Essay zur austellung im gfzk

Universität Leipzig Erziehungswissenschaftliche Fakultät

Studiengang Grundschullehramt Modul Erschließung und Anwendung fachwissenschaftlicher Grundlagen des Sachunterrichts Seminar Ästhetische Bildung WiSe: 2015/2016 Dozentin: Heike Rauhut Essay Thema Gestaltungsprodukte in der Grundschule erheben nicht den Anspruch schön zu sein!

Stefanie Petra Dörfel Elisabeth Sophie Granert Claudia Lindner

Abgabetermin: 07.03.2016

Die Meinungen zu der Frage: Was ist Kunst? werden ebenso kontrovers diskutiert, wie die Ansichten zur Frage nach dem Frieden. Die beiden Paradigmen unterscheiden sich nicht nur im Gehalt ihrer eigentlichen Bedeutung, sondern auch im allgemeinen Verständnis, das durch die individuellen Betrachtungsweisen aufgebracht werden kann.

Der Mensch hat seit Jahrtausenden den Drang sich künstlerisch zu betätigen. Vom Kleinkindalter an ist das Zeichnen eine Verständigungsform, wenn verbale Kommunikation nicht ausreicht. Diese, dem Menschen ureigene Darstellungsform, hat auch den Weg in die Schule gefunden, sich als Unterrichtsfach etabliert und ist nicht mehr aus dem Bildungssystem wegzudenken. In einer Gesellschaft, die sich stetig nur an Leistungen orientiert, muss sich der gestalterische Unterricht, wie auch die übrigen Fächer, einer Notengebung unterziehen.

Da es keinen gültigen Bewertungsmaßstab im gestalterischen Unterricht gibt, richtet sich die Beurteilung dementsprechend oft nach dem subjektiven Schönheitsempfinden der Lehrpersonen.

Aufgrund dieses geschilderten Problems, befasst sich die nachfolgende Diskussion mit der These „Gestaltungsprodukte in der Grundschule erheben nicht den Anspruch schön zu sein!“.

Dabei sind unter Gestaltungsprodukten alle Arbeitsergebnisse des gestalterischen Unterrichts, wie Bilder, Plastiken, Skulpturen, Modelle, Plakate, Collagen, etc. zu verstehen.

Zu Beginn des Essays findet eine Auseinandersetzung mit den Begriffen Schönheit und Ästhetik statt und wie diese heute Anwendung finden. Daran anknüpfend erfolgt ein Diskurs zur Ästhetischen Erziehung und deren Erkenntnisgewinn für den Gestaltungs-, bzw.

Kunstunterricht.

Außerdem wird darauf eingegangen, wie Heterogenität der Schüler im gestalterischen Unterricht umgesetzt werden sollte und welche Anforderungen dabei an die Lehrpersonen gestellt werden. Es folgt die Gegenüberstellung der Bedeutungen von Prozess und Produkt im künstlerischen Schaffen der Schüler.

Im letzten Schritt wird beleuchtet, welche Schwierigkeiten sich bei der Bewertung von Prozess und Produkt auftun.

Der Begriff schön wird im Duden zunächst folgendermaßen definiert: „[ausgegangen] von einem Aussehen, das so anziehend auf jemanden wirkt, dass es als wohlgefällig, bewundernswert empfunden wird“ (DUDEN 2016, Online im Internet).

1

Eine weitere Definition verdeutlicht, dass schön durch die Sinneswahrnehmung unterschiedlichen Charakter erhält. „[Schön ist, was] in seiner Art besonders reizvoll, ansprechend, sehr angenehm oder wohltuend auf das Auge oder Ohr [wirkt].“ (DUDEN 2016, Online im Internet). Neben vielen weiteren Definitionen und Deutungen des Wortes steht eines ganz gewiss fest, nämlich, dass schön mit der Wahrnehmung korreliert. Dabei wird ihr eine subjektive Bedeutung zuteil, aufgrund dessen, dass sie von Mensch zu Mensch variiert.

Die nähere Betrachtung des Synonyms ästhetisch unterstreicht nochmals den sinnlichen Eindruck.

Ästhetisch

meint

etwas

„stilvoll[es],

schön[es],

geschmackvoll[es],

ansprechend[es].“ (DUDEN 2016, Online im Internet). Etwas, das auf den Rezipienten harmonisch und befriedigend wirkt.

Etwas weiter wird dieser Aspekt im Begriff der Ästhetik gefasst. Unter den allgemeinen Lexika-Einträgen, wird Ästhetik, abgeleitet von dem griechischen Wort aisthesis, mit Wahrnehmung übersetzt. Sie wird als Wissenschaft angesehen, die sich vor allem mit „Probleme[n] der Kunst“ beschäftigt, aber auch „Grundkategorien sinnlicher Erfahrung (das Schöne, Erhabene, Hässliche, Tragische, Komische usw.) behandelt“ (THOMSEN 2006, S. 1, Online im Internet).

Hierbei wird deutlich, dass Ästhetik alle Sinneswahrnehmungen einschließt und nicht nur auf Schönheit beschränkt ist. Durch Sinne werden unterschiedliche Phänomene aus der Umwelt verschieden wahrgenommen. Das können sowohl für den Rezipienten bedeutungsvolle Aspekte, als auch wenig gehaltvolle sein. In diesem Kontext ist klarzustellen, dass ästhetisch nicht, wie in den meisten Fällen benutzt, nur eine Beschreibung schöner Zustände meint, sondern auch Beschreibungen von hässlichen und außergewöhnlichen Gegenständen impliziert. Dieses Verständnis hat viele Bereiche der Gesellschaft nur teils durchdrungen und muss größeres Interesse erfahren. Auch in der Schulbildung muss das eigentliche Verständnis von Ästhetik geklärt werden, worauf später näher eingegangen wird.

