Die Wirtschaft_03/2021

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Leben für den Film

Wirtschaftstalk

Kommando abgegeben

Schwestern führen Kinobetrieb mit vier Standorten weiter.

Diskussion über Nachfolge und Vereinbarkeit von Familie und Job

Torsten Bremer geht in den Ruhestand.

Leben & Leidenschaft – Seite 23

Eltern & Töchter – Seiten 18 und 19

Macher & Märkte – Seite 6

K Z ACer da iss

www.maler-schulte.de DONNERSTAG, 24. JUNI 2021 AUSGABE 03/21 | EINZELPREIS 1,90 €

OSNABRÜCK | EMSLAND | GRAFSCHAFT BENTHEIM

Führung wird weiblicher

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Bei Neubesetzung von Vorstandsposten werden mehr Frauen berücksichtigt / Rekordhoch im Herbst?

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In dieser Ausgabe:

STANDORTPORTRÄT STADT MELLE Bei börsennotierten Familienunternehmen ist Führung weiblicher. Frauenanteil bei Übergaben zwischen 13 und 23 Prozent. Familien üben Einfluss vermehrt über Aufsichtsrat & Co. aus VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Erich Sixt

gibt die Unternehmensführung an seine Söhne ab, bei der Drogeriemarktkette dm geht der Chefsessel an Sohn Christoph Werner. Und beim Haushaltsgerätehersteller Miele sitzt mit Markus Miele ebenfalls ein männlicher Nachfahre mit in der Geschäftsführung. Wenn es um die Nachfolge in und Leitung von Familienunternehmen in Deutschland geht, haben Frauen oft das Nachsehen. Eine der Ausnahmen: der Medizintechnikkonzern B. Braun. Dort steht Anna Maria Braun an der Spitze des Vorstands. Familienunternehmen sind da jedoch keine Ausnahme. Zum Stichtag 1. März 2021 waren in den Vorständen der 160 deutschen Börsenunternehmen laut Allbright-Stiftung 613 Männer und 86 Frauen vertreten. Der Frauenanteil liegt damit bei 16,6 Prozent. Unter den Dax-Konzernen sind nun nur noch Delivery Hero, Deutsche Wohnen, HeidelbergCement, Linde und MTU Aero Engines ohne eine einzige Frau im Vorstand. Und seit Mai ist der Chemie- und Pharmariese Merck der einzige der 30 Dax-Konzerne mit einer Frau an der Vorstandsspitze. Allerdings: Damit liegt der Frauenanteil in der Führung der deutschen Dax-Konzerne sogar höher als in den 100 größten Familienunternehmen des Landes, die die Allbright-Stiftung zuletzt unter die Lupe genommen hatte. Bei Letzteren bezifferte die Stiftung, die regelmäßig mit Studien zu Frauen in Führungspositionen für das Thema sensibilisiert, die Quote mit knapp 7 Prozent – in absoluten Zahlen sind es 30 Frauen und 406 Männer. Und nur 29 der 100 Firmen haben überhaupt eine Frau in der Geschäftsführung. Männlich, deutsch, geboren 1965, Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieur und mit einer Ausbildung in Westdeutschland – das sind laut Allbright-Stiftung die Charakteristiken des durchschnittlichen Mitglieds der Geschäftsführung. Börsennotierte Familienunternehmen – 20 der 100 größten, darunter BMW, Continental, Henkel, Merck oder Volkswagen, sind an der Frankfurter Börse notiert – schneiden dabei besser ab als Privatunternehmen. Die Hälfte dieser börsennotierten Familienbetriebe hat eine Frau in der Geschäftsführung (10 von 20), bei den privaten Familienunterneh-

mann aus Bersenbrück, und Vera Butterweck-Kruse, die die Führung von Butterweck Rundholzlogistik innehat, im Wirtschaftstalk (Seiten 18/19). Kristin Landwehr hat vor zwei Jahren den Betrieb ihrer Eltern übernommen, Vera Butterweck-Kruse leitet die Firma seit elf Jahren. Dass die Firmenführung in der Familie bleibt, wird in den 100 größten deutschen Familienunternehmen indes seltener. Insgesamt 43 Familienmitglieder, drei von ihnen sind Frauen, arbeiten in den Geschäftsführungen. In 27 dieser Unternehmen liegt der Vorsitz der Geschäftsführung bei einem Familienmitglied, zwei davon sind Frauen. Für die Studienautoren ist das Teil einer Entwicklung: Es setze sich die Erkenntnis durch, dass die beste Expertise für die Weiterentwicklung der Betriebe nicht immer innerhalb der Familie zu finden ist. Stattdessen machten Unternehmerfamilien ihren Einfluss zunehmend über Positionen im Aufsichtsrat/Verwaltungsrat oder im Gesellschaftergremium geltend. In der Region ist der Landmaschinenhersteller Claas ein Beispiel – sogar mit einer Frau: Catharina Claas-Mühlhäuser hat den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. In vielen anderen regionalen Familienunternehmen ist die Familie weiterhin im operativen Geschäft. Und auch wenn die Geschäftsführungen noch stark in Männerhand sind, die Generation der Töchter hat in Teilen bereits übernommen oder steht in den Startlöchern. Ein Schlaglicht auf (angehende) Firmenchefinnen wirft das Spezial dieser Ausgabe ab Seite 15

men ist es weniger als ein Viertel (19 von 80). Am schlechtesten schneiden der Allbright-Stiftung zufolge die Unternehmen ab, die sich zu 100 Prozent in Familienbesitz befinden, hier liegt der Frauenanteil in den Geschäftsführungen bei nur 4,8 Prozent. Ein Grund dafür ist laut Studie, dass allein durch die längere Verweildauer von Führungskräften an der Spitze von Familienunternehmen weniger Fluktuation herrscht. „Familienunternehmen in zweiter, vierter oder sechster Generation sind Anpassungskünstler, sie haben Jahrzehnte überlebt, weil sie immer rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und genutzt haben. Das ist eine große Stärke“, so Wiebke Ankersen und Christian Berg. Allerdings: „Beim Frauenanteil in der Unternehmensführung haben sie aber noch einen ,Blind Spot‘, den sie jetzt dringend angehen sollten“, stellten die Geschäftsführer mit Blick auf das Studienergebnis fest. Auch wenn es noch viel Luft nach oben gibt, in einigen Unternehmen kommt mittlerweile etwas Bewegung in die Sache. In Teilen wird der Vorstand weiblicher, wie ein Blick auf die Neubesetzung der Vorstandsposten zwischen März 2019 und März 2020 zeigt. Laut Studie waren 22 Prozent der Neurekrutierungen in den Geschäftsführungen der 100 größten deutschen Familienunternehmen Frauen. Damit liegen die Firmen bei der Neubesetzung der Posten etwa auf einer Höhe mit dem Frauenanteil bei Betriebsübernahmen. Dieser lag zuletzt zwischen 13 und 23 Prozent. Und die Führung wird internationaler. Die Geschäftsführer der AllBright-Stiftung Wiebke Ankersen und Christian Berg sind somit op-

Beim Thema Frauen in Führung haben Familienbetriebe laut AllbrightStiftung einen „Blind Spot“.

Simon Wassmer leitet BASF im Lemförde LEMFÖRDE Die

BASF Polyurethanes GmbH hat einen neuen Geschäftsführer: Seit 1. Mai hat Simon Wassmer diese Position übernommen. Er folgt auf Christiane Sajdak, die nach fünf Jahren als Geschäftsführerin in Lemförde bei der BASF SE in Ludwigshafen die Leitung der globalen Einheit. „Global Service Cluster People (GBH)“ übernimmt. Simon Wassmer hat seit seinem Einstieg in die BASF SE im Jahr 2002 verschiedene Positionen im Bereich Human Resources durchlaufen, unter anderem im Bereich Catalysts in den USA oder in verschiedenen Fach- und Servicebereichen. Bevor er nach Lemförde kam, war der Vater zweier Kinder bis 2018 im Bereich Global Senior Executive Development mit Sitz in Ludwigshafen tätig. Seit 2018 war Wassmer Personalleiter der BASF in Lemförde. In seine Lemförder Zeit fällt vor allem die strategische Steuerung der Personalsituation, besonders im pandemiebedingt schwierigen Jahr 2020, aber auch das Forcieren von Investitionen in die Ausbildung zur langfristigen Zukunftssicherung des Standortes. Die Nachfolge Wassmers in der Personalleitung ist noch nicht bekannt. nika

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Foto:Colourbox.de Montage:MatthiasMichel

timistisch: „Hält die Dynamik an, werden wir im kommenden Herbst den größten Zuwachs der letzten fünf Jahre verzeichnen.“ Allerdings haben deutsche Unternehmen ihrer Ansicht nach im internationalen Vergleich auch sehr viel aufzuholen. Ein ausgewogenes Verhältnis in der Führungsetage könne in absehbarer Zeit nur mit wesentlich mehr weiblichen Besetzungen erreicht werden.

Dabei sehen die Studienautoren durchaus Vorteile für Familienbetriebe, Frauen aus den Unternehmerfamilien mit einzubeziehen. „Sie können von Anfang an mehr gestalten und Karriere und Kinderbetreuung besser unter einen Hut bekommen als andere Frauen, die Karriere machen wollen“, heißt es. Ähnlich äußern sich auch Kristin Landwehr, Geschäftsführerin von Kunststofftechnik Borg-

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Foto:BASF


DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

MACHER & MÄRKTE MACHER & MÄRKTE

2 E D I TO R I A L

GELD & GESCHÄFT

FRAUEN, MÄNNER UND DIE WIRTSCHAFT

3 | Teures Bauen

9 | Stellenabbau

Nicht nur Holz ist Mangelware, auch andere Rohstoffe sind knapp, können den Bau und die Sanierung verteuern.

Ausstieg mit goldenem Handschlag? Auch in der Region setzen Unternehmen auf Freiwilligenprogramme, um Jobs zu streichen.

4/5 | Außenhandel

10 | Teilverkauf

Belarus ist für regionale Firmen zwar ein kleiner Markt, könnte mit den richtigen Rahmenbedingungen aber dennoch Potenzial entwickeln.

Ein stiller Miteigentümer in der eigenen Immobilie? In der Branche gewinnt ein neues Geschäftsmodell immer mehr an Bedeutung.

6 | Steuermann

11 | Haustier

Erst hat Torsten Bremer den Deutschland-Achter gesteuert, später den Automobilzulieferer Boge. Jetzt geht er in den Ruhestand.

Die Pandemie hat den Haustiermarkt boomen lassen – Hersteller von Heimtierfutter kämpfen mit Preissteigerungen für Rohstoffe.

7 | 100 Jahre

12 | Zwangsversteigerung

Bei Fliesen Heidbrink dreht sich seit einem Jahrhundert alles um die Kachel. Das Material kommt vor allem aus Europa.

Schnäppchenjäger kommen nur noch selten auf ihre Kosten, da Immobilien in der Regel über dem Verkehrswert unter den Hammer kommen.

8 | Blaulicht

13 | NBank

Auch private Firmen übernehmen die Notfallrettung. Das Unternehmen FKT Brümmer ist seit mehr als 35 Jahren in Osnabrück tätig.

Neben Corona-Hilfsgeldern hat unter anderem auch die Wohnraumförderung dafür gesorgt, dass die Fördersumme stark gestiegen ist.

SPEZIAL

LEBEN & LEIDENSCHAFT

ELTERN & TÖCHTER

15 | Ebrecht Reker

23 | Kino

Noch absolviert Victoria Reker ihre Ausbildung im Gebäudereinigerhandwerk, später will sie das Familienunternehmen übernehmen.

Der Großvater startete 1928 mit ersten „Lichtspielen“, heute führen Astrid und Kathrin Muckli die Standorte.

16 | Teamplan Mit 27 Jahren steht Frederike Meyer schon mit an der Spitze des 125 Jahre alten Familienbetriebs aus Nordhorn.

17 | Maschinenfabrik Bema Sonja Koopmann ist eine von wenigen Frauen in der Branche und hat Industriemechanikerin von der Pike auf gelernt.

24 | Weltmeister

Foto: Mirko Nordmann

Bruno D’Aria ist nicht nur Pizzabäcker aus Leidenschaft, sondern mit ihm steht auch ein zweifacher Weltmeister am Ofen.

18/19 | Wirtschaftstalk

25 | Spartherm

Vera Butterweck-Kruse und Kristin Landwehr sprechen über Herausforderungen ihrer Nachfolge und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Gerhard Manfred Rokossa gilt als prägende Persönlichkeit der Ofenbranche. Im kommenden Jahr wird er sich zurückziehen.

20 | Vollkornbäckerei Ahaus

26 | Gefährlicher Job?

Bäckermeisterin Sabrina Ahaus arbeitet schon im Unternehmen mit und will den Traditionsbetrieb in einigen Jahren übernehmen.

Lukas Wiewel arbeitet als Zimmermeister im wohl gefährlichsten Job der Region. Trotzdem fühlen er und seine Kollegen sich sicher.

21 | Assmann Büromöbel

27 | Gründerinnen

Erste Führungserfahrungen sammelt Karla Aßmann gerade, um ihrem Vater in der Geschäftsführung nachzufolgen.

Kim Morsink-Koop und Anke Hinken bauen zusammen ein Unternehmen mit Produkten für Kinder auf.

Trauen Sie sich und werden Sie sichtbar! VON NINA KALLMEIER

B

eruflich bedingt, treffe ich viele erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten mit Charakter und spannenden Lebensläufen. Darunter sind – zugegebenermaßen – aktuell noch mehr Männer als Frauen, doch der Anteil weiblicher Gesprächspartner steigt. Und das erfreulicherweise auch, wenn es um das Thema Nachfolge geht. Immerhin rund 30 000 Unternehmen bundesweit stellen sich jedes Jahr die Frage: Wer nimmt auf dem Chefsessel Platz, wenn die „alte“ Unternehmergeneration in den Ruhestand geht? Allerdings zeigt hier ein Blick auf erfolgreiche Familienunternehmen bundesweit: Immer noch lautet die Antwort auf dieser Frage eher selten, dass es eine Frau sein wird. In den 500 größten Familienunternehmen des Landes ist nur in 68 Fällen die Führung oder zumindest ein Teil von ihr weiblich. Zur Fairness gehört: Nicht in jeder Familie gibt es Töchter, und selbst wenn, es teilt nicht jede von ihnen die Leidenschaft ihrer Eltern für den Familienbetrieb. Auch das gilt es zu akzeptieren und in der gesellschaftlichen Debatte im Hinterkopf zu behalten. Schließlich sind die Lebensentwürfe der Nachfolgegenerationen heute so vielfältig wie die potenziellen Nachfolger selbst. Und doch muss thematisiert werden, warum so häufig eine weibliche Führung fehlt. Denn die Zeiten, in denen nur Söhne eine Firma übernehmen oder sonst ein externer Manager geholt wird, sollten doch nun wirklich lange vorbei sein. Viele Beispiele in der Region zeigen: Gott sei Dank sind sie das tatsächlich. Karla Aßmann wird den gleichnamigen Hersteller von Büroeinrichtung aus Melle von ihrem Vater übernehmen. Frederike Meyer ist bereits in das GeschäftsführerTrio der Teamplan Josef Meyer GmbH aufgerückt – eines Innenausbauspezialisten aus Nordhorn. Victoria Reker macht gerade ihre Ausbildung im Gebäudereiniger-Handwerk, um den Osnabrücker Betrieb von ihrem Vater zu übernehmen. Sonja Koopmann ist als Geschäftsführerin der Maschinenfabrik Bema aus Voltlage schon ein „alter Hase“. Und im Wirtschaftstalk sprechen Vera Butterweck-Kruse (Butterweck Rundholzlogistik aus Lehe-Ems) und Kristin Landwehr (Kunststofftechnik Borgmann aus Bersenbrück) über ihren Schritt ins Fami-

Foto:MichaelGründel

lienunternehmen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Man sieht also: Es tut sich was! Die weibliche Nachfolge in Unternehmen gewinnt zunehmend an praktischer Bedeutung. Ein Wandel kommt aber nun einmal nicht über Nacht – auch dessen muss man sich immer wieder bewusst sein. Zumal die Fluktuation in Familienunternehmen, auch in der Geschäftsführung, niedrig ist. Ein Aspekt, bei dem sich gerade Nachfolgerinnen jedoch ruhig weiter aus der Deckung begeben dürften, ist, wenn es darum geht, über ihre Karrierewege zu sprechen – positiv wie negativ. Auch für sich zu entscheiden, dass der eingeschlagene Weg nicht der richtige war, ist eine wichtige Erfahrung und keineswegs ein Scheitern. Doch Frauen scheinen deutlich weniger gerne über sich und ihren beruflichen Weg zu sprechen als ihre männlichen Kollegen. „Ich bin doch nur Teil eines Teams“, höre ich oft von erfolgreichen und gestandenen Unternehmerinnen. Oder auch: „Was ich mache, ist doch nichts Besonderes.“ Doch – leider ist es das noch. Diese Unternehmergeschichten über Herausforderungen und Chancen zu erzählen, ebenso wie die der Männer, trägt jedoch zur wirtschaftlichen Vielfalt bei. Und auch dazu, das ganze Bild zu sehen, ohne die Erfolgsgeschichten auf das Geschlecht zu reduzieren. Denn Frauen wie Männer in ihren Lebenswegen und Entscheidungen ernst zu nehmen und sichtbar zu machen, das könnte den einen oder anderen jungen Menschen dazu motivieren, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Das kann bedeuten, sich eine Führungsposition zuzutrauen oder aber auch sich bewusst für ein Teilzeitmodell zu entscheiden. Beides gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Die Zeiten ändern sich.

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DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

MACHER & MÄRKTE

Wird das Bauen künftig noch teurer? Holz ist zum begehrtesten Gut der Branche geworden / Exporte steigen deutlich an / Lieferverzögerungen

Mächtig imStress sindimMomentdieMitarbeiter vonHolzhandlungenundSägewerken.Sie kommenderstarkenNachfragenachihren Rohstoffen kaumnoch hinterher.

VON ANDRÉ POTTEBAUM Der Traum vom Eigenheim wird für Häuslebauer mehr und mehr zum Albtraum. Jeder, der derzeit ein Haus baut oder aufwendig renoviert, dürfte miterleben, wie die Preise durch die Decke gehen. Rohstoffe wie Holz, Dachpappe und Co. sind seit der CoronaPandemie um ein Vielfaches teurer geworden und zum Teil gar nicht verfügbar. Baustellen stehen still, weil Handwerker nicht an notwendiges Material herankommen. Unternehmen müssen Aufträge verschieben oder ganz absagen. Die Preise bei Holz, Dämmstoffen, Stahl und Dachpappen, Schrauben, Kunststoffen, PVC sowie Farben und Lacken sind explodiert. Die Bauindustrie NordrheinWestfalen etwa gibt an, dass der Preis für Holz seit Frühjahr 2020 weltweit um mehr als 300 Prozent gestiegen ist, Preise für Betonstahl um knapp 26 Prozent und Kunststoffe beispielsweise um 17 Prozent. Seit Jahresbeginn hat sich Baustahl um 40 Prozent verteuert, heißt es weiter. „Dachlatten sind um das Fünffache im Preis gestiegen. Normale Kunststoffrohre haben auf einmal eine Lieferzeit von 12 Wochen. Eine Palette Schrauben für den Trockenbau bekommt man gerade einfach nicht“, weiß Thomas Echterhoff, Bauunternehmer aus Westerkappeln, um die derzeitigen Schwierigkeiten. Schon bei einfachen Zuliefererprodukten wie Kanalgrundrohren würden die Preise durch die DeOSNABRÜCK

cke gehen und höher ausfallen als üblicherweise. Hinzu kämen Lieferengpässe etwa bei Dämmstoffen oder Holz, sagt er. Letzteres ist in den vergangenen Monaten zum wohl begehrtesten Gut der Baubranche geworden. Das habe vor allem mit den Entwicklungen auf dem Weltmarkt zu tun, sagt Echterhoff, der unter anderem auf die Probleme in Kanada und die massiv gestiegene Nachfrage in den USA und China verweist. Und in der Tat: In den USA etwa ist das Angebot an Bauholz üblicherweise groß. Doch die Vereinigten Staaten sind vom Exporteur zum Importeur geworden. Grund sind die immensen Waldbrände im vergangenen Jahr und der Bergkiefernkäfer, der in Kanada riesige Wälder befallen hat. Holz aus Deutschland gehe deshalb in großen Mengen in den Ex-

port und fehle hierzulande, sagt Echterhoff. Aus der Branche heißt es, dass einige deutsche Sägewerke nur noch für den US-amerikanischen Markt arbeiteten. Das verknappt das Angebot hierzulande und treibt die Preise in die Höhe. Laut Statistischem Bundesamt exportierte Deutschland im vergangenen Jahr 12,7 Millionen Kubikmeter Rohholz – 42,6 Prozent mehr als 2019. Seit 2015 hat sich die Menge des ausgeführten Rohholzes sogar mehr als verdreifacht. Marco Graf, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim (IHK), sieht neben der „jüngsten Preisrallye“ bei Rohstoffen unter anderem bei Erdöl, Kupfer, Stahl und Aluminium oder der Knappheit von Containern noch weitere Gründe für Preisan-

AuchBaustahl,wichtigesMaterialfürBetonbauer,wirdlangsamknapp. Foto: imago/U.J.Alexander

stiege und Lieferverzögerungen. Die Rücknahme der zeitweisen Mehrwertsteuersenkung, der Anstieg der CO2-Steuer sowie immer häufigere Handelsrestriktionen machten sich ebenfalls bemerkbar, so Graf. Um Lieferengpässen und Rohstoffknappheit entgegenzuwirken, könnte sich Oliver Renner, Obermeister der Bauinnung Grafschaft Bentheim, einen zeitweiligen Ausfuhrstopp bei bestimmten Gütern wie Bauholz vorstellen. „Wir selbst haben uns in Nordhorn ein Holzlager eingerichtet. Das ist ein Baustoff, der immer und überall gebraucht wird“, sagt der Co-Geschäftsführer der Nordhorner Beton- und Monierbau GmbH. Allerdings seien auch andere Materialien, zum Beispiel Stahlmatten, derzeit kaum zu bekommen. Größere Verzögerungen oder gar Baustopps seien aufgrund der angespannten Situation derzeit noch nicht zu sehen, zumindest im Bauhauptgewerbe, sagt der Unternehmer. Er rechnet damit, dass mögliche Probleme in einem halben Jahr oder zwölf Monaten durchschlagen werden. „Die Entwicklung ist auf einem aufsteigenden Ast“, so Renner. Und auch Thomas Echterhoff geht davon aus, dass aufgrund von Lieferengpässen einzelne Baustellen stillstehen könnten. Eine Einschätzung, die Reiner Möhle, Präsident der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, teilt. „Als Inhaber eines Sanitärbetriebs stelle ich fest, dass durch Betriebsunterbrechun-

Foto: imago/Südtirolfoto

gen aufgrund von Materialengpässen und damit verbundenen gestörten Abläufen der Gewerke untereinander eine erhebliche Bauzeitverzögerung erfolgt“, erklärt Möhle. Für den Kunden bedeuten diese Entwicklungen steigende Preise beim Bauen. Kosten schwanken täglich, Kalkulationen sind kaum möglich. „Man bekommt aktuell nur Tagespreise“, weiß auch Obermeister Renner. Dachstühle eines kleinen Einfamilienhauses werden

„Eine Palette Schrauben für den Trockenbau bekommt man gerade einfach nicht.“ Thomas Echterhoff, Bauunternehmer aus Westerkappeln

so schnell mehrere Hundert Euro teurer – innerhalb von 24 Stunden. Allerdings, so sagt Renner, sei es deutlich einfacher, sich mit privaten Bauherren über Kostenanpassungen und Lieferverzögerungen zu einigen als bei öffentlich vergebenen Aufträgen, wo die Auftraggeber vor allem an den Preisvorstellungen festhalten würden. Bleibt am Ende die Frage: Wie werden sich die Preise beim Eigenheimbau künftig entwickeln? Wird Bauen dauerhaft noch teurer? Thomas Echterhoff geht zumindest davon aus, dass der sprunghafte Preisanstieg für Baustoffe gegen Herbst zurückgehen wird, wenn auch nicht auf das Vor-Corona-Niveau. Experten schätzen, dass die Preise für Rohstoffe wie Holz dauerhaft teurer werden, auch weil bestimmte Güter knapper werden. Die Rede ist von einem „Superzyklus“ für Grund- und Rohstoffe, einer Materialknappheit wichtiger Güter über mehrere Jahre. Und so sagen sowohl Thomas Echterhoff als auch Oliver Renner: „Ja, das Bauen wird künftig noch teurer.“ Eine Entwicklung, die seit der Corona-Pandemie extremer und deutlich dynamischer geworden ist, aber dem Trend der vergangenen Jahre folgt. Denn laut dem Bundesverband mittelständischer Bauunternehmen sind die Preise für den Bau von Gebäuden zwischen 2010 und 2020 um durchschnittlich 2,74 Prozent pro Jahr gestiegen. Zwischen 2015 und 2020 betrug der Anstieg sogar 3,31 Prozent pro Jahr.

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DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

MACHER & MÄRKTE

MACHER & MÄRKTE

Ein kleiner Markt, doch mit Potenzial für die Region?

Für Belarus ein wichtiger Partner Deutsche Firmen sind recht zufrieden

In Belarus sind knapp 80 Unternehmen aus dem IHK-Bezirk aktiv VON NINA KALLMEIER

Kleinteilige Handelsbeziehung zu Belarus. Nähe zur EU und eiserne Seidenstraße geben Attraktivität. Unternehmen hoffen weiterhin auf gute Geschäfte. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Lediglich

rund 9,4 Millionen Menschen leben in Belarus. Und dennoch: Rund 300 Unternehmen aus Deutschland sind in dem Land aktiv, das im Westen und Nordwesten an die EU-Mitgliedstaaten Polen, Litauen und Lettland grenzt, im Nordosten und Osten an Russland sowie im Süden an die Ukraine. Ihr Handel mit Belarus könnte künftig schwieriger werden: Nach der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine auf dem Weg von Griechenland nach Litauen und der danach folgenden Festnahme von Regierungskritiker Roman Protassewitsch haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten neue Sanktionen gegen gegen die frühere Sowjetrepublik auf den Weg gebracht. Deutschland ist neben Polen innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner von Belarus. Und auch

Firmen aus der Region Osnabrück, dem Emsland und der Grafschaft Bentheim unterhalten Wirtschaftsbeziehungen zu dem ehemaligen Ostblock-Staat. Insgesamt sind knapp 80 Unternehmen dort aktiv, sagt Frank Hesse, IHK-Geschäftsbereichsleiter International. „Damit liegt das Land auf Rang 73 der ausländischen Handelspartner. Weitere Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Land hätten daher auf die regionale Wirtschaft im Vergleich zu den Russlandsanktionen geringere Auswirkungen“, so Hesse. Und dennoch warnt der Geschäftsbereichsleiter vor einer Sanktionsspirale und sieht dementsprechend die geplanten Maßnehmen kritisch. „Sie werden das Problem nicht lösen. Leider ist es erneut so, dass ein politisches Thema auf Kosten der Wirtschaft gelöst werden soll.“ Im Gespräch sind Maßnahmen, die die Kali- und Öl-Industrie in Belarus betreffen sowie den Finanzsektor. Auch wenn damit Unternehmen in der Region nicht direkt betroffen sind, so beeinflussen Sanktionen doch ebenso das Wirtschaftsklima im Allgemeinen. Und damit auch die Rahmenbedingungen unter anderem für die Maschinenfabrik Bernard Krone. Für das Familienunternehmen aus Spelle ist Belarus ein kleines, aber kontinuierliches Geschäft, sagt Martin Eying, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing. „Wir bedienen den Markt über unseren Partner vor Ort: Polyma Agro, in der Nähe von Minsk.“ Dieser sei ein „absolut kompetenter und seit vielen Jahren re-

nommierter Fachhändler“, der nicht nur die Maschinen von Krone, sondern unter anderem auch jene auch von Grimme Landtechnik aus Damme, Lemken-Technik aus Haren oder des Allgäuer Produzenten Fendt vertreibt. Niedersachsenweit haben Unternehmen in vergangenen Jahr Waren im Wert von fast 95 Millionen Euro nach Belarus exportiert. Insgesamt lag das Handelsvolumen bei gut 168

OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

„Der Höhepunkt des niedersächsischen Handels mit Belarus war vor rund zehn Jahren.“ Tilman Brunner, Außenhandelsexperte IHK Niedersachsen Illustration:Colourbox.de Montag: MatthiasMichel

Millionen Euro. „Es gibt keine Branche, die dabei wirklich dominiert, sondern es ist eine eher kleinteilige Handelsbeziehung“, sagt Tilman Brunner, Außenhandelsexperte der IHK Niedersachsen. Aufgrund der engen Verflechtung der belarussischen Wirtschaft mit Russland hat die Entwicklung der Außenhandelsbilanz

So hat sich Niedersachsens Außenhandel mit Belarus entwickelt Angaben in Mio. Euro

Ausfuhr

Einfuhr

229,2

217,4

211,1

198,8

155,8 124,2 88,7

34,7

2010

43,7

2011

39,6

2012

41,6

2013

41,6

2014

107,9

102,3 79,2

81,6 40,3

2015

2016

44,9

2017

58,6

2018

94,9 70,7

2019

73,3

2020

Quelle: Statistisches Bundesamt · Grafik: Matthias Michel

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in den vergangenen Jahren eine ähnliche Kurve genommen. Nach Angaben der Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (GTAI) gehen mehr als 45 Prozent der Exporte des Landes nach Russland, mehr als 50 Prozent aller Importe nach Belarus kommen aus dem Nachbarland. Zum Vergleich: Deutsche Importe machen laut GTAI gut 5 Prozent aus, Exporte nach Deutschland haben einen Anteil von gut 3 Prozent. „Der Höhepunkt des niedersächsischen Handels mit Belarus war vor rund zehn Jahren. Damals lag das Niveau des Handels über 270 Millionen Euro. Danach ging es langsam bergab bis auf das heutige Niveau“, so Brunner. Damit steht Belarus zwar nicht ganz oben auf der Prioritätenliste wie zum Beispiel die Niederlande – Niedersachsens wichtigster Zielmarkt. Dennoch sieht der Außenhandelsexperte durchaus Potenzial. „Belarus ist ein direkter EU-Nachbar mit einer breiten industriellen

