Essay ästhetische forschung ak nh

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Universität Leipzig Erziehungswissenschaftliche Fakultät Institut für Grundschulpädagogik Modul 05-GSD-SACH02 Erschließung und Anwendung fachwissenschaftlicher Grundlagen des Sachunterrichts Seminar 05-GSD-SACH02.SE01.j Ästhetisches Forschen im Sachunterricht

Wintersemester 2015/2016 Lehrende: Heike Rauhut

Essay

Die Methode der Ästhetischen Forschung eignet sich im Besonderen im Sachunterricht der Grundschule vor dem Hintergrund des Bildungs- und Erziehungsauftrags die Selbstkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken

von Alexandria Krug und Nathalie Heistermann

07. März 2016


Inhaltsverzeichnis Anmerkungen

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1 Essay

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2 Literaturverzeichnis

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Anmerkungen Die von uns verwendeten Zitatangaben im Haupttext und die Literaturangaben im Literaturverzeichnis richten sich nach den Hinweisen zur formalen Gestaltung von wissenschaftlichen und anderen schriftlichen Arbeiten am Institut f체r Grundschulp채dagogik. Unter dem folgenden Link sind diese zu finden: http://www.erzwiss.uni-leipzig.de/images/professuren/77/WIA_Stand_2012-12-03.pdf [Stand: 03.02.2016]

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1 Essay Ziel und Motivation unseres Essays Wenn man sich auf den Seiten des "Lehrplans Grundschule – Sachunterricht" des Sächsischen Staatsministerium für Kultus über den Bereich des ästhetischen Lernens informiert, findet man Aussagen, die zwar den Bereich der Ästhetik und einer potenziellen ästhetischen Erfahrung ansprechen, aber darüber hinaus nur wenig konkret sind. Eines der Bildungs- und Erziehungsziele umfasst die Ausbildung des ästhetischen Empfindens der Schülerinnen und Schüler durch die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur. Zudem soll auf diesem Weg eine Entwicklung ihrer persönlichen Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeit erfolgen (vgl. SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS 2004, S. VII, Online im Internet). Hier wird nur Bezug zu Kunst und Kultur genommen und es handelt sich vielmehr um ein Wahrnehmen, als um ein tiefes und weitreichendes Erfahren. Betrachtet man die Gestaltung des Bildungs- und Erziehungsprozesses, dann ist zu lesen, dass es "[i]n der Verantwortung der Lehrenden liegt [...], die Lerntätigkeit so zu [fördern], dass das Kind zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt angeregt wird" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS 2004, S. VIII, Online im Internet). Bereits hier klingen zentrale Begriffe wie Eigeninitiative, Selbstkompetenz und Aktivität an, die für unsere weiteren Betrachtungen von Bedeutung sind. "Von Anfang an soll den Schülern Gelegenheit gegeben werden, selbstständig etwas zu leisten und eigene Lernwege zu erproben" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. VIII, Online

im Internet). Mit diesem Wissen und diesem Anspruch nähern wir uns dem Fach Sachunterricht und versuchen auch hier diese Ziele zu erreichen. Der Beitrag zur allgemeinen/ ästhetischen Bildung seitens des Sachunterrichts gestaltet sich aber ebenfalls nicht explizit präzise. "Der Sachunterricht unterstützt die Schüler, ihr Leben und die Welt erschließen, verstehen und gestalten zu können. [...] Dabei werden auch ästhetische Aspekte angesprochen und bedacht" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 2, Online im Internet).

Aus diesen Formulierungen kann man entnehmen, dass die ästhetische Bildung und das ästhetische Lernen zwar prinzipiell beachtet, aber nicht intensiv und detailliert genug beschrieben und so nur wenig praktikabel zur konkreten unterrichtlichen Umsetzung sind.

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Da wir aber ein immens großes Potenzial in der ästhetischen Bildung im Fach Sachunterricht sehen und diese auch handhabbar, realisierbar und erfahrbar für die Schülerinnen und Schüler im Unterricht machen wollen, möchten wir uns diesem Aspekt der Bildung widmen. Insbesondere in der Stärkung der Selbstkompetenz durch ästhetische Bildung und durch ein Lernen mit wirklich allen Sinnen sehen wir Chancen für den individuellen Zugewinn der Schülerinnen und Schüler. Nun stellt sich aber die Frage wie eine Förderung der Autonomie und der Selbstständigkeit einer jeden Schülerin und eines jeden Schülers ermöglicht und konkret gestaltet werden soll. Das von uns besuchte Seminar "Ästhetisches Forschen im Sachunterricht" und das Erleben der Methode der "Ästhetischen Forschung" durch eigenes Handeln und Besuchen der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig hat uns einen fruchtbaren Anstoß für eine Umsetzungsmöglichkeit dieses Anspruches des Sachunterricht eröffnet. Wir sehen in dem Ästhetischen Forschen eine Möglichkeit mit den Kindern vielfältige Phänomene der Lebensumwelt wahrzunehmen, zu bearbeiten und in einem tieferen Sinne zu erfahren, um damit einen nachhaltigen Bildungsprozess zu ermöglichen und für sowie durch die Kinder selbsttätig gestaltbar zu machen. Da wir später als Lehrerinnen tätig sein werden und wir die Förderung der Selbstkompetenz als bedeutendes Bildungsziel ansehen, möchten wir dies auch mit produktiven und ergiebigen Methoden anregen. In der Ästhetischen Forschung sehen wir dieses Potenzial und beschäftigen uns deswegen in unserem Essay damit. Im Folgenden soll ein Überblick über zentrale Begriffe gegeben werden, um eine solide Arbeitsbasis zu schaffen. Anschließend wird die Methode der "Ästhetischen Forschung" nach Helga Kämpf-Jansen vorgestellt und durch den Bezug zu den Kultur.Forschern! vertieft. Anhand dieser theoretischen Erläuterungen wird dann der Bogen zur Selbstkompetenz geschlagen, um sich näher mit den dazugehörigen Merkmalen und Anforderungen an diese zu beschäftigen. Parallel erfolgt immer ein Bezug zu der Methode des "Ästhetischen Forschens" um Schnittstellen, Belege und Potenziale dieser für die Stärkung der Selbstkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu beschreiben. Zum Abschluss erfolgt in einem Fazit unsere Zusammenfassung und eine konkrete Positionierung unsererseits.

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Zentrale "Arbeitsbegriffe" und Kernelemente der theoretischen Betrachtung Als erstes wenden wir uns dem Begriff der "Ästhetik" zu. An dieser Stelle soll ein kurzer Abriss erfolgen, da hierauf nicht unser Hauptaugenmerk liegt und wir nur ausgewählte Denkfiguren näher betrachten, um unsere These zu untermauern. Die Annäherung an den Begriff "Ästhetik" gestaltet sich als traditionsreicher und in einem philosophiegeschichtlichen Diskurs stehender Weg. Das Wort Ästhetik stammt von dem griechischen Wort "aisthёsis" und bedeutet so viel wie "Wahrnehmung". Auch das entsprechende Adjektiv "ästhetisch" stammt aus dem Griechischen ("aisthёtos") und meint "sinnlich wahrnehmbar" (vgl. MEYER/ REGENBOGEN 2013, S. 70-73). Bereits Aristoteles und Platon entwarfen erste Denkfiguren. Zentral war immer die Frage, wie sich durch ästhetische Erfahrung ein Erkenntnisgewinn äußerte und wie sich diese Erkenntnis überhaupt gestaltete. Deswegen

ist

auch

"[d]ie

Frage

nach

dem Wesen

der

Ästhetik

und

dessen

Erkenntnisvermögen" (SCHOMAKER 2008, S. 7) der Kern jeglicher philosophischer Überlegung gewesen. Schon Aristoteles verband mit Ästhetik das Wahrnehmen. Bei ihm galt Ästhetik als Qualität von Geschehnissen und Ereignissen. Diese hat mit dem sinnlichen Erleben ihren Anfang. Zudem haben die von uns wahrgenommen Dinge einen erkenntnismäßigen Charakter (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 8f.). Entscheidend ist, dass unsere sinnlichen Erlebnisse einen " [...] reflexiven Charakter [aufweisen, der] zum einen auf die objektiv wahrnehmbaren Eigenschaften von Gegenständen [verweist und] zum anderen [...] den subjektiven Gehalt der Erfahrung [hervorhebt]" (SCHOMAKER 2008, S. 9). Diese Wechselwirkung zwischen Wahrnehmen und subjektiven Verarbeiten und Einordnen in einen persönlichen Erfahrungshorizont stellt die Basis für eine ästhetische Bildung im Sachunterricht dar, weil hier eine Verknüpfung von Sacherfahrung und Weltaneignung und -verarbeitung gewährleistet wird. Beschäftigten sich Aristoteles und Platon noch vornehmlich mit der Ästhetik in einem "das Schöne wahrnehmenden" Sinne (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 42f.), ging Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762) einen Schritt weiter. Seine Schrift "Aesthetica" war das Fundament für die Betrachtung der Ästhetik als philosophische Disziplin. Er distanzierte sich von der antiken Ansicht, das Ästhetische nur auf das Schöne und dessen Realisierung in Kunstwerken oder Reden zu reduzieren (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 11). Für Baumgarten stellt der Begriff der Ästhetik "die Theorie der sinnlichen Erkenntnis überhaupt" (SCHOMAKER 2008, S. 11) dar. 5