Blickt man zurück in die Geschichte, wurde Ästhetik durchaus anders, als es der heutige Wissensstand zulässt, verstanden. Angefangen bei Aristoteles (384. Chr. – 322 v. Chr.) bedeutete Ästhetik die Fähigkeit, das Schöne wahrzunehmen. Vordergründig hierbei war das Ästhetische Erleben, also das Erleben von Ästhetik durch alle Sinne, sowie die intensive Lust und Bereitschaft Phänomene wahrzunehmen. (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 42) Bei Platon (427 v. Chr. - 347 v. Chr.) ging es um das Wesen des Schönen. Er beleuchtete, in welcher Weise sich das Schöne ausdrückt und stellte die Idee des Guten und Wahren vor. Im 2

Besonderen behauptete er, „Kunstwerke können nur Nachahmungen der Idee des Schönen sein.“ (SCHOMAKER 2008, S. 43). „Mit der Wissenschaft des schönen Denkens“ (SCHOMAKER 2008, S.43) führte Alexander Gottlieb Baumgarten (1714- 1762) den Begriff der deutschen Ästhetik ein. Er deklarierte in seinem Werk Aesthetica „Ästhetik als eigenständige und umfassende philosophische Disziplin [...]“. (DUDERSTADT 1996, S. 13).

Sein Verständnis von Ästhetik gründete auf dem ursprüngliche Wort aisthesis. Die dazugehörigen Übersetzungen: „Wahrnehmung, Gefühl, Empfindung, Sinneswerkzeug, Empfindungsvermögen, Erkenntnis, Begreifen, Verständnis“ (DUDERSTADT 1996, S.13) fasste er damit zusammen, Ästhetik als Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis zu definieren. Mit dieser Ansicht ging seine Vorstellung von Ästhetik über die seiner Vorgänger hinaus, indem sich Ästhetik nicht mehr auf das Angenehme, Schöne und Harmonische reduzieren ließ. Laut Baumgarten seien ebenso Verstandeskräfte und Gefühlskräfte bedeutungsvoll. Sie kommen zum Tragen, wenn ein Gegenstand ganz durchdrungen werden soll. (vgl. DUDERSTADT 1996, S. 13f.) Diese Ansicht war sinntragend für Nachfolger wie Kant und Schiller, welche sich darauf stützten. So seien sinnliche Wahrnehmung und Verstand erforderlich, um über eine Einbildungskraft zu verfügen, die ein Urteilen möglich macht. (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 16) Friedrich Schiller bezog sich in Briefen Über die Ästhetische Erziehung des Menschen auf Kants Kritik der Urteilskraft. Er unterstrich die Bedingtheit von Sinnlichkeit und Vernunft, die in Wechselwirkung zueinander stehen. Es könne nicht die eine Seite gegenüber der deren bevorzugt und umgekehrt werden. (vgl. STAUDTE 1993, S. 8) „Um uns zu teilnehmenden, hilfreichen und, tätigen Menschen zu machen, müssen sich Gefühl und Charakter mit einander vereinigen, so wie, um uns Erfahrung zu verschaffen, Offenheit des Sinnes mit Energie des Verstandes zusammentreffen muss.“ (SCHILLER 1795, zit. n. STAUDTE 1993, S. 8).

Bis heute behält der von Schiller geprägten Begriff „Ästhetische Erziehung“ großen Zuspruch und „[meint] Ausrüstung und Übung des Menschen in der aisthesis – in der Wahrnehmung.“ (SCHNEIDER 1988, S. 201). Ästhetische Erziehung als Teil der ästhetischen Bildung (= „allen Kindern und Jugendlichen einen erweiterten Zugang zu den Künsten zu eröffnen“ (LIEBAU 2013, S. 28)) findet besondere Anwendung in Bildungseinrichtungen wie Schulen.

Dort bestrebt ästhetische Erziehung das Ziel, die sinnliche Wahrnehmung der Schüler auszubilden und ihre Genussfähigkeit zu fördern, die in dem heutigen Zeitgeist immer mehr 3

zu verkümmern scheint. Sie erfolgt durch ein fächerübergreifendes und fächerverbindendes Lernprinzip, das ästhetische Zugangsweisen in vielen Bereichen ermöglicht. (vgl. STAUDTE 1993, S. 7) Ästhetische Erziehung leistet somit einen Beitrag zur allgemeinen Bildung des Kindes und beschränkt sich nicht nur auf die ästhetischen Lernbereiche wie den Kunst-, Musik-, und Gestaltungsunterricht. Durch Ästhetisches Lernen kann dieser Anspruch verwirklicht werden.

Kinder lernen auf all ihre Sinne beim Lernen zurückzugreifen und bewusst zu nutzen. Sie lernen über das Visuelle und Auditive hinauszugehen, lernen zu tasten, zu genießen, zu entdecken und zu erforschen. Ihre Wahrnehmung von einem Gegenstand verändert sich, wenn sie selbsttätig und aktiv diesen erkunden. Dazu gehört zum Beispiel auch die Erprobung eines Materials und die Beschaffenheit und Form eines Gegenstandes. Dieses Vorgehen veranlasst, dass Kinder aus der Rolle des Rezipienten in die Rolle des Produzenten wechseln können, indem sie eigene Gestaltungsprodukte schaffen.

Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Gegenstand knüpfen Kinder an ästhetische Erfahrungen an und entwickeln einen emotionalen und persönlichen Bezug, den sie in ihren Gestaltungselementen zum Ausdruck bringen. Es ist somit verheerend einen ästhetischen Anspruch, im Sinne des Schönen, an ihre Kunstwerke zu erheben, da Kinder von ihrer eigenen Gefühlswelt und Intimität Gebrauch machen, was man nicht bewerten kann.

