


VORBEMERKUNG

These der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung vertritt die These, dass die Institution des Kunstmuseums durch wesentliche Veränderungen der Kunst im 20. Jahrhundert in eine grundlegende Krise geraten ist, die nur durch einen fundamentalen Wandel des Selbstverständnisses des Kunstmuseums überwunden werden kann. Grundlage der Argumentation ist die Annahme, dass Museumsbegriff und Kunstbegriff einander unmittelbar bedingen. Das Kunstmuseum, sein Selbstbild, seine Funktionsmechanismen und Präsentationsstrategien sind immer direkt von einer bestimmten Auffassung von Kunst abhängig. Aus dieser Abhängigkeit vom Kunstverständnis ergeben sich dann auch ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Probleme des Museums mit der Kunst bzw. der Kunst mit dem Museum. Es entwickelt sich nämlich hier ein Kunstbegriff, der weit über den des Museums hinausgeht. Mit den Entwicklungen und Verwicklungen, die sich hieraus ergeben, beschäftigt sich diese Untersuchung. Es liegt auf der Hand, dass die Beschäftigung mit dem Problem des „unmöglichen Museums“ eine zentrale Aufgabe des Kulturmanagements darstellt, da hier nicht nur die Zukunft des Museums, sondern auch die Zukunft des Museumsmanagements diskutiert wird. Effizientes Kulturmanagement ist bei dem Einsatz seiner Instrumente darauf angewiesen, seinen Wirkungsbereich sowie dessen Funktionen und Struktur genau zu kennen und ggf. auf Fehlfunktionen und Krisensituationen einzugehen. Wenn sich erweisen sollte, dass sich das Kunstmuseum im 20. Jahrhundert in der Tat in einer grundlegenden Krise befindet, betrifft dies demnach auch Kernaufgaben des Museumsmanagements. Im Interesse eines sinnvollen und langfristig wirksamen managerialen Handelns ist es unerlässlich, der Frage der „Unmöglichkeit des Museums“ nachzugehen. An den Ergebnissen der Untersuchung dieses Fragenkomplexes sind dann bestehende Managementkonzepte zu überprüfen und für zukünftige Strategien angemessen weiterzuentwickeln. In diesem Sinne ist diese Arbeit nicht nur als Beitrag zur Museologie, sondern auch zur Forschung im Bereich des Kulturmanagements zu verstehen, obwohl Fragestellungen, die für das Fach typisch sind, etwa nach Finanzierung, betrieblicher Führung oder Marketing, nicht behandelt werden. Die Argumentation baut auf museumstheoretischen Überlegungen auf und wählt somit einen Weg, der von der Fachliteratur im Bereich des Museumsmanagements bisher noch nicht eingeschlagen wurde.

13


DAS UNMÖGLICHE MUSEUM

Einordnung Der interdisziplinäre Ansatz dieser Untersuchung bringt es mit sich, dass sie bei ihren Ausführungen von der Forschung verschiedenster wissenschaftlicher Disziplinen ausgehen muss. Neben Abhandlungen im Bereich des Kultur- und Museumsmanagements, der Kunstwissenschaft und der Museumsgeschichte10 sind besonders jene Publikationen von Interesse, die sich mit der Kernfrage nach dem modernen Kunstmuseum und seinem Verhältnis zur Kunst des 20. Jahrhunderts beschäftigen. Es wird, da sich die Studie auf die deutsche, österreichische und schweizerische Museumskultur beschränkt, von einigen Ausnahmen abgesehen, vor allem die deutschsprachige Fachliteratur berück-sichtigt. Wirft man einen Blick auf die neuere Literatur zum Kunstmuseum an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen bzw. den Methoden der Museumsarbeit deutlich in den Vordergrund gerückt ist: Es sind hierbei über die Jahre hinweg wandelnde Themenschwerpunkte auszumachen, die hier nur schlagwortartig zusammengefasst werden sollen: „Museum und Neue Medien“, „Museumsarchitektur“ und besonders „Museum und Kommerz“ bzw. „Eventisierung des Museums“.11 Die Museumsdiskussion wird, sogar in kunstwissenschaftlichen Publikationen, von Fragen des Kulturmanagements bzw. von organisatorischen oder ökonomischen Problemfelden dominiert.12 Auch Publikationen, in denen Künstler Fragen des Museums erörtern, so etwa der von Christian Kravagna herausgegebene Band „Museum als Arena“ (Kravagna 2001) oder auch Peter Noevers „Das diskursive Museum“ (Noever 2001a) zeigen mitunter eine deutliche Ausrichtung auf diese Thematik.

10 Die vorliegende Arbeit hat sowohl einen umfassenden museumsgeschichtlichen als auch einen kunsthistorischen Teil. Diese stellen jedoch nicht das Kernfeld der Untersuchung dar, sondern dienen zur Hinführung auf die zentrale Problematik. Entsprechend bietet es sich nicht an, hier die gesamte erarbeitete Forschungslage genauer darzustellen. Hingewiesen sei lediglich auf einige Werke, die zum Standard der Museumsliteratur zu zählen sind: Hudson 1975, Deneke/Kahsnitz 1977, Grasskamp 1981, Impey/Macgregor 1985, Pomian 1998. 11 Die Literatur zu den jeweiligen Themen ist äußerst umfangreich. Hier seien exemplarisch nur einige wenige Veröffentlichungen angeführt: Museum und Neue Medien: Fehr/Krümmel/Müller 1995, Schwarz/Shaw 1996, Krämer/John 1998, Hünnekens 2002; Museum und Architektur: Newhouse 1998, Lampugnani Sachs 1999, Mack 1999, Kunstmuseum Bregenz 2000. 12 Der Band „Museum 2000“, der an die in den 70er Jahren von Gerhardt Bott weitergeführte Tradition einer Experten-Textsammlung zum Museum, anknüpft, versammelt bis auf wenige Ausnahmen Aufsätze, die sich direkt oder indirekt mit Museumsmanagement bzw. mit der Ökonomisierung des Museums beschäftigen (Schneede 2000). 14


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.