Er erkennt in der Ästhetik eine Wissenschaft und spricht dem Menschen und seinem "individuelle[n], sinnliche[n] Erkennen [einen] Erkenntnischarakter" (SCHOMAKER 2008, S. 11) zu. Für den Bezug zur Bildung und zum Stellenwert der Ästhetik in Bildungsprozessen ist besonders entscheidend, dass neben unserer logischen Erkenntnis nach Baumgarten immer noch die sinnliche, also ästhetische Erkenntnis zur Anwendung kommen muss, um einen Gegenstand und seine Merkmale vollständig erfassen zu können (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 12). Demnach müssen Bildungsvorgänge sinnliche Erfahrung ermöglichen und konkret einbeziehen. Außerdem liefert Baumgarten einen weiteren elementaren Hinweis auf die Notwendigkeit ästhetischer Zugangsweisen in bildenden Prozessen. "Die sinnliche Erkenntnis [...] sei aktiv, da deren Vorstellungen und Empfindungen keine abgeschlossenen Resultate seien, sondern sich fortwährend neu bilden" (SCHOMAKER 2008, S.13). Somit lässt sich der Bildungsanspruch einer aktiven und sich fortsetzenden sowie prozesshaften Entwicklung der Schülerinnen und Schüler durch Sachbegegnungen und Umwelterfahrungen umsetzen und begründen (vgl. SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS 2004, S. 3). Auch dem Lernen mit allen Sinnen kann im Sinne Baumgartens Rechnung getragen werden, weil er sinnliches Erkennen als "Spannungsfeld des Leibes" (SCHOMAKER 2008, S.13), also als Wechselspiel zwischen Körper und Geist, versteht. Deswegen ist seine Theorie auch für die Legitimation sinnlichen Lernens und somit ästhetischer Bildung in Unterrichts- und Lernprozessen so ergiebig und dient als Bezugspunkt für wissenschaftliche und fachdidaktische Betrachtungen. Verfolgt man den philosophiegeschichtlichen Weg der Ästhetik weiter, gelangt man von Kant über Schopenhauer zu Hegel1 und letztlich auch zu John Dewey (1859-1952). Dewey fasst den Radius der ästhetischen Erfahrung weiter und elementarer als die vorherigen Philosophen. Für ihn besteht ein enger Zusammenhang zwischen ästhetischer Erfahrung und dem Alltagshandeln an sich. Er möchte eine Verbindung zwischen "[...] dem alltäglichen Erfahrungshandeln und den Werken der Kunst" (SCHOMAKER 2008, S. 23) schaffen. Dabei bleibt die Ästhetik in ihrem Kernverständnis die Lehre und Wissenschaft von der sinnlichen Erkenntnis. John Dewey setzte sich intensiv mit dem Begriff der "ästhetischen Erfahrung" auseinander. Unabdingbar für ein Verständnis des Wirkungsgeflechts der einzelnen Teilaspekte der Ästhetik ist die Verknüpfung der ästhetischen Erfahrung mit der ästhetischen Bildung, denn diese setzt sich aus vielen verschiedenen ästhetischen Erfahrungen zusammen. 1 An dieser Stelle erfolgen keine detaillierten Beschreibungen, da nur ausgewählte Philosophen betrachtet werden und hier nicht der primäre Fokus unseres Essays liegt.

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Deswegen betrachten wir im Anschluss diesen Bereich der Ästhetik. In diesem sehr theoretischen Begriffsfeld sind dabei aber immer alle Begrifflichkeiten in einem untrennbaren Bedeutungszusammenhang zu sehen. Die aufgedröselte Struktur mit einzelnen begrifflichen Definitionsannäherungen dient lediglich einer Übersicht und Darlegung der Komplexität dieses Bereichs der Bildung. Widmen wir uns nun wieder John Dewey. Ähnlich wie Hegel, der als idealistischer Philosoph die Ästhetik noch komplett auf die Kunst bezog (vgl. JÜDT 2014, S. 98), sah zwar auch Dewey eine enge Verbindung zwischen Kunstwerken und ästhetischer Erfahrung, aber er vereinte die künstlerische und alltägliche Erfahrung. "Um Ästhetik in ihren ausgeprägtesten und anerkanntesten Formen zu verstehen, muß man bei ihren Grundelementen ansetzen; bei den Ereignissen und Szenen, die das aufmerksame Auge und Ohr des Menschen auf sich lenken, sein Interesse wecken und, während er schaut und hört, sein Gefallen hervorrufen [...]" (DEWEY 1934/1980, zit. n. SCHOMAKER 2008, S. 23)

Aus diesen Formulierungen kann man ableiten, dass prinzipiell jedes Ereignis und jeder Gegenstand die menschlichen Sinne in derartiger Weise affiziert, dass eine ästhetische Erfahrung bewirkt wird. Dewey versteht die Erfahrung "[...] als Interaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt" (SCHOMAKER 2008, S. 23f.). Hieraus lässt sich für eine unterrichtliche Praxis ableiten, dass der handelnde Umgang mit Objekten/ Inhalten für jeden Bildungsprozess

grundlegend

ist.

Es

besteht

die

Notwendigkeit

der

praktischen

Auseinandersetzung mit (Bildungs-) Gegenständen und einer rezeptiven sowie produktiven Begegnung mit diesen. Dadurch wird eine Veränderung im Individuum bewirkt, welche gleichzeitig die Grundlage für die Ausbildung einer Ich-Identität und einer Selbstkompetenz sowie einer Subjektivität darstellt. Für eine echte ästhetische Erfahrung muss nun; neben der Orientierung an dem Alltagshandeln, noch eine emotionale Komponente wirken. Die ästhetische Erfahrung " [...] gewährt [...] an sich eine emotionale Befriedigung" (DEWEY 1934/1980, zit. n. SCHOMAKER 2008, S. 24). Ästhetische Erfahrung ist damit ein Wechselspiel aus der sinnlichen, emotionalen Seite der Wahrnehmung/ Verarbeitung und aus der produktiven Seite, das kreativ ausprobierende Tun oder ein "Auf-sich-wirken-lassen" als rezeptive Form. Dieses weite Verständnis ermöglicht alles aus unserem Alltag als ästhetisch zu verstehen und als ästhetische Erfahrung wirksam zu machen.

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Die Intensität und Dichtheit einer ästhetischen Erfahrung, die durch den emotionalen Bezug zustande kommen, liefern eben jenes in der Schule auszuschöpfendes und anzuregendes Potenzial für nachhaltige und tiefgreifende Bildungsvorgänge. Nicht nur das reine Wahrnehmen und die Interaktion zwischen Mensch und Lebensumwelt zeichnet die Erfahrung aus, sondern auch das Nachdenken über diesen Gegenstand oder über diese Situation und ein aktives / passives Reagieren auf diese kennzeichnen eine ästhetische Erfahrung (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 24). Somit ist ein Bildungsprozess, der sich an dieser Theorie ästhetischer Erfahrung orientiert, immens vielversprechend, da neben kognitiven Urteilen und Erkenntniswegen auch emotionale und empfindende Zugangsweisen in diesen eingehen und somit ein ganzheitliches Lernen befördern. Hierfür eignen sich nach Dewey im Besonderen die Künste, da in ihnen eine vollkommene Form der Erfahrung vorliegt (vgl. SCHOMAKER 2008, S. 26). Dennoch wurde gezeigt, dass prinzipiell alles ein Anlass für eine ästhetische Erfahrung sein kann und deswegen auch Deweys Theorie als Basis für die Methode des "Ästhetischen Forschens" zu sehen ist. Der Begriff der ästhetischen Erfahrung stellt für die ästhetische Bildung den zentralen Kern dar und zeichnet sich durch eine intensive emotionale Beteiligung aus, die die ästhetische Erfahrung von "bloßer" Alltagserfahrung unterscheidet. Die Verbindung von Kognition und Emotion sowie aktiven, handelnden Tun, Erkunden und Umsetzen und einer sinnlich, genießenden und staunenden Rezeption sind die Merkmale einer komplexen ästhetischen Erfahrung. Ziel ist es, elementare Urerfahrungen herauszubilden und wiedergebbar zu machen (vgl. JÜDT 2014, S. 99-102). Ebenso so komplex wie die ästhetische Erfahrung gestaltet sich auch der Begriff "Bildung". Diesem Begriff möchten wir uns mit den Gedanken Humboldts nähern, weil sein Verständnis von Bildung dem unseren sehr nahe kommt und ebenfalls zu einer Untermauerung der Umsetzungsstärke des "Ästhetischen Forschens" dient. Wilhelm von Humboldt (1767-1835) verstand die Individualität als Zentrum allen Handelns und somit auch aller Bildung. Die Individualität als höchstes menschliches Gut wird von keiner Allgemeinheit begrenzt, sondern zeichnet sich durch eine unantastbare Eigenständigkeit aus (vgl. FISCHER 1989, S. 186f.).

Nach

Humboldt

besteht

der

eigentliche

Sinn

des

Menschen

in

der

zusammenhängenden und vollständigen Ausbildung seiner eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in einem harmonischen Maß (vgl. FISCHER 1989, S. 191). Bildung heißt somit auch Selbstbildung, um aus sich heraus, aber auch in der Auseinandersetzung mit der Welt und den Dingen in dieser, sich zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit zu entwickeln.

