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Workflow-Optimierung mit KI

Schade, dass die Jahrestagung der EuSoMII noch nicht so bekannt ist. Noch ist der Kongress der European Society for Medical Imaging and Informatics ein Geheimtip. Doch wer sich für KI und Workflow interessiert, der ist bei der EuSoMII gut aufgehoben.

Das Thema des EuSoMII-Kongresses, der auch 2021 wieder ausschließlich online stattfand, lautete „Connections“. Wie Prof. Elmar Kotter zu Beginn der Veranstaltung kommentierte, ist das der Begriff, der die Herausforderungen des Gesundheitswesens der Gegenwart prägt. Verbindungen sind heute das A und O. Egal ob es sich um die Kontakte zwischen Ärzt:innen, Abteilungen oder Kliniken handelt oder um die Verknüpfung unterschiedlicher Objekte in einem Netzwerk. Mit guten Verbindungen steht und fällt die interne und externe Kooperation sowie die Kommunikation im Netzwerk.

Interdisziplinäres Befundmanagement

Mit seinem Vortrag von „Bench to Bedside“ legte Prof. Erik Ranschaert gleich zu Beginn des EuSoMII-Kongresses am 23. Oktober 2021 die Basis für das Verständnis aller weiteren Sessions. Ranschaert erklärte, dass die Anwendungen von KI-Lösungen in der Radiologie, der Pathologie und der Ophtalmologie stetig zunehmen und das Potenzial besitzen, den gesamten radiologischen Workflow zu verändern. Mit Machine-LearningMethoden ist es möglich, Hypothesen über reale Phänomene schrittweise zu validieren und zu verfeinern.

In der Radiologie wird KI häufig immer noch damit in Verbindung gebracht, Bilder automatisiert zu analysieren. Doch die selbstlernenden Algorithmen eignen sich hervorragend dazu, den gesamten Weg der Patient:innen durch die Praxis zu beschleunigen, den Workflow effizienter zu gestalten und die Produktivität des Betriebs zu erhöhen. Egal ob Order Entry, Terminvereinbarung, Auswahl eines geeigneten Scan-Protokolls, Rauschunterdrückung, Dosisreduktion, Segmentierung, Hanging-Protokolle, Befunderstellung, ICD- und CDE-Kodierung, Rechnungsstellung oder die Kommunikation mit Klinikern und Zuweiser:innen, kein Vorgang, für den es nicht bereits eine Anwendung zu erwerben gibt.

Die Abbildung zeigt eine Möglichkeit, bestehende KI-Modelle – ohne weitere Änderungen zuzulassen – zu implementieren. Damit ist es möglich, verifizierte KI-Modelle, die im Rahmen eines Forschungs-Workflows eingesetzt, optimiert und validiert wurden, in einen Produktionsmodus zu überführen. Quelle: Integrating AI into radiology workflow – levels of research, production, and feedback maturity3

Die Abbildung zeigt eine Möglichkeit, bestehende KI-Modelle – ohne weitere Änderungen zuzulassen – zu implementieren. Damit ist es möglich, verifizierte KI-Modelle, die im Rahmen eines Forschungs-Workflows eingesetzt, optimiert und validiert wurden, in einen Produktionsmodus zu überführen. Quelle: Integrating AI into radiology workflow – levels of research, production, and feedback maturity3

Wer mit dem Gedanken spielt, eine KI-Lösung zu implementieren, sollte sich jedoch ein paar Gedanken machen, welcher Grundvoraussetzungen es bedarf. Die Basis aller Überlegungen sollte die Definition eines konkreten Anwendungsfalls sein, erst danach macht es Sinn, sich um vertragliche Vereinbarungen, Datensicherheit, IT-Support sowie PACS-Integration und nahtlose Workflow-Integration zu kümmern oder sich gar schon mit Dingen wie Anwendertrainings und Key-Performance-Indikatoren zu beschäftigen. Bei der Integration jeglichen Systems zur Workflow-Optimierung ist es von Vorteil, sich nicht nur auf die eigenen Anforderungen zu fokussieren, sondern das gesamte Potenzial praxis- beziehungsweise klinikweiter Vorteile zu bedenken. Als Beispiel sei die Zusammenführung radiologischer und pathologischer Befunde genannt, die uns in die Lage versetzen, eine integrierte Diagnose zu erstellen, die Tumorprofile und Ansprechverhalten beinhaltet, wovon multidisziplinäre Teams sehr profitieren würden.

Prof. Eric Ranschaert, Radiology Elisabeth-TweeSteden Ziekenhuis (ETZ)/Ghent University

Prof. Eric Ranschaert, Radiology Elisabeth-TweeSteden Ziekenhuis (ETZ)/Ghent University

Vorbefunde müssen validiert werden

Ein klarer Anwendungsfall der KI-basierten Workflow-Optimierung liegt bereits in der automatisierten Befunderstellung von Lungen-Thorax-Aufnahmen vor, wenn es darum geht, eine mittlere fünfstellige Anzahl an Lungenaufnahmen pro Jahr zu diagnostizieren.