Basis und einem guten Bildungsniveau. Das macht das Land auf jeden Fall interessant“, sagt er. Leider sei aber die Wirtschaft insgesamt sehr vom staatlichen Einfluss geprägt und stagniere weitgehend, weil Reformen nicht vorangebracht würden. „Die fehlende wirtschaftliche Dynamik und die geringe Kaufkraft im Land bremsen deshalb ein größeres Engagement.“ Bundesweit sind es vor allem Maschinen, aber auch chemische Erzeugnisse, die nach Belarus ausgeführt werden. Da passt neben Krone auch Amazone-Werke aus Hasbergen ins Bild. „Amazone arbeitet seit Jahrzehnten mit Vertriebspartnern aus Belarus zusammen“, sagt Christian Dreyer, seit mehr als 20 Jahren einer der beiden Geschäftsführer des Unternehmens. „Es ist ein vertrauensvolles Verhältnis und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, wie in vielen anderen Ländern in Osteuropa.“ Auch wenn das Marktvolumen in den vergangenen Jahren im Vergleich zu anderen Ländern eher auf einem niedrigen Niveau lag, die Marke Amazone habe bei Landwirten in dem Land

ein gutes Image. Beliefert wird der Markt sowohl aus den deutschcen Produktionsstandorten als auch aus dem Amazone-Werk in Russland. „Das hägt davon ab, welcher Typ beziehungsweise welche Ausstattung der Landmaschine gewünscht wird“, sagt Dreyer. Doch nicht nur Produktionsbetriebe wie Maschinenhersteller haben ein Auge auf die aktuelle politische und wirtschaftliche Situation rund 1500 Kilometer von unserer Region entfernt. Auch Logistikdienstleister wie Hellmann Worldwide Logistics schauen ganz genau hin. „Der osteuropäische Markt stellt nicht nur einen zunehmend wichtigen Handelspartner der EU und insbesondere Deutschlands dar, sondern ist auch als transkontinentaler Korridor nach Asien von zentraler Bedeutung und entsprechend für das Unternehmen ein wichtiger strategischer Wachstumsmarkt“, heißt es seitens des Osnabrücker Logistikdienstleisters. Das spiegele sich auch darin wider, dass Hellmann Anfang des Jahres alle Anteile der Hellmann East Europe GmbH & Co. KG (kurz HEE) übernommen habe, an der das Unter-

„Insbesondere bei moderner Landtechnik besteht Nachholbedarf.“ Christian Dreyer, Geschäftsführer Amazone-Werke

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nehmen zuvor lediglich mit 50 Prozent beteiligt gewesen sei. „Damit hat das Unternehmen seine Marktposition deutlich gestärkt und die Voraussetzungen geschaffen, das operative Geschäft in Osteuropa nachhaltig über alle Produktbereiche hinweg weiter auszubauen.“ Außenhandelsexperte Tilman Brunner ergänzt: „Über Belarus erhält man Zutritt zum Markt der Eurasischen Wirtschaftsunion mit über 180 Millionen Konsumenten.“ Und auch die Lage sieht er als Plus: „Die Nähe zur EU und die Tatsache, dass die Eisenbahnverbindungen von China nach Europa über Belarus laufen, geben dem Land Attraktivität.“ Und doch bleibt aus Sicht Brunners ein großes Manko: „Angesichts der politischen Lage und der damit verbundenen Unsicherheiten für strategische Unternehmensplanungen ist es im Moment schwer, sich eine zunehmende Bedeutung von Belarus für niedersächsische Unternehmen vorzustellen.“ Und auch Amazone-Geschäftsführer Christian Dreyer sagt: „Stabile politische Rahmenbedingungen ohne Handelsbeschränkungen auf beiden Seiten wären wünschenswert.“ Denn grundsätzlich sieht der Hasbergener Unternehmer Belarus aufgrund der Größe des Landes im Kernmarkt Europa und der landwirtschaftlichen Struktur mit großen Flächen als interessanten Markt für

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Immerhin: Rund 350 deutsche Unternehmen sind in Belarus aktiv. Dennoch spielt das osteuropäische Land für hiesige Firmen als Handelspartner eine eher untergeordnete Rolle. Die Exporte von Deutschland nach Belarus betrugen 2019 – dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie – rund 1,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Niedersächsische Firmen haben allein in die Niederlande – das wichtigste Ausfuhrland – im Corona-Jahr 2020 Waren im Wert von 7,2 Milliarden Euro exportiert. Allerdings: Andersherum ist Deutschland für Belarus einer der wichtigsten Außenhandelspartner – nach Russland, der Ukraine und China liegt die Bundesrepublik auf Rang vier. Insbesondere als Lieferant von Hightech- und Investitionsgütern ist Deutschland nach Angaben des Nationalen Komitees für Statistik der Republik Belarus von Bedeutung. Direktinvestitionen in das Land kommen laut Belarussischer Zentralbank vor allem aus Russland und Zypern, aber auch zu einem geringeren Anteil aus den Niederlanden, Österreich, der Türkei, China und Deutschland. Doch wie steht es um die Wirtschaftslage der deutschen Firmen in Belarus? Dazu hat die Repräsentanz der Deutschen Wirtschaft in Belarus (AHK Belarus) im Rahmen des AHKWorld-Business-Outlook zwischen Mitte März und Anfang April eine Umfrage unter deutschen Firmen, die in Belarus tätig sind, durchgeführt. Das Fazit: 6 von 10 in Belarus tätigen deutschen Unternehmen beurteilen ihre gegenwärtige Geschäftslage als befriedigend, fast 4 von 10 der Befragten als gut. Fast die Hälfte der Befragten erwartete damals, dass ihre aktuelle wirtschaftliPAPENBURG/NORDHORN

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Amazone und andere Landtechnikhersteller. Zumal die Rahmenbedingungen den Unternehmen in die Hände spielen. „Insbesondere bei moderner Landtechnik besteht Nachholbedarf “, so Dreyer. Krone-Geschäftsführer Martin Eying ergänzt: „Moderne Landtechnik sichert die Ernährung der Menschen, das gilt für Belarus ebenso wie für andere Länder.“ Er ist optimistisch, dass das Land für die Emsländer ein Absatzmarkt bleibt. „Bislang haben wir durch schlagkräftige Technik, einen vorbildlichen Service und eine sehr schnelle Ersatzteilversorgung in Belarus überzeugen können. Insofern sind wir zuversichtlich, dass wir hier auch zukünftig die ein oder andere neue Krone-Maschine im Markt platzieren können.“ Ein entscheidender Erfolgsfaktor im Landmaschinengeschäft sei der Service. „Wenn eine Maschine steht, muss schnellstmöglich Hilfe aufs Feld.“ In dieser Hinsicht setze man auf die kontinuierliche Schulung des Service-Partners – des Teams von Polyma Agro – vor Ort.

che Situation so bleibt, jedes fünfte Unternehmen ging von einer Verschlechterung aus, ein Drittel erwartete eine Verbesserung. Eine Entwicklung, die die Umfrage ebenfalls zeigt: Deutsche Firmen in Belarus schauten zu dem Zeitpunkt wieder positiver in die Zukunft. Sie wollten investieren – jedes fünfte Unternehmen plante, die Ausgaben dafür zu erhöhen. Das ist eine deutliche Steigerung gegenüber der Herbstumfrage 2020. 45 Prozent der Befragten rechnen mit einem gleichbleibenden Niveau. Und auch mit Blick auf die Mitarbeiterzahl plant jedes fünfte Unternehmen der Umfrage zufolge, Leute einzustellen – eine Steigerung um das Zweifache gegenüber der Herbstumfrage. Sieben von zehn Unternehmen haben vor, die Arbeitsplätze zu erhalten. Lediglich 4,4 Prozent schließen einen Stellenabbau nicht aus. Als Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung sehen sieben von zehn Unternehmen vor allem die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Sechs von zehn der Unternehmen nannten in der Umfrage Wechselkursschwankungen und Nachfragerückgang als Hauptrisikofaktoren. Fast die Hälfte der Befragten ist auch um die Rechtssicherheit, ein Drittel der Unternehmen um die Begrenzung der Finanzierungsmöglichkeiten besorgt. Die Auswirkungen der CoronaPandemie spüren deutsche Firmen in Belarus vor allem an den Reisebeschränkungen. Die Einstellung von Investitionen und einen Nachfragerückgang nannten hingegen nur vier von 10 Befragten. Allerdings: Im Vergleich zur Herbstumfrage 2020 erwarten weniger Unternehmen eine Erholung der Konjunktur in Belarus im Jahr 2022.

Zwischenunserer Regionund Belarus’Hauptstadt Minskliegenrund 1500 Kilometer. Insgesamtsind rund350deutsche Unternehmenin dem Landaktiv.

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Der Steuermann gibt das Kommando ab Nach über 30 Jahren in der Automobilindustrie geht Torsten Bremer in den Ruhestand / Boge Rubber & Plastics in Damme aufgebaut VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/DAMME Vor 17 Jahren ist Torsten Bremer als Geschäftsführer zum Automobilzulieferer Boge in Damme gekommen. Mit 60 geht er nun in den Ruhestand. Ein Interview über seine Zeit in der Automobilindustrie und was er aus dem Rudersport für das Berufsleben mitgenommen hat.

Herr Bremer, Sie haben – fast – Ihr ganzes Berufsleben in der Automobilindustrie verbracht. Was war Ihr erstes Auto? Mein erstes Auto – und auch die zwei darauffolgenden – war ein Alfasud. Den habe ich damals von einem Lehrer gekauft. Ich mochte Alfa Romeos, und die Fahrzeuge bekam man nach wenigen Jahren sehr günstig. Sie waren allerdings wirklich rost- und störanfällig. Wenn man aber handwerklich halbwegs gut drauf war, dann hat man sie mit Prestolith, Spachtel und Teroson gut durch den Tüv bekommen. Ich habe immer gerne geschraubt, das hat Spaß gemacht. Und es war auch kaufmännisch ein gutes Geschäft, da ich die Autos nach ein paar Jahren immer wieder gut losgeworden bin. Seit ich allerdings beruflich auf ein Auto angewiesen war, war der Alfasud zu wartungsintensiv. Da hat mich ein Opel Kadett Cabrio die ersten Jahre gut vorangebracht. Sie sind eigentlich Physiker. Wie sind Sie zur Automobilindustrie gekommen? Das ist, glaube ich, die väterliche Prägung. Mein Vater war Maschinenschlosser und hat später umgelernt auf Lokführer. Von jüngster Jugend an waren wir mit ihm zusammen immer in Kontakt mit Technik, haben mit Elektro- und Mechanikbaukästen experimentiert, und wenn ich auf alte Fotos schaue, haben sie immer etwas mit Autos oder Technik zu tun. Sie haben trotzdem Physik studiert und promoviert. Das stimmt, ich hatte Mathematik und Physik als Leistungsfächer und habe dann Physik studiert. Mein Ziel war, das Studium schnellstmöglich zu durchlaufen. Letztlich war ich als zweiter meines Jahrgangs mit der Promotion durch. Spätestens beim Vordiplom war für mich aber klar, dass mir die Forschung zu introvertiert ist und ich in die Industrie gehen möchte. Durch meinen Sport war ich schon früh viel international unterwegs und das wollte ich auch im Beruf weiterhin sein. Mein erster Job war allerdings nicht direkt in der Automobilindustrie, da habe ich einen kleinen Umweg gemacht. Wo führte der hin? Ich war zuerst kurz bei ANT. Die haben Nachrichtensatelliten gebaut. Da habe ich an der Entwicklung der Transpondertechnologie mitgearbeitet. Ich hatte mich während einer kurzen Post-Doc-Periode aus den USA heraus beworben, und sehr schnell diese Stelle angeboten bekommen. Es waren gute Zeiten für junge Physiker. Als dann im Nachgang noch das eine oder andere Bewerbungsgespräch reingeflattert kam, habe ich mich neu sortiert und nach drei Monaten entschieden, doch in die Automobilindustrie zu gehen. Da habe ich bei Continental angefangen. Und – quasi ganz nebenbei – hatten Sie sich auch noch für die Olympischen Spiele qualifiziert. Was hat es damit auf sich? Die Olympischen Spiele waren damals noch reine Amateur-Spiele. Ich habe mit 13, als ich auf dem Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium

hat. Heute habe ich manchmal das Gefühl, man muss sich fast entschuldigen, dass man in der Autoindustrie arbeitet. Sie ist ja so dreckig, macht alles kaputt, ist so laut. Die Diskussion ist nicht mehr faktenbasiert. Auf einmal wird etwas, das um Größenordnungen sauberer ist als noch vor zehn Jahren, als größte Dreckschleuder aller Zeiten betrachtet…

war, mit dem Rudern angefangen und war anfänglich in der schulischen Ruder-AG aktiv. Da war unser Gymnasium aber nie führend. Nach zwei Jahren Schulrudern habe ich als Steuermann im benachbarten Osnabrücker Ruderverein weitergemacht und da haben wir uns – mit einer fast reinen Osnabrücker Mannschaft, einer kam vom TuSBramsche – als Deutschland-Achter für Olympia 1980 in Moskau qualifiziert. Dass eine fast reine Vereinsmannschaft aus einem Verein ohne große Historie für Großboote die favorisierten Renngemeinschaften schlug und nominiert wurde, war schon sehr außergewöhnlich.

…der Diesel? Zum Beispiel. Es ist viel falsch gemacht worden, das will ich gar nicht schönreden, und es gab dreckige Diesel. Aber wir haben dazugelernt. Ich fahre noch immer gern einen Diesel, und ich sehe, mit welcher Leistung und welchem Verbrauch das Auto unterwegs ist und wie sauber die Abgase heute sind. Aber man kommt nicht mehr in die Diskussion über die Fakten, weil man in der EU ein politisches Signal gegen Verbrenner, insbesondere den Diesel, gesetzt hat. Und seither laufen alle Argumente ins Leere. Ob Plug-in-Hybride im Realbetrieb wirklich umweltschonender sind, mögen andere entscheiden.

Allerdings durften Sie dann doch nicht hin. Schmerzt das? Es bleibt eine nachhaltige Verärgerung darüber, dass die Politik den Sport für ihre Zwecke missbraucht hat – und damit doch nichts erreicht hat. Wir waren Marionetten. Ich habe viele Weltmeisterschaften miterlebt, dieser Schmelztiegel, diese Lebensfreude und Internationalität, das ist unvergleichlich. Von Olympia blieben mir nur nach der Nominierung nur der Traum der Teilnahme und eine Urkunde an der Wand. Wobei ich bei der JuniorenWM ein Jahr zuvor die Moskauer Olympia-Strecke zumindest einmal kennenlernen durfte. Die aktive Zeit – immerhin über zehn Jahre im Spitzensport – war aber eine superspannende Zeit, und ich habe noch viel Kontakt zu meinen Ruderkollegen. Was haben Sie aus dieser sportlichen Zeit mitgenommen für Ihr Berufsleben? Ich war Steuermann, insofern war das Rudern für mich weniger eine körperliche Herausforderung als eine Kopfsache. Disziplin war das A und O, man war strukturiert, engagiert und motiviert. Ein Individualsportler, nehmen wir als Beispiel mal Alexander Zverev, kann beim Tennis in der ersten Runde ausscheiden – darunter leidet aber kein anderer Teamkollege. Wenn man im Mannschaftssport – gerade im Rudern, wo es voll darauf ankommt, mit dem Team synchron zu sein – nicht auf den Punkt liefert, zieht man alle mit rein. Diese Disziplin, die Motivation und den Biss, im Team auf Ziele hinzuarbeiten, das habe ich mitgenommen. Ziele hatten Sie bei Boge in den vergangenen 17 Jahren viele. Das stimmt. Die beiden sehr ähnlich aufgestellten Unternehmen Boge und Elastmetall waren, ein Jahr bevor ich gekommen bin, unter dem Dach der ZF Friedrichshafen AG fusioniert. Die Integration war das erste Ziel, wobei ich aus heutiger Sicht sagen muss: Wirklich zusammenzuwachsen, das dauert fast eine ganze Generation von Mitarbeitern. Nur wer neu ins Unternehmen kommt, der ist nicht vorbelastet. Diejenigen, die schon zehn oder 15 Jahre in einem der Unternehmen waren, die haben ihre eigene DNA. Das lässt sich zwar annähern, aber nicht auf Knopfdruck verschmelzen. Die nächste Herausforderung kam gleich hinterher, das war der unglaubliche Kostendruck aus Osteuropa auf die gesamte automobile Zulieferbranche. Das kam nicht unmittelbar mit der Wende, aber um den Jahrtausendwechsel bauten alle Wettbewerber irgendwo im Osten Werke auf oder übernahmen dortige ehemalige Staatsunternehmen. Damit wurde das Geschäft internationaler und kostengetriebener. Früher kamen die Bauteile aus den nahe gelegenen Wirtschaftsräumen, aber noch nicht aus dem ehemaligen Ostblock oder gar aus

Als Steuermann hatTorsten Bremer bis in die 1980er-Jahre beim Deutschland-Achter denTakt vorgegeben und war für die Olympischen Spiele in Moskauqualifiziert.Dievergangenen17Jahrehat derheute60-JährigedenAutomobilzulieferer Bogegesteuert. Foto: MichaelGründel

China. Auf einmal drehte sich im Wettbewerb alles fast nur noch um die niedrigsten Kosten. Als Sie bei Boge angefangen haben, waren Sie noch ein Bereich von ZF. Ich hatte 15 Jahre lang für den Continental-Konzern gearbeitet und den quirligen Konzern unglaublich genossen. Ich war immer Teil der Veränderung, habe am Aufbau neuer Geschäftsbereiche mitgearbeitet, Werke zugemacht und andere eröffnet, das gehörte dazu und war aus unternehmerischer Sicht ein weniger emotionales Thema bei der börsennotierten Continental AG. Dann kam ich in den Stiftungskonzern ZF, und war mir nicht bewusst, wie unterschiedlich die Kulturen sein können. Das ist keine Kritik, ZF war berechenbarer, solide, es gab weniger Druck auf die Belegschaft und keine Aktionäre, die fast ausschließlich auf die Rendite schauen. Erst Jahre später wurde begonnen, den Status quo zu überprüfen. Dazu gehörte auch unser Bereich, denn eine Renditeperle waren wir nicht. Als bekannt wurde, dass der Bereich von ZF verkauft werden sollte, und zwar an einen chinesischen Mutterkonzern, da konnte man das kaum glauben. Bei ZF waren Sie Teil eines Tankers, mit dem Verkauf wurden Sie

zu einem deutschen Satelliten. Wie war die Umstellung? Die Herausforderung war, das Unternehmen quasi über Nacht eigenständig zu machen, also die Nabelschnur zur ZF zu kappen. Wir waren in ganz vielen Kernfunktionen zuvor abhängig von der ZF gewesen – vom Zentraleinkauf über die IT bis zu sämtlichen Regelungen im Personalbereich. Schalten Sie mal über Nacht eine IT bei einem Unternehmen mit mehr als zehn Standorten auf vier Kontinenten ab. Wir hatten weder einen ausreichenden Stab an Spezialisten noch die Systeme in der eigenen Verantwortung. Und bei CRRC konnten wir nirgends andocken, da es keine Konzernstrukturen in Europa gab. Es war aber auch erfrischend. Man hatte das Gefühl, beim neuen Eigentümer willkommen zu sein. Bei ZF waren wir zuletzt eher ein Trittbrettfahrer. Wir wollten beispielsweise nach Mexiko und nach Indien expandieren, doch Geld für neue Standorte gab es nicht. Dann kam CRRC, die wollten ganz im Gegensatz dazu, dass wir noch internationaler werden und erheblich expandieren. Sie haben uns gut mit Investitionsmitteln ausgestattet, was auch die Sorgen hat verstummen lassen. Das hat Energie freigesetzt. Sie kennen die Automobilindustrie wie Ihre Westentasche. Hat

Sie in all den Jahren dennoch etwas überrascht? Es hat mich schon überrascht, wie sich das Einkaufsgebaren und die Beziehung zwischen Herstellern und Zulieferern in den vergangenen Jahren verändert haben. Ich habe noch kennengelernt, dass man durchaus persönliche Beziehungen zu Geschäftspartnern aufgebaut hat – dass man dem Menschen und seinem Wort vertraute und man wusste, dass dieser Mensch auch morgen noch da ist, wenn man dieses Wort einlösen möchte. Heute wird auf Distanz gesetzt, und die Rotationsgeschwindigkeit ist wahnsinnig gestiegen. Die Verweildauer unserer Ansprechpartner liegt heute bei ein bis zwei Jahren – früher waren es fünf oder mehr. Man hat auch mal eine Fahrzeuggeneration gemeinsam erlebt, für die man eine Kunden-Lieferanten-Entscheidung getroffen hatte. Das Miteinander ist deutlich kühler geworden. Über die Automobilindustrie wird derzeit viel diskutiert… … noch etwas, das sich verändert hat: der Umgang mit Mobilität und insbesondere mit dem Automobil. Als ich angefangen habe, war die Automobilbranche eine der gefragtesten bei jungen Leuten. Man hat gut verdient, hatte eine Perspektive und ein sexy Produkt, mit dem sich die Mehrheit positiv identifiziert

Sie sind erst 60 und könnten sich auch weiterhin einbringen – gerade jetzt in der Corona-Pandemie. Hat Sie das noch einmal an der Entscheidung für den Ruhestand zweifeln lassen? Das stimmt, ich überlasse meinem Nachfolger einige Herausforderungen, die wir vor der Pandemie noch nicht gehabt haben, geschweige denn vorhersehen konnten. Letztlich hat die Corona-Pandemie aber auch dazu beigetragen, meinen Entschluss zu festigen. Dass ich mit 60 als Geschäftsführer ausscheiden möchte, habe ich vor über einem Jahr entschieden. Dabei spielte die gerade beginnende Pandemie überhaupt keine Rolle. Die dann aber erlebte zusätzliche Zeit mit der Familie während der aufkommenden Kurzarbeit mit zeitweisen Werksschließungen war eine absolut neue Erfahrung. Zuvor habe ich über die Hälfte des Jahres im Ausland, an anderen Werkstandorten oder bei den international aufgestellten Kunden verbracht. Ich habe meinen Job immer gerne gemacht, aber diese gewonnene Privatzeit habe ich dann auch sehr genossen, da gab es für mich kein Zurück. Wenn Sie sich nicht mit der Automobilindustrie beschäftigen, was machen Sie dann in Ihrem Ruhestand? Ich kehre zu den wartungsintensiven Fahrzeugen zurück. Ich habe ein paar Oldtimer, darunter natürlich als Osnabrücker ein 1960erKarmann-Ghia-Cabriolet, die in den vergangenen Jahren mehr Standschäden als Kilometer erlebt haben. Die werde ich jetzt aus der Garage holen, Luft aufpumpen, die Öle wechseln und mit meiner Frau die eine oder andere auch mehrtägige Ausfahrt machen. Ich liebe das Reisen in Kombination mit Wein und gutem Essen. Auch an den Dümmer wird es mich sicherlich wieder mehr ziehen, dort habe ich ein kleines Refugium und ein Segelboot, das zuletzt wenig genutzt wurde. Auch eine Transatlantiküberquerung wollten meine Frau und ich schon immer mal machen – aber nur als Passagier. Und ohne Pandemierisiken natürlich. Das muss also noch etwas warten. Damit bleiben Sie sich treu: Automobil und Wasser. Das stimmt. Ich freue mich darauf, jetzt ganz spontan agieren und das schöne Wetter ausnutzen zu können. Vielleicht schaffen wir es auch bald wieder, unsere Freunde im Ausland zu besuchen.


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Von der klassischen Kachel bis zum riesigen Hingucker Firma Heidbrink liefert seit 100 Jahren Fliesen aus aller Welt / Stetiger Aufwärtstrend / Viele Kunden auch im Ausland VON ANDRÉ POTTEBAUM OSNABRÜCK Es gibt sie in bunt oder matt-schwarz, als klassische Kachel oder riesigen Hingucker. Für drinnen und draußen, fürs Bad und den Pool, die Küche oder die Terrasse. Ganz schlicht oder verziert, in Holz- und Betonoptik: die Fliese. „Die Auswahl ist schon beträchtlich“, sagt Hermann Heidbrink, der den gleichnamigen Fliesenhandel in Osnabrück gemeinsam mit seinem Sohn Lars-Hermann führt. Auf 1800 Quadratmetern finden Kunden nahezu alles, was sie für die Neu- oder Umgestaltung von Bad, Küche, Terrasse und Co. benötigen. Seit 100 Jahren dreht sich bei den Heidbrinks fast alles um den Wand- und Bodenschmuck. Im April 1921 hatte Heidbrinks Großvater Hermann, der zuvor 18 Jahre lang als Reisender und Prokurist für eine Baustoff-Großhandlung in Osnabrück gearbeitet hatte, das Unternehmen gegründet. Die Hermann Heidbrink Baustoff- und Fliesengroßhandlung konzentrierte sich auf den Vertrieb von Baustoffen jeglicher Art, speziell von Klinkern und Dachziegeln sowie von Fliesen und Bodenbelägen aus Naturprodukten wie Marmor und Granit. Mittlerweile, so sagt Hermann Heidbrink, liegt der Fokus auf dem Handel, dem Im- und Export von keramischen Fliesen und Platten-Bodenbelägen aus Ton und Naturstein. Die Materialien kommen aus Europa, vorrangig aus Italien und Spanien oder aus Asien und Südamerika. Brasilien, Russland und die Türkei sind ebenfalls wichtige Lieferanten, wie Heidbrink senior sagt. „Wir haben sehr viele Kunden im Ausland.“ Zwischenzeitlich war das Unternehmen auch auf dem chinesischen Markt aktiv, etwa auf Messen wie der Ceramics in Guangzhou. Doch durch Anti-Dumping-Löhne seitens der EU seien die Einfuhren schwieriger geworden, so der Firmenchef. Das Unternehmen selbst ist mittlerweile überregional tätig, vor allem in Norddeutschland. Die Kunden, zu denen überwiegend

Handwerker, aber auch Privatleute gehören, kommen zum Großteil aus dem Großraum Osnabrück. „Wir waren der erste Betrieb im Fliesenhandel hier in der Region“, erinnert sich Hermann Heidbrink an die Anfänge des Unternehmens, bei dem aktuell rund 40 Mitarbeiter beschäftigt sind. „Trotz des Wachstums sind wir immer noch ein Familienunternehmen mit bewusst schlanken Strukturen.“ Dabei hat das Unternehmen in seiner 100-jährigen Geschichte durchaus bewegte Zeiten hinter sich. Ende des 2. Weltkrieges, genauer gesagt im Frühjahr 1944, wurden die Betriebsstätten bis auf die Grundmauern zerstört. Der Betrieb wurde so gut es ging aufrechterhalten, die Untergeschosse und das Geschäftsgebäude an der Buerschen Straße in Osnabrück so weit hergerichtet, dass sie Schutz vor Regen und Unwetter boten, wie es vonseiten des Unternehmens heißt. Nach dem Ende des Krieges begann der mühselige Wiederaufbau. „Zu der Zeit war es schwer, an Material zu kommen“, erinnert sich Heidbrink. Und doch gelang es der Unternehmerfamilie, wieder Fuß zu fassen. Ende der 1960er-Jahre folgte der Umzug an die Erikastraße im Osnabrücker

„Trotz des Wachstums sind wir immer noch ein Familienbetrieb mit bewusst schlanken Strukturen.“ Geschäftsführer Hermann Heidbrink

Auswahl ist alles: In der Ausstellung im Stammhaus in Osnabrück warten Kacheln und Fliesen ausvielenLändernin unzähligenAusführungen aufKunden. Foto: AndréHavergo

AnlaufstellefürFliesenkundenseit 1921:derFachhändlerHeidbrink in Osnabrück.

Stadtteil Voxtrup. Auf einem 13 000 Quadratmeter großen Areal gibt es neben der Ausstellungsfläche auch Lagerhallen und Büroräume. Gleichzeitig wurde mit der seit Gründung des Unternehmens bestehenden Fliesenlegerkolonne einer der Betriebszweige eingestellt. Denn, so heißt es vonseiten des Unternehmens, die sich zu dieser Zeit stärker entwickelnden Fliesenlegermeister seien damals mehr und mehr zu Kunden des Unternehmens geworden, mit denen man nicht in einen Wettbewerb treten wollte. Nach dem Fall der Mauer expandierte das Unternehmen. Zwei Standorte in Hannover und in Halle kamen hinzu, die nach eigenen Angaben jeweils über mehr als 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche verfügen. Ebenso Standorte in Bremen, Delmenhorst, Essen sowie Iserlohn, die unter dem Namen Fliesenhandel Rudolph Richter firmieren. „100 Jahre,“, sagt Heidbrink rückblickend, „das ist schon eine lange Zeit.“ Eine Zeit, in der sich nicht nur das Unternehmen, sondern auch der Handel mit den Fliesen verändert hat. „Wir mussten uns immer wieder dem Markt und den Wünschen der Kunden anpassen“, sagt Heidbrink. Das liegt zum einen am technologischen Fortschritt, zum anderen auch an anderen Größen und Formaten, in denen die Fliesen zu haben sind. Kleine Mosaikfliesen oder riesige Exemplare bis zu 1,60 x 3,20 Meter stehen beispielsweise zur Auswahl. Letztere dienen vor allem als Hingucker für die heimische Garderobe und den Kamin oder werden im Bad und der Dusche als fugenfreie Fliese verlegt. Zur bewegten Firmengeschichte ist mit der Corona-Krise ein weiteres Kapitel hinzugekommen, auch

wenn die Pandemie das Geschäft nicht wirklich beeinflusst habe. Weil die Kunden nicht in den Urlaub gefahren seien, hätten einige ihr Geld in die Hand genom-

Foto: AndréHavergo

men, um die eigenen vier Wände auf Vordermann zu bringen, die Terrasse neu zu verfliesen oder sich einen Pool anzulegen. Denn selbst für den Außenbereich gibt

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ZUR SACHE

Fliesenmarkt entwickelt sich positiv Der Fliesenmarkt in Deutschland hat sich trotz der Corona-Pandemie im vergangenenJahr positiv entwickelt. Nach Angaben des Bundesverbandes Keramische Fliesen (BKF) wurden im vergangenen Jahr 4 bis 5 Prozent mehr Fliesen ab-

gesetzt als 2019. Dies betreffe nach Einschätzung der Mitglieder und Marktbeteiligten vor allem den Bereich der Baumärkte. Die Entwicklung im Fachhandel wird mit einem Plus von circa 3,5 bis 4 Prozent angegeben.

Allerdings, so heißt es in einer Mitteilung des BKF, seien die Auswirkungen der Pandemie auch im Handel zu spüren, insbesondere was den Bestand an Fliesen betrifft. Lockdown und Einschränkungen im allgemeinen Betrieb, die an-

haltenden Probleme im Bausektor – etwa durch steigende Kosten und Materialknappheit – könnten sich im laufenden Geschäftsjahr negativ auf den Fliesenhandel auswirken, so die Einschätzung des Verbandes mit Sitz in Berlin.

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es die Fliesen mittlerweile in unzähligen Varianten – ob in bunt oder matt-schwarz, als klassische Kachel oder als riesigen Hingucker.