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Demnach ist Humboldts primäres Ziel der Bildung die Persönlichkeitsbildung und Stärkung der Individualität (vgl. FISCHER 1989, S. 198f.). Diesen Anspruch verfolgt auch die ästhetische Bildung.

Wie

bereits

erwähnt

sind

die

ästhetischen

Erfahrungen

für

dieses

Bildungsverständnis elementar. "Bildungsprozesse werden dann ausgelöst, wenn eine solche ästhetische Erfahrung den einzelnen in seinem ureigenem Selbstverständnis treffen und ein neues Sehen von Welt und Verstehen von bislang unreflektierten Zusammenhängen eröffnen, die zu einem neuen Sichselbstverstehen führen“ (VELTHAUS 2002, o. S.).

Demnach ist die ästhetische Bildung als ein Wechselspiel zwischen sinnlichen und körperlichen Erfahrungen sowie selbstbildenden und reflektierenden Prozessen zu verstehen. Zentral hierbei ist die eigenständige Begegnung und Auseinandersetzung mit etwas seitens der Schülerinnen und Schüler. Die ästhetische Bildung ermöglicht dies, "spielt" mit ästhetischen Erfahrungen und bewirkt eine veränderte Welt– und Sichselbstwahrnehmung. Dieses Verständnis kommt auch der Vorstellung über das Lernen an sich entgegen. "Lernen muss jedes Kind, jeder Mensch selber" (LIEBAU 2013, S. 30) und deswegen geschieht dieser Prozess auf unterschiedliche Weise. Ebenso bedeutend ist die Ansicht, dass "Lernen aber nur im Zusammenspiel von Ich-Bildung und Welt-Bildung" (LIEBAU 2013, S. 30) funktionieren kann. Um einen so flexiblen, individuellen und offenen Prozess zu ermöglichen, bedarf es Herangehensweisen wie der ästhetischen Bildung. Zur Rechtfertigung ästhetischer Bildung in der Grundschule lässt sich auch der Begründungszusammenhang "anthropologischpädagogisch" heranziehen. Demnach existiert der Mensch nur wegen der Wechselwirkung zwischen seinem Leib und seinen Sinnen, die Umwelterfahrungen bewirken und gleichzeitig dem Menschen ein Bewusstsein über sich selbst verschaffen. Das Individuum beginnt den Dingen der Welt wiederrum auch einen Sinn zu geben. Durch diesen Vorgang entwickelt es seine Identität. Deswegen müssen in unterrichtlichen Prozessen der Geist, die Seele und der Körper als Ganzes betrachtet und dementsprechend gefördert werden (vgl. FELDHAUS 1995, zit. n. SCHOMAKER 2008, S. 143). Die hier angesprochene Ich-Identität und Selbstkompetenz, die in unserem Essay im Fokus stehen soll, kann somit durch ästhetische Bildung angeregt, gefördert und gestärkt werden (vgl. LIEBAU 2013, S. 28). Die inhaltliche Gestaltung ästhetischer Bildung nach Spinner und Kraemer unterstützt dieses Ziel ebenfalls, denn "[...] ausdrücklich kontemplative [gedankenvolle], emotional-ganzheitliche und spielerische Zugänge [sollen] zur Bereicherung und Bewältigung des persönlichen Lebens geschaffen 9


werden und [...] damit [enthält] die körperlich-sinnliche Erfahrung von Welt auch in der Schule ihr Recht" (KRAEMER/SPINNER 2002, zit. n. SCHOMAKER 2008, S. 132). Kern dieser Überlegungen ist, dass der Sachunterricht im Sinne ästhetischer Erfahrung ein konkretes Konglomerat aus Emotionen, Gedanken, geistig-abstrakten, körperlich-handelnden und sinnlich-entdeckenden sowie künstlerisch-gestaltenden Erfahrungsmomenten für die Kinder erschließbar und nutzbar macht. Das Potenzial der ästhetischen Bildung liegt in ihrer Vielfältigkeit. Sie macht nicht nur die gefühlsmäßigen und individuellen Ansichten zu einem Sachverhalt deutlich, sondern sie ist auch in der Lage "Veränderungen im menschlichen Verhalten, in den menschlichen Einstellungen, im menschlichen Denken und Fühlen [... zu] initiieren" (SCHMITT 1987, zit. n. SCHOMAKER 2008, S. 132). Somit erreicht sie auch die Ausbildung einer Selbstkompetenz und der Findung einer Ich-Identität. Der Begriff der "Kompetenz" ist in den bisherigen Ausführungen ebenfalls oft gefallen und soll an dieser Stelle näher erläutert werden. Die Bildung von Kompetenzen ist eine der fundamentalen Aufgaben der Grundschule. Neben der Förderung der "Entwicklung und Ausbildung von Methoden-, Lern- und Sozialkompetenz" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR

KULTUS 2004, S. VII, Online im Internet) bedarf es aber auch der Selbstkompetenz, um

überhaupt zu den anderen Kompetenzen zu gelangen. Im Allgemeinen versteht man unter Kompetenz "die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (WEINERT 2001, S. 27f.). Die Stärkung und der Ausbau einer elementaren Kompetenz – die Selbstkompetenz Ausgehend vom Kompetenzbegriff gestaltet sich auch der Bildungsanspruch des Kindes, der eng mit der Selbstkompetenz verwoben ist. Der Ausbau einer Ich-Identität, der Autonomie und der Selbstbestimmung sowie die Förderung kreativen und individuellen Denkens werden darunter verstanden. In den drei Begründungszusammenhängen von Feldhaus findet man erste konkrete Hinweise auf die Gestalt der Identität. Der bereits erwähnte anthropologischpädagogische Ansatz besagte, dass in der Sinngebung der Dinge der Welt durch den Menschen die Identitätsbildung begründet liegt.

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Dieser wird um die lernbiologisch-psychologische Perspektive erweitert. Sie beschreibt, dass das lernende Individuum eine `lebendige Subjektivität` besitzt. Nach dieser Sichtweise ist ästhetische Bildung deswegen so wichtig, weil Emotion und Kognition untrennbar sind. Somit muss ein Lernen mit allen Sinnen erfolgen, um die Subjektivität und damit die Identität weiter zu fördern, zu sensibilisieren und zu stabilisieren. Körper und Sinne bewirken überhaupt erst einmal die Bildung von Identität (vgl. FELDHAUS 1995, zit. n. SCHOMAKER 2008, S. 143). Diese ist für den Menschen unabdingbar, weil sie unser Wesen, unser Orientierungs- und Darstellungsapparat in der Welt und in einer sozialen Gemeinschaft ist. Nicht selten findet man auch die Begriffe "Ich-Kompetenz" oder "Personale Kompetenz" in einschlägiger Literatur vor. Trotz dieser leichten begrifflichen Verwirrung steht fest, dass die Entwicklung und Stärkung der Selbstkompetenz eine zentrale Bedeutung im Leben aller Menschen

hat.

Selbstkompetenz

führt

zur

Entfaltung

von

personenspezifischen

Leistungsdomänen, weil sie Handlungen, Emotionsregulation und Variabilität im Verhalten eines Individuums bewirkt (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 4f., Online im Internet). Letztlich wird immer auf eine Qualität menschlichen Handelns angespielt, deswegen befindet man sich auch im Verhältnis zwischen Wissen und Können in einem bestimmten Kontext. Dabei ist auch die Selbstkompetenz generell an konkrete Handlungsmomente gebunden und zielt auf die Umsetzung von Handlungsanforderungen (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 5, Online im Internet). Praxisrelevant ist das Merkmal der Gebundenheit von Selbstkompetenz an Lernprozesse. Aus motivationspsychologischer Sicht basiert das Konstrukt einer Kompetenz auf der Ansicht, "dass das Individuum bestimmte grundlegende Fähigkeiten selbstorganisiert hervorbringt" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 5, Online im Internet). Für einen pädagogischen und fachdidaktischen Kontext bedeutet das, dass der Mensch gelernt hat und das diesem Prozess ein Antrieb; eine Motivation vorangegangen ist. Zudem ist die Selbstkompetenz als eine der vier Kompetenzen anzusehen, die die Lernkompetenz ausmachen. Wie bereits erwähnt sollte die Selbstkompetenz aber als Basiskompetenz verstanden werden (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 6, Online im Internet). Besonders interessant ist die Beschreibung der Selbstkompetenz als "[...] ein Bündel von Einzelkompetenzen [...], die für die Entwicklung der Persönlichkeit und für [das] Lernen [...] wichtig

sind"

(KÜNNE/

SAUERHERING

2013,

persönlichkeitspsychologischer Perspektive.

11

S.

