Gewerbearchiv 0915

3260

GEWERBE ARCHIV ZEITSCHRIFT FÜR WIRTSCHAFTSVERWALTUNGSRECHT

Aus dem Inhalt Bauplanungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Asylbewerberunterkünften Herausgeber: Dr. Frank Hüpers Unter Mitwirkung von Dr. Sabine Hepperle Dr. Markus Kerber Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Rennert Ulrich Schönleiter Holger Schwannecke Prof. Dr. Andreas Voßkuhle Dr. Martin Wansleben Schriftleitung Dr. Beate Maiwald

Dr. Alfred Scheidler, Tirschenreuth

Subventionsrechtliche Betätigungsverbote für Handwerker auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts Prof. Dr. Martin Burgi, München

Anforderungen an behördliche Verbraucherschlichtungsstellen – Anmerkungen zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz) – PD Dr. Thomas Holzner, Bayreuth

Das Deutsche Lebensmittelbuch und seine Funktion Dr. Matthias Wiemers, Berlin

Zur IHK-Mitgliedschaft im Insolvenzverfahren VG Düsseldorf Mit Anmerkung von Dr. Frank Rieger, Duisburg

9/2015 September Seite 337 – 376 Gildebuchverlag

GEWERBEARCHIV 9/2015

61. Jahrgang Seite 337 - 376

Abhandlungen Bauplanungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Asylbewerberunterkünften Subventionsrechtliche Betätigungsverbote für Handwerker auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts Anforderungen an behördliche Verbraucherschlichtungsstellen – Anmerkungen zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz) – Das Deutsche Lebensmittelbuch und seine Funktion

Dr. Alfred Scheidler, Tirschenreuth

S. 337

Prof. Dr. Martin Burgi, München

S. 343

PD Dr. Thomas Holzner, Bayreuth Dr. Matthias Wiemers, Berlin

S. 350 S. 353

Buchbesprechungen Maslaton, Martin (Hrsg.), Windenergieanlagen. Ein Rechtshandbuch Dr. Matthias Wiemers, Berlin

S. 376

Rechtsprechung und Erlasse Verfassungsrecht, Europarecht, allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, allgemeines Gewerberecht Hess. BedarfsgewerbeVO, Normenkontrolle, Arbeit an Sonn- u.

Feiertagen, VO-Ermächtigung, Feiertagsruhe, Ausnahme, Videotheken, öffentl. Bibliotheken, Brauereien, Getränkeindustrie, Eisfabriken, Großhandel, Buchmachergewerbe, Callcenter, Lotto- u. Totogesellschaften Erbwaffen, Blockierpflicht, Verschärfung waffenrechtlicher Umgangsanforderungen, Vertrauensschutz, Altfälle

BVerwG

26.11.14

6 CN 1.13

S. 356

BVerwG

16.03.15

6 C 31.14

S. 360

13.05.15

20 K 4304/14

S. 361

15.04.15

8 C 6.14

S. 366

12.05.15

7 ME 1/15

S. 368

13.05.15

8 C 12.14

S. 371

Gewerbeordnung und sonstiges Gewerberecht Insolvenzverfahrenseröffnung, IHK-Beitragspflicht, Masseverbindlichkeit VG Düsseldorf (mit Anmerkung von Dr. Frank Rieger, Duisburg) (Noch nicht bestandskräftige) Gewerbeuntersagung, Insolvenzverfahren BVerwG Spielhallenbetrieb, Untersagung, Kapitalgesellschaft, Umwandlung, Personengesellschaft, Erlöschen der Spielhallenerlaubnis, vorläufiger Rechtsschutz OVG Lüneburg

Handwerk, Berufsbildung Altgesellenregelung, Ausübungsberechtigung, leitende Stellung, (illegaler) Ein-Mann-Betrieb; Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, Wertungswiderspruch

BVerwG

Leitsätze Abrufmöglichkeit der bearbeiteten Entscheidungen unter http://www.gewerbe-archiv.de/leser-service/anmeldung-login/ Anlageberater, Aufklärungspflichtverletzung Sportwettenvermittlungsuntersagung, Schadensersatzansprüche, unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch, Amtshaftungsanspruch, legislatives Unrecht, Weisung der übergeordneten Körperschaft Spielhallenbetreiber, Mehrfachkonzession, Übergangsregelung, Hamburger Spielhallengesetz, vorläufiger Rechtsschutz Lebensmitteletikettierung, Irreführung, Früchtetee „Rinder Hackfleisch zum Braten“, „Qualitätsmetzgerei“, Lebensmittelprobe, Gegenprobe, Kennzeichnung, Fettgehalt, Nährwert, Schwankungsbreite, Irreführung, Markenname, Benachrichtigungsschreiben, Zugang Telekommunikationsrechtliches Entgeltgenehmigungsverfahren, Vergleichsmarktbetrachtung, Drittanfechtung einer Entgeltgenehmigung, Wettbewerber, Kosten der effizienten Leistungs-