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MACHER & MÄRKTE

Wenn das Blaulicht blinkt Auch private Firmen übernehmen die Notfallrettung / Unternehmen FKT Brümmer seit mehr als 35 Jahren in Osnabrück tätig VON SEBASTIAN HAMEL OSNABRÜCK Wenn es ernst wird, ein schwerer Unfall passiert oder es zu einer akuten Erkrankung kommt, ist der Rettungsdienst innerhalb kürzester Zeit zur Stelle. Meist werden die Kranken- und Rettungswagen von Hilfsorganisationen oder der Feuerwehr betrieben – doch es gibt auch private Anbieter: Einer von ihnen ist die Firma „FKT Brümmer GmbH & Co. KG“ aus Osnabrück, die bereits auf eine mehr als 35-jährige Geschichte zurückblicken kann. FKT steht für Freier Krankentransport, was inzwischen nur noch bedingt die tatsächliche Situation abbildet: Denn bereits seit dem 1. Januar 1993 ist das Unternehmen in den öffentlichen Rettungsdienst der Stadt Osnabrück eingebunden. Zusammen mit der Berufsfeuerwehr, dem Arbeiter-SamariterBund, der Johanniter-Unfallhilfe sowie dem Malteser-Hilfsdienst werden die Notfallrettung und der qualifizierte Krankentransport gestemmt. Gegründet im Jahr 1985 durch Udo Brümmer, war der Betrieb zunächst als freier Anbieter im Bereich des Krankentransports tätig. Die Einsätze wurden seinerzeit noch über eine eigene Zentrale koordiniert. Schon kurz nach der Gründung ist Josef Brümmer – bis heute Geschäftsführer des privaten Rettungsdienstes – mit eingestiegen und hat den Aufbau der Firma weiter vorangetrieben. Es galt, Verhandlungen mit Krankenkassen zu führen und eine gewisse Größe zu erreichen, um die notwendige Stärke und Qualifikation zur Mitwirkung im öffentlichen Sektor zu besitzen. „Durch die Fahrtensteigerung haben wir uns stetig vergrößert“, erinnert sich Brümmer. Schließlich erfolgte tatsächlich die Einbindung in den öffentlichen Rettungsdienst. In den ersten Jahren habe man nicht unbedingt einen leichten Stand gehabt, so Brümmer. Zu ungewöhnlich war es noch, mit einem freien Anbieter zu kooperieren. Doch der FKT setzt darauf, als kompetenter Mitbewerber wahrgenommen zu werden: So wird der Stützpunkt bereits 1994 zu einer sogenannten Lehrrettungswache, also einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte für Rettungsdienstpersonal. „Da haben wir gleich die entsprechenden Anträge gestellt“, berichtet Brümmer. Heute begegneten sich alle Anbieter längst auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt, betont der Geschäftsführer. Gerade an der Einsatzstelle spiele die Zugehörigkeit keine Rolle, und die Zusammenarbeit zwischen FKT-Beschäftigten und Rettungskräften

Foto:imago/RalphPeters

anderer Organisationen laufe Hand in Hand. Disponiert werden alle Einheiten durch die Osnabrücker Regionalleitstelle, sowohl hinsichtlich Notfallrettung als auch Krankentransport. Es gilt das Prinzip des nächsten verfügbaren Fahrzeugs, unabhängig vom jeweiligen Betreiber. „Einer ist immer irgendwo frei“, bringt es Josef Brümmer auf den Punkt. Er unterstreicht insofern, dass Anfragen für Fahrten nicht direkt an den FKT gestellt werden sollten, sondern immer zentral über die Regionalleitstelle: Im Notfall sei die Rufnummer 112 zu wählen, für Krankentransporte die 19222. Pro Jahr wird jedem der Beteiligten im Rettungsdienst durch den Träger ein bestimmtes Budget zugewiesen, welches es stets aufs Neue auszuhandeln gilt. Dazu werden auch entsprechende Bedarfsanalysen erstellt. Die zuständigen Akteure genießen dabei das volle Vertrauen Brümmers: „Da sitzen gute Leute“, sagt er. Seit einiger Zeit werden die Rettungsfahrzeuge in Osnabrück auch zentral beschafft, um Kosten zu senken. So

ist äußerlich auf den ersten Blick mitunter gar nicht zu erkennen, zu welcher Organisation der Einsatzwagen gehört. Aktuell betreibt der FKT Brümmer einen 24-Stunden-Rettungs-

„Insgesamt belaufen sich die Kosten für eine Ausbildung auf rund 65 000 Euro.“ Geschäftsführer Josef Brümmer

wagen (RTW) sowie einen zusätzlichen RTW, der alle vier Tage für zwölf Stunden im Dienst ist. Hinzu kommen drei Krankentransportwagen (KTW) in verschiedenen Schichten. Im Rahmen des Möglichen werde zudem an der Osnabrücker Schnell-Einsatzgruppe (SEG) mitgewirkt, die bei Großschadenslagen aktiviert wird. Die Einsatzzahlen schwanken täglich und können beim RTW in einer 24-Stunden-Schicht zwischen acht und 14 Notfällen liegen. Das Einsatzgebiet umfasst die Stadt und – bei Bedarf – auch den Landkreis Osnabrück. Insgesamt 28 Mitarbeiter sind beim FKT beschäftigt, darunter drei Praxisanleiter, die die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses begleiten. Der Frauenanteil liegt bei rund 20 Prozent. Apropos Ausbildung: Hier legt Josef Brümmer großen Wert darauf, die jungen Kollegen nach und nach an komplexere Aufgaben heranzuführen: „In den ersten Wochen fahren die neuen Mitarbeiter nur KTW, um erst einmal die Stadt kennenzulernen. Dann testen wir, ob sie für den RTW genügend ge-

eignet sind.“ Im Anschluss daran schauen die Verantwortlichen, ob die Person – nachdem sie den rund viermonatigen Weg zum Rettungssanitäter erfolgreich hinter sich gebracht hat – für eine dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter infrage kommt. „Die Kassen bezuschussen einen Auszubildenden pro Jahr, insgesamt belaufen sich die Kosten für eine Ausbildung auf rund 65 000 Euro“, sagt Brümmer. Für Absolventen besteht die Möglichkeit, beim FKT übernommen zu werden: „Es ist in unserem eigenen Interesse, dass die Leute hierbleiben.“ Entschieden widerspricht der Geschäftsführer dem Vorurteil, private Anbieter würden ihren Beschäftigten per se weniger zahlen als Hilfsorganisationen. Brümmer, der gebürtig aus Rulle stammt und in Berlin studiert hat, ist zudem überzeugt: „Auch mit guter Führung und einem angenehmen Betriebsklima lässt sich viel erreichen – und nicht nur über das Geld.“ Für ein ansprechendes Arbeitsumfeld sorgt nicht zuletzt das neue Domizil an der Kiebitzheide

im Osnabrücker Stadtteil Fledder, das vor gut zwei Jahren im Mai 2019 bezogen wurde. Neben einer Fahrzeughalle, die dem neuesten Stand der Technik entspricht, finden sich dort auch üppig bemessene Sozialräume inklusive großer Dachterrasse. Die Rettungswache ist Teil eines Gebäudekomplexes, der auch die ebenfalls von Josef Brümmer geführte Schwesterfirma „VISITA Soziale Dienstleistungen GmbH“ samt Tagespflegeeinrichtung beheimatet. Letztere trat auch als Bauherr des 2,6 Millionen Euro teuren Neubaus auf und verpachtet nunmehr die Räumlichkeiten an das Unternehmen FKT. Nicht nur räumlich haben sich Neuerungen ergeben, auch personell zeichnet sich eine Veränderung ab: Josef Brümmer wird sich in absehbarer Zeit aus dem operativen Geschäft zurückziehen und die Verantwortung seiner Tochter Kathrin als Nachfolgerin übergeben. Es werden also auch künftig noch die FKT-Rettungsfahrzeuge in Osnabrück unterwegs sein und den Menschen in Not zu Hilfe eilen.

ZUR SACHE

Rettungsdienst: Mehr als „nur“ ein Krankenwagen Im Volksmund ist häufig schlichtweg vom „Krankenwagen“ die Rede, den es zu rufen gilt. Doch man muss unterscheiden: Grundsätzlich gliedert sich der Rettungsdienst in Deutschland in die zwei Schwerpunktbereiche Notfallrettung und qualifizierter Krankentransport. In der Notfallrettung kommen Rettungswagen (RTW) zum Einsatz, die über umfangreiches medizinisches Equipment ver-

fügen. Verantwortliche Kraft auf dem RTW ist der Notfallsanitäter. Das noch relativ neue Berufsbild mit dreijähriger Ausbildungszeit hat sukzessive den Rettungsassistenten abgelöst. RTW rücken zu (potenziell) lebensbedrohlich Erkrankten oder Verletzten aus. Die Notrufnummer 112 gilt in der gesamten EU. Für den qualifizierten Krankentransport werden Krankentransportwagen (KTW) genutzt,

welche von der Bauart her meist kleiner und mit geringerer Ausstattung als die RTW daherkommen. Typische Einsatzfälle sind Einweisungsoder Verlegungsfahrten, die keine akute Eile haben. Das Attribut „qualifiziert“ drückt aus, dass die Krankenbeförderung durch medizinisch ausgebildetes Personal – mindestens mit der Qualifikation Rettungssanitäter –

begleitet wird. Schließlich kann auch während eines Krankentransports eine Notfallsituation entstehen, weshalb KTW ebenso wie RTW mit Blaulicht und Signalhorn ausgerüstet sind. Übrigens: Die Notfallrettung unterliegt einer sogenannten Hilfsfrist. In Niedersachsen müssen die Rettungskräfte in 95 Prozent aller Fälle eines Jahres in unter 15 Minuten an Ort und Stelle sein.

VaterundTochter: DasUnternehmen FKTBrümmerin Osnabrückwird auchnach dem Ausscheidenvon Geschäftsführer Josef Brümmer weiter familiengeführtbleiben.TochterKathrinübernimmt inabsehbarerZeitdieGeschäftsführung. Foto:Sebastian Hamel


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Ein vergoldeter Ausstieg? Firmen – auch in der Region – setzen beim Stellenabbau auf Freiwilligenprogramme / Angebote werden gut angenommen

Corona rückt Personal und Kostenstruktur in den Fokus. Wie lukrativ ein freiwilliger Ausstieg ist, hängt von der Firma ab. Mitarbeiter sollten genau hinschauen und Situation abwägen. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Corona-

Pandemie, technologischer Wandel und Kostendruck aus dem Ausland, Unternehmen bundesweit stehen unter Druck. Das Resultat: Sie bauen Stellen ab. „Corona hat die Personal- und Kostenstrukturen in den Fokus gerückt. Dass durch Homeoffice insoweit auch deutlicher offengelegt wird, welche Effizienzreserven in der Administration von Unternehmen schlummern, darf eigentlich niemanden überraschen“, sagt Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall. Allerdings gibt Stephan Soldanski, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Osnabrück, zu bedenken: Schon vor Corona habe man in vielen Betrieben beobachtet, dass Leih- und Zeitarbeiter abgemeldet

und befristet Beschäftigte nicht verlängert wurden. Und auch beim Industriellen Arbeitgeberverband (IAV) OsnabrückEmsland-Grafschaft Bentheim sieht man nicht nur die Pandemie als Auslöser. „Mehr als in der Vergangenheit haben Firmen mit strukturellen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Dies zeichnete sich bereits vor Beginn der Corona-Pandemie ab, hat sich aber in dem einen oder anderen Fall sicherlich dadurch verschärft“, sagt Jasmin Markhof, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin und Leiterin der Abteilung Arbeits- und Tarifrecht. So oder so, die eine oder andere Firma – auch in der Region – will Stellen streichen. Allerdings wollen viele ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen und setzen stattdessen auf Freiwilligkeit und finanzielle Anreize – wie die Commerzbank, die laut Verdi „veränderungswillingen Beschäftigten“ allein eine Sprinterprämie in Höhe von 60 000 Euro zahlt. Insgesamt rechnet das Bankinstitut mit Kosten je Altersteilzeitvertrag in Höhe von rund 139 000 Euro. Mit ihrem Weg ist die Commerzbank nicht allein. Unter anderem der Automobilhersteller Daimler und die Deutsche Bank, aber auch regionale Firmen wie der Automobilzulieferer ZF in Lemförde, der Gaszähler-Hersteller Elster in Büren, die Meyer-Werft-Tochter Neptun Werft oder aber die Rasch Druckerei und Verlag GmbH – sie alle setzen auf Freiwilligenprogramme und Prämien und sind damit beim Stellenabbau erfolgreich. „Sogenannte Freiwilligenprogramme zur Vermeidung des Ausspruchs von Kündigungen sind gerade bei großen Firmen oder Konzernen

durchaus üblich“, sagt Jasmin Markhof. Allerdings sei das auch eine Frage der wirtschaftlichen Mittel. Laut Markhof ist die Vorgehensweise der ZF mit ihren mehr als 3000 Mitarbeitern am Standort oder der 800 Mann starken Elster GmbH in unserer Region eher seltener – und die Angebote weniger lukrativ, als sie von Daimler, der Deutschen Bank oder der Commerzbank bekannt werden. Und auch NiedersachsenmetallHauptgeschäftsführer Schmidt dämpft die Erwartungen. „Grundsätzlich gibt es keinen Anspruch auf Abfindungen und auch keinen festen Satz dafür. Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen werden Abfindungen oft nach der Formel 0,5 Monatsentgelte pro Jahr der Beschäftigung berechnet, dies ist aber lediglich eine Richtgröße. Bei Freiwilligenprogrammen liegen die Sätze häufig höher.“ Die betroffenen Firmen in der Region sind aktuell jedenfalls mit ihrem Vorgehen, Personal mithilfe von finanziellen Anreizen abzubauen, erfolgreich. Bei ZF werden mindestens 300 Mitarbeiter das Unternehmen in den kommenden Jahren verlassen, wie Divisionschef Peter Holdmann mitteilte – die Mitarbeiter haben Altersteilzeitangebote angenommen. Beim Gaszähler-Hersteller Elster erhalten 127 Mitarbeiter eine Abfindung. Eher ungewöhnlich: Wer in der Gewerkschaft ist, bekommt noch einmal 10 000 Euro Bonus obendrauf. Firmen in der Region scheinen kein Problem zu haben, durch Abfindungen Mitarbeiter zum freiwilligen Ausstieg zu motivieren. Ist eine Abfindung also ein gutes Geschäft – nicht nur für Unternehmen, sondern auch für deren Angestellte? „Wie lukrativ Angebote für Mitarbeiter sind, lässt sich pauschal nicht sagen“, sagt Ge-

werkschafter Soldanski. Ist eine ganze Branche vom Stellenabbau betroffen? Ist er ein Resultat interner Fehler? Geht es um eine Neuausrichtung oder schlichtweg um Kosteneinsparungen? All das spiele eine Rolle, wenn es um die Höhe möglicher Geldzahlungen gehe. Bei Niedersachsenmetall ergänzt man: Je größer die Firma,

„Je größer die Firma, desto häufiger sind üppige Abfindungen zahlbar, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.“ Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer Niedersachsenmetall

ZUR SACHE

Wie Beschäftigte bei Abfindungen steuerlich das Beste rausholen können Scheiden Beschäftigte aus einem Unternehmen aus, bekommen sie oft eine Abfindung. Bei längerer Zeit im Unternehmen können dabei durchaus sechsstellige Summen zustande kommen. Diese sind in voller Höhe lohnsteuerpflichtig, erklärt die Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz. Wegen des progressiven Verlaufs des Steuersatzes kann eine hohe Abfindung die Steuerbelastung stark erhöhen. Eine Abfindung kann

aber nach der sogenannten Fünftelregelung ermäßigt besteuert und fiktiv auf fünf Jahre verteilt werden, sofern es sich um außerordentliche Einkünfte handelt. Diese liegen vor, wenn die Abfindung innerhalb eines Kalenderjahrs gezahlt wird und die Abfindung höher ist als der Arbeitslohn, den der Beschäftigte bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahresende noch bezogen hätte. Ein Rechenbeispiel:

Ein zusammen veranlagtes Ehepaar kommt zusammen auf einen Bruttoarbeitslohn von 80 000 Euro (je Ehegatte 40 000 Euro). Abzüglich Werbungskosten und Vorsorgeaufwendungen liegt das zu versteuernde Einkommen bei 67500 Euro. Die Einkommensteuer beträgt im Splittingtarif rund 12 700 Euro. Wenn ein Ehepartner im gleichen Jahr eine Abfindung von 100000 Euro erhält, würde dadurch die Steuerlast auf rund 52400

Euro anwachsen. Bei Anwendung der Fünftelregelung beträgt die Steuerlast der Eheleute aber nur rund 46700 Euro. Eine weitere Möglichkeit, die Steuerlast zu mindern, ist die Einzahlung eines Teils der Abfindung in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds. Dabei ist jedoch ein Höchstbetrag zu beachten: Dieser liegt bei vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung und wird

mit der Anzahl der Jahre (maximal zehn) multipliziert, die das Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Beispiel: Vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze, die 2021 in den neuen Bundesländern bei 7100 Euro liegt, sind 284 Euro. Bei zehn oder mehr Beschäftigungsjahren in der gleichen Firma dürften also 284 Euro mal 12 (Monate) mal 10 (Jahre), also insgesamt 34 080 Euro, steuerfrei in Versicherung oder Pensionskasse fließen. dpa

Foto:imago/CTKPhoto

desto häufiger seien üppige Abfindungen zahlbar, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Das liege vor allem an der Rechtslage. „Für große Unternehmen sind die Voraussetzungen für rechtssichere, betriebsbedingte Kündigungen wie die Sozialauswahl und die Darlegung der Kündigungsgründe als unmittelbare Folge der betrieblichen Situation kaum zu erfüllen. In kleinen Unternehmen ist das anders, hier kann man sich aufgrund der wirtschaftlichen Lage keine großen Abfindungssummen leisten, zum anderen mag aber auch die Aussicht auf Erfolg vor dem Arbeitsgericht größer sein“, sagt Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt. Im Fokus des freiwilligen Stellenabbaus stehen oftmals ruhestandnahe Mitarbeiter. Wenn sie gehen, geht jedoch auch Knowhow. „Deshalb ist es so wichtig, dass Unternehmen ein Wissensmanagement auf- und ausbauen, in dem ältere Mitarbeiter kontinuierlich ihr Wissen und ihre Erfahrungen im Arbeitsalltag mit jüngeren Kollegen teilen. Sonst geht Wissen verloren“, warnt der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands. Zwar liegt der Fokus auf älteren Kollegen, doch lohnt es sich auch für jüngere Mitarbeiter, das Geld mitzunehmen, freiwillig das Unternehmen zu verlassen und schnell eine andere Arbeitsstelle zu suchen? Immerhin ist die Arbeitsmarktsituation in der Region gut, Fachkräfte werden in vielen Branchen händeringend gesucht – trotz Corona-Pandemie. Bei Elster in Büren haben Mitarbeiter, die freiwillig gehen, auch die Möglichkeit, in eine Transfergesellschaft einzutreten, die sich um die Weiterbildung und Weitervermittlung in neue Jobs kümmert. Gleiches will die MeyerWerft-Tochter Neptun Werft ihren Mitarbeitern anbieten, die entsprechende Angebote annehmen. Während einer festgelegten Laufzeit erhalten Elster-Mitarbeiter dann ein monatliches Einkommen von 85 Prozent des bisherigen Nettogehalts. Ein Blick in die Daten der Agentur für Arbeit zeigt, dass der Eintritt in eine Transfergesellschaft ein zweischneidiges Schwert ist und wohlüberlegt sein will. Zum September 2020 – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – bezogen bundesweit rund 13 500 Menschen

Transferkurzarbeitergeld, davon kamen mehr als 1350 aus Niedersachsen und Bremen. Viele von ihnen, die zum Zeitpunkt der Erhebung bundesweit aus dem Transferkurzarbeitergeld ausgeschieden sind, taten dies, weil sie einen neuen Job gefunden hatten – insgesamt 546 Menschen. Allerdings, die mit 719 deutlich höhere Zahl war mit dem Abgang arbeitslos. Für Gewerkschafter Stephan Soldanski lohnt es sich auch, genauer hinzuschauen: „In der Regel ist die Summe aus Alter, Qualifikation und Bereitschaft zur Weiterbildung eine gute Grundlage für eine neue Chance am Arbeitsmarkt.“ Und noch: „Nicht überall sind eine 35-/38-Stunden-Woche, Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder sonstige tarifliche Leistungen Realität“, gibt Soldanski zu bedenken. Ganz im Gegenteil: Laut Arbeitgeberverband BDA hatten zuletzt mehr als 50 Prozent aller Betriebe in Deutschland keine Tarifbindung und orientierten sich auch nicht am Branchentarifvertrag. Insofern bleibt die Frage nach der persönlichen Perspektive, wenn eine Abfindung angenommen wird, wie Soldanski betont. Habe ich bereits einen neuen Arbeitsplatz fest oder in Aussicht, wie sind dort die Konditionen – darüber müsse sich der Mitarbeiter Gedanken machen, so der Gewerkschafter. Zumal bei einem Aufhebungsvertrag ohne Beschäftigung gegebenenfalls sogar eine Sperre beim Arbeitslosengeld drohe. Wenn Firmen in der Region einen Arbeitsplatzabbau ankündigten und die Gewerkschaft bei der Sozialplanverhandlung unterstütze, gehe es jedoch in erster Linie nicht immer unbedingt um die Höhe von Abfindungen, betont Stephan Soldanski. „Zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen suchen wir zunächst nach beschäftigungsorientierten Lösungen, anstatt in erster Linie vor allem über die Höhe und Ausgestaltung von Abfindungen zu verhandeln“, sagt er. „ Sichtbar wird dies insbesondere in Vereinbarungen, die Transfermaßnahmen für diejenigen Beschäftigten vorsehen, deren Arbeitsplatz entfällt. Für uns sind betriebsbedingte Kündigungen das letzte aller verfügbaren Mittel.“


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DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

GELD & GESCHÄFT

Teilverkauf des Eigenheims als Finanzpolster? Anbieter berichten von steigender Nachfrage / Verbraucherschützer sehen Risiken allein beim Hausbesitzer VON STEFANIE ADOMEIT OSNABRÜCK In der Immobilienbranche gewinnt ein neues Geschäftsmodell immer mehr an Bedeutung: Zielgruppe sind Best Ager, die sich das Quäntchen mehr leisten möchten, ohne das eigene Haus aufzugeben. Teilkauf heißt das Konzept, das spezialisierte Unternehmen wie Heimkapital, Wertfaktor und Deutsche Teilkauf oder Makler wie Engels & Völker und McMakler derzeit intensiv bewerben. Alle berichten von steigender Nachfrage. Verbrauchschützer sind skeptisch, zahlreiche Kunden begeistert. Das Prinzip: Der Hauseigentümer verkauft bis zu 50 Prozent seiner Immobilie – mindestens im Wert von 100 000 Euro – an den Teilkäufer. Steuerfrei, wenn er sie lange genug besessen hat. Den Wert bestimmt ein unabhängiger Gutachter. Das Geld wird ausgezahlt. Der Teilkäufer wird stiller Miteigentümer. Die Alteigentümer können ihre Immobilie bewohnen, vermieten, ihren Teil vererben, den verkauften Teil zurückkaufen oder das Objekt gemeinsam mit den Teilkäufern veräußern. Sie allein entscheiden über Renovierung oder Umbau. In unterschiedlichen Aspekten unterscheidet sich der Teilverkauf damit von Leibrente, Nießbrauch und Umkehrhypothek oder dem klassischen Kredit. Was die Hauseigentümer mit dem Geld machen? Alles. Die Anbieter erzählen von der Südamerika-Rundreise und einem Jacuzzi für den Garten, einem neuen Dach, dem Lebenstraum Wohnmobil, dem Häuschen am Meer oder der Unterstützung der Kinder beim Kauf einer eigenen Immobilie. Pionier auf dem deutschen Markt war 2018 nach eigenen Angaben Wertfaktor mit Sitz in Hamburg. „Wir sind die Erfinder“, sagt Geschäftsführer Christoph Neuhaus. „Unsere Motivation war der Gedanke, dass die Kapitalisierung von Immobilien besser funktionieren musste als mit den bekannten Modellen.“ 2019 sei Wertkauf noch weitgehend allein auf dem Markt gewesen, seitdem kamen einige Mitbewerber hinzu. Seit Gründung hat das Unternehmen, so Neuhaus, Anteile von über 400 Eigenheimen im Wert von rund 165 Millionen Euro erworben, davon 50 in Niedersachsen. In der Nachbarschaft haben Hausbesitzer in Recke, Hörstel und Rheine einen Vertrag mit Wertfaktor unterzeichnet. Investoren im Hintergrund sorgen für den Geldfluss, möchten dafür aber auch eine Rendite sehen. Der Teilkauf, wirbt Neuhaus für sein Modell, sei deutlich flexibler und fairer aufgebaut als beispielsweise eine Umkehrhypothek. „Da erhält der Kunde zwar eine Summe, verliert aber zwei Drittel des Wertes.“ Ähnlich sieht es Dimitrij Miller, Geschäftsführer von Heimkapital in München. „Bei der Leib-

rente zahlen viele Kunden einen Risikoabschlag von 30 Prozent auf den Marktwert und müssen das Objekt komplett überschreiben.“ Auch findet er es „unsexy“, eine Wette auf den frühen Tod des Kunden abzuschließen. Die Münchner sind noch frisch auf dem Markt, erst im dritten Quartal 2020 gestartet, „weil es keine gute Lösung für Kunden gab, die Kapitalbedarf haben, aber in ihrer Immobilie wohnen möchten“. Miller war zuvor bei der Deutschen Bank in London. „Dort ist Equity Release ein total etabliertes Finanzprodukt, das knapp 50 000mal pro Jahr abgeschlossen wird.“ Heimkapital habe es an den deutschen Markt angepasst. Beim Teilkauf gehe es um die Frage, wie viel Liquidität gewünscht werde. „Das wird ausgezahlt. Und am meisten schätzen unsere Kunden, dass sie ihr Eigentum behalten und mit dem Geld machen können, was sie möchten“, bestätigt Neuhaus. Diese Kunden sind im Schnitt 67 bis 69 Jahre alt, zwei Drittel sind Paare, die meisten sehr aktiv, berichten Teilkaufunternehmen. Die Verkäufer schätzten, dass ihre Erben durch den Verkauf des Hauses nicht belastet würden und es überhaupt noch ein Erbe gebe, das sie hinterlassen könnten. Doch es gibt auch Belastungen für die Verkäufer. Sie zahlen, angelehnt an den verkauften Anteil, ein monatliches Nutzungsentgelt, ähnlich einer Miete. Diese liegt jährlich bei 3 bis 3,5 Prozent des verkauften Immobilienwerts – je nach Laufzeit. Bei einem Teilverkauf von 100 000 Euro fallen monatlich also gut 240 Euro an. Hinzu kommt beim Verkauf, ob vor oder nach dem Tod der Hausbewohner, ein Durchführungsentgelt in Höhe von meist 3,2 bis 4,5 Prozent des Hauswertes. Dafür müssten sich die Kunden aber auch um nichts kümmern, betont die Branche. Die Kosten für Vermarktung, Besichtigungen, Notar, Grundbuchamt usw. sind inklusive. Ein Rundum-Service, der etwa 85-Jährigen, die ihren Umzug in eine Seniorenresidenz planten, viele Wege und Stress erspare. Als ein Hauptgrund für den Teilverkauf einer Immobilie kristallisiert sich in den Gesprächen mit Unternehmen und Kunden vor allem ein Argument heraus: ein psychologisches. Gerade Immobilien sind höchst emotional besetzt. Viele Senioren wollen sich nicht mehr verschulden. Sie haben ihre Häuser jahrzehntelang abbezahlt und möchten nicht mehr mit ihrer Bank um Kredite verhandeln. Deutlich besser gefällt es ihnen, als selbstbewusster Verkäufer aufzutreten. „Bei uns geht es um ein Gespräch auf Augenhöhe. Die Kunden sind keine Bittsteller, keiner muss, salopp gesagt, die Hosen herunterlassen“, sagt Dimitrij Miller.

Illustration:Matthias Michel

Hinzu kommt, dass die Banken in der Vergabe deutlich restriktiver geworden sind, Stichwort Kreditrichtlinie. Umfragen bestätigen das: Da lässt sich mit über 60 oder 70 Jahren vielleicht noch über ein Darlehen für Heizung oder Wintergarten verhandeln, aber kaum für den neuen Camper oder das Extra für ein schönes Leben. Andere Hausbesitzer bekämen aufgrund ihrer schmalen Rente gar keinen Kredit mehr, erzählt Christiane Rehländer, Senior Manager Corporate Communications bei Engel & Völkers in Hamburg, das sein Teilkauf-Modell seit einem guten Jahr unter dem Namen Liquid Home vermarktet.

ZUR SACHE

Andere Modelle der Immobilienverrentung Umkehrhypothek: Der Darlehensgeber, ob Bank oder Versicherung, nimmt die Immobilie als Kreditsicherheit und lässt sich eine verbriefte Grundschuld eintragen. Der Besitzer von Haus oder Wohnung bleibt Eigentümer und auch dort wohnen.

Anders als bei einer normalen Hypothek muss der Darlehensnehmer keine laufenden Zinsen oder eine Tilgung zahlen. Diese Kosten werden bis zum Ablauf des Kredites, der mit dem Auszug oder dem Tod eintritt, nicht in Rechnung gestellt. Die Im-

mobilie wird dann verkauft, und der Erlös zahlt den Kredit mit einem Schlag ab.

er dem bisherigen Besitzer ein lebenslanges Wohnrecht ein. Der neue Besitzer ist für Reparaturen und InstandhalLeibrente: Hier wird die tung zuständig. AllerImmobilie verkauft, und dings wird beim Verkauf der neue Eigentümer einer Kapitalanlage ein zahlt den Kaufpreis bis deutlich geringerer Preis zum Lebensende als erzielt als beim Verkauf Rente aus. Auch räumt an Selbstnutzer.