Wir alle wissen, dass etwa die Hälfte aller Aufnahmen keinen Befund ergibt. Etwa ein Viertel der Aufnahmen ohne Befund ist jedoch „falsch negativ“. Das heißt, mithilfe der automatisierten Befunderstellung, sind wir in der Lage, den Workflow wesentlich zu beschleunigen und die Produktivität zu erhöhen, denn es geht lediglich darum, den Vorbefund zu validieren. Trotzdem bleibt der Radiologe oder die Radiologin in der Verantwortung für den vollständigen und korrekten Befund. Eventuell könnte die Validierung sogar an einen Teleradiologen oder Teleradiologin vergeben werden.

Während die Hersteller sich längst mit den zahlreichen relevanten Anwendungsfällen auseinandersetzen und Lösungen parat haben, die die lokalen Eigenschaften spezifischer Populationen, wie deren Alter oder deren genetische Voraussetzung berücksichtigen, um das Bias gering zu halten, gleicht für viele Anwender:innen die KI einer Blackbox.

Die Vorsitzenden der ersten Session waren Dr. Merel Huisman, Radiologie Academisch Medisch Centrum Universität Amsterdam (oben ) und PD Dr. Daniel Pinto dos Santos, Radiologie der Universitätsklinik Köln.  EuSoMII-Präsident Prof. Elmar Kotter (rechts), Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg

Die Vorsitzenden der ersten Session waren Dr. Merel Huisman, Radiologie Academisch Medisch Centrum Universität Amsterdam (oben ) und PD Dr. Daniel Pinto dos Santos, Radiologie der Universitätsklinik Köln. EuSoMII-Präsident Prof. Elmar Kotter (rechts), Geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg

Man kann es nur immer wieder wiederholen: Es müssen unabhängige Kontrollmechanismen etabliert werden, die die Ergebnisse von KI-Algorithmen messen und die Qualität dieser Ergebnisse bestätigen. Im September 2021 veröffentlichte eine Gruppe von Wissenschaftler:innen unter Führung des Artificial Intelligence in Medicine Lab (BCNAIM) der Faculty of Mathematics and Computer Science, an der University von Barcelona, Spanien, dazu das Paper „FUTURE-AI: Guiding Principles and Consensus Recommendations for Trustworthy Artificial Intelligence in Medical Imaging1“. Außerdem wurden im März 2021 die ECLAIRGuidelines „To buy or not to buy – evaluating commercial AI solutions in radiology2“, veröffentlicht. Beide Veröffentlichungen befassen sich damit, den KI-Interessierten den Einstieg in die neue Technologie zu erleichtern und wie ein Leitfaden durch die einzelnen Schritte der KI-basierten WorkflowOptimierung zu führen, damit man sich im Dickicht der annähernd 400 verfügbaren und ständig wachsenden Anzahl an Algorithmen leichter zurechtfindet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jeglicher Anwendung von KI zur Workflow-Optimierung radiologischer Prozesse, eine gründliche Analyse des Anwendungsfalls vorausgehen sollte. Zudem ist es vorteilhaft, sich bei der Konzipierung nicht nur auf interne Verbesserungen zu fokussieren, sondern gleich zu versuchen, Zuweiser:innen und Klinikärzt:innen bei der Planung einzubeziehen und an den positiven Auswirkungen verbesserter Arbeitsabläufe teilhaben zu lassen. Über allem steht jedoch, neben den Investitionskosten auch die Folgekosten zu betrachten und Technik nicht nur um der Technik Willen einzusetzen. Im Vordergrund steht der Mensch, der sich eine Maschine zunutze macht und nicht umgekehrt.

Egal um welchen Anwendungsfall in der Workflow-Optimierung mit Hilfe von KI es sich handelt, die zehn grundlegenden Fragen lauten:

❶ Welches Problem soll mit der Anwendung gelöst werden und für wen ist die Anwendung gedacht?

❷ Was sind die potenziellen Vorteile und Risiken und für wen?

❸ Wurde der Algorithmus rigoros und unabhängig validiert?

❹ Wie kann die Anwendung in Ihre klinischen Arbeitsabläufe integriert werden und ist die Lösung mit Ihrer bestehenden Software kompatibel?

❺ Wie sehen die Anforderungen an die IT-Infrastruktur aus?

❻ Entspricht die Anwendung den Vorschriften für Medizinprodukte und den Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten des Ziellandes, und welcher Klasse von Vorschriften entspricht sie?

❼ Wurden Analysen der Kapitalrendite (Return on Investment, RoI) durchgeführt?

❽ Wie wird die Wartung des Produkts sichergestellt?

❾ Wie werden Benutzerschulung und Nachbereitung gehandhabt?

❿ Wie wird mit möglichen Fehlfunktionen oder fehlerhaften Ergebnissen umgegangen?

www.eusomii.org

1 FUTURE-AI: Guiding Principles and Consensus Recommendations for Trustworthy Artificial Intelligence in Medical Imaging (https://arxiv.org/pdf/2109.09658.pdf)

2 ECLAIR-Guidelines To buy or not to buy –evaluating commercial AI solutions in radiology (https://doi.org/10.1007/s00330-020-07684-x)

3 J. of Medical Imaging, 7(1), 016502 (2020). https://doi.org/10.1117/1.JMI.7.1.016502