Fortsetzung Inhalt 4. Umschlagseite

KG Berlin

30.04.15

8 U 183/13

S. 374

BGH

16.04.15

III ZR 333/13

S. 374

OVG Hamburg EuGH

19.05.15 04.06.15

4 Bs 14/15 C-195/14 (Teekanne)

S. 374 S. 374

OVG Magdeburg

09.12.14

3 L 5/12

S. 375

GEWERBEARCHIV 9/2015

61. Jahrgang Seite 337 - 376

Fortsetzung Inhalt bereitstellung, Mobilfunk-Terminierungsentgelt, schmale Vergleichsbasis Mieterhöhung, Kappungsgrenze (15 %), Bayern, Verfassungsmäßigkeit MietenbegrenzungsVO, „Mietpreisbremse“, Verfassungsbeschwerde, Rechtswegerschöpfung, Subsidiaritätsgrundsatz, Zivilrechtsweg Vorhandene Telekommunikationslinie, Verlegung, Kostentragung, spätere besondere Anlage, Ausführung unter überwiegender Beteiligung des Wegeunterhaltspflichtigen, gesellschaftsrechtliche Beteiligung, Ortverkehr/Fernverkehr, höherwertige Materialbeschaffenheit Internet, Bezahlmöglichkeit, Abbuchungsdienst „Sofortüberweisung“, einzige kostenfreie Zahlungsmöglichkeit, Unzumutbarkeit Kostenloser Fahrdienst, Augenklinik, heilmittelrechtliches Verbot von Werbegaben, Marktverhaltensregelung

BVerwG

25.02.15

6 C 37.13

S. 375

VerfGH München

16.06.15

Vf. 12-VII-14

S. 375

BVerfG

24.06.15

1 BvR 1360/15

S. 375

BVerwG

29.04.15

6 C 32.14

S. 375

LG Frankfurt a. M. BGH

03.06.15 2-06 O 458/14 12.02.15 I ZR 213/13 (Fahrdienst zur Augenklinik)

S. 375 S. 375

Abhandlungen

Regierungsdirektor Dr. Alfred Scheidler, Tirschenreuth*

Bauplanungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Asylbewerberunterkünften Es ist Aufgabe des Staates, Asylbewerber menschenwürdig unterzubringen. Soweit er nicht selbst dafür Unterkünfte baut, mietet er hierfür Wohnungen von Privaten an oder vormals gewerblich genutzte Gebäude oder Räume, die sich zur Unterbringung von Menschen eignen. Wer – gleich ob privat oder gewerblich – dem Staat Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen will, sieht sich zunächst mit der Frage konfrontiert, ob bei Umnutzung bestehender Gebäude eine baurechtlich relevante Nutzungsänderung vorliegt. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Frage, innerhalb welchen Gebietstyps der BauNVO Asylbewerberunterkünfte möglich sind, wobei der Beitrag hier besonders auf die Zulässigkeit solcher Unterkünfte in Gewerbegebieten eingeht. Dabei werden auch die am 26.11.2014 in Kraft getretenen Änderungen durch das „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ berücksichtigt.

I. Einleitung In Deutschland hat die Zahl der Asylanträge in den letzen Jahren deutlich zugenommen, was vor allem auf die politische Situation in Ländern wie Russland, Syrien, Serbien, Mazedonien oder Afghanistan, den Hauptherkunftsländern der Asylbewerber, zurückzuführen ist: Waren es im Jahr 2012 noch 77.651 Asylanträge, so erfuhr diese Zahl im Jahr 2013 bereits eine Steigerung um 63,6 % auf 127.023. Im Jahr 2014 kamen 202.834 Asylbegehrende nach Deutschland1. Sie alle müssen menschenwürdig untergebracht werden, auch wenn die Unterbringung zum Teil nur vorübergehend erfolgt.