Vielmehr sollte den Kindern Wertschätzung entgegen gebracht werden, hinsichtlich dessen, dass sie ihr Inneres der Welt offenbaren. In der heutigen Gesellschaft wird leider von dieser Praktik oft abgesehen, da sowohl Disziplin als auch Selbstkontrolle im gesellschaftlichen Umgang vorausgesetzt werden. (vgl. STAUDTE 1998, S. 55) Deshalb ist es umso bedeutender, wenn Kinder in Gestaltungsprodukten ihre körperlichsinnlichen Reaktionen nicht unterdrücken, sondern frei ausüben. Gerade Kinder, die in der Früherziehung beispielsweise dem Kindergarten, keinen Zugang zum ästhetischen Erleben ermöglicht bekommen haben und Defizite aufgrund mangelnder ästhetischer Erfahrung aufweisen, profitieren von dem Ausleben des inneren Selbst. Besonders im herkömmlichen Kunstunterricht an Grundschulen wird Raum für die Persönlichkeitsentwicklungen der Schüler gegeben. „[Bildhafte] Ausdrucksformen bieten für sie Raum zum Denken und Kommunizieren, wenn die sprachlichen Mittel für komplexe Empfindungen und Weltbilder nicht ausreichen.“ (NIEDERSÄCHSICHES KULTUSMINISTERIUM 2006, S. 9) Damit wird ein weiterer Aspekt angesprochen. Nämlich, dass Gestaltungsprodukte 4

(z.B. Bilder), neben der Auseinandersetzung und dem Zulassen der eigenen Gefühle, auch die Funktion haben, Medien der Verständigung zu sein. Sie dienen der Kommunikation, wenn Empfindungen sprachlich nicht zum Ausdruck gebracht werden können. Dabei ist die Frage, ob es auch ästhetischer Vorstellung entspricht, zu vernachlässigen.

Ebenso sind Gestaltungsprodukte Dokumentationen von der Annäherung zur Kunst. Sie sind Resultate der Auseinandersetzung zwischen dem Subjekt (der Wahrnehmende) und dem Objekt (das Wahrgenommene). Genau wie eine Sprache, die man neu erlernen möchte, handelt es sich um eine Auseinandersetzung mit ihren Grundlagen und erfordert intensive Übung. So muss auch die Wahrnehmung und die gestalterische Umsetzung durch das Subjekt erprobt werden. Ästhetischen Anspruch erheben sie nur dann, wenn bestimmte Techniken und Verfahren angewandt werden sollen. Dies entspricht aber nicht dem eigentlichen Sinn des ästhetischen Lernens. Denn ästhetisches Lernen steht für Erfahrungsoffenheit, die durch äußere Vorgaben stark eingegrenzt werden würde.

Auf der anderen Seite scheint es notwendig zu sein, technische Fertigkeiten und methodisches Vorgehen anzuleiten, damit sich die Schüler an ihnen behaupten können.

Denn in der Präadolezenz (Alter zwischen 9-13 Jahren) „läßt [sic!] bei Kindern der Drang, sich bildnerisch zu betätigen, nach.“ (AISSEN-CREWETT 1992, S. 5). Dies liegt daran, dass sie sich im Laufe ihrer Entwicklung immer mehr selbst reflektieren und durch eine kritische Haltung gegenüber ihren Gestaltungsprodukten einnehmen. Das kann bei den Schülern zu einer tiefen Unzufriedenheit führen. Es kommt zu einer totalen Stagnation (=Abbruch), die bis zum Erwachsenenalter

anhalten

kann,

sollte

jene

nicht

frühzeitig

erkannt

und

ihr

entgegengewirkt werden. Deshalb ist es äußert wichtig auf die Bedürfnisse der Kinder, wenn sie nach Vollkommenheit und Schönheit in ihren Produkten streben, einzugehen. Sie haben erkannt, dass ihr Selbstausdruck nicht reicht, ihren selbst gestellten ästhetischen Ansprüchen, gerecht zu werden. Durch Zuwendung zu technischen Fertigkeiten und bildnerischer Darstellung wird ihnen allerdings ermöglicht, den Drang nach Schönheit adäquat umzusetzen. (vgl. AISSEN- CREWETT 1992, S. 53) Dieses Eingehen auf die Kinder ist auf jeden Fall notwendig, muss aber individuell erfolgen, da die Schülerschaft sehr heterogen ist. Sie werden mit verschiedenen kognitiven, emotionalen und körperlichen Voraussetzungen eingeschult. Die Heterogenität der Schüler verlangt einen differenzierten und individualisierenden Unterricht. Dabei sind die Aufgaben offen zu gestalten, um den Schülern unterschiedliche Zugangsweisen zum Lernstoff zu bieten 5

und ihrem ungleichen Lerntempo gerecht zu werden. (vgl. COMENIUS INSTITUT 2004, S. 9, Online im Internet) Meike Aissen-Crewett erklärt in ihrem Werk Kunstunterricht in der Grundschule: „Der Reifegrad der Kinder kann bei gleichem Alter höchst unterschiedlich sein, ohne daß [sic!] man sagen könnte, ein Kind sei seinem Alter voraus oder ein anderes ihm hinterher.“ (AISSEN-CREWETT 1992, S. 51f.).

Im gestalterischen Anfangsunterricht fällt auf, dass die motorischen Fähigkeiten der Schüler sehr heterogen sind und die Feinmotorik noch nicht ausgeprägt ist. Die Lehrperson muss an die Voraussetzungen der Schüler anknüpfen und durch unterschiedliche Lernangebote die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten unterstützen. Die Zeichnungen sind dementsprechend vom Niveau sehr verschiedenartig und können nicht mit einem Bewertungsmaßstab schön/nicht schön bemessen werden.

Gleichermaßen sind auch die Gestaltungsprodukte von Mädchen und Jungen sehr divergent.

Lässt man ihnen freie Wahl, was sie zeichnen dürfen, sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich. Mädchen neigen dazu ihre Bilder sehr harmonisch zu gestalten und bilden oft lokale Orte, wie ihr zu Hause ab. Jungen hingegen sind in ihrem Stil oftmals egozentrisch und stellen Konfliktsituationen in ihren Zeichnungen dar. Mädchen und Jungen haben folglich sehr unterschiedliche stofflich-thematische Präferenzen. (vgl. AISSEN-CREWETT 1992, S. 96) Wörter wie Kampf, Streit, Schmerz sind sehr negativ konnotiert und lassen sich schwer mit dem Begriff schön in Verbindung bringen. Bewertet eine Lehrperson nach ihrem subjektiven Schönheitsempfinden, wäre der prototypische Junge gegenüber dem prototypischen Mädchen im Nachteil.

Deswegen ist es sehr wichtig den gestalterischen Unterricht offen zu gestalten, um den Kindern in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht zu werden. Die Kinder müssen die Freiheit haben sich in ihrem Können zu erproben und die Möglichkeit bekommen ihre eigene Kreativität zu entfalten. Durch die unterschiedlichen Ausdrucksweisen der Kinder und ihrer individuellen und emotionalen Darstellung, ist die Bewertung ihrer Gestaltungsprodukte nach dem Maßstab Schönheit unzureichend.