„Die ausgezahlte Durchschnittssumme beim Teilverkauf beträgt rund 200 000 Euro, der Durchschnittsanteil, der verkauft wird, liegt bei etwa 40 Prozent.“ Das deckt sich mit den Angaben anderer Anbieter. Der Gesamtwert der Immobilie bei Wertfaktor liegt bei 460 000 Euro, „einem normalen Mittelstandshaus“, so Neuhaus. Zwar ist der Hausbesitzer weiterhin allein für Instandsetzung und Modernisierung zuständig. „Plant er aber mit dem Teilverkauf eine Modernisierung, lassen wir das in den Wert einfließen“, sagt Rehländer. Wertkauf beteiligt sich seit Neuestem an einer Aufwertung nach KfW-Standard und Reparaturen. Für den Kunden, der sein unbequemes Segelboot aufgrund seines Alters mit einem Motorboot tauscht, gilt das natürlich nicht. Andere Kunden zahlen ihr Nutzungsentgelt aus der Miete, die sie für eine Einliegerwohnung erhalten. Dritte zahlen ihren Partner bei Scheidung aus und können das Haus trotzdem noch einige Jahre halten, bis die Kinder groß sind. Und manchen geht es schlicht darum, sich einen schönen Lebensabend zu machen. Die Region Osnabrück hält Miller in München aufgrund des Wertzuwachses der hiesigen Im-

„Die Kunden sind keine Bittsteller, keiner muss, salopp gesagt, die Hosen herunterlassen.“ Dimitrij Miller, Geschäftsführer von Heimkapital, München

mobilien für einen „total spannenden Markt“. Auch das Emsland, Oldenburg, Münster und Warendorf nimmt das Unternehmen, das seine Geschäfte vor allem telefonisch und digital abwickelt, verstärkt in den Blick. „Wir hoffen, dass wir bald auch wieder Informationsveranstaltungen durchführen dürfen.“ Zwölf Mitarbeiter beschäftigt er aktuell, in zwei Monaten sollen es 20 sein. Einen Riesenmarkt sieht auch Christoph Neuhaus: „Der Teilkauf ist definitiv ein Modell für die nächsten Jahre. Schon jetzt besitzen die über 65-Jährigen fünf MiIlionen Immobilien. In einigen Jahren werden es sechs Millionen sein.“ Schon jetzt freue er sich über 230 aktive Interessenten allein in Niedersachsen. Weniger begeistert sind die Verbraucherzentralen in Niedersachsen von der Goldgräberstimmung in der Branche: Finanzexperte Stefan Adam sagte unserer Redaktion: „Wer das durchrechnet, ist ernüchtert, denn die Risiken liegen beim Hauseigentümer, die Vorteile bei den Teilkäufern.“ So sei der Alteigentümer für die Instandhaltung zuständig und zahle ein Nutzungsentgelt, einige Anbieter hätten aber eine Sicherheitsklausel, die ihnen eine Mindestvergütung garantiere, wenn das Objekt an Wert verlieren sollte. Adam mahnt, das eigene Haus nicht um jeden Preis zu erhalten. „Wenn ich keinen Kredit bekomme, sollte ich über einen Komplettverkauf nachdenken und die Immobilie eventuell zurückmieten.“ Finanzmathematisch betrachtet, sei der Teilverkauf nicht die beste Lösung. Reine Konsumkredite sähen die Kreditinstitute tatsächlich nicht gerne: „Das sollte ihnen bei der Absicherung durch eine Immobilie aber eigentlich egal sein.“ Überzeugt vom Teilverkauf ist dagegen ein Ehepaar aus der Nähe von Bremen. In Weyhe bewohnen Petra und Klaus Mertens (Namen geändert) ein Zweifamilienhaus, dessen 2000 Quadratmeter großes Grundstück an ein Naturschutzgebiet grenzt. Es ist Petra Mertens’ 50 Jahre altes Elternhaus, „ein Kleinod“, schwärmt sie. Doch an die Instandsetzung hätten sie und ihr Mann lange nicht gedacht: „Wir haben vor allem gearbeitet.“ Das ist jetzt vorbei. Eine neue Gasheizung musste her, ein neues halbes Auto, Rücklagen für weitere Reparaturen fehlten, und ein Wohnmobil für das reiselustige Paar stand auch noch auf der Agenda. „Wir hatten schon daran gedacht, das Haus zu verkaufen und in eine Eigentumswohnung zu ziehen. Das hätte mir aber das Herz gebrochen.“ Stattdessen haben sie vor drei Jahren, als 18. Kundin der Firma Wertfaktor, die Hälfte ihres Hauses verkauft. 420 000 Euro ist das Objekt wert, 210 000 Euro erhielten sie. „Wir wollten uns das Modell eigentlich nur mal anhören und haben uns erst anschließend richtig damit beschäftigt.“ Dann ging es schnell: „Das Konzept ist schlüssig und unkompliziert. Das hat uns überzeugt.“ Das monatliche Nutzungsentgelt tue ihnen, er war selbstständig, sie im öffentlichen Dienst tätig, nicht weh. Wenn keiner von beiden mehr da sein wird, soll die jüngste Tochter den Hausteil erben. „Sie kann sich überlegen, was sie damit tun will. Das ist mir dann egal“, sagt Petra Mertens. „Aber bis dahin bekommt mich hier keiner raus. Das ist ein gutes Gefühl.“


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DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

GELD & GESCHÄFT

Wirtschaftsfaktor Haustier Hersteller von Heimtierfutter kämpfen mit Preisanhebungen für Rohstoffe und Verpackungsmaterial VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Corona bringt Leben in deutsche Haushalte. Die Deutschen halten immer mehr Tiere in ihren Häusern und Wohnungen. Egal ob Hund, Katze, Kanarienvogel oder Zierfisch, sie alle wollen artgerecht und gesund ernährt werden. Die Geschäfte der Hersteller von Heimtierfutter in der Region müssten vor diesem Hintergrund blendend laufen. Rohstoffe in der Futtermittelproduktion haben sich seit Jahresbeginn deutlich verteuert. Allein seit Januar seien die Einkaufspreise wichtiger Zutaten um zehn bis 20 Prozent gestiegen, berichtete die Tageszeitung „DieWelt“ unter Bezug auf Georg Müller, Chef und Inhaber des bayerischen Tiernahrungsherstellers Interquell. Aus Branchenkreisen ist ferner zu erfahren, dass insbesondere Getreide und Schlachtnebenprodukte teurer geworden sind. Hinzu kämen höhere Kosten für Energie und Verpackungsmaterial. Ein wachsender Bedarf, steigende Preise bei Rohstoffen, Energie und Produktionsmitteln – wie wirkt sich das auf das Geschäft der Produzenten von Heimtierfutter aus? „Im vergangenen Jahr verzeichnete unser Geschäftsbereich Pet Food gute Wachstumsraten, wie auch schon in den Jahren davor“, sagt Christina Witter, Sprecherin der börsennotierten Symrise AG mit Sitz in Holzminden: „Zum Teil liegt das sicher an der steigenden Zahl der Haustiere weltweit. Die Umsätze sind im niedrigen zweistelligen Prozentbereich gewachsen.“ Die Sparte Pet Food von Symrise vertreibt weltweit sensorische und funktionale Inhaltsstoffe für Heimtiernahrung. Auf einen weltweiten Trend verweist auch Koord Janssen, Mitglied der Geschäftsführung von Tetra aus Melle. Das Traditionsunternehmen ist Weltmarktführer bei Zierfischfutter. „Die Heimtierbranche hat sich während der Corona-Pandemie grundsätzlich recht positiv entwickelt“, so Janssen, „diesen Trend kann man weltweit feststellen.“ Den Branchenschwergewichten schließt sich Clemens Dingmann an, er ist Geschäftsführer der cdVet Naturprodukte in Fürstenau. Das 1999 gegründete Unternehmen produziert laut eigenen Angaben „rein natürliche Futtermittel, Futterergänzungen und Pflegemittel“. Ziel sei es, „die Notwendigkeit von Medikamenten und Präventivantibiotika in der Tierhaltung mit durchdachten Ernährungs- und Pflegekonzepten erheblich zu verringern“. Bedingt durch die Corona-Krise, habe man bei cdVet eine deutlich höhere Nachfrage im Segment Hund, Katze und Heimtier wahrgenommen, gibt Dingmann zu Protokoll. Beim Thema Rohstoffpreise werden die Unternehmensvertreter etOSNABRÜCK

PflegeundFutterihrervierbeinigenBegleiter lassensich dieDeutschenproJahreinigeskosten –mit rund150Euro imMonat mussmanrechnen.

was konkreter. Bei Tetra sehe man sich in ganz unterschiedlichen Bereichen mit Verknappung und gestiegenen Beschaffungskosten konfrontiert, so Koord Janssen: „Das gilt für reine Rohstoffe wie zum Beispiel Mais oder Weizen, die im letzten Jahr auf dem Weltmarkt deutlich zweistellig im Preis gestiegen sind. Aber auch die Kosten für Verpackungsmaterialien wie Kunststoffe für den Lebensmittelbereich sind teilweise sehr deutlich gestiegen.“ Zudem verzeichnet Tetra höhere Kosten für Containertransporte. Abhängig von den Routen, gebe es auch einen Engpass beim verfüg-

„Bei einigen Zutaten haben sich die Lieferzeiten von bisher drei Wochen auf bis zu neun Monate verlängert.“ Clemens Dingmann, cdVet-Geschäftsführer

baren Schiffsraum, der sich auf die Preise auswirke. Bei einigen Einsatzmaterialien hätten sich Angebot und Nachfrage verschoben, erklärt Janssen: „Produzenten und Lieferanten steuern die Warenflüsse natürlich in Richtung der Branchen, in denen sie den besten Preis erzielen.“ Diese Preise seien kurzbis mittelfristig zu akzeptieren, denn Inhaltsstoffe und Zusammensetzungen von Heimtierfutter ließen sich nicht kurzfristig umstellen. Von „Herausforderungen in der Rohstoffbeschaffung“ spricht cdVet-Geschäftsführer Dingmann. Zwar halte man grundsätzlich höhere Reserven vor, die Situation bei der Beschaffung der Rohstoffe verbessere sich aber nicht. „Bei einigen Zutaten oder auch bei Verpackungsmitteln haben sich die Lieferzeiten von bisher drei Wochen auf teilweise bis zu neun Monate verlängert. Dazu kommt, dass in einigen Bereichen die Preise steigen“, so Dingmann. Man hoffe darauf, dass die Verknappung mittelfristig nachlasse und eine gewisse Normalisierung eintrete. Bei Symrise hingegen schätzt man die Lage offenbar überhaupt nicht als unnormal ein. „Wir beziehen etwa 10 000 Rohstoffe für etwa 30 000 Produkte weltweit“, sagt Unternehmenssprecherin Witter: „Da diese meist aus der Natur stammen, unterliegen sie den üblichen Ernte- und damit auch Preisschwankungen. Unser globales Lieferantennetzwerk hilft uns, schwankende regionale Verfügbarkeiten auszugleichen.“ Weiter verweist sie darauf, dass man bei Symrise vermehrt auf Rohstoffe aus

Seitenströmen sowie nachwachsenden Rohstoffen aus verbundenen Industrien setze. Als Beispiel für „Seitenströme“ nennt sie Zitronenschalen, aus diesen extrahiere man ätherische Öle für Duftkompositio-

Foto: dpa/Christin Klose

nen. Auch Wasserdampf aus der Obst- und Gemüseverarbeitung lasse sich nutzen, so Witter. Er enthalte wichtige Geschmackskomponenten, die anderenfalls verloren gingen.

Kommen die Hersteller von Heimtierfutter angesichts der steigenden Kosten um Preiserhöhungen herum? Symrise-Sprecherin Witter nimmt zu dieser Frage nur ausweichend Stellung. „Höhere Preise sind natürlich nicht einfach durchzusetzen und orientieren sich insbesondere an gestiegenen Bezugskosten für Rohmaterialien“, erklärt sie. Eindeutiger fällt die Antwort von Koord Janssen aus. Der Preisanstieg bei Rohstoffen, anderen Einsatzmaterialien und auch logistischen Kosten habe unweigerlich einen Einfluss auf die Preisstellung, sagt der Manager. Ein Hersteller könne das nicht ohne Weiteres absorbieren. „Preissteigerungen, wie wir sie in den letzten Monaten gesehen haben, gehen deutlich über den inflationären Bereich hinaus und müssen auch weitergegeben werden“, so Janssen weiter, verweist aber einschränkend darauf, dass dies nicht ohne zeitliche Verzögerungen eins zu eins möglich sei. Möglicherweise kann so auch die Stellungnahme von Clemens Dingmann (cdVet) verstanden werden. Die Preisgestaltung seines Unternehmens bleibe unverändert, sagt er, man ziele nicht darauf ab, in diesen Tagen zusätzliche Gewinne zu erzielen. „Preisanpassungen erfolgen nur, wenn sie unvermeidbar sind – wie bei deutlichen Steigerungen der Beschaffungskosten“, so Dingmann.

Würden Sie eine Hintertür für Hacker erkennen, wenn Sie eine sehen?

ZUR SACHE

Katzen sind die Lieblingshaustiere der Deutschen Im Corona-Jahr 2020 sind die Deutschen richtig auf den Hund gekommen – und auf die Katze. Nach Angaben des Verbands für das deutsche Hundewesen (VDH) wurden rund 20 Prozent mehr Hunde gekauft als in den Jahren zuvor. Städte und Gemeinden nahmen mehr Hundesteuer ein. Allein in den ersten drei Quartalen waren es laut dem Statistischen Bundesamt rund 331 Millio-

nen Euro, plus 2,5 Prozent. Nach Angaben des Industrieverbands Heimtierbedarf (IVH) wuchs der Umsatz von Hundefutter 2020 im stationären Handel um vier Prozent auf 1,567 Milliarden Euro. Mit einem Gesamtumsatz von 1,680 Milliarden Euro (plus 5,3 Prozent) ist der Markt für Katzenfutter noch größer. Das gesamte Segment „Heimtier-Fertignahrung“ verzeichnete laut

IVH im Fach- und Lebensmitteleinzelhandel 2020 ein Umsatzplus von 4,6 Prozent auf 3,460 Milliarden Euro. Der Bereich Kleintierfutter verbuchte als drittstärkstes Segment einen Zuwachs von 4,6 Prozent auf 91 Millionen Euro. Positiv fiel auch die Bilanz für die Produzenten von Zierfischfutter (55 Millionen Euro, plus 3,8 Prozent) und Ziervogelfutter (67 Millionen Euro, plus 3,1

Prozent) aus. Laut IVH wurden 2020 in Deutschland in 47 Prozent aller Haushalte Heimtiere gehalten. Die Deutschen leben demnach mit 34,9 Millionen Hunden, Katzen, Kleinsäugern und Ziervögeln zusammen. Hinzu kämen zahlreiche Zierfische und Terrarientiere. Lieblingstier Nummer eins sei mit 15,7 Millionen die Katze. An zweiter Stelle folgen 10,7 Millionen Hunde.

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DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

GELD & GESCHÄFT

Mehr Immobilien unterm Hammer? Häuser und Wohnungen finden im Moment häufig über dem Verkehrswert einen Käufer / Kaum noch Schnäppchen VON ANDRÉ POTTEBAUM OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

Seit Jahren werden Häuser und Wohnungen immer teurer. In Städten wie München, Frankfurt und Berlin sind Mieten kaum mehr zu bezahlen – und doch stehen Interessenten, selbst für in die Jahre gekommene oder abgelegene Objekte, Schlange. Bei Eigentumswohnungen oder Ein- und Zweifamilienhäusern ist die Lage kaum besser. Makler und Eigentümer erzielen mitunter Preise, die ein Vielfaches über dem eigentlichen Wert liegen. Ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. Laut einer Studie der Hamburger Immobilienspezialisten F+B verteuerten sich Immobilien trotz der Corona-Krise in den vergangenen Monaten erneut. Eigentumswohnungen waren demnach im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum letzten Quartal 2020 um 2,3 Prozent teurer, im Vergleich zum Vorjahr sogar um 4,8 Prozent. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern erhöhten sich die Preise seit Ende 2020 um 2 Prozent und um 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während Häuser und Wohnungen in der Regel über einen Makler oder direkt zwischen Eigentümer und potenziellen Käufern gehandelt werden, finden Kaufinteressenten mitunter auch vor Gericht PAPENBURG/NORDHORN

UnterdenHammer kommenproJahrTausende HäuserundWohnungen –meistist dieFinanzierungdesObjekts gescheitert.

ein passendes Objekt. Dort landen Grundstücke und Immobilien, wenn Raten nicht bezahlt werden können und eine Einigung zwischen dem Geldinstitut und dem

„Was mich motiviert? Bunt!“

Kreditnehmer ausbleibt. Laut dem Zwangsversteigerungsgesetz werden dann die Amtsgerichte tätig, in deren Bezirk Grundstücke, Häuser und Eigentumswohnungen liegen.

Zufriedene Mitarbeiter bekommen den Grafschaft-Gutschein

✓ frei von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bis mtl. 44 € pro Mitarbeiter ✓ ideal zur Entgeltoptimierung ✓ Stärkung des Arbeitgeberstandortes ✓ digital oder als dekorativer Vordruck erhältlich ✓ kinderleichte Handhabung

Foto: dpa/Christin Klose

Die Versteigerungen finden in der Regel acht bis zehn Monate später statt und ähneln im Kern einer klassischen Auktion, wie es auf Nachfrage beim Amtsgericht Osnabrück heißt. Das gelte auch für die Amtsgerichte im Emsland, der Grafschaft Bentheim sowie in Bad Iburg. Kaufinteressenten können sich vorab online über die einzelnen Objekte informieren, ausführliche Gutachten bei den Gerichten einholen und schließlich an der Zwangsversteigerung teilnehmen, die in der Regel recht unspektakulär in einem der Gerichtssäle stattfindet. Dass es auch anders geht, zeigte im Frühjahr das Amtsgericht Osnabrück, das kurzerhand eine der Zwangsversteigerungen nach draußen verlegte, um den CoronaSchutzmaßnahmen zu entsprechen. Eine Wiese neben dem Gerichtsgebäude, auf der ein paar Pavillons, Tische und Bänke aufgebaut wurden, wurde so zur Outdoor-Versteigerungsfläche – die bei den Besuchern durchaus Anklang fand, wie einer der Rechtspfleger des Amtsgerichtes, die die Zwangsversteigerungen durchführen, im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Doch eignen sich die Versteigerungen nun, um ein gutes Geschäft zu machen? „Im Moment ist es so, dass die Immobilien in der Regel über dem Verkehrswert versteigert werden“, sagt der Rechtspfleger. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Eine der Wohnungen etwa, die an jenem Frühjahrstag auf der Wiese neben dem Amtsgericht gehandelt wurde, wechselte

am Ende für 103 000 Euro den Besitzer – der Wert der Immobilie wurde zuvor auf 50 000 Euro festgelegt. Dabei seien Zwangsversteigerungen lange Zeit bei Schnäppchenjägern besonders beliebt gewesen, sagt Nils Hülshoff, vereidigter Sachverständiger im Bereich der Immobilienbewertung. Hülshoff bewertet im Auftrag des Amtsgerichtes Osnabrück Immobilien und Grundstücke nach deren Wert. Vor Ort nimmt er, sofern möglich, Grund-

„Der Trend ist, dass die Leute sehr viel selber machen wollen, um mehr Geld bieten zu können.“ Nils Hülshoff, vereidigter Sachverständiger

stücke, Häuser und Wohnungen in Augenschein und schätzt mithilfe von Bauakten und anderen Unterlagen, wie viel man auf den Tisch legen müsste, um ebenjenes Objekt zu kaufen. Die Immobilien, die unter den Hammer kommen, seien oftmals „problembehaftete Häuser“, die Lage sei schwierig oder der Zustand einfach schlecht, sagt er. Außerdem stecke viel Fantasie dahinter, wie die Objekte saniert oder renoviert werden müssten. „Der Trend ist derzeit eher so, dass die Leute sehr viel selber machen wollen, um mehr Geld bei den Versteigerungen bieten zu können“, so der Experte. Das treibe die Preise nach oben, aber auch die Wohnungsnot auf dem Markt und der generelle Boom der Immobilienbranche könnten zur Folge haben, dass Schnäppchenjäger nur noch selten auf ihre Kosten kommen. Eine Einschätzung, die Immobilien- und Finanzexperten teilen. Denn seit Jahren sinkt die Zahl der zwangsversteigerten Immobilien in Deutschland – guter Konjunktur und niedrigen Zinsen sei Dank. 2020 gingen nach Angaben des Fachverlags Argetra 14 853 Immobilien im Wert von rund 3,1 Milliarden Euro in die Versteigerung. Pro 100 000 Haushalte waren 36 von einer Zwangsversteigerung betroffen. Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr: 2019 waren es noch 42. Damals landeten 17 600 Immobilien mit einem Gesamtvolumen von 3,4 Milliarden Euro unter dem Hammer. Eine Entwicklung, die auch die Corona-Pandemie bislang nicht stoppen konnte. Nach Angaben der Sparkasse Osnabrück etwa hat die Corona-Krise bislang keine „signifikanten Auswirkungen“ auf die Tilgung von Krediten und Darlehen gehabt. Auch gebe es derzeit keine Anzeichen dafür, dass in naher Zukunft deutlich mehr Grundstücke und Immobilien zwangsversteigert werden müssten, wie Silke Schlukat, Leiterin der Immobilienberatung Nord-Ost, unserer Redaktion erklärt. Die Immobilien Investment Akademie (IIA) sieht dies jedoch anders. Schon vor einigen Monaten sagte das Institut, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie erst mit deutlicher Verzögerung zu spüren seien. Die IIA geht davon aus, dass es eine Zunahme von Unternehmensinsolvenzen geben könnte, was wiederum zur Folge hätte, dass Arbeitsplätze verloren gehen würden – und Kreditnehmer möglicherweise ihre Raten und Kredite für Grundstücke, Häuser und Immobilien nicht mehr bedienen könnten. Schon in einigen Monaten könnten Banken Alarm schlagen – und am Ende etliche Objekte vor den Gerichten zwangsversteigert werden.

ZUR SACHE

Online-Versteigerungshaus der Justiz

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Vor einigen Jahren hat sich die deutsche Justiz mit einem Online-Versteigerungshaus in die Welt des Internet-Business vorgewagt. Von der Justiz gepfändete, beschlagnahmte, eingezogene oder ausgesonderte Gegenstände können seitdem ähnlich wie auf dem Online-Marktplatz von Ebay ersteigert werden. Teilnehmen kann jeder. Bei den Verkäufern handelt es sich jedoch

ausschließlich um die Justizbehörden mit ihren Gerichten, Staatsanwaltschaften und Vollstreckungsorganen sowie weiteren Institutionen. Ersteigert werden können demnach elektronische Waren wie Computer, Spielkonsolen, Smartphones oder Tablets, Fahrzeuge (Pkw, Lkw usw.), Schmuck, Bekleidung, Bücher, Haushaltsgegenstände, Kosmeti-

ka, verschiedenes Werkzeug und Maschinen, Sport- und Freizeitartikel wie Fahrräder sowie Möbel, Antiquitäten und Bilder – also alle Gegenstände, die von den Behörden gepfändet oder sonstwie eingezogen werden können. Nach eigenen Angaben hat die Onlineauktion den Vorteil, dass ein größeres Publikum mitbieten könne, während in der Vergangen-

heit verfallene oder eingezogene Gegenstände durch Gerichtsvollzieher in der jeweiligen Behörde versteigert wurden und somit nur ein kleiner, lokaler Personenkreis von der Versteigerung wusste und teilnehmen konnte. In Niedersachsen ist nach Angaben der Justiz das Amtsgericht Osnabrück Anlaufstelle bei Fragen und Anliegen rund um die Justiz-Auktion.


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GELD & GESCHÄFT

140 Millionen Euro an Corona-Hilfe für die Region NBank unterstützt Firmen in die Krise / In diesem Jahr schon 75000 Anträge genehmigt / Viel Dynamik im Bereich Ernährung

PAPENBURG/NORDHORN Ob das Berufsbildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim in Osnabrück, das systematische Energiemanagement der Hochschule oder die Optimierung des Ressourcen- und Energiemanagements bei Schuchmann in Hasbergen, all das sind regionale Maßnahmen und Projekte, die von der niedersächsischen Förderbank NBank im vergangenen Jahr Unterstützung bekommen haben. Allerdings: Projekte ohne Bezug zur Corona-Pandemie haben nur einen kleinen Teil der Kredite und Zuschüsse ausgemacht, die die NBank bewilligt hat. „Das Förderjahr war massiv von Corona geprägt und hat unsere Fördersumme insgesamt sowie die Zahl der Beratungen und Anträge in die Höhe schnellen lassen“, so Michael Kiesewetter, Vorstandsvorsitzender der NBank. Und auch in diesem Jahr reißt die Nachfrage nach Hilfsgeldern nicht ab. Niedersachsenweit hat die Förderbank in den ersten sechs Monaten dieses Jahres schon etwa so viele CoronaGelder an Unternehmen ausgezahlt wie im ganzen Jahr zuvor. Insgesamt wurden bis Anfang Juni mehr als 75 000 Anträge bewilligt und Hilfen in Höhe von fast 1,9 Milliarden Euro aus-

„Das Förderjahr war massiv von Corona geprägt.“ Michael Kiesewetter, Vorstandsvorsitzender NBank

Und auch mit Blick auf den Digitalbonus – laut Kiesewetter eines der erfolgreichsten Förderprogramme – gingen fast 2,5 Millionen Euro nach Osnabrück und fast zwei Millionen Euro ins Emsland. Sosehr die Pandemie bestehende Unternehmen getroffen hat, die Lust am Gründen ist in der Region nicht verebbt. „Die Gründungswilligkeit ist da – auch in Osnabrück und dem Emsland“, sagt Kiesewetter. Viel Dynamik gebe es im Bereich Ernährung. Insgesamt hat die NBank in Stadt und Landkreis Osnabrück sechs Gründerkredite über mehr als 1,5 Millionen Euro vergeben, im Emsland waren es vier über fast 700000 Euro. Doch nicht nur mit Krediten unterstützt die NBank, über das Programm NSeed beteiligt sie sich auch an jungen Firmen. „Im vergangenen Jahr sind wir 19 neue Beteiligungen eingegangen“, so Ulf Meier. „Wir haben festgestellt, dass wir da eine Lücke gefüllt haben. Investoren haben sich die letzten Jahre zurückgehalten.“ Und das Interesse der Gründer halte an. Und was erwartet die Förderbank in diesem Jahr? „Corona wird uns in den nächsten Monaten weiter beschäftigen“, sagt Kiesewetter. Zum einen, da in diesem Jahr damit begonnen werde, die Soforthilfen von Anfang vergangenen Jahres abzurechnen. Damit wissen Unternehmen dann auch, ob sie möglicherweise Gel-

Förderergebnis 2020 auf einen Blick Anzahl der Bewilligungen

Fördervolumen in Mio. Euro.

Osnabrück

OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/

gezahlt. Die November- und Dezemberhilfe sei damit zu mehr als 90 Prozent abgearbeitet. Und dennoch: Trotz des Fokus auf Corona haben sich laut NBank-Vorstand Ulf Meier auch andere Förderbereiche gut entwickelt, beispielsweise die Wohnraumförderung. „Hier haben wir das beste Ergebnis seit sechs Jahren.“ Insgesamt hat die NBank Darlehen für den Wohnungsmarkt in Höhe von 205 Millionen Euro gewährt, davon gingen rund 16 Millionen in die Stadt und den Landkreis Osnabrück sowie 70000 Euro ins Emsland. In Osnabrück wurden so 145 Wohneinheiten geschaffen – niedersachsenweit waren es rund 1600.

Zuschüsse ohne Corona-Hilfsprogramme Zuschüsse Corona-Hilfsprogramme Kredite ohne Corona-Hilfsprogramme Kredite Corona-Hilfsprogramme

694 10 317 52 727

27,2 89,5 22,8 30,8

Emsland

VON NINA KALLMEIER

Zuschüsse ohne Corona-Hilfsprogramme Zuschüsse Corona-Hilfsprogramme Kredite ohne Corona-Hilfsprogramme Kredite Corona-Hilfsprogramme

304 5333 5 390

3,8 74,8 1,1 16,6

Quelle: NBank Foto: imago/Future Image Grafik: Matthias Michel

der zurückzahlen müssen, sollte es wirtschaftlich besser gelaufen sein als erwartet. Ein Excel-Tool mit Ampelsystem soll dabei helfen, stellt der Vorstandsvorsitzende in Aussicht. „Die Abrechnung der Corona-Hilfen ist ein richtig dickes Brett, das uns noch länger beschäftigen wird“, so Kiesewetter. Und auch in anderen Bereichen gelte es, unter anderem Verwendungsnachweise zu prüfen. Das sei im vergangenen Jahr liegen geblieben,

um die Corona-Hilfen abzuarbeiten. Denn die Förderperiode ende bald, und eine neue beginne, ergänzt Meier. Dafür würden weiter neue Mitarbeiter befristet eingestellt, denn auch die Zahl der Überstunden summiere sich aus dem vergangenen Jahr. Kiesewetter beziffert sie mit 90000 bis Mitte dieses Jahres. Dass im vergangenen Jahr mit Blick auf die Corona-Hilfen viele ZuschussProgramme aufgelegt wurden und

weniger auf Kredite gesetzt wurde, findet Kiesewetter richtig. „Corona hat die Geschäftsmodelle stark beeinträchtigt. Da hilft ein Kredit nicht viel, denn er muss zurückgezahlt werden.“ In anderen Bereichen wie der Wohnraumförderung würden Investoren Kredite gut in Anspruch nehmen. „Es geht in die richtige Richtung. Und man muss immer schauen, für welchen Zweck eine Förderung notwendig ist.“

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DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

VERLAGS-SONDERVERÖFFENTLICHUNG

IT & IT-SICHERHEIT

Digitalisierung versus Cybercrime Die Sicherheitslücken in den IT-Systemen von Behörden und Unternehmen sind erheblich VON CHRISTOPH LÜTZENKIRCHEN Die Digitalisierung ist die Zukunft. Das gilt allgemein als notwendig und unumkehrbar für die weitere Entwicklung hochtechnisierter Industriegesellschaften. Künstliche Intelligenz, selbstfahrende Autos, Daten und Programme in der Cloud, die Liste der Digitalisierungsprojekte lässt sich beliebig fortsetzen. Die Vorhaben verheißen mehr Komfort, mehr Effizienz, mehr Fortschritt. Worüber weniger überschwänglich gesprochen wird: Mit der Digitalisierung wächst die Abhängigkeit unseres Lebens vom Funktionieren technischer Systeme. Mit zunehmender Komplexität sind diese Systeme angreifbarer, sie bieten lohnende Ziele für den rasant expandierenden Sektor der Cyberkriminalität. In seinem Jahresbericht 2020 bezeichnet das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Lage der IT-Sicherheit hierzulande als „angespannt“. In insgesamt 419 Fällen wurde das BSI im Berichtszeitraum (1. Juni 2019 bis 31. Mai 2020) über Probleme im Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur informiert. Zur kritischen Infrastruktur zählen etwa der Energie- und der Verkehrssektor. Zum Vergleich: Im Bericht für 2018 waren 145 Vorfälle aufgezählt worden, ein Jahr später gab es 252 Meldungen. 73 der gemeldeten Vorfälle im aktuellen Lagebericht betrafen die Stromversorgung. 65 Meldungen erreichten das Amt aus dem Bereich Finanzen und Versicherungen. Allerdings waren laut BSI nicht alle Probleme durch Angriffe verursacht worden. Vor allem im Bereich Gesundheit sei ein großer Teil der Problemfälle auf „technisches Versagen“ zurückzuführen gewesen. Die Liste der Unternehmen und Institutionen, die in den letzten Jahren Opfer von Cyberkriminalität wurden, ist lang und hält jede Menge Überraschungen bereit: Ende 2018 veröffentlichte ein Unbekannter über ein Twitter-Konto massenweise persönliche Daten von Prominenten. Hunderte Politiker waren betroffen, darunter Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Außerdem auch Schauspieler, Musiker und Journalisten. Ende 2019 wurde die IT der Justus-Liebig-Universität in Gießen lahmgelegt. Im August 2020 traf es den Osnabrücker Kupferverarbeiter KME. Sechs Tage lang stand bei KME so gut wie alles still, nachdem Hacker OSNABRÜCK

das Computersystem des Unternehmens angegriffen und Daten illegal verschlüsselt hatten. Medienberichten zufolge zahlte der Kupferhersteller 1,27 Millionen US-Dollar in der Kryptowährung Monero, um wieder Zugriff auf seine Daten zu bekommen. Ursprünglich wollten die Erpresser mitten in der Corona-Krise sogar 7,5 Millionen US-Dollar. Bei KME hat die Geldzahlung geholfen, das Unternehmen hat den Zugriff auf seine Daten zurückbekommen. Das muss jedoch nicht sein, warnt IT-Experte Sascha Bolmer. Sein Unternehmen, die Alphasolid IT GmbH mit Sitz in Haren, ist auf IT-Sicherheit spezialisiert. Bolmer sagt aus Erfahrung: „Fast alle zahlen – entweder, um den Schlüssel zu bekommen, oder um den Fall klein zu halten und eine DSGVO-Strafe abzuwehren.“ Ob eine Firma zahlen sollte oder nicht ist eine Frage der Abwägung. Die Wiederherstellung der Daten dauerte laut einer ForsaStudie im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Jahr 2020 bei zwei Dritteln der mittelständischen Firmen länger als zwei Tage. Bei rund 35 Prozent der betroffenen Unternehmen konnte die Schadsoftware am ersten Tag beseitigt werden. Durch die Nutzung von Services, Software und Infrastruktur großer Anbieter sind Unternehmen und Institutionen heute weltweit betroffen, wenn hier Attacken erfolgen. Das zeigt der Hackerangriff auf

„Fast alle zahlen – um den Schlüssel zu bekommen oder den Fall klein zu halten“ Sascha Bolmer IT-Experte

DasThemaIT-Sicherheitistvon zentralerBedeutunginder weltweitenWirtschaft.

die Exchange-Server von Microsoft Anfang März 2021. Laut Angaben des BSI waren zum Zeitpunkt des Angriffs zehntausende ExchangeServer in Deutschland über das Internet angreifbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits mit Schadsoftware infiziert. Betroffen waren Organisationen jeder Größe. Das BSI Lagezentrum arbeitete rund um die Uhr auch am Wochenende. Auf tausenden Systemen gab es demnach Schwachstellen, die seit über einem Jahr bekannt waren und noch nicht gepatched wurden. Neben dem Zugriff auf die E-MailKommunikation der jeweiligen Unternehmen konnten Angreifern über solche verwundbaren ServerSysteme oftmals auch auf das komplette Unternehmensnetzwerk zugreifen, so das BSI. Zu den Betroffenen zählte die Hochschule Osnabrück. Als „gefährlichste Schadsoftware der Welt“ hat das BSI vor einigen Jahren die Schadsoftware Emotet bezeichnet. Emotet wurde meist in einer für den Empfänger echt aussehenden E-Mail verschickt. Wenn der Empfänger den Anhang der EMail öffnete, wurde eine Schadfunktion geladen, und das Computersystem war infiziert. Zumindest vorläufig ist das Vergangenheit, denn Anfang 2021 gelang es internationalen Strafverfolgungsbehörden in einer spektakulär koordinierten Aktion, die Infrastruktur der Schadsoftware zu übernehmen und zu zerschlagen. Damit gelang ein wichtiger Schlag gegen die internationale Cyberkriminalität. Das deutsche BSI war eingebunden.