Gem. § 44 Abs. 1 AsylVfG liegt es in der Zuständigkeit der Länder, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten. Entsprechend ihrer Aufnahmequote, die sich gem. § 45 AsylVfG nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel2 bestimmt, müssen die Länder die im Hinblick auf den monatlichen Zugang Asylbegehrender in den Aufnahmeeinrichtungen notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitstellen. Asylbegehrende sind gem. § 47 Abs. 1 AsylVfG grundsätzlich verpflichtet, bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zu drei Monaten in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Die Verteilung innerhalb der einzelnen Bundesländer bestimmt sich dann nach § 50 AsylVfG in Verbindung mit Landesrecht. Gem. § 50 Abs. 1 S. 1 AsylVfG sind Ausländer u.a. dann aus der Aufnahmeeinrichtung zu entlassen und innerhalb des Landes zu verteilen, wenn das Bundesamt der zuständigen Landesbehörde mitteilt, dass nicht oder nicht kurzfristig entschieden werden kann, dass der Asylantrag unzulässig, unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet ist. Außerdem kann eine Verteilung auch dann erfolgen, wenn der Ausländer aus anderen Gründen nicht mehr verpflichtet ist, in der Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 50 Abs. 1 S. 2 AsylVfG).

In Bayern etwa regeln das Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AufnG) vom 24.05.2002 und die Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes und des AufnahmegeGewArch 2015/9

setzes (DVAsyl) vom 04.06.2002 die Zuweisung und Verteilung von Asylbewerbern3. So sollen Asylbewerber gem.

Art. 4 Abs. 1 AufnG in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften, deren Träger der Freistaat Bayern ist (Art. 5 Abs. 1 S. 1 AufnG), untergebracht werden (zentrale Unterbringung, siehe auch § 53 AsylVfG); soweit dies nicht möglich ist, erfolgt eine Unterbringung dezentral (vgl. Art. 6 Abs. 1 AufnG i.V.m. DVAsyl, insb. § 8 Abs. 1 S. 2 und § 13 Abs. 1 S. 2 DVAsyl). Eine dezentrale Unterbringung steht darüber hinaus auch dann inmitten, wenn Asylbewerber gem. Art. 4 Abs. 4 AufnG zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft berechtigt sind oder wenn gem. Art. 4 Abs. 6 AufnG eine Ausnahme von der Regelunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zugelassen wird, was „in begründeten Ausnahmefällen“, für die Art. 4 Abs. 6 S. 2 AufnG Fallbeispiele benennt, geschehen kann.

Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber können entweder neu als solche errichtet werden, es kommen aber auch Nutzungsänderungen bislang anders genutzter Gebäude in Betracht, so auch ursprünglich gewerblich genutzter Gebäude wie etwa Pensionen, Gaststätten oder auch ehemaliger Möbelhäuser. Als dezentrale Unterkünfte kommen vor allem Privatwohnungen in Betracht, daneben aber ebenfalls auch (noch betriebene oder aufgegebene) Pensionen oder Gaststätten. Dabei stellt der Betrieb eines Asylbewerberheims durch Private – anders als allein die Vermietung von Räumlichkeiten – selbst eine gewerbliche Betätigung dar.

II. Baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung 1. Allgemeine Grundlagen a) Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne Sollen Asylbewerberunterkünfte nicht neu errichtet, sondern dadurch geschaffen werden, dass ein bestehendes Gebäude ganz oder teilweise eine dementsprechende neue Nutzung erfährt, so stellt sich die Frage nach der Baugenehmigungspflichtigkeit dieser neuen Nutzung.

Die Nutzungsänderung von baulichen Anlagen ist grundsätzlich baugenehmigungspflichtig, so etwa in Bayern gem.

Art. 55 Abs. 1 BayBO, in Nordrhein-Westfalen gem. § 63 Abs. 1 S. 1 BauO NRW oder in Baden-Württemberg gem. § 50 Abs. 2 LBO (sofern die dort genannten Voraussetzungen einer Verfahrensfreiheit nicht vorliegen). Eine Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne liegt begrifflich vor, wenn der Anlage – wenigstens teilweise – eine neue, d.h. andere Zweckbestimmung gegeben wird4. Eine Nutzungsänderung liegt nicht vor, wenn sich die Veränderung der Nutzung innerhalb der jeder Nutzung eigenen Va*

1 2 3 4

Der Autor ist Abteilungsleiter beim Landratsamt Neustadt an der Waldnaab und nebenamtlich Dozent an der Bayerischen Verwaltungsschule sowie an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Ostbayern.