6,

Online

im

Internet)

aus


Zentral dabei ist die Selbst- bzw. Emotionsregulation, die als Ausgang für weitere Teilkompetenzen zu verstehen ist, denn jedes Handeln ist an Gefühle gebunden. Somit haben wir hier wieder den Bezug zur ästhetischen Erfahrung und ästhetischen Bildung die ebenso die Grundannahme vertritt, dass alles; demnach auch das Lernen, eine Wechselspiel zwischen Emotion und Kognition ist. Demnach ist auch ein Verständnis der Selbstkompetenz als lebenslang wandelbare und prozesshafte Fähigkeit wichtig. Neben der Affektsteuerung und der Befähigung zur aktiven Gestaltung des eigenen Lebens kennzeichnet ein wichtiger Bedeutungsunterschied das Begreifen von Selbstkompetenz (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 6f., Online im Internet). Die Unterscheidung von "Ich" und "Selbst" ist hier gemeint. Das "Ich" wird "[...] als bewusste Instanz verstanden, die klare Ziele verfolgt, logische Schlüsse zieht und die Aufmerksamkeit fokussiert [...]. Das 'Selbst' wird als enorm großes Archiv persönlicher Erfahrungen, Wünsche, Bedürfnisse, Vorlieben, Sorgen und vieles mehr verstanden" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 7, Online im Internet). Beim "Selbst" erfolgt eine vernetzte Verarbeitung von Inhalten, Erfahrungen und Gefühlen. Daraus folgt, dass; im Gegensatz zu der schrittweisen Vorgehensweise des "Ichs", eine Auseinandersetzung mit vielen Informationen beim "Selbst" gleichzeitig erfolgt und deswegen den Entscheidungsoder Handlungsvollzug umfassender bestimmt. Dies ist auch kennzeichnend für die sieben Bestandteile der Selbstkompetenz. 1) Gefühl von Vertrauen in sich und die Welt (Grundsicherheit zum Welterschließen) 2) Selbstwahrnehmung 3) Selbstausdruck (emotionaler Zustand einer Person und dessen Darstellung) 4) Selbstmotivierung 5) Selbstberuhigung (eigenständige Regulation der Gefühle, ihrer Intensität sowie Äußerung) 6) Ganzheitliche Aufnahme von Rückmeldungen (Verarbeitung und Speicherung des Feedbacks im "Selbst") 7) Integrative Kompetenz (Aushalten von Widersprüchen und Vereinigung der anderen sechs Bereiche) Insbesondere der integrativen Kompetenz kommt ein hoher Stellenwert zu, weil sie eine Verbindung zwischen individuellen, personenbezogenen Erwartungen und Bedürfnisse und den Anforderungen der sozialen und kulturellen Umwelt sowie anderer Menschen an eine Person herstellt (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 8f., Online im Internet). 12


Nun ist diese Selbstkompetenz nicht einfach da. Sie ist zwar sozusagen als Grundanlage in jedem Menschen vorhanden, muss aber gefördert und gezielt angeregt werden. In Verknüpfung mit dem selbstständigen und eigenorganisierten Lernprozess, der auf der einen Seite einer gewissen Selbstkompetenz bedarf und auf der anderen Seite diese ständig weiter entwickelt, sind auch professionelle pädagogische Handlungen und Vorgehensweisen als ausschlaggebende Faktoren zu berücksichtigen. Die Förderung des Selbstkompetenz sollte bereits in der frühen Kindheit beginnen und lebenslang weitergehen (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet). Ebenfalls wird in der Primarstufe an der Stärkung dieser gearbeitet. Sowohl die allgemein fachlichen Ziele des Faches Sachunterricht aus dem sächsischen Lehrplan, als auch der allgemeine Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule bedürfen einer soliden und variablen Selbstkompetenz. Andernfalls sind die genannten Ziele und Erwartungen nur schwer umsetzbar. Denn wie soll man kompetent "Methoden-, Lern- und Sozialkompetenz" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS

2004, S. VII, Online im Internet) ausbilden, wenn man sich selbst gar nicht richtig wahrnimmt oder große Probleme mit seinem Selbstausdruck hat? Besonders der Sachunterricht hat sich der Ausprägung der Selbstkompetenz verschrieben. Neben dem Unterstützen in dem selbsttätigen Erschließen, Verstehen und Gestalten des eigenen Lebens und der Welt (vgl. SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 2, Online im Internet), möchte der

Sachunterricht durch Bildung die Identität der Kinder befördern und zu einer partizipativen und aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in all seinen Dimensionen befähigen (vgl. GDSU 2013, S. 9). Dies zeigt die Ausrichtung auf Selbstkompetenz im Sachunterricht. Nun bedürfen diese Ideale und Ziele aber einer konkreten unterrichtlichen und methodischen Umsetzung, denn es müssen "Situationen geschaffen werden, in denen Kinder sich [überhaupt erst einmal] als selbstkompetent erleben" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet) können. Die Gestaltung anregender und ideenkonstituierender Lernumgebungen, eine wirkungsvolle und herausfordernde Impulsgebung sowie vielversprechende und kreativ bearbeitbare Angebote sind dabei der Schlüssel zur Förderung eine Selbstkompetenz (vgl. GDSU 2013, S. 10f.). Ein "selbstwirksames Lernen" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet) im Sinne einer Selbstkompetenz bedarf eben jener besonderen Lernsettings und Methoden wie der "Ästhetischen Forschung" nach Helga Kämpf-Jansen. Anschließend wird deren Methode näher erläutert und durch die "Kultur.Forscher!" untermauert. Parallel erfolgt der Bezug zu der Art und Weise, wie man die Selbstkompetenz der Schülerinnen und Schüler stärken kann. 13


Ästhetische Forschung – ein vielversprechendes Konzept von Helga Kämpf Jansen Der Ansatz eines "forschenden" Unterrichts entwickelte sich seit den 1990er Jahren und etablierte sich ab da allmählich als Lehr-Lern-Form. Johannes Bastian (geb. 1948) beschrieb 1991 erstmals den/ die Schüler/in als Forscher/in und wollte durch ein ausprobierendes, experimentierendes und selbsthandelndes Tun erreichen, dass die Heranwachsenden Verantwortung für sich und für ihren Lernprozess übernehmen (vgl. BASTIAN 1991, zit. n. BLOHM/ HEIL 2010, S. 1, Online im Internet). In dieser Reihe ist auch Martin Wagenschein (1896-1988) mit seinem Unterrichtskonzept "Lernen durch Entdecken" zu nennen. Mit seinem Konzept der "genetisch-sokratisch-exemplarischen Methode"2 war er Wegbereiter für die Überzeugung, dass man sich in Lernprozessen den Dingen zunächst bewusst werden muss. Nach dem Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Frankfurt Horst Rumpf (geb. 1930) sollte man den ästhetischen Anteil der Erkenntnis und des Lernens besonders im Unterricht fokussieren. Ein Prozess vom individuellen Staunen hin zum gemeinschaftlichen Verstehen muss in die Wege geleitet werden. Wichtig für das "Forschende Lernen" ist das Verständnis von Selbsttätigkeit, Selbstorganisation und als eine Form des lebenslangen Lernens. Forschungsprozesse seitens der Kinder können demnach auch den Erfahrungsschatz der Lehrenden erweitern (vgl. BLOHM/ HEIL 2010, S. 2f., Online im Internet). Ebenso prozesshaft wie das Forschen ist auch die Ausbildung der Selbstkompetenz. Der Ansatz des "forschenden Lernens" ermöglicht "[...] die Selbstwirksamkeitserfahrungen von Kindern [und deren Herausforderung]" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 7, Online im Internet) durch seinen Bezug zur "Projektorientierung [... mit ihren Merkmalen des] Praxisbezug[s], [der] Lebensnähe, [den] Handlungsmöglichkeiten, [dem] Interessenbezug [und dem Anspruch] an Vorerfahrungen an[zu]schließen" (BLOHM/ HEIL 2010, S. 4, Online im Internet). Als Begründer gelten John Dewey und William Heard Kilpatrick (1871-1965). Sie fordern den Lebensweltbezug und liefern damit die unterrichtliche Basis für die Anregung von Selbstkompetenz, denn die essentiellen Selbstwirksamkeitserfahrungen werden möglich, wenn "[...] die Lerninhalte persönliche Bedeutsamkeit für das Kind haben und seine Neugier wecken bzw. das Kind spürt, dass es an dieser Aufgabe wachsen kann und seinen Erfahrungsspielraum erweitern kann" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 7, Online im Internet). 2 "Genetisch" meint hier einen Entwicklungsprozess, denn aus einem Problem oder aus dem Wesen einer Sache ergibt sich erst der Lernprozess. Mit "sokratisch" wird auf die "Hebammenkunst" des Sokrates angespielt, da der/die Lehrer/in lediglich der/die "Geburtshelfer/in" für den eigenständigen Entdeckungsprozess des Kindes ist. Wenn das Allgemeine am speziellen Fall erarbeitet und gesehen wird, dann bedeutet das "exemplarisch" (vgl. BLOHM/ HEIL 2010, S. 2, Online im Internet).