Allerdings sollte nicht unbeachtet bleiben, welche Anforderungen der individualisierte Unterricht an die Lehrperson stellt. Um jedem Kind in seinen unterschiedlichen Vorstellungen und Fähigkeiten gerecht zu werden, muss sie auf jeden einzelnen Schüler individuell eingehen, ihn unterstützen und ihn fördern. Dies ist oft mit einem großen Organisationsaufwand 6

verbunden. Die Lehrperson muss dabei verschiedene Faktoren berücksichtigen. Da die Klassen meist sehr groß sind, stellt die Raumknappheit eine Schwierigkeit dar. Wenn die Schüler mit unterschiedlichen Materialien und Techniken an ihrem Projekt arbeiten, ist dafür viel Platz notwendig. Dafür müssen Fachräume groß und gut ausgestattet sein. Jedoch sind meist fachspezifische Gegenstände, wie Werkbänke und Werkzeuge, nicht in dem Umfang vorhanden, welcher für eine ganze Klasse notwendig ist.

Ebenso ist das Budget für gestalterische Fächer oft sehr knapp bemessen. So erscheint es fast unmöglich, wenn die Lehrkraft alle künstlerischen Umsetzungsideen der Schüler verwirklichen will, da dafür verschiedenste Materialien, wie z.B. Farbe, notwendig sind. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss die Lehrperson folglich gewissen Rahmenbedingungen vorgeben. Darüber hinaus muss eine Lehrperson während des Prozesses auf 20 – 30 Kinder eingehen können und ihnen mit Rat und Hilfe zur Seite stehen. Hierfür ist Verständnis und Sensibilität notwendig, um die Ideen des Kindes nachzuempfinden und flexibel und spontan darauf zu reagieren.

Die Aufgaben der Lehrperson sind folglich sehr beachtlich und jede Lehrkraft muss für sich entscheiden, ob sie diesen Aufwand bewältigen kann.

Nichtsdestotrotz ist die individuelle Zuwendung notwendig, damit die Schüler die geforderten Kompetenzen, die in den Bildungsstandards verankert sind, erreichen.

Der Pisa-Schock im Jahr 2001 war Auslöser für ein Umdenken im Bildungsbereich. Die Konferenz der Kultusminister (KMK) entwickelte bundesweit einheitliche Bildungsstandards, welche wiederum von den Ländern in Kernlehrpläne umgesetzt worden sind. Es fand somit ein Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputorientierung statt. Die ehemalige Input-Steuerung beschrieb in den Lehrplänen Unterrichtsinhalte und deren methodische Umsetzung. Die Output-Steuerung hingegen orientiert sich an den Ergebnissen. Diese werden in überprüfbaren Kompetenzerwartungen ausgeführt. Die Kernlehrpläne bestimmen über welche Kompetenzen die Schüler verfügen sollen. (vgl. o.A. Kultur-macht-Schule 2013, Online im Internet) Das Kerncurriculum Niedersachsen definiert Kompetenzen wie folgt: „Kompetenzen umfassen Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten, aber auch Bereitschaften, Haltungen und Einstellungen, über die Schülerinnen und Schüler verfügen müssen, um Anforderungssituationen gewachsen zu sein.“ (NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2006, S. 5, Online im Internet).

Demnach wird von der KMK angestrebt, dass die Schüler vor allem Fähigkeiten entwickeln sich eigenständig einem Problem oder einer Aufgabe zu widmen und diese zu lösen. Das be7

trifft kreative und originelle Problemlösestrategien, Innovationsbereitschaft und Gestaltungskraft. (vgl. LIMPER 2013, S. 45f.) Hinsichtlich dieser Bestrebung erscheint es paradox, dass im gestalterischen Unterricht heute noch sehr oft sehr viel Wert auf einzelne Gestaltungsprodukte gelegt wird und diese nach subjektivem Empfinden einer Lehrperson bewertet werden. Gestaltungsprodukte erheben nicht den Anspruch schön zu sein. Vielmehr stehen sie für einen Entwicklungsprozess des jeweiligen Schülers. Deswegen müssen sie nach verschiedenen Kriterien, welche besonders den Prozess beleuchten, untersucht werden. Es geht also nicht um ein harmonisch aussehendes Produkt, dass der Vorstellung der Lehrperson gerecht wird.

Diese Ansicht manifestiert sich im Kerncurriculum Niedersachsen: „Neben der kontinuierlichen Beobachtung der Schülerinnen und der Schüler im Lernprozess und ihrer individuellen Lernfortschritte, die in der Dokumentation der individuellen Lernentwicklung erfasst werden, sind die Ergebnisse fachspezifischer Lernkontrollen zur Leistungsfeststellung heranzuziehen.“ (NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM 2006, S. 18, Online im Internet).

Im gestalterischen Unterricht sollte dementsprechend der Fokus der Lehrkraft mehr auf dem Prozess als auf dem Gestaltungsprodukt liegen. Der Prozess ist die Phase des Unterrichts in welcher die Schüler aktiv lernen. Sie setzten sich im Prozess sinnlich-wahrnehmend und praktisch-gestaltend mit einer Thematik, einem Material oder einem Gedankengut auseinander. Durch diese intensive und eigenständige Bearbeitung erwerben die Schüler Fähigkeiten und Fertigkeiten, z.B. im Umgang mit Werkzeug, sie erlangen Einsichten in bestimmte Techniken und eignen sich selbstständig neues Wissen an. Der Prozess ist der Schwerpunkt des gestalterischen Unterrichts, da der Schüler und sein individueller Lernprozess im Vordergrund stehen. Diese Einsicht zu erlangen, ist sehr wichtig für die Lehrkraft, um den Unterricht dementsprechend aufzubereiten. Der Unterricht sollte sich an der Lebenswelt der Schüler orientieren und ihnen verschiedene Möglichkeiten bieten sich an den Unterrichtsgegenstand anzunähern. Die Aufgabe der Lehrkraft besteht darin, diese unterschiedlichen Zugänge zu ermöglichen und den Prozess als Berater zu begleiten. Die Lehrkraft erkennt das „Kind als aktiv handelndes und lernendes Individuum“ an und gibt den Schülern die Gelegenheit „selbstständig etwas zu leisten und eigene Lernwege zu erproben“. (COMENIUS INSTITUT 2004, S. 9, Online im Internet) Ziel der Unterrichtseinheit ist somit nicht ein schönes Gestaltungsprodukt, sondern die eigenständige und intensive Zuwendung des Kindes mit dem Lerngegenstand. Im Lehrplan des 8

Freistaats Sachsen wird als Ziel des Kunstunterrichts das Machen „von Erfahrungen im ergebnisoffenen Prozess“ genannt. (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 5, Online im Inter-

net) Folglich liegt der Fokus vor allem auf der Praxis, also dem individuellen Auseinandersetzen der Schüler mit einem Sachverhalt, einer Technik oder einem Material.