Homepage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, www.bamf.de (aufgerufen am 31.01.2015) unter „Aktuelle Zahlen zu Asyl“.

Zu der Quote im Einzelnen siehe Scheidler, BayVBl. 2014, 716.

Siehe dazu VG Würzburg, Urt. v. 03.08.2011 – W 7 K 11.247 – (juris); VG Augsburg, Urt. v. 08.10.2009 – Au 5 K 09.635 – (juris); Scheidler, BayVBl. 2014, 716 (717).

Lechner in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung 2008 – Kommentar (Stand: Juli 2013), Art. 3 Rn. 97; VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752; BayVGH, Urt. v. 19.05.2011, BauR 2011, 1961; VG Augsburg, Urt. v. 27.11.2014 – Au 5 K 14.649 – (juris Rn. 32); VG Ansbach, Urt. v. 03.12.2014 – AN 9 K 14.00951 – (juris Rn. 44).

337

Abhandlungen riationsbreite hält5. Entscheidend ist, ob – gemessen am Regelungsumfang der bisherigen Baugenehmigung6 – für die geänderte Nutzung andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen in Betracht kommen als für die bisherige Nutzung (vgl. auch § 50 Abs. 2 LBO BW), so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt7. Dagegen muss die Nutzungsänderung nicht notwendig mit einer Änderung der Bausubstanz einhergehen8. Voraussetzung für eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist auch nicht, dass tatsächlich andere Anforderungen an die geänderte Nutzung gestellt werden, sondern nur, dass derartige Anforderungen in Betracht kommen können und die Frage, ob dies tatsächlich der Fall ist, in einem Genehmigungsverfahren geprüft werden muss9. b) Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinne Eine Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinne (§ 29 Abs. 1 BauGB) ist gegeben, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können10, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt. Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung in wesentlichen Punkten erweitert wird11. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Vorhaben eine Nutzungsänderung darstellt, ist ein Vergleich der bisherigen Nutzung der baulichen Anlage mit ihrer künftigen Nutzung anzustellen. Für die Frage der bauplanungsrechtlichen Nutzungsänderung kommt es zudem wesentlich auf die Zuordnung der Nutzung zu einer der in den Baugebietsfestsetzungen der Baunutzungsverordnung typisierten Nutzungsarten an12. Bodenrechtliche Belange können berührt sein, wenn der neuen Nutzung unter städtebaulichen Gesichtspunkten eine andere Qualität zukommt, für die neue Nutzung weitergehende bodenrechtliche Vorschriften gelten als für die alte oder wenn die geänderte Nutzung für die Nachbarschaft erhöhte Belastungen mit sich bringt13.

2. Fallbeispiele aus der Rechtsprechung a) Bürogebäude, Schulgebäude, gewerblich genutzte Gebäude Legt man die soeben gemachten allgemeinen Ausführungen zugrunde, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass etwa die Nutzungsänderung eines Bürogebäudes in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber (vgl. § 53 AsylVfG) baugenehmigungspflichtig ist14: „Durch die Verwirklichung einer Asylbewerberunterkunft wird die Variationsbreite eines Bürogebäudes auch hinsichtlich der Aufenthaltsdauer der dort untergebrachten Menschen verlassen, so dass eine Nutzungsänderung sowohl im bauordnungsrechtlichen wie auch im bauplanungsrechtlichen Sinne vorliegt.

Maßgeblich ist dabei, dass eine Anlage für soziale Zwecke15 einer anderen Kategorie der Baunutzungsverordnung unterfällt, als die bisherige Nutzung als Bürogebäude und damit bereits typisierenderweise bodenrechtliche Belange neu berührt werden können“16. Dasselbe gilt für die Nutzungsänderung eines Gewerbegebäudes (im konkreten Fall eines Supermarkts) in ein Asylbewerberwohnheim17 oder für die Nutzungsänderung eines ehemaligen Schulgebäudes in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber18. Auch für eine dezentrale Asylbewerberunterkunft (als Gegenstück zu einer Erstaufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft) ist gerichtlich entschieden, dass die Nut338