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Die Vereinigung künstlerischer und alltäglicher Erfahrung nach Dewey wurde bereits grundlegend erläutert, knüpft hier aber an dem Konzept der Selbstkompetenz unweigerlich an und bestärkt das Potenzial forschender, ästhetischer Arbeit. Durch die projekthafte und forschende Gestaltung des Unterrichts können die Kinder eigenständig die für sie interessanten Themen und Inhalten entdecken und bildungswirksam erschließen. Wie Forscher begeben sie sich auf eine Suche nach Antworten, Erklärungen und neuen Erkenntnisse, die parallel ihre Selbstmotivierung befördern, indem sie sich vollständig einer Sache widmen können und durch die Integration neuer Erkenntnisse in das "Selbst" bildet sich die Identität und das Selbstkonzept eines jeden Kindes weiter aus. Beim Forschen bedarf es einer gewissen Haltung; man muss zu einer Frage kommen und bestehende Selbstverständlichkeiten in der Welt versuchen hinterfragen zu können. Dies erfordert ein hohes Maß an Selbstwahrnehmung, der integrativen Kompetenz und einer Grundsicherheit zum Welterschließen, denn es müssen anfängliche Widersprüche ausgehalten und in neuen Kontexten gedacht werden. So wird ein veränderter Blick auf die Dinge möglich und sie können sich zum Gegenstand der Forschung entwickeln. Der Prozess des Forschens hat somit mit der Struktur und der Art und Weise wie sich Selbstkompetenz ausbildet zahlreiche Schnittmengen. Das Kind muss die beim "Ich" ankommenden Informationen und Eindrücke ordnen, sortieren und vernetzen, um im "Selbst" einen Fundus an Erfahrungen, Handlungsweisen und Verständnis- und Bewältigungsstrategien zu organisieren. So gestaltet sich auch das Vorgehen eines Forschers, denn er muss "[...] sein intuitives Chaos ernst nehmen und es gleichzeitig so strukturieren, dass eine Ordnung ablesbar wird, die zu Versuchen und Experimenten führt" (BLOHM/ HEIL 2010, S. 5, Online im Internet). Im Sinne der Selbstkompetenz bedeutet das nichts anderes als sich kompetent, eigenständig und aktiv in seinem Leben und in seinem sozialen/ gesellschaftlichen Umfeld bewegen und partizipativ handeln zu können. Ebenso wie die Entfaltung der Selbstkompetenz bedarf auch das Forschen der Neugierde, einem Austausch und einer Freiheit, die Platz für eigene Idee und einen individuellen Erkenntnis- und Arbeitsweg bietet (vgl. BLOHM/ HEIL 2010, S. 5, Online im Internet). Eine "individuelle Stärkung des Menschen [kann somit durch das Forschen und] durch ästhetische Zugangsweisen" (SCHOMAKER 2005, S. 1, Online im Internet) erreicht werden. Die Ergiebigkeit dieser lässt sich erneut treffend mit Dewey formulieren, denn er versteht unter intelligentem Denken und Handeln "das Erkennen der Beziehung zwischen dem, was getan, und dem, was erlebt wird, so dass der Arbeitsprozess eines Künstlers mit dem eines Forschers gleichzusetzen ist" (DEWEY 1934/1980, zit n. SCHOMAKER 2008, S. 26). 15


All dies ermöglicht Helga Kämpf-Jansens (1939-2011) Konzept der "Ästhetischen Forschung", da sie den Zusammenhang zwischen Ästhetik und Forschen sowie der Stärkung der Persönlichkeit erkannte. Als didaktisches Konzept wird die "Ästhetische Forschung" zunächst im Feld der Kunstpädagogik in den späten 1990er Jahren gebildet. 2001 erschien dann das breitgefächerte Werk der Pädagogin Helga Kämpf-Jansen zur "Ästhetischen Forschung" (vgl. BLOHM/ HEIL 2010, S. 2, Online im Internet). Sie beschreibt 15 elementare Thesen, die die Ästhetische Forschung ausmachen. Bereits in der ersten These klingt die Stärkung der Selbstkompetenz an. Die Devise lautet "Sinnhaftes gegen unsinnig Verordnetes" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 1, Online im Internet). Notwendig sind eine individuell erfahrene Sinnhaftigkeit und ein Bezug zu seiner ästhetischen Tätigkeit, derer man sich auch bewusst ist. Anknüpfend an die Selbstkompetenzentwicklung wird ebenfalls davon ausgegangen, dass diese nur bewirkt wird, wenn das "Lernen als selbstwirksam erfahren wird" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet). Ebenso ist der Ausgangspunkt oder der Antrieb ästhetischer Erfahrung; die Frage, kennzeichnend für eine Stärkung der Selbstkompetenz, denn "[e]twas entdecken, erforschen, erfahren und für andere sichtbar machen wollen [...] bedarf [...] einer Frage, eines persönlichen Interesses" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 1, Online im Internet). Eine Frage bildet sich beim einem Kind3, wenn Methoden und Lernarrangements zur Anwendung kommen, die "die Kinder zur Eigenaktivität anregen" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet). Erneut zeigt sich die Verbundenheit der Ästhetischen Forschung mit der Selbstkompetenzentwicklung, denn dieses Potenzial der Kinder versucht die Ästhetische Forschung zu sensibilisieren und zu motivieren. Das Kind soll eigene Ziele entwerfen und sich über persönliche Interessen im Klaren werden, um dann Verantwortung übernehmen zu können. Das Vorgehen der Ästhetischen Forschung bewirkt genau dies. Besonders "schön" finden wir, dass "[a]lles [..] Gegenstand und Anlaß ästhetischer Forschung sein [kann]" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 1, Online im Internet), weil das gerade mit dem Sachunterricht und seinen vielfältigen Themen vereinbar ist. Die Lernbereiche "Zusammen leben und lernen, Mein Körper und meine Gesundheit, Begegnungen mit Pflanzen und Tieren, Begegnungen mit Phänomenen der unbelebten Natur und Begegnung mit Raum und Zeit" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 2, Online im Internet) lassen sich

wunderbar mit der Ästhetischen Forschung erschließen und bearbeiten, weil sie genügend Anregungen bieten, um Fragen zu entwickeln und diese ästhetisch zu erforschen. 3 Nicht nur bei einem Kind, bei jedem Menschen egal welchen Alters bilden sich Fragen, wenn bestimmte Bedingungen vorherrschend sind. Diese Form des Erkenntniszuganges ist für das menschliche Wesen grundlegend.

16


Das Thema "Gewürzkräuter" aus dem Lernbereich 2 "Mein Körper und meine Gesundheit" in der Klassenstufe 1/2 (vgl. SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 6f., Online

im Internet) kann hervorragend über den Zugang der Ästhetischen Forschung erschlossen werden, denn wenn nach dem mehrsinnigen Erfahren der Kräuter Fragen im Raum stehen wie "Warum riechen Kräuter unterschiedlich?", "Wo kommen Kräuter her?", " Wie baue ich Kräuter an?" oder "Welche Kräuter schmecken mir am besten?" kann man daran andocken. Vielleicht baut man verschiedene Kräuter im Schulgarten an, legt eine Sammlung gepresster "Lieblingskräuter" als duftendes Kräuterbuch an oder wendet sich ersten wissenschaftlichen Erklärungsversuchen für die Unterschiedlichkeit der Düfte zu. Gleichzeitig wird man dem wissenschaftlichen Anspruch des Sachunterrichts, weil "[...] entsprechende Denk- und Arbeitsweisen entwickelt werden" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 2,

Online im Internet), und der Orientierung an kindlichen Interessen und Ausgangslagen gerecht, denn "Kern ästhetischer Erfahrung ist die Vernetzung vorwissenschaftlicher, an Alltagserfahrungen orientierter Verfahren, künstlerischer Strategien und wissenschaftlicher Methoden" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 1, Online im Internet). Nicht nur, dass die Ästhetische Forschung eben mit jenen Zielen und angestrebten Methoden des Sachunterrichts arbeitet, sondern auch die These, dass "[i]n Alltagserfahrungen [...] bereits wesentliche Handlungsund Erkenntnisweisen vorgegeben [sind]" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 1, Online im Internet), untermauern die Tragfähigkeit und Umsetzbarkeit dieses Konzeptes im Sachunterricht. Sowohl im Sachunterricht werden "[...] ganzheitliche Betrachtungsweisen [angestrebt, um] Neugier,

Fantasie,

Erkundungsdrang

und

Rückbesinnung

weiterzuentwickeln]" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

[zu

fördern

und

KULTUS 2004, S. 3, Online im

Internet), als auch in der Ästhetischen Forschung. Diese konstituiert sich nämlich aus dem "[...] neugierig fragende[n], forschende[n] und entdeckende[n] Umgang mit Dingen und Phänomenen [...]" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 1, Online im Internet). Zudem sind auch die Vorgehensweisen vereinbar, denn im Sachunterricht "[...] stehen jedoch authentische Begegnungen [im Vordergrund], damit sich der Schüler selbst ein Bild von der Welt machen kann. Die Begegnung mit dem Original, das gezielte Untersuchen und Experimentieren, Befragung und Exkursion ermöglichen die klärende Auseinandersetzung mit der Sache" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 3, Online im Internet). Genauso

beschreibt Helga Kämpf-Jansen den handelnden Umgang mit Erfahrungen, denn da gibt es "[...] das Sammeln, Ordnen, Arrangieren und Präsentieren" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 1, Online im Internet). 17


Diese beschriebenen Verfahren eröffnen unserer Ansicht nach dem Schüler und der Schülerin den für die Entwicklung der Selbstkompetenz so basalen Aspekt der Heranführung an die "[...] selbständige Organisation ihrer Lernprozesse" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 6, Online im Internet). Denn eine Kompetenz wird nur ganzheitlich erlangt, wenn ein Individuum etwas gelernt hat und diese Fertigkeiten eigenständig ausüben kann. Das Kind soll sich selbst die Welt erschließen können und dies gelingt durch ästhetische Verfahren, die ihm den Freiraum und die Chance zur Selbstentfaltung geben, weil die Ästhetik im Sinne des weiten Verständnis einer ästhetischen Erfahrung nach Dewey einen offenen Raum mit scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten darstellt. Darin besteht auch der Kern der Ästhetischen Forschung, denn hier kommen diese Gedanken zur Anwendung. Sie "[...] ermöglich[t] dem Individuum über eine Partizipation eine Stärkung der eigenen Identität" (SCHOMAKER 2005, S. 1, Online im Internet). Ebenso vielversprechend ist die These, dass "Ästhetische Forschung [...] manchmal ungewohnter und ungewöhnlicher Orte [bedarf]" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 2, Online im Internet), denn auch im Lehrplan des Fachs Sachunterricht "[kommt dem] Lernen im Schulgarten und an außerschulischen Lernorten [...] besondere Bedeutung zu" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 3, Online im Internet). Um den Erwerb der