Dennoch sollte das Gestaltungsprodukt nicht außer Acht gelassen werden, bzw. der Anschein entstehen, es könnte im Unterricht darauf verzichtet werden. Wolfgang Schiebel spricht davon, dass „im handwerklichen Arbeitsprozess wie von selbst [ein] wachsende[s] Streben nach 'Perfektion'“ entsteht (SCHIEBEL 2010, S. 4-9). Diese Perfektion spiegelt sich im Produkt wieder und wirkt sich dementsprechend positiv auf das Selbstbewusstsein des Schülers aus. Es wird durch das in den Händen halten und das Präsentieren vor anderen gestärkt. (vgl. SCHIEBEL 2010, S. 4-9) Somit ist es für die Schüler wichtig, dass sie als Ergebnis des Prozesses einen Gegenstand erschaffen haben, an dem sie sich entweder erfreuen oder bei Unzufriedenheit ihren Arbeitsprozess reflektieren können.

Zugleich betont Meike Aissen-Crewett, dass in der Entwicklungsstufe der Präadoleszenz (Alter zwischen 9-13 Jahren) die Meinung der Peer-group mehr an Bedeutung gewinnt und den Schüler in seinem künstlerisch-experimentellen Tun hemmt, da dieser befürchtet, dass sein Werk als misslungen bewertet wird. (vgl. AISSEN-CREWETT 1992, S. 52) Demzufolge legt der Schüler viel Wert auf ein schönes Gestaltungsprodukt.

Beleuchtet die Lehrkraft jedoch den Prozess mehr als die Gestaltungselemente, wird auch das Nichtgelingen anders von ihr betrachtet. Konzentriert sie sich hingegen ausschließlich auf das Gestaltungsprodukt, wird das Nichtgelingen als fehlerhaftes Ausführen oder als Nichtverstehen der Aufgabe gewertet und negativ bewertet. Es wird nicht hinterfragt, wieso das Produkt so geworden ist, wie es in Erscheinung tritt. Die unbefriedigende Zensur kann sich negativ auf die Motivation, das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeit des Kindes auswirken. Gelingt dem Kind während des Prozesses etwas nicht, so muss eine neue Idee gefunden werden. „Das Suchen, Finden und Anerkennen individueller Lösungen gehört dabei ebenso zum Lernprozess wie das Risiko des Scheiterns und die Möglichkeit des Neuanfangs.“ wie es im Lehrplan Sachsen für das Fach Kunst heißt. (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS

2004, S. 3, Online im Internet).

Laut Wolfgang Schiebel erweitert dieses Vorgehen die Innovationsbereitschaft und den Erfahrungsschatz des Kindes. (vgl. SCHIEBEL 2010, S. 4-9) Der Schüler lernt Unstimmigkeiten zu er9

kennen und selbstständig zu beheben. Diese Bereitschaft kann sich positiv in der Bewertung durch den Lehrer widerspiegeln.

Zudem reduziert es den Leistungsdruck auf den Schüler, da er in seinem Tun freier ist und das Wissen besitzt, dass eine Unstimmigkeit nicht negativ in Form einer Zensur geahndet wird.

Im Schulalltag spielt allerdings die Bewertung des Gestaltungsproduktes eine wichtige Rolle. Allgemein bewertet die Lehrperson die Erfüllung der Aufgabenstellung. An vielen Schulen wird im künstlerischen Unterricht oft nur das Produkt bewertet und nicht der Entwicklungsprozess des Schülers bei der Lösung der ihm aufgetragenen Aufgabestellungen. In den meisten Institutionen läuft die Bewertung folgendermaßen ab: Die Lehrkraft vergibt nach einem spontanen subjektiven Eindruck, der auf dem ästhetischen Empfinden beruht, eine Gesamtnote. Genannt wird diese Methode Evidenzurteil (vgl. HIEBNER 1985, S. 338) oder auch ästhetisches Urteil.

Für die Lehrperson ist dies zeitökonomisch die effizienteste Form der Leistungsmessung, welche künstlerisch ganzheitlich im Erfassen der Bildqualität erfolgt. Diese wird gemessen anhand von Kreativität, Komposition, Erfüllung der Aufgabenstellung und dem ästhetischen Empfinden der Lehrkraft.

In den meisten Fällen reflektieren die Schüler zusätzlich über die einzelnen Bildqualitäten.

Eine Rangordnung wird gemeinsam mit der Klasse festgelegt, angefangen bei dem Werk, welches am schönsten, besten, ausdruckskräftigsten erscheint bis hin zum Arbeitsprodukt, welches der Klasse am wenigsten imponiert. Das heißt, über die Bildqualität wird nach einem subjektiven und von unterschiedlichen Faktoren geprägten Schönheitsideal der Schüler und der Lehrperson entschieden. Die Bewertungsmethode ist somit nicht transparent und auch nicht nachvollziehbar, beweist hingegen, dass Leistungen im Gestaltungsunterricht mit dieser Technik fast ausschließlich unter Einfluss des ästhetischen Empfindens gemessen werden.

Eine weitere Form der Bewertung bezieht sich auf Gunter Ottos Versuchsbeispiel für objektive Leistungsmessung (vgl. OTTO 1964, S. 150). Er versuchte damit eine Objektivität der Bewertung unter anderem auch in künstlerischen Fächern zu ermöglichen.