Foto: iStock/anyaberkut

Die Behörde wächst, Mitte Juni eröffnete man einen neuen Stützpunkt in Saarbrücken. Die rund 30 Mitarbeiter dort sollen mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und

dem Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (CISPA) zusammenarbeiten. Die Politik hat das Problem erkannt. In den kommenden fünf Jahren will die Bundesregierung mindestens 350 Millionen

Euro in Forschung zur IT-Sicherheit investieren. Das neue Forschungsprogramm mit dem Titel „Digital. Sicher. Souverän.“ wurde im Juni vom Bundeskabinett beschlossen.

INTERVIEW MIT IT-SICHERHEITSEXPERTE UWE BOGS

„IT-Sicherheit ist Chefsache.“ OSNABRÜCK Als

unabhängiger Berater betreut Uwe Bogs seit 1997 mittelständische Unternehmen aus Industrie, Dienstleistung und Handel zur IT-Sicherheit. Der Geschäftsführer des Osnabrücker Unternehmens Bogs Consulting ist ISO-zertifizierter Auditor für InformationsSicherheits-Management-Systeme. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen wie der Anhängerspezialist Böckmann aus Lastrup, der Bad Laerer Hersteller von Absauganlagen Schuko oder das Papenburger Bauunternehmen Johann Bunte.

bis 90 Prozent der Unternehmens-Verantwortlichen keine ITAffinität haben und sich darum auch nicht bemühen. IT-Sicherheit ist aber Chefsache. Es ist erschreckend, wie viele IT-Mitarbeiter in Unternehmen nicht auf dem aktuellen Stand der Technik sind; das gilt auch für viele Systemhäuser, die für die Unternehmen tätig sind. Die breite Masse der Unternehmen ist noch auf dem Niveau, das vor 10 oder gar 20 Jahren Schutz bot. Sie handeln nicht proaktiv.

Wie sind die Kriminellen organisiert? Herr Bogs, der WettDa gibt es die gesamte kampf zwischen den Bandbreite der Kriminalität: Einzeltäter, reOnline-Kriminellen und den Spezialisten gelrechte Dienstleister, für IT-Sicherheit erin- die auf bestimmte Dinnert manchmal ein we- ge spezialisiert sind, nig an Hase und Igel. und mehr oder weniger Inwiefern stimmt der unabhängig arbeitende Eindruck, dass Sie Gruppen. Die organieinen Gegner haben, sierte Kriminalität der ihnen immer min- macht inzwischen destens eine Nasenlän- mehr Geld mit Cybercrime als mit Rauschge voraus ist? Da möchte ich widergift. Zudem gibt es sprechen. Hinter den staatlich finanzierte meisten Attacken steht Gruppen und natürlich organisierte Kriminali- haben wir einen kalten tät. Für die wäre es in- Cyberkrieg zwischen effektiv, mit alter Tech- den Staaten. nik zu operieren. Cyberkriminelle entwickeln Was sind aktuell die gefährlichsten Einfallstosich schlicht mit der allre für Viren, Schadprogemeinen technischen gramme und Hacker? Entwicklung weiter. Das Problem ist, dass sich Der Hauptangriffsweg diese Erkenntnis noch ist weiterhin die E-Mail. nicht bei allen VerantDa wird zum einen mit wortlichen auf Seiten infizierten Dateianhänder Unternehmen gen gearbeitet. Unter durchgesetzt hat. Dort Umständen reicht es, muss ein tieferes Verein manipuliertes PDF ständnis der Angriffsoder Office-Dokument vektoren und technimit bösartigem Makro sche Weitentwicklung zu verschicken. Und seit stattfinden, um geder Attacke durch Wanwappnet zu sein. naCry 2017 wissen wir, Ich beobachte, dass 85 wie gefährlich es ist,

der Mitarbeitenden. Sicherheit in der IT ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Im Mittelstand gibt es diesen Blick häufig nicht. Nehmen sie das Beispiel der Backups. Die meisten Unternehmen erstellen Backups, können sie im Ernstfall dann aber nicht zurückspielen. Oder die Backups sind Uwe Bogs Foto: Bogs so im Netzwerk gespeichert, dass diese im Falle einer Ransomwareeine über Monate beAttacke dann genauso kannte SoftwareSchwachstelle nicht zu verschlüsselt werden, wie die übrigen Daten. schließen. Ein großer Ähnlich ist es beim TheLogistiker konnte z.B. ma Patchen, das wird als Folge einer Attacke oft nicht unmittelbar, indurch WannaCry 350 Schiffe eine Woche lang stitutionalisiert oder nicht fahren lassen. Man systematisch durchgehatte den entsprechen- führt. den Patch von Microsoft Gibt es auch Konzepte, nicht installiert. Ein andie Schäden wirksam derer Weg ist der über sogenannte Phishingbegrenzen? Mails. Damit versucht Das ist klassisches Risiman, Menschen dazu zu komanagement. Nehbewegen, Zugangsmen wir wieder das Beidaten mitzuteilen. Im spiel Backup: Kann ich Fall von Unternehmen es mir leisten, die Daten kommen solche Mails einer ganzen Woche zu oft dem Anschein nach verlieren, oder dürfen es von einem Kunden und maximal die einer Stunes wird so versucht, in de sein? Dieser Abwädas Unternehmensgung entsprechend netzwerk hinein zu kom- muss ich mein Backupmen und weitere Angrif- Konzept erstellen. fe zu starten. Viele Web- Letztlich geht es darum, seiten und Onlinedass sich möglichst vieShops sind schlecht le Menschen mit dem oder überhaupt nicht Thema auseinandersetabgesichert. Die krimi- zen. Das gilt vor allem nellen hacken solche für UnternehmensverSeiten und greifen Kun- antwortliche, aber auch dendaten ab oder plat- für jeden privaten Interzieren dort ihren Schad- netnutzer. Für Letzteren code. bietet das BSI umfangreiche und hilfreiche InIst es möglich, Compu- formationen. In Untertersysteme gegen Zunehmen darf das Thegriff von außen zu ma nicht auf die IT-Abschützen? teilung abgeschoben Es ist möglich. Notwen- werden. Die Verantwordig sind zahlreiche sys- tung gehört in die Getematische Maßnahschäftsführung und die men technischer und sollte sich von Spezialisorganisatorischer Art, ten professionell beraaußerdem die Schulung ten lassen. (cl)


DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

SPEZIAL ELTERN & TÖCHTER

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Chefin in Ausbildung Victoria Reker wird in fünfter Generation – und als erste weibliche Geschäftsführerin – den Familienbetrieb übernehmen Das Handwerk von der Pike auf lernen, um mitreden zu können. Gebäudereinigung ist mehr, als Toiletten zu putzen. Noch fünf Jahre bis zur Übergabe des Familienunternehmens. VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK „Wenn meine Kollegen

das jetzt sehen würden, würden sie sicherlich noch einmal hinterhergehen“, sagt Victoria Reker, schmunzelt und beäugt kritisch die Fensterscheibe des Büros im Erdgeschoss. Die 22-Jährige absolviert aktuell das zweite Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Gebäudereinigerin im Betrieb ihres Vaters. In einigen Jahren will sie das Osnabrücker Familienunternehmen in fünfter Generation – und als erste weibliche Geschäftsführerin in der mehr als 125-jährigen Geschichte des Unternehmens – fortführen. Einmal zuvor hat es eine ähnliche Konstellation gegeben, in der Generation ihrer Oma. Das sei allerdings noch eine andere Zeit gewesen, sagt Victoria Reker. „Ihr Mann hat die Geschäftsleitung bekommen. Allerdings musste auch er eine Gebäudereiniger-Ausbildung machen“, erzählt die 22-Jährige und lacht. Eigentlich sei ihr Opa Werkzeugmacher gewesen. Dass sie als Tochter den Betrieb übernehmen könnte, sei für ihn im ersten Moment etwas ungewohnt gewesen. Das habe sich aber schnell geändert. „Als er schon nicht mehr sprechen konnte, haben wir ihm erzählt, dass der Familienbetrieb mit mir eine Zukunft hat. Das hat er noch registriert, und man hat gemerkt, dass er sich gefreut hat. Das war ein ganz toller Moment.“ Dass sie die Firma übernehmen möchte, war Victoria Reker schon früh klar. „Als ich in der achten Klasse war, bin ich zu meinem Vater gegangen und habe ihn gefragt, was ich dafür machen muss“, erinnert sie sich. Seine Antwort: zunächst einmal das Abitur. Dann eine Ausbildung im Gebäudereinigungshandwerk und einen Meister. Dann könne man über die Übergabe sprechen. „Das war für mich völlig in Ordnung.“ Allerdings hat die Osnabrückerin einen kleinen Umweg zur Ausbil-

Umfixdie Fenster zuputzen,stellt VictoriaReker einenEimermit verschiedenen Utensilien zusammen.

AktuellmachtVictoriaReker nochihreAusbildungzur Gebäudereinigerin. IneinigenJahrenwill siedasFamilienunternehmenvonihremVaterinfünfter Generationund als ersteweiblicheGeschäftsführerinübernehmen.

ZUM UNTERNEHMEN Die Ebrecht Reker GmbH hat gerade erst ihr 125. Firmenjubiläum gefeiert. Bereits 1895 gründete August Ebrecht senior das Familienunternehmen und hat damals schnell zehn bis 15 Mitarbei-

ter eingestellt, sagt Dirk Reker, der das Unternehmen heute in vierter Generation führt. Mittlerweile beschäftigt die Ebrecht Reker GmbH rund 150 Mitarbeiter. Unterwegs sind diese sowohl in

dung genommen. Nach ihrem Abitur mit 17 ging es für sie erst einmal für ein Jahr ins Ausland. „Ich war in Irland und habe da auf einem Zuchtgestüt Springpferde ausgebildet. Anschließend war ich in Kanada auf einer Husky-Farm.“ Beides sei ein Traum gewesen, den sie sich in diesem einen Jahr verwirklicht habe. Danach ging es ins duale

Unternehmen und Verwaltungen als auch in der Industrie und Privathaushalten. Nach ihrer Ausbildung sowie ihrem Meister wird Victoria Reker in fünfter Generation den Betrieb führen.

BWL-Studium, um sich auf den kaufmännischen Part der späteren Geschäftsführung vorzubereiten. Nun lernt sie das Handwerk von der Pike auf im Familienbetrieb. „Ich will auch fachlich mitreden können und zeigen, dass ich mir für nichts zu schade bin“, sagt Victoria Reker. Dass das Familienunternehmen in einer Branche unterwegs ist, die

nicht das beste Image hat, stört sie nicht, im Gegenteil. „Ich bin froh, dass der Familienbetrieb ein Handwerksbetrieb ist. Ich bin Praktikerin“, sagt die Osnabrückerin, die auch außerhalb des Berufes kreativ unterwegs ist, Musik macht, gerne strickt, kocht und malt. „Es gibt so viele coole Argumente, hier im bundesweit personalintensivsten Handwerk zu arbeiten. Sauber gemacht werden muss überall, vom Unternehmen über den Privathaushalt bis zur Luxusjacht und dem Theater. Jeder will Gebäudereiniger haben, aber nur wenige wollen den Job machen. Das ist schade.“ Zumal mehr dazu gehöre, als Toiletten zu schrubben. „Unsere Mitarbeiter haben jeden Tag mit Chemie zu tun, sie erhalten Wert, wenn es um die Denkmalpflege geht, und Fensterreiniger gehen Fassaden hoch. Das ist ein tolles Handwerk.“ Doch als Unternehmertochter mit auf der Runde? Eine Extrabehandlung wolle sie nicht, ganz im Gegenteil, betont die 22-Jährige. „Am Anfang war es schon komisch, aber das hat sich schnell gelegt. Ich bin eine Kollegin wie jede andere auch und mache Fehler. Ich erwarte, dass mich meine Kollegen dann auch korrigieren, denn nur so lerne ich.“ Viele der Mitarbeiter würden sie kennen, seit sie klein ist. „Da sind die Hemmungen dann auch schnell weg.“ Victoria Reker erinnert sich noch gut an ihre erste Fenster-Runde in der Osnabrücker Innenstadt. „Das war ein Freitagmorgen, um 6 Uhr ging es los.“ Eine Woche lang habe sie in einem leer stehenden Gebäude einen Intensivkurs gemacht und geübt, damit die Fenster auch streifenfrei werden. Nun musste sie bei den Osnabrücker Schaufenstern ran. „Als ich mein Fenster sauber hatte, war mein Kollege quasi schon mit der ganzen Fassade fertig“, sagt

die angehende Chefin und muss lachen. „Aber ich werde besser.“ Die Ausbildung zu absolvieren ist Victoria Reker wichtig. Dass sie diese im Familienbetrieb macht, hat für sie viele Vorteile: Sie lerne nicht nur das Handwerk, sondern auch den Betrieb und die Kunden gleich besser kennen. Mit ihrem Vater und auch ihrer Mutter – dem Sonnenschein des Unternehmens, wie die 22-Jährige sagt – zusammenzuarbeiten, das habe sich schnell eingespielt. Auch wenn es am ersten Tag ein etwas ungewohntes Gefühl gewesen sei. Dirk Reker jedenfalls ist stolz auf seine Tochter. „Ich finde es toll, dass sie sich so entschieden hat.“

„Jeder will Gebäudereiniger haben, aber nur wenige wollen den Job machen. Das ist schade.“ Victoria Reker

Fotos:JörnMartens

Beim Thema Nachfolge Druck gemacht hätten ihre Eltern nie, sagt die Tochter. Das sehe man auch an ihrer älteren Schwester. „Für meine Schwester war klar, dass sie das Familienunternehmen nicht fortführen möchte. Sie hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist Kirchenmalerin“, erzählt die 22Jährige. „Meine Eltern unterstützen sie genau wie mich voll und ganz.“ Dass sie den Weg ins Familienunternehmen eingeschlagen hat, bereut Victoria Reker nicht. „Es macht Spaß, hier zu sein. Ich kann mir eine Zukunft im Betrieb weiter vorstellen.“ Um sich auf die Firmenübergabe vorzubereiten, hat sie sich externe Unterstützung geholt. Sie macht derzeit ein Coaching, dafür hat sie ein Stipendium der Coppenrath-Stiftung bekommen. „An der Übernahme hängen Existenzen. Es ist gut, wenn jemand mit einem anderen Blick auf das Thema Tipps gibt und vielleicht auch Diskussionen anregt, die wir sonst nicht führen würden.“ Es müsse darüber gesprochen werden, welche Ziele und Visionen jeder Einzelne habe. „Der große Vorteil, den ich habe, ist, dass wir langfristig planen können.“ In etwa fünf Jahren – so der aktuelle Plan – will Victoria Reker die Geschäftsführung übernehmen. „Ich kann also lange von den Erfahrungen meines Vaters und auch meiner Mutter profitieren. Ich trete nicht in ihre Fußstapfen, sondern wir gehen einen Teil des Weges zusammen. Das gibt mir Sicherheit. Ich bin jetzt hier, um zu lernen, und nicht, um gleich alles umzumodeln.“ Gleichzeitig zeige der lange Übergang aber auch, dass es nicht schlimm sei, wenn etwas Neues beginne. „Es geht weiter. Da wird vielleicht manches anders, aber nicht unbedingt schlechter.“


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SPEZIAL ELTERN & TÖCHTER

Als Tischlermeisterin in die Geschäftsführung Frederike Meyer aus Nordhorn tritt Nachfolge in 125 Jahre altem Familienbetrieb an / Aktuell 50 Mitarbeiter VON SEBASTIAN HAMEL NORDHORN Mit dem Gedanken, ein-

Gesprächunter Fachleuten:FrederikeMeyer erörtert mitMöbeltischler ChristianAlberink in derWerkstatt denFortgangeines Auftrages. Foto: Sebastian Hamel

ein triales Studium des Handwerkmanagements an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln: Dieses umfasst neben dem Bachelor-Abschluss auch die Ausbildung

zur Tischlerin sowie zur Tischlermeisterin. Für den praktischen Teil ihrer Lehre ist sie bei der Firma Geller beschäftigt, einem Vier-MannBetrieb in Grevenbroich.

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mal ins Familienunternehmen einzusteigen, spielte Frederike Meyer eigentlich schon immer. Inzwischen hat die 27-Jährige ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt und bildet seit Anfang 2020 die fünfte Generation der Teamplan Josef Meyer GmbH. Die Nordhorner Firma, die sich auf Bank- und Verwaltungseinrichtung spezialisiert hat, begeht in diesem Jahr ihr 125. Jubiläum. Aktuell führt Frederike Meyer das Geschäft gemeinsam mit ihrem Vater Klaus Meyer und dessen Cousin Horst Tösch. Geplant ist ein mehrjähriger Prozess der Übergabe. Die Nordhornerin ist bereits zu Schulzeiten immer wieder durch Praktika und Ferienjobs im elterlichen Betrieb tätig. „Ich bin auch zu Messen mitgefahren, das fand ich immer spannend“, erinnert sie sich. „Das Unternehmen war stets Thema in der Familie.“ Frederike Meyer wächst zusammen mit zwei jüngeren Schwestern auf – doch es zeichnet sich schnell ab, dass diese sich beruflich anderweitig orientieren möchten. Für die älteste der drei ist jedoch spätestens zum Abitur klar, dass sie die Firmennachfolge antreten wird. Sie wählt deshalb einen Ausbildungsweg, der sie langfristig auf den Einstieg in den Betrieb vorbereitet. Konkret absolviert Frederike Meyer

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„Es war mir wichtig, einen klassischen Handwerksbetrieb kennenzulernen“, sagt Frederike Meyer. Überhaupt ist es ihr von Anfang an ein großes Anliegen, die Materie nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu kennen. Mit Blick auf ihre angestrebte Rolle als Geschäftsführerin des heimischen Betriebes möchte sie keinesfalls das Klischee einer Akademikerin erfüllen, die vom Handwerk keine Ahnung hat. Nach Abschluss des trialen Studiums führt sie der Weg zum Ladenbauer Vizona mit Sitz in Weil am Rhein. Das international agierende Unternehmen ist das komplette Gegenteil zu der kleinen Firma in Grevenbroich – auch was Frederike Meyers Tätigkeiten anbelangt: Nunmehr steht nicht mehr die Holzverarbeitung, sondern das Projektmanagement im Vordergrund. Nach einem halben Jahr als Trainee wird sie Junior-Projektmanagerin, später Projektmanagerin und übernimmt rasch große Verantwortung. Ihre Dienstreisen führen sie nach England, Italien und Saudi-Arabien. „Alleine als junge Frau nach Saudi-Arabien zu fliegen und dort den Geschäftspartnern zu erklären, wie sie die Möbel einzubauen haben, war eine der spannendsten Erfahrungen meines Lebens“, schwärmt sie. Insgesamt zwei Jahre lang arbeitet Frederike Meyer für Vizona. Die Zeit dort habe sie sehr weitergebracht und ihr „ein wahnsinniges Selbstbewusstsein“ gegeben. Es ist für sie von großer Bedeutung gewesen, ohne Unterstützung aus dem Familienunternehmen beruflich Fuß zu fassen: „Ich habe dort eben nicht aufgrund von Geschäftsbeziehungen gearbeitet, sondern einfach nur, weil ich mich gut angestellt habe“, sagt sie. Eine klare Timeline dafür hatte sie sich vorab nicht gesetzt. „Mein Vater dachte an ein Jahr, aber das reichte mir nicht“, berichtet sie. Es sei ihr ein Bedürfnis gewesen, zunächst andernorts ausreichend Erfahrungen zu sammeln, um dann mit neuen Ideen ins eigene Unternehmen zurückzukehren. Nun ist Frederike Meyer Geschäftsführerin eines Unternehmens mit 50 Mitarbeitern und 5000 Quadratmeter Produktionsfläche; ein Betrieb, der 1896 als Tischlerei gegründet wurde und sich heute an der Grenze zwischen Handwerk und Industrie bewegt. In der Firma und ihrer Heimatstadt Nordhorn

fühlt sie sich sehr wohl. Dennoch müsse es eine Form des Einlebens geben, und das funktioniere nur mit Zeit. Eine Betriebsnachfolge innerhalb der Familie sei immer etwas Besonderes: „Es übergibt eben nicht einfach Geschäftsführer X an Geschäftsführer Y, sondern es müssen verschiedene Generationen miteinander arbeiten und gemeinsam Dinge erarbeiten.“ Natürlich komme es dabei auch zu Reibungspunkten, aber in einem angenehmen Rahmen, wie Frederike Meyer betont. „Wer in ein Familienunternehmen geht und behauptet, alles würde immer toll laufen, der lügt“, ist sie überzeugt. Schließlich würden verschiedene Wertvorstellungen aufeinandertreffen – und trotzdem müsse man abends noch zusammen grillen können, ohne dass es nur um die Firma geht. „Eine gesunde Diskussionskultur gehört dazu – so wächst man selbst und das Unternehmen auch.“ Hinsichtlich der Übergabe sei man derzeit noch in einer Findungsphase. Klaus Meyer, heute 61

„Einige Mitarbeiter kenne ich seit meiner Kindheit, das sind nun Ansprechpartner auf Augenhöhe.“ Frederike Meyer

Jahre alt, wird dem Betrieb aller Voraussicht nach noch einige Jahre gewogen bleiben. Konkrete Zeitpunkte und Schritte, die zur Übergabe hinführen, sollen demnächst festgelegt werden. Frederike Meyer hat allerdings schon einige Unternehmensbereiche im Blick, die sie weiterentwickeln möchte: Hierzu zählen die Aspekte Digitalisierung und Automatisierung, zudem sollen die Firma Josef Meyer und die Marke Teamplan in ihrem Auftritt wieder zusammengeführt werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, das Firmenprofil in Richtung eines Generalunternehmers zu erweitern. Dass sie als Frau einen schwereren Stand haben könnte, hat Frederike Meyer bisher noch nicht festgestellt. „Wir arbeiten mit jungen, modernen Architekturbüros zusammen, bei denen der Frauenanteil oft bei über 50 Prozent liegt. Von dieser Seite ist das kein Problem“, sagt sie. Auch sei man als Betrieb sehr offen dafür, Frauen im handwerklichen Bereich anzustellen. Im Zusammenhang mit ihrem eigenen Meistertitel hat sie – vor der Rückkehr nach Nordhorn – allerdings schon Kuriositäten erlebt: So sei ihr bisweilen die nötige Fachkompetenz erst zugetraut worden, nachdem sie kundtat, Tischlermeisterin zu sein: „Bei Männern wird der Titel einfach vorausgesetzt, bei mir ist er eine Legitimation meiner Fachkenntnisse – und nicht selten sogar eine Überraschung“, so ihr Eindruck. Und manchmal findet die Gleichberechtigung auch im Kleinen statt: Bei ihrer Tischlerlehre durfte jedenfalls der WürthMännerkalender am Spind nicht fehlen... Mit 27 Jahren an der Spitze eines 125 Jahre alten Familienunternehmens zu stehen erfüllt Frederike Meyer auch mit einem gewissen Stolz: „Ich weiß: Irgendwann trage ich alleine die Verantwortung. Es ist großartig, dass mir dies zugetraut wird und eine riesige Chance.“ Gleichzeitig hat sie Respekt vor dieser Aufgabe – und unterstreicht hierbei den Zusammenhalt in der Belegschaft: „Ich bin froh, so ein tolles Team zu haben. Es gibt jüngere Kollegen, die mich noch 20 oder 30 Jahre lang begleiten werden, und ältere, die ihr Wissen an mich weitergeben. Einige Mitarbeiter kenne ich seit meiner Kindheit, das sind nun Ansprechpartner auf Augenhöhe. Dieses Miteinander stützt mich sehr.“


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SPEZIAL ELTERN & TÖCHTER

Durch Ferienjobs auf den Geschmack gekommen Sonja Koopmann ist heute Geschäftsführerin der Maschinenfabrik Bema in Voltlage / Metier von der Pike auf gelernt

EinelangeTraditionhat dieMaschinenfabrikBemainVoltlage, hierderEingangsbereichderZentrale.DieWurzelnliegen in einerHufschmiede,dievor81Jahren vonHeinrichBerensgegründetwurde.

VON NINA STRAKELJAHN VOLTLAGE Eine Frau im Maschinenbau? Als Sonja Koopmann 1995 die Ausbildung zur Industriemechanikerin für Maschinen- und Systemtechnik als niedersächsische Prüfungsbeste abschloss, war es selten, dass eine Frauen diesen Beruf überhaupt ergreift. Mittlerweile ist sie Geschäftsführerin der Maschinenfabrik Bema in Voltlage – und noch immer ist sie eine von wenigen Frauen in der Branche in einer solchen Spitzenposition. Gegründet wurde das Unternehmen vor 81 Jahren von ihrem Großvater Heinrich Berens als Hufschmiede. In den 1960ern kamen die Reparatur und der Verkauf von Landmaschinen hinzu. 1970 übernahm schließlich Günther Berens die Firma und setzte auf Landmaschinenhandel und Lohnarbeiten, später folgte die Spezialisierung auf Kehrmaschinen. Dass Sonja Koopmann das Unternehmen übernehmen würde, war zunächst gar nicht im Blick. „Mein Vater hat immer davon geträumt, dass ich den passenden Mann heirate, weil Frauen das nicht so können. Da war der noch vom alten Schlag“, erzählt sie. Doch es kam anders. In den Ferien jobbte Sonja Koopmann, damals noch Berens, in der Firma. „Das hat mich immer schon interessiert, etwas mit Metall, etwas Handwerkliches zu machen“, sagt sie. Doch nach dem Abi-

tur wollte sie eigentlich etwas anderes lernen. „Jeder wollte am liebsten aufs Amt oder auf die Bank“, erzählt die Voltlagerin. Doch weil ihr Abitur nicht so gut war, bekam sie keine Lehrstelle. Mit ihrem Vater besuchte sie einen befreundeten Maschinenbauer. Dort schauten sich die beiden die Produktion an, und ihr Vater fragte, ob sie dort nicht eine Lehre machen kann – und so lernte sie dann Industriemechanikerin, einerseits aus Interesse, aber andererseits auch aus der Not heraus. „Hätte sich was anderes ergeben, hätte ich vielleicht auch erst eine Banklehre gemacht.“ Nach ihrem erfolgreichen Abschluss absolvierte sie ein duales Studium „Technische BWL“ an der Berufsakademie Lingen und machte ihr Diplom als Wirtschaftsingenieurin an der Hochschule Lingen. Doch als sie 1998 fertig war, hatte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt noch nicht gebessert. Sie heiratete und stieg schließlich im Februar 1999 ins Unternehmen ihres Vaters ein. Es waren die Anfänge des Computer-Zeitalters. „Da war mein Vater nicht von überzeugt“, erzählt sie, und so wurde das eine ihrer Aufgaben. Sie kümmerte sich um die technische Dokumentation, machte sich aber auch im Marketing mit den Computerprogrammen vertraut. Die rechtlichen Vorgaben eignete sie sich ebenso an, 1999 wurde

IststolzaufihreLeuteunddieTradition derFirma:Bema-GeschäftsführerinSonjaKoopmann.