Selbstkompetenz zu sichern muss eine Lernumgebung geschaffen werden, "die es SchülerInnen ermöglicht, [... ihre Selbstkompetenz] in komplexen Lernarrangements zu erproben" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 11, Online im Internet). Museen, verlassene Fabrikgelände, Parks, Werkstätten, Gärten, Bahnhofshallen, Kulturinstitutionen und auch der eigene Schulhof oder das leerstehende Haus um die Ecke bieten als besondere Orte eine Basis für eine anregende Lernumgebung. Durch die direkte Konfrontation und das reale Begehen der Orte werden Impulse gegeben und das Kind beginnt von selbst Fragen und Ideen zu entwickeln. Das Gefühl von Vertrauen in sich und in die Welt wird hier "trainiert" und erweitert, weil es auf dessen Fundament neue Räume erschließen kann. Die Schüler und Schülerinnen werden zudem für ihre eigene Selbstwahrnehmung sensibilisiert, weil sie sich mit neuen und vielleicht unbekannten Umgebungen auseinandersetzen und diese neuen Empfindungen und Gefühle, z. B. das Staunen bei der Weitläufigkeit eines Fabrikgeländes oder ein Gefühl der Angst oder Beklemmung in dem leerstehenden Haus, in ihr "Selbst" integrieren müssen. Diese Erfahrungen bereichern ihre Identitätsbildung und stärken somit ihre Selbstkompetenz. Außerdem erfolgt in diesem Wechselspiel von Weltaneignung und Weltwahrnehmung eine Förderung des kreativen ästhetischen Verhaltens, das gleichzeitig diesen Prozess wieder unterstützt (vgl. KÄMPF-JANSEN 2000, S. 2, Online im Internet). 18


Aus diesen Formulierungen lässt sich ableiten, dass die Aneignung und der Ausbau von Selbstkompetenz kein statischer "Ist-Zustand" ist, sondern sich stetig im Wandel befindet und sich ständig neu und erweiternd oder revidierend gestaltet. Bereits erwähnt wurde der Fakt, dass die Entwicklung von Selbstkompetenz ein prozesshafter und lebenslanger Vorgang ist (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 7, Online im Internet). Genauso ist die "Ästhetische Forschung [...] prozeßorientiert". Eben wie die Entwicklung und Ausbildung der Selbstkompetenz äußert sich der Prozess, der in der Ästhetischen Forschung vollzogen wird, als verzweigter und vielseitiger Weg. Einige Ideen werden weiterverfolgt, andere Ansätze verworfen

und

"[so

bleibt

das

ganze

Gefüge]

bis

zum

Schluß

ständigen

Entscheidungsprozessen unterworfen" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 2, Online im Internet). Diese Dinge macht ein jedes Kind und ein jeder Mensch bei dem Ausbilden seiner Identität gezwungener Maßen immer durch, da man ständig auf eine neue und sich veränderte Umwelt reagieren muss. Die Erfahrungen, die dabei gewonnen werden, werden dann in das jeweils bestehende Selbstbild eingearbeitet. Demnach unterstützt die Ästhetische Forschung diesen Prozess ungemein, da sie dem Kind handelnd und exemplarisch einen Erkenntnisweg erfahren lässt. Als stärksten Fakt der Relevanz und Legitimität des Ästhetischen Forschens im Sachunterricht zur Stärkung der Selbstkompetenz kann hier die 14. These von Kämpf-Jansen herangezogen werden, denn "Selbstreflexion und Bewußtseinsprozesse erhalten neue Dimensionen" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 3, Online im Internet). Jedes Vorgehen wird subjektiv gestaltet und emotional begleitet. In Form von Skizzen, Fotografien, Texten, Interviews, Notizen,

Collagen

und

auch

ganz

persönlichen Aufzeichnungen

oder

kreativen

Ausdrucksformen wird der Erarbeitungsprozess festgehalten (vgl. KÄMPF-JANSEN 2000, S. 3, Online im Internet). Diese Umsetzungsmöglichkeiten sind hochgradig individuell und liefern in der Unterrichtsgestaltung einen Raum für eigenständiges Austesten, Probieren und Ausloten persönlicher Neigungen und Interessen. Damit wird dem Kind gewährt "Erfolgserlebnisse zu haben und [auch] mit Misserfolgen umzugehen" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet), wenn der eine oder andere Zugangsweg nicht so gelingt oder wenn man entdeckt, dass man sich trotz "misslungener" Zeichnung mit Fotografien besser ausdrücken kann. Durch das Erfahren eigener Zugänge "[...] werden persönliche Grenzen erweitert bis hin zu tief greifenden Grenzerfahrungen [...], wenn [sich] einzelne [...] einer besonderen ästhetischen Grenzerfahrung, den 'Selbstversuchen' u.a. aussetzen" (KÄMPFJANSEN

2000,

S.

3,

Online

im

Internet).

Genau

dies

möchte

Selbstkompetenzförderung bewirken, um das eigene Selbstkonzept zu stärken. 19

auch

die


Durch die Fragen und durch die Offenheit, dass alles zur ästhetischen Forschung führen kann, wird man auch dem Anspruch gerecht "[...] bei den Interessen und Fähigkeiten der Kinder anzuknüpfen, also eine persönliche Bedeutung der Lerninhalte für die Kinder zu eröffnen" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet). Durch die sich beim ästhetischen Forschen entwickelnden Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Erkenntniswege lernt man Unsicherheiten, Gegebenheiten, Verzögerungen und Kompromisse zu akzeptieren. Die Geduld und Selbstmotivierung werden geschult, weil man weiter arbeiten möchte, selbst wenn es kurzweilige Komplikationen gibt. Damit wird das Durchhaltevermögen trainiert und gleichzeitig erfolgt eine Sensibilisierung für den eigenen emotionalen Selbstausdruck (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 8, Online im Internet). Wie gehe ich mit auftretenden Problemen im Interview um? Wie verhalte ich mich, wenn ich merke, dass meine Frage überarbeitet werde muss oder wie kann ich ein Gefühl der Freude beim Betrachten von einem interessanten Kunstwerk noch anders ausdrücken und beschreiben? Das sind Fragen, die aufkommen können und zeigen gleichzeitig die Auseinandersetzung mit dem eigenen "Ich" an, die zu einer differenzierten und sicheren Selbstwahrnehmung führen. Besonders während der Eigenaktivität und dem selbstständigen Arbeiten, die das ästhetische Forschen ausmachen, wird die Selbstkompetenz weiter entwickelt und gestärkt. Das "Ästhetische Forschen führt zu anderen Formen der Erkenntnis" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 3, Online im Internet). Nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind hier genauso wie im Lehrplan Sachunterricht (vgl. SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM Online

im

Internet)

gemeint,

sondern

auch

subjektive

FÜR

und

KULTUS 2004, S. 3, von

künstlerischen

Ausdrucksformen geprägte Erkenntnisweisen werden mit einbezogen. Deswegen wird auch an dieser Stelle das Ästhetische Forschen dem Sachunterricht gerecht, da durch diese Methode "[... der] aktive[...] Wissenserwerb und das Ausprobieren eigener Lösungswege ermöglicht [wird]" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS 2004, S. 3, Online im

Internet). Der Bezug zur Selbstkompetenz ist klar zu erkennen. Geht es der Ästhetischen Forschung um "[...] ein anderes Begreifen der Welt" (KÄMPF-JANSEN 2000, S. 3, Online im Internet), so geht es ihr unserer Meinung nach auch um ein anderes Begreifen des eigenen Ichs. Somit können sich die Kinder wirklich "[...] selbst ein Bild von der Welt machen [...]" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS 2004, S. 3, Online im Internet). Um dieses Vorhaben konkret greifbar und realisierbar zu machen, möchten wir im Anschluss das Programm der Kultur.Forscher! betrachten. 20