Das kategorisierende Bewertungsverfahren, welches sich daraus entwickelte, wird im Kunstunterricht genutzt, um die Notenvergabe transparent zu gestalten. Zunächst gliedert die Lehrperson den Bewertungsprozess in einzelne Teilschritte. Es werden Kategorien aufgestellt, die je nach Aufgabenstellung in den Gestaltungsprodukten der Schüler abgedeckt 10

werden.

Die Lehrperson kann diese Kategorien in Fragestellungen formulieren, z. B. „Ist die Aufgabenstellung verstanden und umgesetzt worden?“, „Ist der Gestaltungsprozess den Fähigkeiten des Kindes entsprechend verlaufen?“, „Wie sieht das Gestaltungsprodukt aus?“, „Bringt das Kind eigene Ideen in den Gestaltungsprozess ein?“ und „Wie nimmt das Kind an gemeinsamen Reflexionsphasen teil?“.(O. A. Grundschulmarkt 2016, Online im Internet).

Anhand von Kriterien, die in den einzelnen Kategorien zu erreichen sind, wird ein Punktesystem erstellt, woraus sich folglich eine Punktzahl ergibt, die die Gesamtnote festlegt.

Vorteil dieser Methode ist, dass sich die Bewertung nicht nur auf den subjektiven Eindruck der Lehrperson beschränkt, sondern dass das Gestaltungsprodukt aus mehreren Blickwinkeln betrachtet wird. Sowohl das Können des Schülers als auch die Reflexionsfähigkeit und individueller Leistungszuwachs werden bei der Bewertung beachtet. Dies beweist, dass das ästhetische Empfinden in dieser Form der Leistungsmessung nicht als Bewertungspunkt vorherrschend existiert, allerdings in Form der Frage „Wie sieht das Gestaltungsprodukt aus?“(vgl. O. A. GRUNDSCHULMARKT 2016, Online im Internet) trotzdem zu einem kleinen Anteil in die Bewertung einfließen kann.

Jenes ist abhängig davon, ob sich die zugehörigen, von der Lehrperson gewählten Kriterien, auf die Ästhetik des Werkes konzentrieren oder sich beispielsweise auf Originalität, Konformität oder Individualität stützen. Das heißt, die Arbeitsergebnisse müssen tendenziell nicht schön sein, in Abhängigkeit der aufgestellten Kategorien.

Die dritte Möglichkeit der Bewertung im Gestaltungsunterricht wird meist im reformpädagogischen, offenen Unterricht verwendet. Hauptziel bei dieser Methode ist die Selbstbewertung und Mitbestimmung durch die Schüler.

Um dieses Ziel zu ermöglichen, müssen zunächst andere Aufgabenstellungen und allgemeine Grundzüge des Kunstunterrichtes von der Lehrkraft erstellt und verändert werden.

Gruppenarbeiten zum gemeinsamen Erschaffen eines Gestaltungsproduktes, kleine Arbeitsberichte, Selbstbewertungsbögen, Diskussionsrunden und Arbeitssammlungen in Form von Portfolios können dieses veränderte Bild des gestalterischen Unterrichtes ermöglichen.

Von Vorteil ist dabei die reflexive Auseinandersetzung der einzelnen Schüler mit ihren Gestaltungsprodukten. Es werden Kompetenzen wie die Selbstwahrnehmung und die des eigenen Schaffensprozesses sowie individuelle ästhetische Urteilsbildung geschult.

11

Leistungssteigerungen können von der Lehrperson besser wahrgenommen und spezifisch bewertet, aber auch Verbalbeurteilungen von den Schüler durch Diskussionen geübt und verstanden bzw. selbst vorgenommen werden.

Der Nachteil ist wiederum, dass alle diese Vorgänge zumeist unter ästhetischen subjektiven Gesichtspunkten erfolgen, wie auch schon die Schulung der ästhetischen Urteilsbildung als Kompetenzerwerb in dieser Methode beweist. Das bedeutet, der ästhetische Blickwinkel ist in vielen Arbeitsformen enthalten, auch wenn diese sich vom herkömmlichen Gestaltungsunterricht unterscheiden. Kinder können die Selbstreflexion ihres künstlerischen Schaffens in der Grundschule nicht ohne den Vergleich ihres eigen gebildeten Schönheitsideals bewerkstelligen. Eine subjektive Empfindung, ob das Werk gefällt oder nicht, fließt daher immer mit in die Bewertung ein. Allerdings kann die Form der künstlerischen Betrachtung auch mithilfe der reformpädagogischen Aufgabenstellungen in die Richtung der Prozessbewertung gelenkt werden, der ästhetische Aspekt ist dabei jedoch immer gegenwärtig. (vgl. PEEZ 2016, Online im Internet) Tritt die Prozessbewertung nicht oder nur sehr wenig ein, wie beispielsweise im herkömmlichen Gestaltungsunterricht, sind Bewertungsfehler nicht unumgänglich. Diese werden besonders dadurch bedingt, dass die Lehrperson sich nur auf das Gestaltungsprodukt des Schülers konzentriert. Hinzu kommt, dass das Ergebnis durch dessen alleinige Betrachtung meist nur unter einem ästhetischen Blickwinkel bewertet wird und somit in den Augen der Lehrkraft als schön erscheinen muss.

Am Beispiel des Gestaltungsunterrichtes lässt sich verdeutlichen, dass die alleinige Bewertung von Gestaltungsprodukten mit den Kriterien der ästhetischen Betrachtung und/oder der Feststellung des Talentes der Schüler Bewertungsfehler hervorrufen. Anhand zweier möglicherweise auftretender Stereotypen von Lehrkräften, die hauptsächlich ästhetisch- und produktorientierte Bewertungen vornehmen, kann diese These bewiesen werden.

Der erste Stereotyp, der Befürworter der Kopie, ist eine Lehrkraft, die dem Schüler eine genaue Vorlage oder Anleitung des gewünschten Gestaltungsproduktes vorlegt, nach der sich in der Erarbeitung gerichtet werden soll. Bewertet wird im Folgenden die Perfektion der Kopie der Vorlage. Je besser diese in den Augen der Lehrkraft gelungen ist, umso besser wird die Gesamtnote. Eigene individuelle Entfaltung und Kreativität werden dabei unterbunden.