Fotos:Bema

ZUM UNTERNEHMEN

Sauberkeit hat sichBema seit Jahrzehnten aufdie Fahnengeschrieben.Verschiedene Maschinenfür unterschiedliche Einsatzzweckereinigen FirmengeländeimAußen-und Innenbereich,haltenStraßen und Gehwege freivon Unrat odersorgen fürsichereLandepistenauf Flughäfen.

das Qualitätsmanagementsystem installiert. Sie begleitete den Prozess von der Schmiede in einen geordneten Betriebsablauf und schaute so in fast in alle Bereiche hinein. Das kommt ihr heute zugute. Wenn man wisse, was die Mitarbeiter in der Produktion machen, sei das von Vorteil. Auch wenn es um Schweißnähte geht, macht ihr keiner was vor. „Der Profi bin ich nicht, aber ich kann das schon einschätzen. Dafür gibt es dann ja auch die Fachleute, denn alles können und wissen muss ich auch nicht“, sagt Sonja Koopmann heute. 2001 wurde schließlich die GmbH gegründet und sie wurde Gesellschafterin und Geschäftsführerin zu jeweils 20 Prozent. Die Entscheidungen traf aber weiterhin der Vater. Im Jahre 2012 wurde sie „ins kalte Wasser geschubst“. Ihr Vater war plötzlich gestorben. „Die komplette Verantwortung für 50 Leute zu haben war neu“, sagt sie. Damals habe es auch Stimmen gegeben, die davon überzeugt waren: „Das Mädchen schafft das sowieso nicht.“ Doch sie nahm die Aufgabe an und begann einen Veränderungsprozess, der bis heute andauert. Aber Sonja Koopmann betont auch: „Ich habe das nicht alleine geschafft. Da steckt immer ein Team dahinter und jeder Mitarbeiter im Unternehmen.“ Doch in der Männerdomäne, die die Maschinenbaubranche damals war und noch ist, war es für Sonja Koopmann nicht immer leicht. Gerade in den ersten Jahren erlebte sie so einiges. Eine Begegnung ist ihr in Erinnerung geblieben. Gemeinsam mit dem Produktionsleiter wollte

sie eine Anlage kaufen. Die Verkäufer hätten aber nur mit dem Produktionsleiter gesprochen. „Irgendwann habe ich dann auch ein paar Fachfragen gestellt, und der Kollege hat gesagt, bezahlen muss Frau Koopmann, die entscheidet, was wir kaufen. Und da konnten die auf

„Ich habe das nicht alleine geschafft. Da steckt immer ein Team dahinter und jeder Mitarbeiter im Unternehmen.“ Sonja Koopmann

einmal auch mit mir sprechen.“ Bis heute habe sie immer mal wieder solche Erlebnisse. Gerade erst vor wenigen Tagen erhielt sie eine EMail mit der Anrede: „Sehr geehrter Herr Koopmann“. Männern werde eine solche Position grundsätzlich zugetraut, Frauen hingegen oft nicht. Dabei entscheide nicht nur fachliches Wissen, sondern vor allem Führungskompetenz, ob man ein Unternehmen leiten könne. „Führung hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit dem Naturell“, sagt sie. „Eine Zeit lang ging mir das richtig auf den Keks“, erklärt sie, weshalb sie sich von Podiumsdiskussionen rund um das Thema Frauen und Männer in Führungspositionen zurückzog. Denn es änderte sich nichts. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Geschlecht und nicht auf dem Können. „Ich glaube, dass Frauen sich mehr anstrengen müssen, wenn sie in gewisse Positionen kommen wollen.“ Gerade mit Corona sei das nun wieder besonders in den Vordergrund getreten, denn häufig blieben die Mütter zu Hause. Gerade wenn sie auch auf die Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock schaut, ärgert es sie, dass für einige die Hauptsorge war, wie sie eine mögliche Kanzlerschaft, zwei Kinder und ihren Mann unter einen Hut bekommt. „Männer werden das nicht gefragt“, sagt sie. Dabei hat Sonja Koopmann Familie und Karriere vereinbaren können. Es sei aber von Vorteil gewesen, dass es ein Familienunternehmen sei. Sie habe relativ schnell nach der Geburt der Kinder wieder angefangen zu arbeiten. „Ohne Familie wäre es nicht mit zwei Kin-

Die Bema GmbH Maschinenfabrik hat sich Anfang der 1990er auf den Bau von Anbaukehrmaschinen spezialisiert. Vor allem auf Anbauplatten und -komponenten sowie auf die Sparte Sonderbau konzentriert sich das Unternehmen. Für Schlepper, Baumaschinen, kommunale Fahrzeuge wie Mercedes Unimogs oder Radlader gibt es über 1000 verschiedene Möglichkeiten für die Anbaumaschinen. Neben Kehrmaschinen bietet Bema auch Schneeschilder oder Saugkehrsysteme an. Auch für die mechanische Entfernung von Wildkraut gibt es beim Unternehmen aus Voltlage (Landkreis Osnabrück) Lösungen. Die Schneeschilder der Firma findet man beispielsweise auf einem großen Flughafen in Süddeutschland. dern möglich gewesen“, sagt sie. Sie konnte ihre Söhne, die heute 16 und 17 Jahre alt sind, nicht in eine Kita bringen. Der Kindergarten habe damals nur von 8 bis 12 Uhr geöffnet gehabt, auch eine verlässliche Grundschule gab es später nicht. So hat sie die Kinder mit ins Unternehmen genommen. Eltern, Tante und Schwiegereltern hätten bei der Betreuung geholfen. Heute sei das sicherlich einfacher, aber trotzdem gebe es noch bis heute das verbreitete Bild der Rabenmutter, das viele unter Druck setze. Was sie in ihrer Karriere erlebt und gelernt hat, versucht sie im Unternehmen umzusetzen und in andere Bahnen zu lenken. Es gebe zum Beispiel einen Workshop für zukünftige Führungskräfte, bei dem es aber nicht um das Geschlecht, sondern um die Fähigkeiten gehe. Das gilt übrigens auch für ihre Söhne. Der Älteste kann sich durchaus vorstellen, in die Firma einzusteigen. Ob es eine vierte Generation geben wird, werde sich zeigen, sagt Sonja Koopmann. Und was würde ihr Vater, der ursprünglich ja auf einen Ehemann gehofft hatte, der das Unternehmen übernimmt, wohl sagen, wenn er auf die Karriere seiner Tochter blickt? „Ich denke, dass er froh wäre, dass es jemand weitermacht.“


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„Der Übergabeprozess ist noch nicht abgeschlossen“ Im Wirtschaftstalk sprechen Vera Butterweck-Kruse und Kristin Landwehr über ihre Nachfolge im Betrieb der Eltern, Herausforderungen und die Familie Lebhafte Diskussionen innerhalb der Familie gehören dazu. Nachfolgeprozess mit und ohne externe Unterstützung. Kehrt die Jugend zu alten Rollenmustern zurück? VON NINA KALLMEIER OSNABRÜCK/MEPPEN/LINGEN/ PAPENBURG/NORDHORN Einen kon-

kreten Berufswunsch als Kind? Daran können sich Vera ButterweckKruse (40) und Kristin Landwehr (34) gar nicht erinnern. „Ich habe als Kind immer zu meinem Vater aufgeschaut und wollte so werden wie er“, erinnert sich Vera Butterweck-Kruse. Auch wenn es nicht unbedingt der Jobtitel „Geschäftsführerin“ gewesen sei, der sie beeindruckt habe. „Ich fand es einfach spannend, was er gemacht und aufgebaut hat. In dieser Hinsicht war mein Vater mit dem Familienunternehmen für mich eher ein Vorbild als der Beruf meiner Mutter, denn Lehrerin zu sein, konnte ich mir gar nicht vorstellen.“ Ähnlich erinnert sich Kristin Landwehr und ergänzt: „Mein Vater und meine Mutter haben das Unternehmen in Bersenbrück gemeinsam aufgebaut, er hat den technischen Part übernommen, meine Mutter das Kaufmännische. Somit hatte ich schon immer einen Bezug dazu und bin mit der Firma aufgewachsen.“ Kunststofftechnik Borgmann feiert im nächsten Jahr den 30. Firmengeburtstag und ist damit fünf Jahre „jünger“ als seine heutige Chefin. „Dass ich das Unternehmen leiten möchte, dieser Wunsch kam später“, sagt Kristin Landwehr. „Im produzierenden Gewerbe tätig und somit Teil der Wertschöpfungskette zu sein, das hat mir gefallen.“ „Die konkrete Entscheidung, dass mich die Firma interessiert und ich mehr wissen wollte, habe ich mit 17 getroffen“, erinnert sich Vera Butterweck-Kruse, die ihre Ausbildung zur Bürokauffrau im elterlichen Betrieb in Lehe-Ems gemacht hat. Forst und Holz, das sei damals schon eine sehr männerdominierte Branche gewesen. „Als Frau hatte man es da schwer. Deshalb habe ich mich entschieden, Forstwirtschaft statt klassischer Betriebswirtschaft zu studieren, um die Nachfolge anzutreten und fachlich mit den Menschen, mit denen ich arbeite, auf einer Höhe zu sein.“ Als Frau müsse man noch mehr wissen und werde getestet, beschreibt die Förstwirtin ihren Eindruck. „Aber auch in unserer Branche hat es einen Generationenwechsel gegeben und mittlerweile hat sich viel verändert.“ Euphorisch war die erste Reaktion ihres Vaters allerdings nicht, als sie ihm ihre Studienentscheidung und den Nachfolgewunsch mitgeteilt hat, erinnert sich Vera Butterweck-Kruse. „Sein erster Satz war: Mäuschen, das machst du nicht.“ Das habe an der Marktsituation gelegen, in der die Branche 2003 gewesen sei. „Das Unternehmen musste sich, auch was die Kundenstruktur anging, neu aufstellen. Insofern war dieser eine Satz sein erster Impuls und wahrscheinlich die ehrlichere Antwort als pure Euphorie – auch wenn ich damit eigentlich gerechnet hatte“, sagt sie schmunzelnd. „Bei uns hat es dieses eine Gespräch gar nicht gegeben“, blickt

Kristin Landwehr zurück. „Es waren eher viele Gespräche über einen längeren Zeitraum.“ Bevor sie in den elterlichen Betrieb einstiegt, war die 24-jährige Betriebswirtin für einen Automobilzulieferer in Köln tätig. „Das Unternehmen gehört zur Familie, und so haben wir uns auch in dieser Zeit als ich weg war viel ausgetauscht. Für meinen Mann und mich stand irgendwann die Entscheidung an, wieder in den Norden zu kommen, und so sind wir auch zum Thema Firmennachfolge ins Gespräch gekommen.“ Ihre beiden Geschwister – eine Schwester und ein Bruder – seien zu dem Zeitpunkt schon in unterschiedlichen Bereichen im Unternehmen tätig gewesen, allerdings nicht in der Geschäftsführung. Auch Vera Butterweck-Kruse, die vor elf Jahren die Geschäftsführung im elterlichen Betrieb zusammen mit Jens Grove, einem Externen, übernahm, ist kein Einzelkind. „Mein Bruder ist viereinhalb Jahre jünger als ich, hat Verfahrenstechnik studiert und erst etwas ganz anderes gemacht. Er ist jetzt seit vier Jahren mit im Unternehmen und wir teilen uns die Rollen“, sagt die Mutter von drei Kindern. Wobei sie den Hut auf habe, die Entscheidungen jedoch gemeinsam getroffen würden – auch mit ihrem Vater. „Das kriegen wir erstaunlich gut hin. Mein Vater hat sich zwar aus der Geschäftsführung zurückgezogen, er ist für uns aber jederzeit ansprechbar und da, wenn wir ihn brauchen.“ „Das ist bei uns ähnlich“, wirft Kristin Landwehr ein. „Auch wenn ich die Aufgaben jetzt seit zwei Jahren alle übernommen habe, ist der Übergabeprozess noch nicht ganz abgeschlossen. Vor allem in der Corona-Zeit war es mir wichtig, mich auszutauschen. Man wächst an seinen Aufgaben, aber es ist auch praktisch, dass ich meinen Vater immer um Rat fragen kann.“ So sieht es auch Vera ButterweckKruse. „Mein Vater ist 66 Jahre alt, da ist es nicht selbstverständlich, dass er seinen Betrieb schon übergeben hat und die nächste Generation schalten und walten lässt.“ Und ihr auch zugestehe, Fehler zu machen. „Er hat noch nie gesagt: Das habe ich dir doch gleich gesagt, sondern mich eher wieder eingefangen, wenn ich mich zu sehr darüber geärgert habe. Jeder von uns hofft natürlich, dass die Fehler, die man macht, nicht zu gravierend oder teuer sind.“ Ganz leicht sei ihrem Vater das Loslassen, zumindest bei den Auf-

„Was mein Vater alleine geleistet hat, ist heute so nicht mehr darstellbar.“ Vera Butterweck-Kruse, Geschäftsführerin Butterweck Rundholzlogistik

STECKBRIEF

Vera Butterweck-Kruse

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eit elf Jahren ist Vera Butterweck-Kruse jetzt bereits Geschäftsführende Gesellschafterin der Butterweck Rundholzlogistik GmbH & Co. KG, im elterlichen Betrieb tätig ist die 40-Jährige jedoch schon seit 2007. Ihr Vater Franz-Josef Butterweck gründete den Betrieb, ein Dienstleistungsunternehmen für Waldbesitzer und die Holzindustrie, im Jahr 1978. Als Gesellschafterin liegen die Schwerpunkte von Vera Butterweck-Kruse in der Unternehmensleitung sowie im Finanz- und Perso-

Foto:Butterweck

nalwesen. Das passt zu ihren beruflichen Werdegang: Bevor die Mutter dreier Kinder ins Familienunternehmen einstieg, absolvierte sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau sowie ein Studium der Forstwirtschaft. Auch in Verbänden ist Butterweck-Kruse engagiert. Sie ist unter anderem Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der AfL Niedersachsen, Vorsitzende des Deutschen Forstunternehmerverbandes DFUV sowie Mitglied im Vorstand und Verwaltungsrat des KWF.

„Plätze zur Kinderbetreuung gibt es sicherlich genug, aber die Zeiten sind wirklich kurz.“ Kristin Landwehr, Geschäftsführerin Kunststofftechnik Borgmann

STECKBRIEF

Kristin Landwehr

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or zwei Jahren hat Kristin Landwehr zunächst die kaufmännische Leitung und noch im selben Jahr die Geschäftsführung des Bersenbrücker Mittelständlers Kunststofftechnik Borgmann übernommen. Ihr Vater Siegfried Borgmann gründete das Unternehmen 1992 in den landwirtschaftlichen Räumlichkeiten seines Vaters und baute den Betrieb zusammen mit seiner Frau Lilli Borgmann mehr als 25 Jahre lang auf. Das Unternehmen konzipiert und produ-

gaben, die sie und nicht ihr Geschäftsführerkollege übernommen hat, jedoch nicht gefallen. „Mein Vater hat in guten Jahren eine Unternehmensberatung beauftragt, die das Unternehmen durchleuchten und einen sinnvollen Nachfolgeprozess entwickeln sollte. Zusammen haben wir einen konkreten Plan erarbeitet, was wie passieren muss, um den Nachfolgeprozess innerhalb von fünf Jahren abzuschließen.“ Aufgaben an ihren Kollegen Jens Grove, der bereits seit sieben Jahren im Unternehmen war und den Holzeinkauf verantwortete, abzugeben, sei ihrem Vater leichter gefallen. „Das war für ihn sicherlich emotionsloser als bei mir, seiner Tochter. Ich sehe aber die fünf Jahre, die mein Vater und ich eng zusammengearbeitet haben, als geschenkte und wertvolle Zeit an.“ Auch ihr Bruder sei damals schon, obwohl er zu dem Zeitpunkt nicht im Unternehmen war, in den Prozess eingebunden gewesen. „Ich bewundere meinen Vater, dass er selbst aktiv geworden ist. Nicht viele holen sich Unterstützung von außen.“ Auch in der Familie Borgmann ist es ohne fremde Unterstützung gelaufen. „Mein Vater und ich haben viel parallel gearbeitet, und ich habe zugeschaut und viele Fragen gestellt. Wollte verstehen, wie das Unternehmen läuft, ob es für mich das richtige ist. Und ich wollte auch

Foto:KunststofftechnikBorgmann

verstehen, welche Werte meinem Vater wichtig sind.“ Und die Möglichkeit, sich eng abzustimmen, bleibe auch nach der Übergabe vorhanden. Auch bei Butterwecks. „Es gibt einfach Dinge, die wir noch nicht erlebt haben, mein Vater aber schon. Corona hat unsere Branche nicht so getroffen, doch aufgrund von Hitze, Dürre und Sturm hatten wir drei schwere Jahre im Wald. Mein Vater kennt das. Insofern ist es schön, fragen zu können, ob ich mit meinem Bauchgefühl richtig liege.“ Dass auch mal lebhaft diskutiert werde, gehöre dazu. „Er sagt mir seine Meinung, ob ich sie nun hören möchte oder nicht“, sagt Vera Butterweck-Kruse schmunzelnd. „Wir sind beide sehr emotionale Menschen und entscheiden aus dem Bauch heraus. Dass da bei der Übergabe nicht immer alles glattläuft, ist ganz normal, besonders, wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Da geht es durchaus manchmal etwas ruppig zu, und drei Minuten später sitzen wir lachend bei einem Kaffee zusammen. Das ist für Außenstehende manchmal etwas schwierig.“ Sich auch mal zu streiten, das gehört für Vera Butterweck-Kruse zur Vater-Tochter-Beziehung einfach dazu. „Wir haben aber immer ein gemeinsames Ziel vor Augen, und da kommen wir auch immer hin, egal wie ruppig es vorher gewesen ist.“

ziert Teile aus thermoplastischen Kunststoffen für verschiedene Industriezweige. Für Kristin Landwehr war der Einstieg ins Familienunternehmen gleichzeit eine Rückkehr in die Heimat, denn nach ihrem Bachelor und Master in Betriebswirtschaftslehre war sie zunächst in unterschiedlichen Positionen für den Automobilzulieferer Yazaki Europe in Köln tätig. Nach der Geburt ihrer Zwillinge befindet sich die 34-Jährige aktuell in Elternzeit.

„Familie“, wirft Kristin Landwehr ein und muss lächeln. „Auch bei uns wird emotional diskutiert. Das hat aber auch Vorteile: Innerhalb der Familie ist man einfach schonungslos ehrlich. Das finde ich gut.“ Gedrängt gefühlt, in die Fußstapfen der Väter zu treten, hat sich keine der beiden Frauen . „Ich wurde nie danach gefragt, auch mein Bruder nicht“, sagt Vera ButterweckKruse. „Unsere Eltern haben esvöllig akzeptiert, als mein Bruder erst einen anderen Weg gegangen ist. Ich war diejenige, die ihn gefragt hat, ob er nicht doch zurückkommen möchte, weil er eine gute Ergänzung für und wäre und ich Unterstützung bräuchte. Ich habe drei Kinder, und was mein Vater alleine geleistet hat, ist heute so nicht mehr darstellbar.“ Auch bei Kristin Landwehr haben sich die Eltern aus der Berufswahl rausgehalten. „Mit den Konzernstrukturen habe ich beim Automobilzulieferer in Köln noch mal etwas ganz anderes gesehen und Erfahrungen sammeln können. Das war für mich eine super Ausbildung, von der ich eine Menge mitgenommen habe“, sagt sie. Die Zeit dort habe aber auch gezeigt, welche Vorteile die Arbeit in einem mittelständischen Familienunternehmen hat. „Man hat zum Beispiel viel mehr Gestaltungsraum und kürzere Entscheidungswege. “ Ihre Eltern hätten jedoch auch nichts beschönigt.

„Wir haben, glaube ich, ein ganz realistisches Bild davon bekommen was es heißt, Unternehmer zu sein: Es kommt eine Menge Arbeit und viel Verantwortung auf einen zu.“ Ob sie etwas anders macht als ihre Eltern? „Ich glaube schon. Alleine deshalb, weil ich in einer anderen Zeit aufgewachsen bin. Vielleicht auch, weil ich selbst betroffen bin, ist mir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr wichtig.“ Grundsätzlich würden sie sich jedoch gut ergänzen, sagt die 34-Jährige. Vera Butterweck-Kruse erinnert sich noch gut an den ersten LkwFahrer, der in Elternzeit gehen wollte. „Das war in der Generation meines Vaters noch kein Thema.“ Heute sei man deutlich flexibler gegenüber Arbeitszeitmodellen. „Wobei meine Eltern schon immer sehr familienorientiert und sozial eingestellt waren“, betont sie. Aber die Zeiten seien eben andere gewesen. Das gilt auch für die Unternehmensführung – aus einem einmanngeführten Unternehmen ist ein teamgeführtes geworden. „Dazu habe ich meinen Beitrag geleistet. Sonst sagt aber meistens jeder, dass ich meinem Vater sehr ähnlich bin.“ Zweifel, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hat, sind Kristin Landwehr in den vergangenen zwei Jahren nicht gekommen. Bei Vera Butterweck-Kruse ist das anders – einen kurzen Moment habe es

gegeben, sagt die 40-Jährige. „Nach der Geburt unserer jüngsten Tochter habe ich kurz gehadert.“ Sie sei mit dem Downsyndrom geboren worden. „Das wussten wir vorher nicht und es waren einige harte Tage für uns. Natürlich fragt man sich im ersten Moment, was da auf einen zukommt. Und eine meiner ersten Reaktionen war: Ich muss die Unternehmensleitung abgeben, das kann ich nicht leisten.“ Das sei jedoch der Moment gewesen, wo die Familie ins Spiel gekommen sei: „Die Familie hat beraten und zusammen entschieden: Wir schaffen das. Und warum auch nicht? Es ist überhaupt kein Problem, ein tolles und vielseitiges Leben weiterzuführen, so wie es auch vorher war“, sagt Vera ButterweckKruse. Seither habe sie an ihrer Rolle nicht wieder gezweifelt. Und klappt das: Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen? Ja, sagt die Emsländerin. „Mein Bruder und ich sind mit dem Unternehmen aufgewachsen und waren es gewohnt, auch mal von anderen betreut zu werden und flexibel zu sein. So lebe ich auch mit meiner Familie. Wir sind straff durchorganisiert und es klappt.“ Aber: Sie müsse als Mutter zum Beispiel auch akzeptieren, dass ihre Kinder mit anderen Mittagessen statt mit ihr. „Wir nehmen uns feste Zeiten für die Familie, und diese sind uns heilig.“ Dass diese Zeit während des Lockdowns mehr wurde, sei sicherlich eine der schöneren Entwicklungen der Corona-Pandemie gewesen. „Aber ich muss auch ganz ehrlich sagen: Ohne Hilfe im Haushalt und bei der Kinderbetreuung würde ich das niemals schaffen. Auch mein Mann arbeitet Vollzeit und in verantwortlicher Position. Wenn wir nur auf die Zeiten von Kita und Schule angewiesen wären, wäre unser Familienmodell unmöglich.“ An diese Erfahrung muss sich Kristin Landwehr erst noch herantasten. Vor vier Monaten hat sie Zwillinge bekommen und ist zurzeit noch in Elternzeit. „Ich fange gerade an, mich mit Betreuungsmöglichkeiten zu beschäftigen. Plätze gibt es sicherlich genug, aber die Betreuungszeiten sind wirklich kurz“, schildert sie ihren ersten Eindruck. Als Geschäftsführerin habe sie einen Vorteil, den Frauen in anderen Positionen weniger haben. „Ich kann flexibel arbeiten und gegebenenfalls einfach abends eine Stunde dranhängen. Das können Frauen im Angestelltenverhältnis eher nicht.“

Sie sei in dieser Hinsicht in einer privilegierten Situation, die Arbeitszeit selbst gestalten zu können. Vera Butterweck-Kruse pflichtet ihr bei. „Ich hatte auch einen Laufstall bei mir im Büro stehen und habe die Kinder mitgenommen. Allerdings wohne ich direkt neben der Firma, sodass man auch mal schnell mit Babyfon in der Hand rüberlaufen konnte. Und meine Aufgaben sind weder an eine Tageszeit noch an einen Ort gebunden, sodass ich mir die Arbeit gut einteilen kann.“ Und dennoch sagt sie: Ohne Hilfe wäre die Betreuung der Kinder so nicht möglich. „Vielleicht gibt es da einen Unterschied zwischen der Situation in der Stadt und dem ländlichen Raum. Ich habe Glück, dass ich viel Familie mit Eltern, Geschwistern, Tanten und Onkel um mich herum habe, die einspringen, wenn Not am Mann ist. Bei anderen ist das anders und dann kann, meistens die Frau, nicht Vollzeit arbeiten.“ Die Corona-Pandemie hat für sie noch einmal die Schwächen des Betreuungssystems aufgezeigt. „Arbeitende Frauen sind die Verliererinnen in dieser Zeit.“ Denn auf dem Land bleibe häufig das klassische Rollenmodell erhalten, und wenn dann mal ein Mann entscheide, in Teilzeit zu gehen, werde er durchaus schief angeschaut. „Das finde ich erschreckend. Vor allem, da gerade viele junge Menschen diese Einstellung haben. Das ist schade.“ Für Vera Butterweck-Kruse ist die Kombination zwischen Geschäftsführerposition und Mutter der richtige Weg. „Allerdings bin ich schon manchmal gefragt worden, warum ich überhaupt Kinder habe, wenn ich so viel arbeite. So eine Frage sollte niemals gestellt werden“, sagt sie. Auch als ihre jüngste Tochter zur Welt gekommen sei, sei das wieder aufgekommen. „Warum? Ich muss die Rahmenbedingungen anpassen, aber mehr nicht. Das Familienunternehmen gehört für uns zur Familie, man muss Aufgaben eben anders organisieren. Manchmal frage ich mich, warum wir in dieser Hinsicht als Gesellschaft noch nicht weiter sind. Diese Einstellung hält natürlich viele Frauen davon ab, Führungspositionen anzunehmen“, ist sich Vera Butterweck-Kruse sicher. Kristin Landwehr ist sich sicher, dass sie die Geschäftsführung und Familie unter einen Hut bekommen wird. „Ich stehe noch ganz am Anfang, aber es wird eine Lösung geben, das Familienleben und den Job unter einen Hut zu bekommen.“ Denn auch das sei ein Vorteil, wenn die ganze Familie im Unternehmen aktiv ist: Es ist immer jemand da, der einem den Rücken frei hält, sagt die 34-Jährige. „Insofern habe ich mit meiner Entscheidung, die Geschäftsführung zu übernehmen auch nicht gehadert.“ Auch, wenn die Herausforderungen mit der Corona-Krise sicherlich größer geworden seien. Bis die nächste Generation bei Kunststofftechnik Borgmann in den Startlöchern steht, wird es noch einen Moment dauern. Und bei Butterweck Rundholzlogistik? Vera Butterweck-Kruse winkt erst einmal ab. „Unsere älteste Tochter ist 22 und studiert in Leipzig Tiermedizin. Sie hat sich also anders entschieden und das ist auch vollkommen in Ordnung.“ Für ihre Tochter habe es nie zur Debatte gestanden, den Familienbetrieb weiterzuführen. „Und ich habe gefühlt ja auch gerade erst angefangen. Wenn jetzt schon die nächste Generation in den Startlöchern stünde, wäre das ein komisches Gefühl“, gibt Vera Butterweck Kruse zu.

Illustration:Colourbox.de


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Mit Feuer in die nächste Generation Bäckermeisterin Sabrina Ahaus bringt sich schon heute mit neuen Ideen ins Familienunternehmen ein VON KRISTINA MÜLLER HÜVEN Keine Enzyme, Konservierungsstoffe, gehärtete Fette oder Quellmehl – nur Schrot, Wasser, Salz und natürlicher Sauerteig: Mitten auf dem Hümmling wird seit fast 100 Jahren Brot gebacken, das weit über die Grenzen des Emslandes hinaus beliebt ist. Diese Tradition will die 25-jährige Sabrina Ahaus bald in vierter Generation weiterführen. Das Rezept für das Hümmlinger Schwarzbrot aus der Vollkornbäckerei Ahaus in Hüven, nach dem die Bäckermeisterin das Produkt des Familienbetriebs backen wird, ist derweil immer noch dasselbe wie zur Zeit der Firmengründung 1929. Während das Brot damals zunächst noch im eigenen Kolonialwarenladen verkauft wurde, beliefert das Familienunternehmen inzwischen Kunden im ganzen Bundesgebiet und in 15 Ländern der Welt, darunter Großhändler für Supermärkte wie Edeka, Rewe, Kaufland, Lidl und Penny. So hat sich auch der Betrieb von 60 Quadratmetern mit damals noch holzbetriebenen Steinöfen auf mehr als 600 Quadratmeter mit einer Reihe von riesigen modernen elektrischen Öfen entwickelt. Ebenso das Sortiment: 15 Brotsorten werden in Hüven inzwischen gebacken – von Sonnenblumen- über Leinsamen- bis hin zu Früchte- und Nuss-Brot. „Aber das Schwarzbrot hatten wir immer schon, damit sind wir groß geworden“, sagt Bäckermeister Thomas Ahaus, der das Unternehmen seines Großvaters Hermann Ahaus in dritter Generation führt. Zum Verkaufsschlager habe sich jedoch das Dinkelbrot entwickelt, „weil es vermeintlich gesünder ist“, so Ahaus. Dabei wüssten viele Verbraucher nicht, dass es sich dabei um eine Urform des häufig verteufelten Weizens handele. Wert werde heutzutage aber besonders auf Regionalität und Nachhaltigkeit gelegt. Neben drei weiteren Großproduzenten bedient er allerdings einen Nischenmarkt, wie der Bäckermeister sagt: „Das, was wir am Tag produzieren, machen die Großen in der Frühstückspause. Deswegen können wir nur bestehen, wenn wir ein anderes Brot machen.“ Regional, nachhaltig und eine hohe Handwerksquote – damit hebe sich die Vollkornbäckerei auf dem Hümmling von den anderen ab. Dass die Teige teilweise bis zu 48 Stunden lang geführt und die Brote bis zu 20 Stunden lang gebacken werden, spiegele sich dann im Geschmack wider. „Wir müssen nicht die größten sein, das Produkt ist wichtiger“, findet Ahaus. Dieses „Feuer“, wie er es nennt, will er bald an seine Tochter Sabri-

NachdemBacken müssendielangen Brotstangenerst einmalruhen.

DasHümmlingerSchwarzbrotbacktSabrinaAhausnach genaudemselbenRezept wieFirmengründerHermannAhaus.

na weitergeben und ist schon jetzt offen für ihre Ideen. „Der Satz ,Das haben wir immer schon so gemacht‘ ist todbringend. Hier hat jede Generation dem Betrieb mit eigenen Ideen ein anderes Gesicht gegeben“, betont der 57-Jährige. Die 25-jährige Sabrina Ahaus ist offiziell seit September vergangenen Jahres in der Bäckerei ihrer Familie tätig, eigentlich aber schon von klein auf mit dabei. „Ich wusste damals schon, wo die Aus-Knöpfe von den Maschinen sind“, sagt sie lachend. Auch einige der 17 Mitarbeiter, die dem Betrieb seit teilweise mehr als 35 Jahren die Treue halten, kannten sie schon als kleines Mädchen. Generell sei das Team überaus familiär strukturiert. Inzwischen geht sie ihrem Beruf mit Leidenschaft nach, hätte sich aber wohl nie auf das Bäckerhandwerk eingelassen, „wenn ich nicht den Background gehabt hätte“, sagt sie. „Mit dem Gedanken hatte ich immer gespielt, wollte aber erst

noch anderes ausprobieren.“ Ihr Fachabitur absolvierte sie in Sozialpädagogik, schnupperte während der Schulzeit durch Praktika beim Altenheim, bei der Jugendbildungsstätte Marstall Clemenswerth und auch in der Physiotherapie hinein. „Im Nachhinein finde ich jetzt noch

„In der Schule wird man einfach nicht zum Handwerk hingeleitet, besonders als Frau nicht.“ Sabrina Ahaus

viel mehr Handwerksberufe interessant, aber in der Schule wird man einfach nicht zum Handwerk hingeleitet, besonders als Frau nicht“, bedauert sie. Und so hätten auch 95 Prozent ihrer Mitschüler nach der Schule ein Studium statt einer Ausbildung begonnen. Nach zwei Wochen in der Lehre zur Bäckergesellin sei sich Ahaus aber sicher gewesen, dass sie diesen Beruf „für immer“ machen will. Abwechslung, Teamarbeit, Bewegung – all das reizte sie an der Arbeit als Bäckerin. Die Ausbildung absolvierte sie von 2014 bis 2016 in der Bäckerei Menke in Haren, die inzwischen jedoch – wie viele andere Betriebe aus der Branche – nicht mehr existiert. Der Nachwuchsmangel hat sich Ahaus zufolge besonders in der Berufsschule bemerkbar gemacht: Während ihr Vater noch mit 30 anderen Gesellen lernte, seien es in dem Jahrgang der 25-Jährigen insgesamt nur drei Schüler gewesen. Damit sich das ändert, plant sie, über die Handwerkskammer Patin für ihren Beruf zu werden und in Schulen dafür zu werben. Ihr Weg führte sie weiter zu Stationen in Bäckereien und Konditoreien in Meppen, Lähden und Haselünne – auch einige dieser Betriebe gibt es inzwischen nicht mehr – im Anschluss an ihre Ausbildung. „So lernt man am besten. Auch, wie man später als Chef sein möchte“, verrät Ahaus. Ende 2018 absolvierte sie die Meisterschule in Hannover. Darauf folgte dann eine Stelle in der Hemelter Mühle in Rheine im Versuchslabor, um mit dem Qualitätsmanagement „auch mal die andere Seite zu sehen“, bevor sie im vergangenen Jahr dann schließlich die Fortbildung zur Betriebswirtin des Handwerks in Osnabrück antrat. Am liebsten steht sie dennoch weiterhin in der Backstube, wo sie das fertige Produkt ihrer Arbeit anfassen und auch schmecken kann.

Fotos:KristinaMüller

BetriebmitTradition:FirmengründerHermannAhausundTheoAhaus(2.Generation).