"Die fünf Phasen der Ästhetischen Forschung" – Ästhetische Forschung in der Schule greifbar gemacht Natürlich könnten gegen das Konzept der "Ästhetischen Forschung" Einwände angebracht werden: Wie soll das in einem kleinen Klassenzimmer mit 28 Kindern funktionieren? Benötigt dieser Prozess nicht endlos viel Zeit, Ressourcen, Material und Vorbereitung seitens der Lehrkraft? Wie sollen Schulen im ländlichen Raum das umsetzen? Wie lässt sich das erlangte Wissen der Kinder prüfen? usw. Unserer Meinung nach klingen die Lösungen schon in den Thesen Kämpf-Jansens an, da alles Anlass ästhetischer Forschung sein kann, ist es primär egal, wo man sich befindet. Die alte Scheune und der Dorfplatz sind ebenso besondere und vielversprechende Orte wie ein Museum oder eine Kunstgalerie. Zudem verlangt das ästhetische Forschen nicht, dass eine riesige Präsentation mit den besten und exklusivsten Materialien am Ende des Prozesses steht. Auch ein kleiner und selbstentworfener Galerierundgang durch das Klassenzimmer kann künstlerische Werke der Kinder zur Geltung bringen. Zu dem Einwand des immensen Zeitfaktors kann nur gesagt werden, dass ein auf das Individuum und seinen persönlichen Entwicklungsprozess ausgerichteter pädagogischer Ansatz neuer und innovativer Lehr- und Lernformen bedarf. Die Öffnung des Unterrichts und die flexiblere Zeiteinteilung zugunsten eines projektartigen Unterrichts sind bereits in vielen Schulen und Bildungsplänen angekommen. Man muss sich die Zeit auch einfach mal nehmen. Das Wissen, dass die Kinder erlangen, spiegelt sich im Arbeiten und im Tätig sein während des Entstehungsprozesses und während der Auseinandersetzung mit der Frage bereits wider. Ständig müssen sich die Kinder neuen Herausforderungen stellen, altes überdenken und somit ständig Wissen anwenden und neu strukturieren. Es bedarf eben einer genauen Beobachtung der Lehrkraft. Außerdem ist das "Endprodukt"; in welcher Form auch immer, eine Darstellung des neu erlangten Wissens. Wenn dies nicht ausreichend ist, kann man auch Lerntagebücher, Portfolios und Forscheralben anlegen, die das Kind während der Erarbeitung begleiten. Diese Formen der "Leistungsermittlung" stärken wiederrum die Selbstkompetenz (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 11, Online im Internet), da die Kinder selbstbestimmt an ihrer "Bewertung" mitarbeiten, indem sie sich selbst einschätzen (lernen). Das genau dies praktikabel und umsetzbar ist, zeigen die Kultur.Forscher!. Sie orientieren sich primär an Helga KämpfJansens Konzept der "Ästhetischen Forschung" und stellen deswegen die Frage und den Prozess ins Zentrum.

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Grundsätzlich gilt zu bedenken, dass die einzelnen Forschungsphasen ein "dynamisches Gefüge" (LEUSCHNER 2012, S. 1, Online im Internet) darstellen und Fragen während des gesamten Prozesses entstehen können, die wiederrum ebenfalls ihre Beachtung finden sollten. Besonders herausfordernd ist es die "richtige Balance zwischen Anleitung und Freiheit zu finden" (LEUSCHNER 2012, S. 1, Online im Internet), was ebenfalls für eine gelingende Selbstkompetenzförderung von Bedeutung ist. Zudem sind Partizipation und Freiwilligkeit wichtig. Die Kinder müssen an dem Prozess wirklich teilnehmen und ihn eigenständig gestalten können. Weiterhin ist die Ästhetische Forschung am Subjekt orientiert und distanziert sich auch deswegen von Bewertungen wie "richtig" oder "falsch". Es geht um die jeweils individuelle Gestaltung und den persönlichen Erkenntnisgewinn, der trotzdem einer gewissen Qualität bedarf und auch im Kontext des sozialen Lernens zu sehen ist. Ausschlaggebend ist auch, dass man Zuversicht und Vertrauen in die offenen Prozesse und Lernformen hat. Zwar können Unsicherheiten auftreten, aber durch eine gemeinsame Zielvereinbarung,

dass

am

Ende

eine

Präsentation

eines

individuellen

oder

gemeinschaftlichen Produktes stattfindet, sollten diese gemindert werden (vgl. LEUSCHNER 2012, S. 2, Online im Internet). In diesen Gedanken steckt eine Umsetzung der Selbstkompetenzentwicklung, da durch diese Vorgehensweise das selbstwirksame Lernen möglich wird. Ebenso gestalten sich die einzelnen Phasen als geeignete Förderung der Selbstkompetenz. In der ersten Phase "Thema und Frage finden" nutzt man die Ausgangslage, dass alles zur Ästhetischen Forschung führen kann, egal ob es eine Pflanze, ein Tier, ein Buch oder ein Gefühl ist. Die Schülerinnen und Schüler werden in ihrem Frage-finde-Prozess unterstützt, indem man zum Beispiel gewisse Rahmenthemen absteckt und alle Ideen, Bilder, Assoziationen usw. in Form einer Mindmap oder ähnlichem sammelt. Freundschaft, Lieblingsmusik, Mode, Sternenbilder, Maschinen usw. können Themen sein, die das Interesse der Kinder ansprechen. Entscheidend ist bei einer guten Frage, dass sie den Lebensweltbezug der Kinder erkennen lässt und ihrem wirklichen persönlichen Interesse entspricht. (vgl. LEUSCHNER 2012, S. 3, Online im Internet). Dies ist der erste Schritt, um die Selbstkompetenz anzuregen, da somit an den Vorstellungen der Kinder angeknüpft und eine persönliche Bedeutsamkeit des potenziellen Lerninhaltes erschlossen wird (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 10, Online im Internet). Zudem kann hier ein Bezug zu den didaktischen Grundsätzen des Sachunterricht hergestellt werden. Diese verlangen ebenfalls, an den Erfahrungen und Interessen der Kinder anzuknüpfen (vgl. SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR

KULTUS 2004, S. 2, Online im Internet). 22


Um Fragen zu finden, zu formulieren und zu präzisieren, ist es hilfreich andere Orte aufzusuchen und sich nach draußen zu begeben sowie die Klasse in kleinere Forschergruppen einzuteilen. Man kann mit Künstlern zusammenarbeiten und ein Museum als Anregung besuchen, aber auch "100 Fragen an ein Bild" stellen und somit eine intensive kognitive und kreative Leistung der Kinder provozieren. Dabei sollte man die Fragen immer festhalten und anschließend ordnen, bis sich dann eine (vorläufige) Hauptfrage heraus kristallisiert (vgl. LEUSCHNER 2012, S. 4, Online im Internet). Diese Herangehensweise entspricht genau wie die zweite Phase "Forschen, Sammeln, Erfahren" dem Vorgehen im Sachunterricht. Es wird Material in den Forschungsfeldern "Alltagserfahrung", "Kunst", "Wissenschaft" und "Ästhetische Praxis" gesammelt. Wichtig ist, dass es klare Regeln und einen ständigen Austausch zwischen den Gruppenmitgliedern gibt. Es kann ein Forschungsplan mit Zielen, besuchten Orten, Ideen und ersten Präsentationsvorschlägen angelegt werden, welcher eigenständig fortgeführt werden soll. Die Kinder lernen Verantwortung für ihren eigenen Arbeitsprozess zu übernehmen und werden somit zunehmend selbstkompetenter. Nun sollte in den Forschungsfeldern zu der Frage oder dem Thema geforscht werden. In der Ästhetischen Praxis kann man sich Collagen, Fotografien oder dem Songschreiben widmen. Man kann auch durch sozialwissenschaftliche Methoden wie dem Fragebogen oder die Recherche in der Bibliothek Material sammeln. Im Forschungsfeld "Kunst" kann man sich der Rezeption aktueller und historischer Kunst hinwenden und die Frage in Galerien oder Museen in Form von Kunstwerken widerfinden. Dem Erforschen und Sammeln sind dabei keine Grenzen gesetzt. Entscheidende Bezugsräume sind dabei Kulturinstitutionen (Theater, Kino, Denkmäler, Ruinen, Galerie usw.), der öffentliche Raum (Straße, Einkaufszentrum, Wald, Fabrikhallen, Dorfplatz, Tierpark, Gärtnerei usw.), die Schule (Fachräume, Keller, Mensa, Sporthalle usw.) und das private Umfeld (Freunde, Familie usw.) (vgl. LEUSCHNER 2012, S. 57, Online im Internet). Diese außerschulischen Lernorte erfüllen ganz offensichtlich den Anspruch des Sachunterrichts sich die Umwelt auf vielfältige Art und Weise zu erschließen. Der freie und kreativ-ästhetische Zugang, das Experimentieren mit unterschiedlichen Methoden an neuen Orten und das Erkennen und schätzen lernen verschiedener Perspektiven stärkt die kindliche Selbstmotivierung und Neugier. Zudem erfolgt in dieser Phase eine intensive Selbstreflexion der persönlichen Erfahrungen durch die Auseinandersetzung mit den gemachten Beobachtungen und neuen Erkenntnissen, was wiederrum zu einer veränderten Selbstwahrnehmung führt und somit die Stärkung der Selbstkompetenz bewirkt.