Die Schüler empfinden vielleicht Freude über ihre schöne Kopie und haben vielleicht eine 12

bestimmte Technik in Folge der Aufgabenstellung erlernt, stagnieren aber in ihrem künstlerisch ganzheitlichen Leistungszuwachs.

Der zweite Stereotyp, welcher anhand des Produktes seine Bewertung vergibt, ist der Befürworter der Sauberkeit. Dies sind Lehrkräfte, die ein besonderes Augenmerk auf die Ordentlichkeit bzw. Sauberkeit der Ausführung des künstlerischen Werkes der Schüler nehmen. Die Kinder sollen vor allem in ihren Schaffensprozessen schön und sauber arbeiten.

Je feiner beispielsweise das Ausfüllen von Flächen oder der einzelne Pinselstriche beim Malen von Umrissen erfolgt, umso besser wird das Gestaltungsprodukt bewertet. Auch hierbei ist eine künstlerische Entfaltung nur schwer möglich. Kreativität und Ausdruck können dabei zwar noch entstehen, werden aber gehemmt, da sich stark auf die Perfektion der Ausführung des Werkes konzentriert wird.

Bei beiden Methoden ist festzustellen, dass das Ziel nicht der gestalterische Lernfortschritt ist, sondern eher eine Beschäftigung der Schüler darstellt. (vgl. AISSEN-CREWETT, 1992, S. 29f.)

Lehrkräfte die Gestaltungsprodukte nach ihrer subjektiven Wahrnehmung als schön bewerten, schreiben dem Schüler zumeist auch künstlerisches Talent zu. Die Notenvergabe erfolgt somit nach Begabung der einzelnen Schüler. Definiert man den Begriff Talent, so ist dies: „Die Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet befähigt.“ (DUDEN 2016, Online im Internet) Wird im Gestaltungsunterricht sich nur auf das Produkt in der Bewertung konzentriert, so wird lediglich die Begabung des Schülers und die Ästhetik seines Gestaltungsproduktes bewertet.

Dies bietet Spielraum für einzelne Bewertungseffekte, die in Folge der Einschätzung des Talentes der Schüler entsteht. Ein Beispiel dafür ist der Rosenthal/Pygmalion-Effekt. Geht die Lehrkraft davon aus, dass der Schüler begabt ist, kann dies bedingen, dass sie sich in Form von Lob und Unterstützung dem Schüler besonders zuwendet. In Folge dieser Förderung erbringt jener bessere Leistungen und wird anders bewertet als seine Mitschüler. Dieser Effekt funktioniert auch in entgegengesetzter Richtung. Ist die Lehrperson von der fehlenden Begabung des Schülers, durch ihre subjektive Wahrnehmung der Gestaltungsprodukte überzeugt, kann es vorkommen, dass sie sich dem Schüler nicht persönlich oder weniger zuwendet. Das Kind erhält weniger Förderung und schneidet in der Leistungsmessung schlechter ab.

13

Weiter kann auch der Halo-Effekt als Bewertungsfehler auftreten, wenn das Talent des Schülers für den Lehrer aufgrund ästhetischer Wahrnehmung ersichtlich zu sein scheint.

Stellt die Lehrkraft eine Begabung bei einem Schüler fest, anhand eines besonders schönen Gestaltungsproduktes, verallgemeinert sie ihre Sichtweise in Form dieses Einzelaspektes auf den Schüler und bewertet ihn folglich ebenso bei weiteren Arbeiten als herausragend. Auch hierbei spielt nur der erste subjektive Eindruck eine Rolle bei der Leistungsmessung, daher kommt es in einigen Fällen daher zu Fehleinschätzungen.

Als letzten Beweis, dass Bewertungsfehler bei der alleinigen ästhetischen Betrachtung eines Gestaltungsproduktes in der Grundschule bedingt werden, zählt der Kontrast-Effekt. Wie schon erwähnt, wird sich in herkömmlichen Grundschulen meist der Bewertung in Form des Evidenzurteils bedient. Oft folgt daraus eine Gegenüberstellung der Arbeitsergebnisse der Kinder in Form der Festlegung einer Rangordnung. Gestaltungsprodukte, die subjektiv gesehen nicht ästhetisch sind, werden dabei negativ bewertet. Sie erscheinen durch die direkte Gegenüberstellung mit den schönen Ergebnissen der anderen Schüler unästhetisch.

Daran lässt sich beweisen, dass, wenn der Prozess und der individuelle Leistungszuwachs nicht beachtet werden, es zu einer Fehlerbewertung kommen kann. Da dies leider in vielen Gestaltungsunterrichten

die

Norm

ist,

wird

eine

ästhetische

Gestaltung

den

Arbeitsergebnissen abverlangt. (vgl. STOCKHAUSEN 2014, Online im Internet) Resümierend lässt sich festhalten, dass Schönheit ein Phänomen ist, welches von der Gesellschaft gebildet und gefordert wird. Schönheit wird subjektiv wahrgenommen. Es ist dementsprechend eine sehr individuelle Ansicht, da die Menschen in ihren Empfindungen sehr heterogen sind. Beim künstlerischen Schaffen und Rezipieren dessen, spielt der subjektive Eindruck immer eine Rolle und lässt sich nicht vermeiden. Besonders in der Grundschule sollte dieser aber eine nicht zu starke Beachtung finden.

Der Fokus sollte mehr auf den Prozess gerichtet werden, weil in diesem das ästhetische Lernen, das Erproben eigener Fähigkeiten und Kompetenzen im Vordergrund steht und für den Schüler eine freie Entfaltung seines künstlerischen Ausdrucks ermöglicht. Hierfür eignen sich besonders individualisierte Unterrichtsvorgehen.

Hingegen sollte der Wunsch der Kinder, etwas Schönes zu erschaffen, nicht außer Acht gelassen werden. Denn sie haben selbst den Anspruch ein schönes Gestaltungsprodukt in den Händen zu halten, welches ihre Erwartungen erfüllt.

14

Die zu einseitig subjektive Bewertung der Lehrpersonen birgt die Gefahr, Demotivation bei den Schülern, durch die fehlende Transparenz bei der Bewertung, hervorzurufen. Das Problem hierbei ist, dass die subjektive Wahrnehmung des jeweils anderen nicht nachvollzogen werden kann.