„Am Ende des Tages sehe ich dann auch mal dreckig aus, deswegen wollte ich es ja immer machen“, betont die Bäckermeisterin. „Ich bin auch im Büro und weiß, dass es dazugehört. Aber dadurch, dass es kaum noch Bäcker gibt, muss man sich selbst zum besten Fachmann machen und auch immer einspringen können.“

ZUM UNTERNEHMEN Die Vollkornbäckerei Ahaus hat ihren Hauptsitz in der Hümmling-Gemeinde Hüven und beschäftigt aktuell 17 Mitarbeiter. Gegründet wurde sie 1929 von Hermann Ahaus. Heute wird das Unternehmen in der dritten Generation geführt, und die vierte steht in den Startlöchern. Seit vielen Jahrzehnten ist die Bäckerei auf Schwarzund Vollkornbrote spezialisiert und beliefert mittlerweile Kunden im ganzen Bundesgebiet sowie in 15 Ländern weltweit. Vertrieben werden die Produkte vor allem durch den Lebensmitteleinzelhandel.

Mit dem mit 5000 Euro dotierten Förderpreis der Aloys-&-BrigitteCoppenrath-Stiftung für Betriebsnachfolge im Handwerk, die gemeinsam mit der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim verliehen wird, wurde die 25-Jährige mit acht weiteren Preisträgern in einem individuellen Coaching-Programm für den Übernahmeprozess und die zukünftige Weiterentwicklung des Unternehmens vorbereitet. Vor dem Schritt hat sie allerdings schon jetzt „Respekt“. Wann genau sie den Betrieb von ihren Eltern übernehmen wird, steht noch nicht fest. Wenn es nach Thomas und Bernadette Ahaus geht, wollen sie sich für einen fließenden Übergang nur nach und nach zurückziehen. „Wir werden ihr natürlich weiter beratend zur Seite stehen“, betont Thomas Ahaus. „In so einem kleinen Betrieb ist es auch nicht möglich, sich komplett aus dem operativen Geschäft herauszuziehen.“ Schon jetzt hilft er seiner Tochter bei der Ausarbeitung ihrer eigenen Ideen, darunter ein neues Produkt für das Sortiment: ein feines Vollkornbrot mit feinerem Schrot und milderem Geschmack – made in Hüven.


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SPEZIAL ELTERN & TÖCHTER VON NINA KALLMEIER MELLE Mit dem Vater zusammenzuarbeiten? Für Karla Aßmann ist das kein Problem. „Papa und ich, wir ergänzen uns sehr gut“, sagt die 25-Jährige. Vor vier Jahren ist sie als Trainee ins Familienunternehmen gekommen, heute übernimmt sie erste Führungsaufgaben und leitet bei Assmann Büromöbel gemeinsam mit einer Kollegin den Bereich „Workplace Consulting“. Das Ziel: In den nächsten Jahren will die Mellerin die Geschäftsführung von ihrem Vater Dirk Aßmann übernehmen. Damit wird Karla Aßmann das Familienunternehmen in vierter Generation weiterführen. Die Mellerin ist die Älteste von drei Geschwistern. Dass sie wirklich die Nachfolge ihres Vaters antreten möchte, das stand für die sie aber nicht von Anfang an fest. „Natürlich hatte ich das im Hinterkopf, schließlich bin ich mit dem Unternehmen aufgewachsen und habe mir hier schon als Schülerin mein Taschengeld aufgebessert“, sagt Karla Aßmann. Dennoch: Ihre Ausbildung zur Industriekauffrau hat sie nach dem Fachabitur erst einmal in einem anderen Unternehmen absolviert. Vor vier Jahren kam sie dann zurück zu Assmann und startete ein Traineeprogramm – um das Unternehmen und die Mitarbeiter besser kennenzulernen. „Dass ich mir wirklich vorstellen kann, das Familienunternehmen weiterzuführen, habe ich für mich erst in meinem zweiten Trainee-Jahr entschieden“, sagt Karla Aßmann. „Mir war es wichtig zu wissen, wie das Unternehmen tickt, bevor ich eine Entscheidung treffe, hier Verantwortung zu übernehmen.“ Wie groß die Firma tatsächlich ist, dessen sei sie sich gar nicht so bewusst gewesen, als sie angefangen habe. „Ich kenne den Betrieb zwar, seit ich klein bin, aber das nimmt man gar nicht so wahr“, sagt Karla Aßmann. Und sie sei positiv überrascht gewesen, wie gut organisiert und vernetzt die Schnittstellen schon gewesen seien. Als sie mit ihrem Vater das erste Mal über die Nachfolge gesprochen hat, habe der sich über ihr Interesse sehr gefreut. „Er ist schon ein bisschen Stolz, dass das Unternehmen seines Großvaters auch in vierter Generation in der Familie bleibt. Mein Vater hat mir aber auch gleich mit auf den Weg gegeben, mir einen Schwerpunkt in meiner Arbeit zu suchen. Etwas, mit dem ich mich identifizieren kann. Für alle anderen Bereiche gebe es Partner, die mich unterstützten.“ Dass nun zum ersten Mal eine Tochter den Betrieb weiterführe, das sei kein Thema gewesen. „Ich muss mir wie jeder, der neu kommt, den Respekt der Mitarbeiter erarbeiten und beweisen, dass ich anpacken kann. Da spielt das Geschlecht keine Rolle“, ist Karla Aßmann überzeugt. Und anpacken will sie, deshalb hat sie sich den Rat ihres Vaters bereits zu Herzen genommen und ihren Schwerpunkt gefunden: die Beratung, der Kontakt zu Kunden. Denn

„Papa und ich, wir ergänzen uns sehr gut“ Bei Assmann Büromöbel in Melle steht mit Karla Aßmann die vierte Generation in den Startlöchern AufdemWeg,in einigenJahrendas MellerBüromöbel-Unternehmenin vierter Generationalleinezuführen:KarlaAßmann.

von sich selbst sagt sie: „Ich bin handwerklich nicht sehr begabt, mein Steckenpferd ist das Kaufmännische. Und ich bin sehr kommunikativ, das ist mein Ding.“ In diesen Bereichen sieht Karla Aßmann auch künftig den Schwerpunkt ihrer Arbeit. Im Bereich „Workplace Consulting“, in dem sie derzeit erste Führungserfahrungen sammelt, kann sie das unter Beweis stellen. Was braucht ein Mitarbeiter an einem modernen Arbeitsplatz? Wie kann mobiles und stationäres Arbeiten zusammen funktionieren? Unter anderem darin berät sie Unternehmen und baut den Dienstleistungsbereich weiter auf.

„Ich freue mich, wenn meine Geschwister auch Interesse haben und bereit sind, Aufgaben zu übernehmen.“ Karla Aßmann

EinFamilienteam, dassichversteht:Dirk undKarlaAßmann.

Foto: Assmann

Mit der Produktion im Meller Ortsteil Westerhausen beschäftige sie sich zwar auch, das sei aber nicht ihr Schwerpunkt, gibt die 25-Jährige offen zu. „In dieser Hinsicht ergänzen Papa und ich uns sehr gut. Er hat eine Ausbildung als Tischerler gemacht, und Technik ist voll sein Ding.“ Und in einem weiteren Aspekt unterscheiden sich Vater und Tochter, zumindest ein bisschen. „Papa ist immer schon um kurz vor sieben im Betrieb. Ich bin da eher ein Langschläfer“, sagt Karla Aßmann. Ihr Tag beginnt um Viertel nach acht. Wobei das ihrem Aufgabenbereich zugutekommt, denn auch ihre Ansprechpartner in Unternehmen oder bei Agenturen fangen nicht früher an. In anderen Bereichen wiederum sei sie ihrem Vater ähnlich – oder wolle sich an ihm ein Beispiel nehmen: wenn es um den Führungsstil im Unternehmen geht. „Ich bewundere, wie er das alles meistert. Er ist offen, kommunikativ und kennt alle Mitarbeiter mit Namen. Diese familiäre Atmosphäre im Unternehmen spielt für ihn eine sehr große Rolle und ist für mich ein absolutes Vorbild.“ Die nächsten Jahre sieht Karla Aßmann – nach ihrer Ausbildung, dem Traineeporgramm und einem nebenberuflichen Studium zur Betriebswirtin – in gewisser Weise als zusätzliche Lehrjahre. In Entscheidungen zum Unternehmen binde sie ihr Vater bereits jetzt ein, da werde auch schon mal lebhaft diskutiert. „Das ist auch gut so, wir diskutieren unsere Differenzen immer aus. In den meisten Dingen haben wir aber ganz ähnliche Ansichten.“ Auch der Stufenplan zum schrittweisen Generationenwechsel steht. Als klar geworden sei, dass sie die Geschäftsführung übernehmen möchte, habe man diesen gemeinsam entwickelt, um die Übergabe zu gestalten. „Wir haben überlegt, was bis wann passiert sein sollte, damit ich das Unternehmen in vierter Generation ohne große Veränderungen weiterführen kann. Mein Vater ist jetzt 54 Jahre und damit eigentlich noch sehr jung für den Ruhestand. Mal schauen, wie das in ein paar Jahren funktioniert. Er hat immer gesagt, dass er keine graue Eminenz im Unternehmen sein und der neuen Generation Freiheit geben will, sich zu entfalten.“ Den

ZUM UNTERNEHMEN Die Assmann Büromöbel GmbH & Co. KG ist europaweit tätig und hat ihren Stamm- und Produktionssitz im Meller Ortsteil Westerhausen. Den Grundstein für

das Unternehmen legte Heinrich Ahsmann, als er 1939 die Dorftischlerei in Melle übernahm. Unter seiner Leitung wurde aus dem kleinen Betrieb ein Handwerks-

unternehmen mit 15 Mitarbeitern. Ihren heutigen Standort hat die Firma seit 1968. Unter Dieter Ahsmann entwickelte sich das Unternehmen zum Industrie-

betrieb und spezialisierte sich auf Büromöbel. Zuletzt erzielte Assmann im Jahr 2019 mit 385 Mitarbeitern einen Umsatz von 132 Millionen Euro.

Foto: David Ebener

eigenen Weg zu finden, das sei wichtig, sagt Karla Aßmann. Möglicherweise muss sie den nicht alleine finden, sondern bekommt Unterstützung aus der Familie. „Meine jüngere Schwester startet Mitte Juli als Trainee“, sagt die 25-Jährige. Auch ihr Bruder mache eine kaufmännische Ausbildung, allerdings nicht im Bereich Möbel, sondern in

der Automobilindustrie. „Wer weiß, vielleicht entscheidet er sich auch irgendwann, ins Familienunternehmen zu kommen.“ Ein Problem sei das nicht, sagt Karla Aßmann, ganz im Gegenteil. „Es spricht nichts dagegen, dass wir alle drei einsteigen. Ich freue mich, wenn meine Geschwister auch Interesse haben und bereit sind Aufgaben zu übernehmen,

die nicht zu meinen Schwerpunkten zählen.“ Und wenn sie sich nun nicht hätte vorstellen können, den Familienbetrieb weiterzuführen? „Papa wäre nicht enttäuscht gewesen. Wir wurden als Kinder nie in diese Richtung gedrängt, und es war immer klar, dass es dann eine andere Lösung gegeben hätte.“

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SPEZIAL ELTERN & TÖCHTER

So weiblich sind die Chefetagen

16,8

Anzahl der zur Übertragung anstehenden Unternehmen 2014–2018 Niedersachsen Baden-Württ. Bayern Nordrhein-Westf.

12400 19 000 23 900 29 400

Prozent aller kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)hatten 2020 eine Frau an der Spitze.

638 000 Unternehmen im Mittelstand wurden 2020 von einer Frau geführt. Ein Drittel der Frauen übernimmt ein Unternehmen, wenn sie sich selbstständig machen. Bei Männern sind es 23 Prozent. 85 Prozent der weiblichen Inhaber führen ein mittelständisches Dienstleistungsunternehmen (Männer: 76 Prozent).

2

Prozent der kleinen und mittelständischen Betriebe in Maschinenbau, Medizin-, Mess-, Regeltechnik, Fahrzeugbau oder Pharmazie werden von Frauen geführt; im verarbeitenden Gewerbe (Ernährung-, Holzgewerbe, Herstellung von Metallerzeugnissen) liegt der Anteil der Chefinnen bei 14 Prozent.

Anteil von Frauen in Führungspositionen 2020 Angaben in Prozent, EU-weit, Auswahl Lettland Polen Schweden Finnland Estland Frankreich Spanien Österreich Euro-Zone Tschechien Deutschland Dänemark Italien Niederlande Nordmazedonien

46,6 43,7 42,2 37,8 37,0 35,8 35,3 32,9 32,7 28,5 28,4 28,2 27,9 26,5 20,5

Das durchschnittliche Geschäftsführungsmitglied in den 100 größten Familienunternehmen ist:

93 % männlich 90 % deutsch 1965 geboren 76 % Ausbildung in Westdeutschland 23 % Ausbildung im Ausland 45 % Wirtschaftswissenschaftler 36 % Ingenieur

44

Prozent aller Beschäftigten bundesweit waren im Jahr 2019 Frauen – allerdings machen sie nur 26 Prozent der ersten Führungsebene aus.

Unternehmerinnen haben mehr weibliche Beschäftigte

61

Prozent Frauenanteil bei weiblichen Chefs.

53 Prozent bei männlichen Chefs.

Quellen: Statista, KfW, Allbright-Stiftung, Agentur für Arbeit


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LEBEN & LEIDENSCHAFT

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Ein Leben für das Kino Schwestern betreiben vier Standorte / Millioneninvestitionen in Aus- und Neubau

Foto:Colourbox.de

Der Großvater startete 1928 mit ersten „Lichtspielen“. Papenburg: 1980 begann im Ems-Center eine neue Ära. Hoffnung auf Neustart nach Corona-Schließung. VON CHRISTOPH ASSIES PAPENBURG Wer das Büro der Kinobetriebe Muckli im Papenburger Stadtteil Aschendorf betritt, spürt direkt die Leidenschaft zum Film: Alte Filmplakate wie von „Der Tiger von Eschnapur“ aus dem Jahr 1959, großformatige Aufnahmen der früheren Kinosäle am Stammsitz in Aschendorf und sogar alte Kinosessel aus dem früheren Papenburger Ems-Center-Kino. Die Schwestern Astrid und Kathrin Muckli leiten mittlerweile als Geschäftsführerinnen die Kinobetriebe Muckli, die heute Kinos in Papenburg, Meppen, Leer und Aurich betreiben. Nach den Neubauten moderner Filmtheater in Meppen (2001) und Papenburg (2011) wurde 2017 ein neues Kino in Aurich eröffnet. Allein hier investierte das Unternehmen zehn Millionen Euro. Im Coro-

na-Jahr 2020 liefen groß angelegte Sanierungs- und Umbauarbeiten im Meppener Muckli-Kino. Die Wiedereröffnung Ende des Jahres machten die Corona-Beschränkungen zunichte. „Natürlich war das sehr schade, wir wollten mit dem neuen James-Bond-Film unsere Wiedereröffnung feiern, aber auch der ist ja mittlerweile mehrfach verschoben. Wir hatten und haben durch Corona mit sehr vielen Herausforderungen zu kämpfen“, sagt Astrid Muckli. Nach einer kurzen Öffnungsphase unter strengen Auflagen von rund 20 Wochen im vergangenen Jahr, sind die Kinos derzeit noch seit dem 2. November 2020 geschlossen. Die Zeit des Wartens ist jedoch bald vorbei. Bundesweit sollen die Filmtheater zum 1. Juli wieder öffnen. Filmverleiher und Kinoverbände hatten sich auf diesen einheitlichen Termin geeinigt, um die Wiedereröffnung entsprechend planen zu können. „Eigentlich hätten wir zum 1. Juni schon öffnen dürfen, aber ich finde diese einheitliche Regelung wichtig, damit die Verleiher ihre Filme entsprechend planen können und wir den Neustart mit unseren Mitarbeitern“, sagt Astrid Muckli. Wenn es so weit ist, können die Gäste wieder den Kinobesuch so genießen, wie sie ihn vor der Pandemie kannten. „Wir besetzen die Säle so, dass ein ausreichender Abstand gewährleistet ist. Die Maske muss nur innerhalb des Gebäudes bis zum

KinomitBar:Blickin denSaal 1derEms-Center-KinosimJahr 1980.

Platz getragen werden“, erklärt die Unternehmerin. Sie sei „unendlich froh, dass wir wieder eine Perspektive haben. Das Team ist motiviert, und das Programm verspricht bis zum Ende des Jahres viele tolle Filme, darunter auch der mehrfach verschobene neue James-BondFilm ab dem 20. September“, so Muckli. Mit dem Neustart geht für die Aschendorfer Kino-Familie eine Geduldsprobe mit vielen Herausforderungen mutmaßlich zu Ende. Die Anfänge des Familienunternehmens reichen bis in das Jahr 1928 zurück. Damals hatte sich der Elektromeister Bernhard Kosse, der Großvater der heutigen Geschäftsführerinnen, im Alter von 21 Jahren mit den „Aschendorfer Lichtspielen“ selbstständig gemacht. „Damals wurden noch Stummfilme gezeigt“, erzählt Astrid Muckli. In einer Anzeige in der Ems-Zeitung aus dem Jahr 1928 verdeutlichte der Hinweis „sinnreiche Musikbegleitung zu den Vorführungen“, dass es sich um Stummfilme handelte. In dem Jahr hatte der emsländische Kino-Pionier Kosse jedoch bereits seine ersten Außenstellen zur Vorführung von Filmen in den Gemeinden Rhede und Lathen eingerichtet. Anfang der 1930er-Jahre waren für die Umstellung von Stumm- auf Tonfilm erhebliche Investitionen notwendig. Ein Tonfilmprojektor kostete nach Angaben von Muckli damals rund 4500 Reichsmark, was

Foto: KinobetriebeMuckli

Optimistisch:KinobetreiberinnenAstrid(links) undKathrinMuckli.

heute in etwa 17 500 Euro entspricht. „Natürlich ist mit dem Tonfilm damals auch die Besucheranzahl stark gestiegen. Im Begleitprogramm wurde damals die deutsche Wochenschau gezeigt, mit der sich die Besucher über das aktuelle Kriegsgeschehen informieren konnten“, so die Aschendorferin heute. Fernsehgeräte in privaten Haushalten seien damals noch nicht stark verbreitet gewesen. In den 1930er-Jahren entwickelte sich ein harter Konkurrenzkampf unter den Kinobetreibern. Kosse in Aschendorf und die Firma Buschmann im benachbarten ostfriesischen Leer buhlten um die Zuschauer. „Mein Opa zog damals mit einem Wanderkino durch das Emsland und bis nach Bunde ins Rheiderland oder nach Westrhauderfehn in Ostfriesland“, berichtet Astrid Muckli. Kino Kosse kam so nach Papenburg, Meppen, Lathen, Haren, Sögel und Werlte. Vorgeführt wurden die Filme in Gaststätten. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Bernhard Kosse seine Filmbetriebe völlig neu aufbauen, da in den Kriegswirren viel Inventar verloren gegangen war. „Filme wurden dann nur noch in sieben statt neun Orten im Emsland von meinem Opa gezeigt“, sagt Muckli. Mitte der 1950er-Jahre wagt Kosse den Schritt zum ersten festen Lichtspielhaus, wie es damals genannt wurde. In der damaligen

Kreisstadt Aschendorf des früheren Landkreises Aschendorf-Hümmling wollte er ein Kino mit zwei Sälen errichten. Am 8. März 1956 wurde der erste Spatenstich gesetzt. An der Großen Straße, heute Sitz der Verwaltung der Kinobetriebe Muckli, sollten ein 29 Meter langer und

„Filme auf der großen Leinwand sind das einzig wahre Filmerlebnis.“ Astrid Muckli, Kinobetreiberin

Foto: Klaus Ortgies

elf Meter breiter Kinosaal und ein Erweiterungsbau für Kosses Elektrofachgeschäft entstehen. Im September 1956 wurde das Aschendorfer Lichtspielhaus, kurz „Ali“, bereits eröffnet. Das neue Kino ging in einer Zeit an den Markt, in der die Zuschauerzahlen zurückgingen und bundesweit wegen der immer weiter verbreiteten Fernsehgeräte in den Haushalten einige Kinobetriebe starben. Kosse blieb am Markt und führte Filme zusätzlich in mehreren Orten im Emsland auf. 1978 starb Bernhard Kosse, und der Kinobetrieb wurde von seiner Tochter Thea und ihrem Mann Helmut Muckli weitergeführt. 1980 startete das Unternehmen mit dem Umzug ins Einkaufszentrum „EmsCenter“ in eine weitere neue Ära. In den drei Sälen dort wurden Erfolge wie „Titanic“ oder die Harry-PotterFilme gezeigt, ab 2011 gab es dann nach dem Umzug in den Neubau fünf Säle mit einer Kapazität von 755 Sitzplätzen. „Damals kamen auch meine Schwester und ich langsam in das Unternehmen. Ich bin im Ems-Center hinter der Kinokasse quasi aufgewachsen“, erinnert sich Astrid Muckli. Ihre Mutter Thea hat sich mittlerweile etwas aus dem Unternehmen zurückgezogen, Vater Helmut Muckli starb 2018. Astrid Muckli ist sich sicher: „Kino hat eine große Zukunft, denn Filme auf der großen Leinwand sind das einzig wahre Filmerlebnis.“


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LEBEN & LEIDENSCHAFT

Pizza-Weltmeister zaubert in Quakenbrück Pizzaiolo Bruno D’Aria über geheime Zutaten, Tricks und Emotionen / Sein Tipp: Nur wenige Zutaten

VON MIRKO NORDMANN Bruno D’Aria hat schon als Kind die Leidenschaft für seinen Beruf entdeckt. Im Alter von 12 Jahren backte er seine erste Pizza. 36 Jahre später ist der Pizzabäcker aus Neapel zweifacher Weltmeister und verwöhnt die Gäste des „Little Italy“ in Quakenbrück mit Pizza Napoletana nach traditioneller Rezeptur. „Ich konnte mir nie vorstellen, eine andere Arbeit zu machen“, berichtet der gebürtige Napolitaner, der seit 1991 in Deutschland lebt und arbeitet. Erst in Landshut, dann in Regensburg. Und jetzt in Quakenbrück im nördlichen Osnabrücker Land. Dass Bruno D’Aria nun im Little Italy im Pizzaofen steht, ist Folge eines Corona-Schicksals. Aufgrund der Pandemie musste ihn sein Chef entlassen, und gerade als der Pizzaiolo– so werden die Pizzabäcker in Italien genannt – einen neuen Job suchte, hielten die Brüder Safet und Edin Dzinic Ausschau nach einem geeigneten Mann für ihr neues Restaurant. Mit ihrer Familie betreiben sie mehrere Gaststätten in Quakenbrück. Es fing an mit einem Balkan-Restaurant. Später folgten der Burgerladen „Beef Chief“ mit weiteren Filialen in Cloppenburg und Vechta sowie die Tapas Bar „Sancho & Pancho“. Und nun also das „Little Italy“ – ein amerikanisch-italienisches Crossover-Restaurant. Hier trifft traditionell italienische Küche auf das Flair der Restaurants in den Vierteln der italienischen Einwanderer im Amerika der 1920er-Jahre. Hier hat der Gast die Wahl zwischen deftig belegten amerikanischen Pan-Pizzen oder einer original Pizza Napoletana. Für den italienischen Klassiker nach neapolitanischen Urrezepten ist Bruno D’Aria verantwortlich. „Mir ist wichtig, dass die Tradition QUAKENBRÜCK

nicht in Vergessenheit gerät“, ist der Napolitaner stolz auf die Urpizza, die in seiner Heimatstadt Ende des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug rund um die Welt startete. In Neapel entdeckte auch Bruno D’Aria seine Leidenschaft für Pizza – nicht nur sie zu essen, sondern sie zu backen. Als er als Zwölfjähriger Hunger auf eine Pizza hatte, zeigten ihm Familienmitglieder die Zutaten und überließen ihm den Platz am Pizzaofen. „Das hat mir Spaß gemacht, und ich wusste sofort: Das ist das, was ich machen will.“ Erst jobbt er als Aushilfe, lässt sich dann zum Pizzaiolo ausbilden und sammelt anschließend Berufserfahrung in zahlreichen Restaurants. Seine Markenzeichen: die Leidenschaft zum Beruf und der Wille, immer neue Sachen auszu-

„Du brauchst sehr viel Erfahrung – und Liebe. Du musst die Arbeit wirklich lieben.“ Bruno D’Aria, Pizzabäcker

Mit geschickten Händen bereitet Bruno D’Aria denTeig vor, formt die kreisrundenTeiglinge und belegt sienachdem Motto:Wenigeristmehr.

Nur mitsehr hohenTemperaturen gelingteinefrische Pizzawirklich,weiß PizzaioloBruno D’Aria.DiesernapolitanischeOfen bringtesaufTemperaturen von350 bis 400Grad.

probieren. Das imponierte auch seinen Freunden, die Bruno D’Aria letztlich dazu ermuntern, sich bei einer Weltmeisterschaft mit anderen Pizzaioli zu messen. „Sie sagen: Bruno, du bist ein Fanatiker. Da musst du dabei sein.“ Und so wetteiferte er 2016 zum ersten Mal mit 350 Pizzabäckern aus verschiedenen Ländern bei einer Pizzaioli-WM in Frosinone (südöstlich von Rom in der Region Latium) um den Titel. Frei nach Caesar: Er kam, backte und siegte. In der Kategorie „Pizza Dessert“ holte er mit einer süßen Pizza, belegt mit Pudding und Früchten, den Weltmeistertitel. Mit seiner Eigenkreation – einem würzigen Teig mit Curry und Curcuma – wurde er zudem Zweiter in der Kategorie „Pizza Innovativa“. 2019 bei einer Weltmeisterschaft in Bari gewann D’Aria seinen zweiten WM-Titel. Zugegeben, es gibt mehrere Pizza-Weltmeisterschaften, und eine Qualifikation ist für die Teilnahme nicht nötig, trotzdem ist Bruno D’Aria stolz auf seine Erfolge. Denn zum einen hat die Konkurrenz den gleichen Ehrgeiz zu gewinnen, zum anderen sind die Wettbewerbe eine Herausforderung. „Ich war schon sehr aufgeregt, als mein Name aufgerufen wurde“, erinnert sich D’Aria. Hat die Jury das offizielle Startsignal gegeben, hat der Pizzaiolo exakt 15 Minuten Zeit, seine Kreation zu vollenden. Nach einer Viertelstunde muss das angerichtete Tablett vor den Wettkampfrichtern stehen. Danach muss der Pizzabäcker der Jury Rede und Antwort stehen. Auch das fließt in die Gesamtbewertung mit ein. Es zählen also nicht nur das Aussehen und der Geschmack der Pizza, sondern auch wie der Pizzaiolo sich präsentiert und wie er die Pizza zubereitet hat. Und wie sieht es aus, wenn ein Pizzaweltmeister arbeitet? Teigfladen, die wild durch die Luft kreisen und spektakulär vom Pizzaiolo mit dem Zeigefinger aufgefangen und weitergedreht werden, bekommt man bei Bruno D’Aria nicht zu sehen. „Das ist doch alles nur Show. Das mag ich nicht“, sagt er. Besser schmecken tut die Pizza durch die Kunststücke ohnehin nicht. Wenn er eine Portion Hefeteig zur Hand nimmt, mit Mehl bestäubt und dann auf der Arbeitsfläche mit den Händen in Form bringt, sieht das beinahe zärtlich aus. Es scheint so, als wolle er dem Teig nicht zu sehr wehtun. „Der Pizzateig ist das Wichtigste“, verrät der zweifache Pizza-Weltmeister eine wichtige Grundregel. Damit der Teig gelingt, zählen für ihn beste Zutaten und viel Geduld. 36 bis 48 Stunden Ruhe gönnt D’Aria seinem Pizzateig, damit die

Sein Handwerk,dasPizzabacken,hatBrunoD’Ariavonder Pikeaufgelernt.