23


Außerdem ist bei beiden Phasen eine Frage basal und entscheidend: "Was hat das mit mir zu tun?" Egal, ob man ein Kunstwerk bestaunt oder sich über die die Verlassenheit eines Fabrikgeländes wundert, man verspürt immer eine emotionale Regung. Durch die direkte Begegnung und Auseinandersetzung mit den Objekten oder Geschehnissen erfolgt immer eine Verschränkung von Kognition und Emotion. Man wird zum Nachdenken angeregt und die Kinder sammeln so ästhetische Erfahrungen. Nach intensivem Forschen und dem Nutzen künstlerischer Handlungsweisen muss in der dritten Phase das Material aufbereitet werden. Es sollte ästhetisch-künstlerisch aufgearbeitet und mit innovativen Präsentationsformen verbunden werden. Das gesammelte Material wird zunächst sortiert und strukturiert. Anschließend wird sich eine Form der Präsentation überlegt. Im Hinterkopf sollte man immer den Forschungsprozess haben. Eine Performance im öffentlichen Raum, in der Schule oder eine Ausstellung im lokalen Museum oder im Kulturzentrum sind möglich. Danach geht es um das "handwerkliche" Erarbeiten und Verfeinern. Als Lehrkraft und "Künstlerteam" ist eine ständige Begleitung und Unterstützung der forschenden Kinder notwendig, um den Kindern eine Wertschätzung entgegen zu bringen und um das künstlerische Produkt, das aus Zitaten, Collagen, Klängen, Videosequenzen usw. bestehen kann, ästhetisch-künstlerisch in seinem vollen Potenzial ausgestalten zu können. Dieser Prozess bedarf Zeit und Geduld (vgl. LEUSCHNER 2012, S. 8f., Online im Internet). Wenn eine geeignete Präsentationsform gefunden und das Material künstlerisch aufbereitet ist, geht es in die vierte Phase. Das "Präsentieren" der Forschungsprozesse lässt die Ergebnisse in einem entsprechenden Rahmen erscheinen und somit erfahren die Kinder der Anerkennung und Wertschätzung ihrer vollbrachten Arbeit. Die Beratung durch Experten/innen und klare Strukturen unterstützen diese Phase. Man sollte ein Programm erstellen und Verantwortung an Ausstellungskuratoren abgeben. Wenn man die Präsentation im kleinen schulischen Rahmen gestaltet, sollte man Eltern und andere Klassen einladen. Die Kinder sollen aber in beiden Fällen selbstorganisatorisch das Programm leiten und ihre Ergebnisse vorstellen (vgl. LEUSCHNER 2012, S. 9f., Online im Internet). Nach der Präsentation, die gewiss ein ganz besonderer Höhepunkt ist, erfolgt dann in einer fünften Phase das "Reflektieren". Hier sollte man sich Zeit nehmen den gesamten Prozess zu besprechen. Im Dialog mit dem "Künstler/innenteam", der Lehrkraft, den Mitschüler/innen und auch eventuell mit dem Publikum lassen sich Anregungen, Stärken, Probleme, andere Zugangsweisen und neue Ideen erschließen. Daraus ergeben sich neue Lernerlebnisse (vgl. LEUSCHNER 2012, S. 10, Online im Internet). 24


Dieses Vorgehen ist insbesondere für die Ausbildung von Selbstkompetenz entscheidend. Da die "Verarbeitung von Rückmeldungen aus der Umwelt [...] nicht so einfach [ist]" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 8, Online im Internet), bedarf es einer ganzheitlichen Aufnahme von neuen Impulsen. Erst wenn durch ein respektvolles und sinnhaftes Kommunizieren im Sinne des Reflektierens der Ästhetischen Forschung eine wertschätzende und aufgeschlossene Gesprächsatmosphäre erzeugt wird, kann Selbstkompetenz weiter gestärkt werden, da diese verstärkt im Dialog erlernt wird (vgl. KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 11, Online im Internet). Durch eine positive und gewinnbringende sowie anerkennende Feedback-Kultur wird der wichtige Baustein der "[g]anzheitlichen Aufnahme von Rückmeldungen" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 8, Online im Internet) der Selbstkompetenz angemessen ermöglicht. Zentral ist dabei auch immer das Interesse am Kind. "Nur wenn ein authentisches Interesse an dem Kind besteht, gelingt es, das Kind in seiner Individualität anzuerkennen" (KÜNNE/ SAUERHERING 2013, S. 11, Online im Internet). Die Methode der Ästhetischen Forschung und das Programm der Kultur.Forscher! hat sich ebenfalls diesem Anspruch verschrieben und stellt damit ein tragfähiges Konzept der Stärkung der Selbstkompetenz im Sachunterricht dar. Zusammenfassende Worte und persönliche Stellungnahme Wir hoffen in unserem Essay gezeigt zu haben, dass die Methode der Ästhetischen Forschung sich besonders im Sachunterricht eignet die Selbstkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Durch ästhetische Erfahrungen ist eine Verbindung von Kognition und Emotion gegeben, die eben zu jenen selbstwirksamen und persönlichkeitsfördernden Prozessen führt, die die Selbstkompetenzentwicklung befördern. Zudem eröffnet die Methode der Ästhetischen Forschung nach Kämpf-Jansen und in ihrer Ausgestaltung des Programmes "Die Fünf Phasen der Ästhetischen Forschung" durch die Kultur.Forscher! zahlreiche Möglichkeiten dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule und insbesondere des Fachs Sachunterricht gerecht zu werden. Außerdem hoffen wir dargelegt zu haben, welch immens hohes Potenzial und welche Vielfältigkeit in der Art und Weise der Umsetzungsformen in der Ästhetischen Forschung stecken, um nachhaltige Bildungs- und Lernprozesse anzuregen. Aufgrund der ungenauen und wenig praktikablen Beschreibung der konkreten Realisierung ästhetischer Zugangsweisen seitens des Lehrplans Grundschule des Fachs Sachunterricht wollten wir uns mit der Ästhetischen Forschung auseinandersetzen. Nach dem intensiven Beschäftigen mit den Begrifflichkeiten, der Selbstkompetenz an sich und der Methode der Ästhetischen Forschung können wir feststellen, dass sie mehr als 25


geeignet für den Sachunterricht ist. Sie weist unzählige Schnittmengen und Parallelen zum Anspruch, zu den didaktischen Grundsätzen und angestrebten Vorgehensweisen des Sachunterrichts auf. Zudem ermöglicht sie sowohl der Lehrkraft, als auch dem Schüler und der Schülerin den Freiraum und die Offenheit für ein selbstständiges und ganzheitliches Lernen, die für zukünftige Bildungsvorgänge so grundlegend sind. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die Handlungsweisen der Ästhetischen Forschung permanent mit der Selbstkompetenz arbeiten und diese somit stärken. Als zukünftige Lehrerinnen möchten wir uns innovativen, vielversprechenden und das Individuum und seinen Bildungsweg fokussierenden Methoden zu wenden, um die Kinder wirklich darin zu unterstützen, sich ihre Lebensumwelt erschließen und gestalten zu können. Zudem wollten wir in unserem Essay zeigen, dass eventuelle Berührungsängste, fehlende Ansätze zur Umsetzung und der mögliche Vorwurf der zu hohen Komplexität der Ästhetischen Forschung nicht wirklich begründet sind. In dieser Methode sehen wir nämlich eine Form der Wissensaneignung und Weltverarbeitung, die authentisch und wahrhaftig zum Verstehen und Be-greifen der Welt seitens der Kinder führt. Ästhetische Erfahrungen stellen dabei den Kern dar und bereichern den persönlichen Erkenntnisgewinn. Sie eröffnen andere Perspektiven und Blickwinkel auf die Welt. Für eine variable und starke Selbstkompetenzentwicklung ist genau diese Fähigkeit von entscheidender Bedeutung, denn nur durch Überlegen und durch eine vielseitige Betrachtung der Lebensumwelt

und

ihrer

Phänomene

kann

dieser

lebenslange

Prozess

sinnhaft

aufrechterhalten und durch das Individuum gesteuert werden. In den "Fünf Phasen der Ästhetischen Forschung" klangen diese Aspekte an und deswegen sehen wir eine Legitimität und Notwendigkeit der Ästhetischen Forschung in der Schule mehr als begründet. Die Ästhetische Forschung macht die Formulierung, dass im Sachunterricht "[...] ästhetische Aspekte angesprochen und bedacht [werden]" (SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM

FÜR

KULTUS

2004, S. 2, Online im Internet), wirklich greifbar, umsetzbar und universell ausführbar. Schließen möchten wir unseren Essay mit den Worten Claudia Schomakers, da sie unsere Gedanken treffend bündelt. "Ästhetische Zugangsweisen im Sachunterricht sind bildungswirksam, da sie 'über die Sinne hinaus' gehen (vgl. Schomaker 2000), emotionale Bezüge und kognitive Bewertungen miteinander verschränken. Ihre didaktische Relevanz kennzeichnet sich dadurch, den intuitiven, impliziten Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler zu einem Lerngegenstand einen eigenständigen Ort im Sachunterricht einzuräumen" (SCHOMAKER 2005, S. 4, Online im Internet).

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2 Literaturverzeichnis BLOHM, MANFRED/ HEIL, CHRISTINE: Workshop "Forschendes Lernen" im Projekt Kultur.Forscher!. Verwandtschaften und Schnittmengen zwischen Lehr- und Lernkonzepten zu "forschendem Lernen" aus der Literatur. 2010. Online im Internet: URL: http://www.kultur-forscher.de/fileadmin/system/dokumente/service/infomaterial/ Dr._Heil_Verwandtschaften_und_Schnittmengen.pdf [Stand: 23.02.2016] FISCHER, WOLFGANG: Wilhelm von Humboldt. In: FISCHER, WOLFGANG/ LÖWISCH, DIETERJÜRGEN (Hrsg.): Pädagogisches Denken von den Anfängen bis zur Gegenwart. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1989, S.185-199 GESELLSCHAFT

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ENTWICKLUNG/

UND

FÜR

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LIEBAU, ECKART: Ästhetische Bildung: Eine systematische Annäherung. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2013 MEYER, UWE/ REGENBOGEN, ARNIM (Hrsg.): Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 2013 SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS (Hrsg.): Lehrplan Grundschule. Sachunterricht.

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