Zudem können Bewertungsfehler auftreten. Diese sind abhängig davon, worauf die Lehrperson ihren Fokus legt. Das negative Bewerten von Gestaltungsprodukten kann außerdem eine Hemmung im Ausleben der Kreativität bei den Schülern hervorrufen.

Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist den Schülern Freiraum zu lassen, damit sie sich kreativ entfalten und ihren eigenen Lösungswegen nachgehen können.

Bedeutsam ist, dass die Lehrperson mit dem Schüler in einen Dialog tritt und mit ihm gemeinsam den Prozess und das Produkt reflektiert. Dadurch ist eine Verständigung beider Parteien gegeben.

Daraus schließen wir für uns, dass Gestaltungsprodukte von Grundschülern für den Betrachter nicht den Anspruch erheben schön zu sein, für den Produzenten hingegen schon.

15

Literaturverzeichnis Monographien CREWETT-AISSEN, MEIKE: Kunstunterricht in der Grundschule. Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag GmbH, 1992 LIMPER, BRIGITTE: Interdisziplinarität und Ästhetische Bildung in der Grundschule. Theorie, Praxis und Evaluation im Kontext der Kunstdidaktik. München: kopaed, 2013 OTTO, GUNTER: Das Problem der Zensur im Kunstunterricht. Kunst als Prozeß im Unterricht. Braunschweig: 1964 SCHOMAKER, CLAUDIA: Ästhetische Bildung im Sachunterricht. Zur kritisch-reflexiven Dimension ästhetischen Lernen. Hohengehren: Schneider Verlag, 2008 Zeitschriften/Sammelbände HIEBNER, HANS-GÜNTHER: Bewertung und Benotung bildnerischer Arbeiten im Kunstunterricht. In: MENZER, FRITZ (Hrsg.): Forum Kunstpädagogik. Baltmannsweiler: Schneider Verlag, 1985, S. 335-352 KNAUF, TASSILO/ KNAUF ANNE : Nachdenken über den Kunstunterricht. In: KNAUF, TASSILO/KNAUF ANNE (Hrsg.): Mit Kindern Kunstunterricht machen. Anregungen und Praxisbeispiele aus der Grundschule. Hohengehren: Schneider Verlag, 1997, S. 1-22 PROF. DR. LIEBAU, ECKART: Ästhetische Bildung. Eine systematische Annäherung. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 16 (2013) H. 3, S. 27-41 SCHNEIDER, GERHARDT: Zur Theorie der Ästhetischen Erziehung in der Grundschule. In: SCHNEIDER, GERHARDT (Hrsg.): Ästhetische Erziehung in der Grundschule. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, 1988, S. 201-219 SCHIEBEL, WOLFGANG: Werken wirkt. Argument für ein „neues“ altes Fach. In: Kunst + Unterricht, 345/346 (2010), S. 4-9 STAUDTE, ADELHEID: Ästhetische Erziehung in der Grundschule – Mit allen Sinnen lernen. In: SCHNEIDER, GERHARDT (Hrsg.): Ästhetische Erziehung in der Grundschule. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, 1998, S. 55-66 STAUDTE, ADELHEID:Im Spiel zwischen Sinnlichkeit und Vernunft. In: STAUDTE, ADELHEID (Hrsg.): Ästhetisches Lernen auf neuen Wegen. Weinheim und Basel: Beltz Verlag, 1993, S. 718

Internetquellen COMENIUS INSTITUT (Hrsg.): Leistungsbeschreibung der Grundschule.2004. Online im Internet: URL:http://www.schule.sachsen.de/download/download_smk/leistungsbeschreibung _gs.pdf [Stand: 17.02.16] FUCHS, MAX: Ästhetisches Lernen und Lehren in Institutionen. Diskurse – Themen – Zugänge.

Online im Internet: URL: https://www.kultur-machtschule.de/fileadmin/user_upload/kultur_macht_schule/documents/KMS_Fachstelle/ PDF/Aesthetisches_Lernen_und_Lehren_in_Institutionen_010411.pdf [Stand: 01.02.2016] NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM (Hrsg): Kerncurriculum für Grundschule Schuljahrgänge 1-4.

Kunst, Gestaltendes Werken, Textiles Gestalten. 2006. Online im Internet: URL: http://db2.nibis.de/1db/cuvo/datei/kc_gs_ku_we_tg_nib.pdf [Stand: 02.03.2016] PEEZ, GEORG: Methoden der Leistungsbewertung im Kunstunterricht. Online im Internet: URL: http://www.georgpeez.de/texte/download.htm/bewerten_schroedel.pdf [Stand: 02.03. 2016] SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS (Hrsg.): Lehrplan Grundschule. Kunst. 2004. Online im Internet: URL: http://www.schule.sachsen.de/lpdb/ [Stand: 17.02.16] STOCKHAUSEN, STEPHAN: Die 12 wichtigsten Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler. Online im Internet: URL: http://www.manufaktur-wachstum.de/artikel/die-12-wichtigstenwahrnehmungs-und-beurteilungsfehler [ Stand: 02.03.2016] THOMSEN, MATTHIAS: Ästhetik – Teil –. Definitionen – Begriffserklärungen – Offene Fragen. Online im Internet unter : URL: http://www.zpggm.de/inhalte/zpg2_pdf/aesthetik_teil1_th.pdf [Stand: 01.03.2016] O.

A.: Duden. Online im Internet: URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Talent [Stand: 02.03.2016]

O.A:

Duden. Online im Internet: URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/schoen [Stand: 02.03.2016]

o.A.: Duden. Online im Internet:URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/aesthetisch [Stand: 02.03.2016] O.

A.: Grundschulmarkt. Kinderkunst: Wie beurteile ich die Arbeiten der Kinder?. Online im Internet: URL: http://www.grundschulmarkt.de/beurteil.htm [Stand: 02.03.2016]

O.A.:

Kompetenzorientierung. Aus dem Glossar Kulturelle Schulentwicklung. 2013. Online im

Internet: URL: http://www.kultur-macht-schule.de/kulturelleschulentwicklung/glossar/kompetenzorientierung.html [Stand: 29.02.16]