Hefe bei der Gärung für das richtige Aroma sorgt. Wie ein Bierbrauer den Gärprozess des Bieres im Gärtank regelmäßig kontrolliert, überlässt auch der Pizzabäcker dabei nichts dem Zufall. „Man muss genau aufpassen“, rät Bruno D’Aria eindringlich. Wieviel Hefe er mit Wasser vermengt, hängt übrigens auch vom Wetter ab. „Mit einem Pizzateig ist es wie mit einem Menschen: Gehst du ohne Jacke nach draußen, wenn es kalt ist, wirst du krank. Ziehst du dich zu warm an, schwitzt du“, findet Bruno D’Aria einen anschaulichen Vergleich. Je nach Temperatur variiert er die Menge der Hefe, um das richtige Gärergebnis zu erzielen. Und noch einen Tipp verrät der Pizza-Weltmeister. „Ich rühre Hefe immer mit kaltem Wasser an.“ Durch das Kneten würde der Teig automatisch warm. Und wenn die Hefe zu warm wird, sterben die Hefebakterien ab. Wenn auf dem Teigberg dicke Gasbläschen zu sehen sind, ist Bruno D’Aria zufrieden. „Die Gase, die sich im Pizzateig bilden, sind wichtig für das Aroma“, sagt der Pizzaexperte. Und sie sorgen bei der Pizza Napoletana für das charakteristische Leopardenmuster am Rand. Die dunklen Flecken im hellen Teig ähneln dem Fell der Raubkatze, sorgen bei unwissenden Kunden allerdings für Stirnrunzeln und Nachfragen, ob der Teig denn nicht verbrannt sei. D’Aria sorgt dann gerne für Aufklärung, auch wenn das zu Beginn seiner Zeit in Quakenbrück noch nicht möglich war, weil die Pizzen wegen der Corona-Be-

schränkungen nur in der Pappschachtel außer Haus verkauft wurden. Neben Wasser, Mehl, Hefe und Salz gibt Bruno D’Aria dem Teig noch eine Geheimzutat bei. Um was es sich handelt, lässt sich der Pizzaiolo nicht entlocken. „Jeder Pizzaioli hat seine Geheimnisse“, sagt er und lächelt verschmitzt. Auskunftsfreudiger ist er bei seiner Rezeptur für seine Tomatensauce: San Marzano-Tomaten und Salz. Sonst nichts. Die rührt Bruno D“Aria natürlich ebenso selbst an wie sein Pesto. Was da drin ist? Als Antwort hat Bruno D’Aria wieder nur ein spitzbübisches Lächeln parat. Weniger ist mehr ist das Motto bei einer Pizza Napoletana. „Wenig Zutaten und nicht so viel drauf“, sagt Bruno D’Aria. Das bedeutet

„Die Gase, die sich im Pizzateig bilden, sind wichtig für das Aroma“ Bruno D’Aria, Pizzaiolo

Fotos:MirkoNordmann

keinesfalls Langeweile. Dafür sorgen wohlklingende und schmackhafte Zutaten wie Büffelmozzarella, Burrata, Bresaola, Parmaschinken, Thunfisch oder gegrilltes Gemüse. Die klassischen Urpizzen aus Neapel bleiben aber weiterhin die Pizza Margherita – mit Mozzarella, Tomatensauce und Basilikum – und die Pizza Marinara mit Tomatensauce, Basilikum und Knoblauch. Für Bruno D’Aria gehören die beiden immer noch zu seinen Lieblingspizzen. Wegen ihres unverfälschten Geschmacks. Nur etwa 90 bis 120 Sekunden lässt Bruno D’Aria die Pizzen backen. Für die konstant hohe Temperatur zwischen 350 und 400 Grad sorgt der goldene Kuppelofen. „Der wird in Neapel gebaut“, sagt Bruno D’Aria stolz. Während die Pizza im Ofen backt, kontrolliert der Pizzaiolo immer wieder ihren Rand. Wird das Leopardenmuster sichtbar, ist sie fertig. Je nach Sorte belegt Bruno D’Aria die Pizza anschließend mit weiteren Zutaten. Auch dabei ist zu beobachten, mit wie viel Sorgfalt und Respekt vor den Lebensmitteln der Pizzabäcker arbeitet. Auch wenn Bruno D’Aria nicht für die Jury bei einer Pizza-Weltmeisterschaft Pizza backt, ist die Leidenschaft für seine Arbeit spürbar. „Ich mache diesen Beruf seit 25 Jahren und bin immer noch mit vollem Herzen dabei.“ Und dann verrät der Weltmeister doch noch ein Geheimnis, wie man ein guter Pizzaiolo wird: „Du brauchst sehr viel Erfahrung – und Liebe. Du musst die Arbeit wirklich lieben.“


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LEBEN & LEIDENSCHAFT

Eine Kämpfernatur kündigt ihren Rückzug an Firmengründer und Spartherm-Chef Gerhard Manfred Rokossa geht Ende 2022 / Von zwei auf 1100 Mitarbeiter in 35 Jahren

Wird dasneueWahrzeichenvonSpartherminMelle:das Innovationszentrum„Fuego“in SichtweitederA30. NachseinerFertigstellung sollder futuristischeNeubau, dermiteinerHöhevon40MeterneineFlammesymbolisiert,fürEvents, LesungenoderKonzertegenutztwerden.Foto: StefanGelhot

VON SIMONE GRAWE MELLE In der Ofenbranche wird er liebevoll als „Mann mit dem Feuer“ beschrieben: Spartherm-Gründer Gerhard Manfred Rokossa gilt als prägende Persönlichkeit der Branche. Ende 2022 legt er die Geschäftsführung in jüngere Hände. Er gilt als Mann mit Visionen, als Kämpfernatur, als Mensch mit Herz und Verstand: 1986 hat der gelernte Metalltechniker die Spartherm Feuerungstechnik GmbH als kleine Schlosserei mit zwei Angestellten gegründet und diese zu einem international ausgerichteten Unternehmen mit 1100 Mitarbeitern entwickelt. Die Unternehmensgruppe stellt an ihren beiden Standorten am Hauptsitz Melle sowie im polnischen Strzelce Krajenskie pro Jahr rund 50 000 hochwertige Heizkamine, Kaminöfen, Gaskamine und Bio-Ethanol-Feuerstätten her. „Das Feuer in mir brennt, ohne Feuer ist alles nichts“, betont Gerhard Manfred Rokossa, „aber künftig möchte ich mehr Freihei-

Hat seinePläne in 35Jahren zum Erfolg geführt: GerhardManfred Rokossa.Der Metalltechniker fertigt mitseinen1100Mitarbeiternanzwei StandorteninzwischenproJahr 50000 Heizkamine,Kaminöfen, Gaskamineund Bio-EthanolFeuerstätten. Foto: Spartherm

ten für meine Visionen haben. Ich lege die Geschäftsführung nicht in jüngere Hände, um länger zu schlafen, sondern es gibt unglaublich viele andere Aufgaben, auf die ich mich freue“, erklärt der 82-jährige Unternehmer. An Ideen und Visionen mangelt es nicht: Mit seinem langjährigen Freund und Weggefährten Hartwig Grobe sind weitere Radtouren durch Europa geplant, in diesem Herbst entlang der innerdeutschen Grenze und entlang der norwegisch-russischen Grenze im kommenden Jahr. Zwischen 70 und 90 Kilometer pro Tag legen die beiden Freunde auf ihren mindestens zwei Wochen dauernden Touren zurück: Reine Männertouren ohne Frauen. Aus „Überzeugung und mit Herzblut“ widmet sich der Unternehmer zudem dem Weberhaus in den Meller Bergen: „Ein wunderschönes Ausflugsziel inmitten einer fantastischen, unberührten Natur“, urteilt Rokossa, der die seit 1860 betriebene Waldgastronomie 2017 zu einem renommier-

ten Lokal ausgebaut hat und es nach einer zwischenzeitlichen Erweiterung nochmals aufwerten möchte. Ein Glockenturm mit einer Hochzeitsglocke soll entstehen. Über die Ausgestaltung schweigt sich der Investor noch aus, nur so viel: Eine Überraschung soll es werden. Und dann ist da natürlich die GMR-Stiftung, deren Stiftungsrat Gerhard Manfred Rokossa und seine Frau Ulrike angehören. Beide wollen sich künftig auf Kontrollfunktionen konzentrieren, um den Fortbestand des von ihnen Geschaffenen zu sichern. Die Bildung, Weiterbildung und Förderung junger Menschen als Grundlage handwerklicher Arbeit stehen dabei im Mittelpunkt. Sitz der Stiftung in Melle soll das Innovationszentrum „Fuego“ in Sichtweite der A 30 werden, dessen erster Spatenstich im Oktober 2018 erfolgte. Schon vor seiner Fertigstellung gilt das ellipsenförmige 40 Meter hohe Gebäude mit seiner 7000 Quadratmeter messenden Glasfassade als architekto-

nische Attraktion. Deren Eröffnung wird sich allerdings verzögern, denn aufgrund immens steigender Angebotspreise gibt es zurzeit einen Baustopp: Daher will der Investor lieber warten, bis sich die Lage am Markt normalisiert, und später weiterbauen. Eine Eröffnung Ende 2022 ist jetzt realistisch. Ruhe, Entspannung und Erholung findet das Ehepaar Rokossa auf seinem Anwesen in Bissendorf-Astrup, wo eine Arche für Nutztiere entstanden ist. Umgeben von Enten, Hühnern, Schweinen, Kühen, Gänsen und Hunden, genießt es der agile Unternehmer, Obst und Gemüse selbst anzubauen und zu ernten. Mischlingshund „Mumu“, den seine Frau mithilfe der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ aus Griechenland geholt hat, ist ihm besonders ans Herz gewachsen: „Ein goldiges Kerlchen, das mit auf Reisen geht.“ Geboren wurde Rokossa am 29. März 1939 im niederschlesischen Johnsdorf, dem heutigen Janówek in der Nähe von Wrocław (Breslau). Im Alter von 19 Jahren – „Ich war jung und frisch verliebt“ – siedelte der gelernte Metalltechniker und Schweißer in die Bundesrepublik über. Im Sammellager Friedland gab’s zur Begrüßung Apfelsinen und Bananen: Bis dahin für ihn unbekannte Früchte. Dass ausgerechnet Melle die neue Heimat werden würde, liegt daran, dass seine Eltern bereits in einer Unterkunft an der Gesmolder Straße lebten und Rokossa mit seiner ersten Frau Sabine dort einzog. „Hier in Deutschland waren wir nichts, eine unglaublich schwere Zeit“, erinnert sich der Unternehmer an die ersten Jahre. Angetrieben von seinem Willen, etwas zu schaffen und zu erreichen, arbeitete er zunächst als Schlosser in der Maschinenfabrik Neuero, später als Schweißer beim Federnwerk

AuchFaustschlägegehörenzum Leben:GerhardManfred Rokossa injungenJahren. Foto: privat

Schomäcker. Die Anfänge waren von Bescheidenheit geprägt: Vom Stempelgeld in Höhe von 60 Mark flossen 20 Mark in die Miete und 20 Mark in Raten für Möbel aus dem Haus Bussdieker. 20 Mark blieben zum Leben: „Das macht

„Ich bin nicht auf der Welt, nur um etwas zu essen und zu trinken, sondern um etwas zu leisten und zu schaffen.“ Gerhard Manfred Rokossa, Firmenchef

heute keiner mehr mit“, ist sich Rokossa sicher. Mit seinem Kämpferwillen, seiner Intelligenz und viel handwerklichem Geschick hat sich der heute 82-Jährige gegen alle Widerstände durchgesetzt und das Unternehmen Spartherm bis zu seiner heutigen Größe ausgebaut: „Stillstand ist Rückstand“, meint Rokossa und stellt klar: „Ich bin nicht auf der Welt, nur um etwas zu essen und zu trinken, sondern um etwas zu leisten und zu schaffen. Die Firma ist mein Zuhause, dort fühle ich mich wohl. Und würde ich morgen sterben, würde ich heute noch ein Bäumchen pflanzen.“ Von morgens 6 bis abends 18 Uhr im Unternehmen – für Gerhard Manfred Rokossa Normalität: „Man sollte es richtig machen oder es lassen“, äußert sich der Firmenchef, der nun kürzertreten möchte. Er ist überzeugt, mit Andreas Schönfeld den richtigen Nachfolger gefunden zu haben. Der 41-Jährige, bisher Geschäftsführer Vertrieb, wird Ende 2022 den Vorsitz der Geschäftsleitung übernehmen.


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LEBEN & LEIDENSCHAFT

„Meine Kollegen und ich fühlen uns sicher“ Zimmermeister Lukas Wiewel arbeitet im wohl gefährlichsten Job der Region / Viele meldepflichtige Unfälle auf dem Bau VON STELLA BLÜMKE UND SABRINA HOLTHAUS OSNABRÜCK Die Gefahr ist da: „104 000 meldepflichtige Arbeitsunfälle gab es im vergangenen Jahr deutschlandweit in der Bauwirtschaft und den baunahen Dienstleistungen“, konkretisiert Bernhard Arenz, Leiter der Hauptabteilung Prävention bei der Berufsgenossenschaft (BG) Bau. Mit 52 meldepflichtigen Unfällen pro 1000 Vollarbeitern im Jahr 2020 liegt die BG Bau klar über dem Durchschnitt aller gewerblichen Wirtschaftszweige von 23 meldepflichtigen Unfällen pro 1000 Vollarbeitern. „Auf der Baustelle gibt es verschiedene Störfaktoren, wie zum Beispiel den Straßenverkehr und das Wetter“, erläutert Arenz. Die Arbeitsprozesse in der Bauwirtschaft seien dynamisch und können nicht exakt gesteuert werden. Deswegen müssen sich die Arbeiter ständig auf neue Situationen einstellen, was herausfordernd, aber auch spannend sei. Das größte Risiko bergen hoch gelegene Arbeitsplätze wie Leitern, Dächer und Gerüste: Das Reich von Dachdeckern, Gerüstbauern und Zimmerern. „Von den 97 tödlichen Unfällen im Bereich der BG Bau im vergangenen Jahr waren 44 Absturzunfälle“, so Arenz. Damit ist es die häufigste Ursache für tödliche Unfälle. „Seit mehreren Jahren haben Zimmerer die höchste Unfallquote von 140 meldepflichtigen Arbeitsunfällen pro 1000 Vollarbeiter“, berichtet Arenz weiter. Das seien pro Jahr 6000 meldepflichtige Unfälle, jeder

achte Zimmerer sei jährlich betroffen. Jedoch: „Die Zahl stagniert seit mehreren Jahren“, berichtet Arenz. „Abstürze verursachen extrem hohes menschliches Leid“, beschreibt er. Neben dem Menschen, der eindeutig im Vordergrund stehe, verursachen Ab- und Durchstürze laut Arenz zudem mit weitem Abstand die meisten Kosten. Dazu komme, dass Verunglückte unter Umständen sehr lange ausfallen oder gar nicht in den Beruf zurückkehren. „Dadurch gehen Fachkräfte verloren.“ Zu den Unfällen kommen noch Berufskrankheiten: Lärmschwerhörigkeit, Asbestose und Lungenkrebs, Verletzungen der Lendenwirbelsäule durch schweres Heben und Tragen. Seit 2015 wird auch Hautkrebs aufgrund der natürlichen UV-Strahlung zu den Berufskrankheiten gezählt.

„Abstürze verursachen extrem hohes menschliches Leid.“ Bernhard Arenz, Berufsgenossenschaft Bau

Liebtseinen Beruf:ZimmermeisterLukas Wiewelbetont, dassman natürlich beiseinerTätigkeit aufpassenmüsse, dassnichtspassiere–aberderBeruf seinichtgrundsätzlichgefährlich. Foto: Sabrina Holthaus

Doch wie sieht es ein Zimmerer selbst? Lukas Wiewel begann 2008 seine Ausbildung zum Zimmerer beim Glandorfer Bauunternehmen Gründker. 2017 folgte die Meisterprüfung. „Ein gewisses Risiko besteht immer, bei allen Berufen“, relativiert Wiewel. Natürlich müsse man aufpassen, aber der Beruf sei nicht grundsätzlich gefährlich. „Meine Kollegen und ich fühlen uns sicher. Und wenn wir uns mal unsicher mit etwas fühlen, dann machen wir das auch nicht. Dann ruft man an, und es wird nachgebessert“, erläutert er. Im Arbeitsschutz habe sich in den Jahren vieles getan. „Wir sind da gut aufgestellt“, ist Wiewel überzeugt. Auch wenn die Sicherheitsprüfungen und Einweisungen mehr Arbeitsaufwand bedeuten – es sei wichtiger, die Sicherheit der Arbeiter nicht zu vernachlässigen. Was bei einem Unfall passieren kann, hat Wiewel noch nicht am eigenen Körper, aber aus nächster Nähe erlebt. Ein neben ihm stehender Kollege stürzte vom Dach. Er fiel wohl ins Sicherheitsnetz, doch dieses gab nach, und so fiel er auf den Boden einer Reithalle. „Da waren wir ziemlich geschockt, an dem Tag ist auch nichts mehr gelaufen“, erinnert sich Wiewel. Der Kollege wurde gleich versorgt und arbeitet nach einer langen Krankenphase wieder als Zimmerer. Wiewel erinnert sich, wie er nach dem Unfall das Dach verlassen hat: „Da bin ich dann ganz vorsichtig gelaufen.“ Besonders gefährlich sei das Richten, also das Aufsetzen des Dachstuhls. „Das birgt eine besonders hohe Absturzgefahr, weshalb es wichtig ist, mit Gerüsten und Netzen das Risiko zu minimieren“, so der Zimmerermeister. Sollte dies aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich sein, greife man auf persönliche Schutzausrüstung wie beispielsweise Sicherheitsgurte zurück. Doch es gebe auch viel Positives an dem Beruf. „Man sieht das Ergebnis, und es bleibt lange erhalten“, beschreibt Wiewel. Dächer betrachten und zu wissen, „da habe ich mitgeholfen“, mache ihn stolz. Der gebürtige Glandorfer hat auf der Suche nach der richtigen Beschäftigung einige Praktika gemacht. Der Beruf des

EinverantwortungsvollerJob,dernichtungefährlichist:einZimmermannbeiderArbeit.

Zimmerers sagte ihm dann sofort zu. „Ich mag die Arbeit mit Holz und die Tradition“, beschreibt Wiewel. Besonders die Restaurierungen findet er interessant. „Das ist immer sehr spannend.“ Auch Bernhard Arenz von der BG Bau hat eine Lehre im Bau gemacht. Für ihn ist der Zimmerer ebenfalls ein spannender Beruf. Deshalb sei es umso wichtiger, die notwendigen präventiven Schritte zu gehen, um das Risiko eines Unfalls oder einer Berufskrankheit zu minimieren. „Die BG Bau arbeitet in der Prävention eng mit Verbänden der Bauwirt-

schaft zusammen. So wurden lebenswichtige Regeln entwickelt“, beschreibt Arenz. „Die individuelle Unfallgefahr ist in erster Linie davon abhängig, wie die Vorgaben des Arbeitsschutzes eingehalten werden. Denn werden diese konsequent umgesetzt, dann kann in allen Bereichen auch sicher gearbeitet werden“, sagt Birte Hagedorn von der BG Bau zu der Thematik. Auslöser von Unfällen seien oft Unwissenheit, Routinen oder Bequemlichkeit. Deswegen habe man bei der BG Bau ein verhaltensorien-

Foto: Bauunternehmen Gründker

tiertes Präventionsprogramm ins Leben gerufen, um für die Gefahren und Risiken zu sensibilisieren. „In diesem Kontext stellen wir anhand echter Beispiele vor, wie wichtig Arbeitssicherheit auf Baustellen ist und wie schnell eine Unachtsamkeit zu einem Unfall führen kann, der Menschen für ihr Leben prägt.“ Dazu, so Arenz, habe man ein Arbeitsschutzprämiensystem geschaffen, um innovative Sicherheitstechniken zu fördern. „Der Arbeitsschutz muss mitgedacht werden und in den Montageprozess einfließen“, erläutert er.

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DONNERSTAG, 24. JUNI 2021

LEBEN & LEIDENSCHAFT

Ideen für Babys Sicherheit Zwei Freundinnen und Mütter entwickeln neue Produkte / Firmengründerinnen aus den Niederlanden und Deutschland VON SUSANNA AUSTRUP NEUENHAUS Kim Morsink-Koop zieht ein Stück Stoff über eine Kinderwagenmatratze. Bei näherem Hinschauen entpuppt es sich als eine Art leichter Schlafsack, der ähnlich wie ein Spannbettlaken über die Matratze gezogen wird. Das pfiffig gemachte Stück Stoff trägt den Namen Go Cosy und ist das erste Produkt, das die Niederländerin zusammen mit ihrer Freundin Anke Hinken entwickelt hat. Wie kam es zu der Idee? „Als mein Sohn fünf Monate alt war, habe ich erlebt, dass er sich unter der Decke im Kinderwagen immer wieder freigestrampelt hat, weil ihm zu warm war“, erzählt die Niederländerin. Einmal bemerkte sie gerade noch rechtzeitig, dass der heute Vierjährige sich dabei die Decke über den Kopf gezogen hatte. Ähnliche Erfahrungen machte die junge Mutter später auch mit ihrem zweiten Sohn. Beides gab der Textilingenieurin den Anstoß, ein neues Produkt für Kleinkinder zu entwickeln, das praktischer in der Handhabung als gewöhnliche Kinderdecken sein sollte und für das Kind sicherer ist. Mit ihren Ideen ging sie zu Anke Hinken. Morsink-Koop war zu dem Zeitpunkt in Elternzeit, ihre Freundin, Damenschneidermeisterin Anke Hinken, arbeitsuchend. Beide Frauen waren vorher Kolleginnen in der Produktentwicklung bei der Firma HKM Sports Equipment in Neuenhaus gewesen. „Anke ist Expertin für die Herstellung von Kleidung und zudem sehr kreativ“, begründet Kim MorsinkKoop das Hilfsersuchen an ihre Freundin. Zusammen setzten die beiden Textilingenieurinnen ihre Vorstellungen vom Go Cosy um. Das war gleichzeitig der Beginn ihres gemeinsamen Unternehmens AKY Baby, das sie jedoch

StolzaufihreIdee:AnkeHinken(links)undKimMorsink-Kooppräsentieren ihreclevereBabydeckepassend in einemMoseskorb.

nach bürokratischen Verzögerungen im Pandemiejahr erst im November gründen konnten. Das Besondere an dem Produkt: Der elastische Jerseystoff schmiegt sich nach Schließen des

Akribischwerdendie StoffstückeinLeerzusammengenäht.

Foto: LebenshilfeLeer

Reißverschlusses an den kleinen Körper, die Decke lässt sich nicht über den Kopf ziehen. Am Fußende ist der Stoff gekräuselt, was das Innenvolumen vergrößert. „So hat das Baby genug Platz, um zu strampeln“, sagt Morsink-Koop. Sie und ihre Freundin lieben es, die Drucke für ihre Firma zu entwerfen, Stoffe auszusuchen und daraus Babyprodukte herzustellen. „Wichtig waren uns die Qualität der Stoffe und die Produktionsverhältnisse. Unsere Textilien sollten ökologisch, sozial verträglich, gesund und nachhaltig sein“, erklärt Hinken. In die Suche nach den richtigen Stoffen investierten die Frauen viel Zeit. Bei einem Großhändler in den Niederlanden wurden sie schließlich fündig. „Hier beziehen wir unsere Stoffe, allesamt hochwertig, auf Baumwollbasis und als Ökotextil GOTSzertifiziert.“ Auch den intensiven Waschtest haben die Stoffe überstanden, so die Niederländerin.

Die Idee, mit einer Einrichtung der Lebenshilfe zusammenzuarbeiten, stammt von Anke Hinken, die Mutter einer Tochter „mit starken körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen und Trisomie 21“ ist, wie sie erzählt. Die Zusammenarbeit mit Werkstätten der Lebenshilfe erfüllt das Verständnis der Unternehmerinnen von Integration. „Mit der Entscheidung, für die Produktion Werkstätten für beeinträchtigte Menschen zu gewinnen, möchten wir einen Beitrag zu mehr Teilhabe am Arbeitsleben leisten. Wir sind ganz besonders stolz, auf diese Weise sozial verträgliche Arbeit leisten zu können“, betonen sie. Die Lebenshilfe Leer verfügt über eine große Bandbreite an Werkstätten, die vorrangig für andere Unternehmen arbeiten. Es gibt beispielsweise eine Küche, welche die Caterings für die örtlichen Schulen übernimmt. Eine

Foto: SusannaAustrup

Montagegruppe ist für den Automobilhersteller Volkswagen im Einsatz sowie für den Windkraftanlagenbauer Enercon. „Wir übernehmen viele Aufträge für Kunden in der industriellen Produktion“,

„Anke ist Expertin für die Herstellung von Kleidung und zudem sehr kreativ.“ Kim Morsink-Koop, Textilingenieurin

bestätigt Meike Bohlen von der Lebenshilfe Leer, die zusammen mit Imke Bosse die Nähwerkstatt leitet. Dort sind 15 Näherinnen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren beschäftigt. „Außerdem haben wir zwei Auszubildende als Nähhelferin“, ergänzt Bohlen. Über die Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Leer sind die Gründerinnen der Firma AKY Baby sehr glücklich. Die fertige Ware sei immer tipptopp in Ordnung, berichtet Morsink-Koop. Weil sie ihre Produktpalette erweitern und nach Europa expandieren möchten, stehen die Frauen mit der Lebenshilfe Duisburg in Verhandlung. Auch in der Grafschaft haben sie sich umgeschaut. „Schön wäre es, wenn wir auch mit der Nordhorner Lebenshilfe zusammen produzieren könnten“, wünscht sich Hinken. Das ist zurzeit nicht möglich, da die Lebenshilfe Nordhorn zwar unterschiedliche Dienstleistungen für Industrie, Handwerk und Handel anbietet, doch bisher keine Nähwerkstatt betreibt. Neben dem Go Cosy und Kinderdecken gehören Musselintücher und Wickelauflagenbezüge zum Programm von AKY Baby sowie Geschenksets fürs Neugeborene. Die Idee für kleinere Teile wie Lätzchen, Erstlingsmütze und Höschen kam auf, um die Stoffe möglichst restlos zu verwerten. Der Vertrieb erfolgt über den Webshop online. „Unser Lager ist in den Niederlanden, wo ich die bestellte Ware versandfertig mache“, erzählt Morsink-Koop. Ursprünglich war geplant, die Produkte auf Messen vorzustellen. Das sei wegen der Pandemie nicht möglich gewesen, bedauert Hinken. Als ihre Zielgruppen sehen die Frauen besonders Krankenhäuser und Hebammenpraxen, aber auch Unternehmen – diese vor allem als Adressaten für ihre Geschenksets. Weil die Sets ein geeignetes Geschenk für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Geburt des Kindes seien, findet Kim Morsink-Koop dieses Angebot passend. Im Augenblick planen die Geschäftsfrauen ihre Winterkollektion. Bisher gebe es den Go Cosy nur in einer leichten, sommerlichen Ausführung, erklärt Kim Morsink-Koop und zeigt die Textilprobe eines hellen, weichen Plüschstoffs. „Hiermit werden wir den Go Cosy für den Winter ausstatten“, sagt sie und ist gespannt, wie sich das Unternehmen weiterentwickeln wird. Immerhin sei die Branche ein Haifischbecken, weiß Hinken.

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LEBEN & LEIDENSCHAFT

TERMINE

05.08.2021 | 09.00 UHR Ein gelungener Start in die Ausbildung

DER WIRTSCHAFT

IHK OSNABRÜCK, NEUER GRABEN 38, OSNABRÜCK

28.06.2021 | 12.00 UHR Pitch at noon: Eine Portion Innovation zur Mittagszeit

16.08.2021 | 09.00 UHR Telefonseminar für Auszubildende

MEMA – NETZWERK DER EMSLAND GMBH, ONLINE-VERANSTALTUNG

28.06.2021 | 15.40 UHR Roadshow: Kabelloses Laden – Power aus unserer Region INTIS GMBH, HERMANN-KEMPERSTR. 23, LATHEN

29.06.2021 | 09.00 UHR #Ausbildungsbotschafter Auszubildende im 2./3. Jahr IHK OSNABRÜCK – EMSLAND – GRAFSCHAFT BENTHEIM (ONLINE)

IHK OSNABRÜCK, NEUER GRABEN 38, OSNABRÜCK

Der 600 Millionen Euro teure sechsspurige Ausbau der A1 zwischen Lohne/Dinklage und Bramsche soll im Frühjahr2025fertigsein.StephanKreuz(VorsitzenderGeschäftsführungAutobahnGmbH)undElfriedeSauerwein-Braksiek (DirektorinNiederlassungWestfalen)währendeinesOrtsterminsanderA1.

02.09.2021 | 16.00 UHR

Foto:Alwes

DIE GESICHTER DER WIRTSCHAFT

Franz Noschka aus Aschendorf (l.) und Maikel Hoormann gründen Firma zum Vertrieb von mobilen Luftreinigern aus

Online-Workshop Businessplan

denVereinigtenStaaten,dieRäumevonCoronavirenbefreien sollen. Foto:Schade

HANDWERKSKAMMER OSNABRÜCK ONLINE-VERANSTALTUNG

Bleiben Sie immer informiert

30.06.2021 | 16.00 UHR Wie Sie den Wert Ihres Unternehmens steigern IHK OSNABRÜCK – EMSLAND – GRAFSCHAFT BENTHEIM (ONLINE)

08.07.2021 | 15.00 UHR 2. digitaler MINT-it!-Tag der Hochschule Osnabrück ONLINE-VERANSTALTUNG WWW.MIT-MINT-OS.DE

09.07.2021 | 09.00 UHR

ELA Container aus Haren baut einen eigenen Fertigungsstandort im russischen Industriepark Vorsino, rund 80 KilometersüdlichvonMoskau(v.l.):GünterAlbers,Dr.GézaAndreasvonGeyr,GouverneurVladislavValerievich Shapsha,MatthiasSchepp. Foto: ELA/Create-PhotoStudio

Osnabrücker Traditionsunternehmen Leysieffer zieht um ins ehemalige Restaurant „LaVie“am Rathaus: Geschäftsführer MatthiasWehmannundAnnaWinkler. Foto: Gründel

Über unseren Wirtschaftsnewsletter erhalten Sie auch zwischen den Ausgaben von „Die Wirtschaft“ dreimal die Woche einen Einblick in die regionale Wirtschaft sowie Wissenswertes zu allgemeinen Wirtschaftstrends direkt per Mail. Die Anmeldung ist kostenfrei über www.noz.de/newsletter. Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 26. August 2021. Anzeigenschluss für diese Ausgabe ist Freitag, 6. August 2021. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter der Adresse www.noz.de/wirtschaft.

Die neuen Incoterms-Regeln 2020 richtig anwenden IHK OSNABRÜCK – EMSLAND – GRAFSCHAFT BENTHEIM (ONLINE)

GESCHÄFTSFÜHRER: Axel Gleie und Jens Wegmann CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Berthold Hamelmann (Vertreter des Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur)

14.07.2021 | 09.00 UHR Brexit seit dem 1.1.2021: Was ist zu tun? IHK OSNABRÜCK – EMSLAND – GRAFSCHAFT BENTHEIM (ONLINE)

14.07.2021 | 09.00 UHR Online-Workshop „Plötzlich Führungskraft“

KOORDINATION: Nina Kallmeier

Haselünne ist „Digitaler Ort Niedersachsens“. Gewinner ist die Volksbank Haselünne mit „myPiggy“, einem digitalen Sparschwein. Die Auszeichnung nahmen Gerhard Ursprung (l.) undAndreas Knief sowie Bankvorstand Oliver Pohl perVideokonferenzentgegen.

Foto:Mammes

AUTOREN DIESER AUSGABE: Stefanie Adomeit, Christoph Assies, Susanna Austrup, Stella Blümke, Simone Grawe, Sebastian Hamel, Sabrina Holthaus, Nina Kallmeier, Christoph Lützenkirchen, Kristina Müller, Mirko Nordmann, André Pottebaum, Nina Strakeljahn

Mitdem„GroßenVR-MittelstandspreisWeser-Ems“wurdediePötter-KlimaGmbHausGeorgsmarienhütteausgezeichnet (v.l.): Enno Kähler (IHK), Louis Pötter und Anke Neumann (Pötter Klima GmbH), Ansgar Göbel (HWK). Foto:Beckmann/ HWK

REDAKTION V.i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke FOTOGRAFEN: Marcus Alwes, Susanna Austrup, David Ebener, Stefan Gelhot, Michael Gründel, Sebastian Hamel, André Havergo, Sabrina Holthaus, Hermann-Josef Mammes, Jörn Martens, Kristina Müller, Mirko Nordmann, Klaus Ortgies, Gerd Schade VERLAG: Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG, Postfach 42 60, 49032 Osnabrück; Breiter Gang 10–16, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Telefon 0541 310-330, Telefax 0541 310-266; Internet: www.diewirtschaft.noz.de; E-Mail: diewirtschaft@ noz.de

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20.07.2021 | 09.00 UHR

ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF: MSO Medien-Service GmbH & Co. KG, Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück, Postfach 29 80, 49019 Osnabrück, Telefon 0541 310-500, Geschäftsführer: Sven Balzer, Anzeigen-/ Werbeverkauf: Sven Balzer, Ansgar Hulsmeier, Dirk Riedesel, Marvin Waldrich

Richtiger Umgang mit schwierigen Menschen u. Situationen IHK OSNABRÜCK – EMSLAND – GRAFSCHAFT BENTHEIM (ONLINE)

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22.07.2021 | GANZTAGS

ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn, Telefon 05921 707410, Verlagsleiter: Matthias Richter (V.i.S.d.P.)

Sprechtag für Handwerksbetriebe und Existenzgründer KREISHANDWERKERSCHAFT LINGEN (VORM.) UND MEPPEN (NACHM.)

Die Georgsmarienhütte GmbH wurde für Nachhaltigkeit vom Land Niedersachsen ausgezeichnet (v.l.): Stephan Sprekelmeyer (Betriebsrat Georgsmarienhütte GmbH), Oliver Santelli (Geschäftsführer Vertrieb und Logistik) und Olaf Lies (Minister für Umwelt,Energie,BauenundKlimaschutz). Foto:GeorgsmarienhütteGmbH

IHK verleiht Qualitätssiegel an Eiffage Infra-Nordwest GmbH inWallenhorst (v.l.): ManfredInden(GeschäftsführerEiffageInfra-NordwestGmbH),MarcoGraf(IHK-Hauptgeschäftsführer), Phillip Gast (Personalleiter), Claus Grieger (Ausbildungsleiter) und ClaudiaHölscher (Personalreferentin). Foto:IHK

Lüftungs- und Klimatechnik

Anlagen- und Apparatebau

IR-Heiztechnologie CNT

ANZEIGENANNAHME für Ausgabe Grafschaft Bentheim: Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG, Telefon 05921 707-410; E-Mail: gn.media@gn-online.de, Leitung Mediaverkauf: Jens Hartert TECHNISCHE HERSTELLUNG: Druckzentrum Osnabrück, Weiße Breite 4, Osnabrück (Ausgabe Osnabrück/Emsland); Grafschafter Nachrichten, Coesfelder Hof 2, Nordhorn (Ausgabe Grafschaft Bentheim)

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