zungsänderung eines Wohn- und Geschäftshauses in eine solche Unterkunft baugenehmigungspflichtig ist19. b) Wohnheime und Soldatenunterkünfte aa) Überblick über die Rechtsprechung Weniger eindeutig ist die Situation bei Wohnheimen, die zu Asylbewerberunterkünften umfunktioniert werden sollen. Zu denken ist hier etwa an Lehrlingswohnheime20, Schullandheime21, Altersheime22, Kur- und Erholungsheime23, Kinder- bzw. Jugendheime24 oder Obdachlosenheime25. Ebenfalls dieser Kategorie könnte man Soldatenunterkünfte26 zuordnen. Der Unterschied zu der soeben unter a) erörterten Fallgruppe liegt darin, dass bei Wohnheimen oder Soldatenunterkünften bereits eine Nutzung stattgefunden hat, die – ebenso wie auch eine Nutzung als Asylbewerberunterkunft – dem „Wohnen“ zumindest ähnlich ist. Insofern könnte man daran denken, dass mangels anderer Zweckbestimmung keine baugenehmigungspflichtige bzw. von § 29 Abs. 1 BauGB erfasste Nutzungsänderung vorliegt.

In der Tat hat das VG Bayreuth mit Urteil vom 27.02.2014 für eine Nutzungsänderung von einem Schullandheim in eine Asylbewerberunterkunft entschieden, dass sich die Nutzungsänderung nur als eine Art von Nutzung innerhalb einer immer schon vorausgesetzten Variationsbreite der bereits zugestandenen Nutzung darstelle und keine neue, bauplanerisch erhebliche Nutzung sei27. Das VG Bayreuth stuft ein Schullandheim gleichermaßen wie eine Asylbewerberunter5

6 7

8

9 10

11

12 13 14

15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

Lechner/Busse, in: Simon/Busse (Fn. 4), Art. 57 Rn. 411; siehe auch BayVGH, Beschl. v. 28.02.2014 – 15 CS 13.1863 – (juris Rn. 14 ff.); BayVGH, Urt. v.

18.11.1991, BauR 1992, 196; VG München, Urt. v. 19.11.2014 – M 9 K 14.2355 – (juris Rn. 29); VG Ansbach, Urt. v. 09.10.2014 – AN 9 K 14.00830 – (juris Rn. 73).

VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752.

BayVGH, Beschl. v. 28.02.2014 – 15 CS 13.1863 – (juris Rn. 15); siehe auch BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, BauR 2011, 623 = ZfBR 2011, 269; Rieger, in: Schrödter, Baugesetzbuch – Kommentar (8. Aufl. 2015), § 29 Rn. 18.

VG Leipzig, Beschl. v. 13.11.2014 – 4 L 1187/14 – (juris Rn. 21); vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 09.05.2014, BauR 2015, 98; OVG Lüneburg, Beschl. v.

22.11.2013, ZfBR 2014, 160.

BayVGH, Beschl. v. 28.02.2014 – 15 CS 13.1863 – (juris Rn. 15).

Im Hinblick auf die Berührung bodenrechtlicher Belange geht die Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinne also über die im bauordnungsrechtlichen Sinne hinaus, so VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 24); ähnlich VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752.

BVerwG, Urt. v. 18.11.2010, BauR 2011, 623 = ZfBR 2011, 269; BVerwG, Urt. v. 18.05.1990, BauR 1990, 582 = ZfBR 1990, 245; VG Augsburg, Urt. v.

27.11.2014 – Au 5 K 14.649 – (juris Rn. 33 f.); VG Ansbach, Urt. v. 03.12.2014 – AN 9 K 14.00951 – (juris Rn. 44); VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 24).

VG Augsburg, Urt. v. 27.11.2014 – Au 5 K 14.649 – (juris Rn. 34); VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 25).

VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752 unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 07.11.2002 – 4 B 64/02 – (juris).

VG Berlin, Beschl. v. 11.12.2014 – 13 L 327.14 – (juris); VG Augsburg, Urt. v.

27.11.2014 – Au 5 K 14.649 – (juris Rn. 31); VG Ansbach, Urt. v. 09.10.2014 – AN 9 K 14.00830 – (juris Rn. 73), bezogen auf ein Bürogebäude, das als Call-Center genutzt wird; vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 29.11.2012 – Au 5 K 11.1606 u.a. – (juris); VG Regensburg, Urt. v. 26.07.2000 – RO 14 K 00.787 – (juris).

Zur Qualifizierung einer Asylbewerberunterkunft als „Anlage für soziale Zwecke“ i.S.d. BauNVO siehe unten III. 2.

VG Augsburg, Urt. v. 27.11.2014 – Au 5 K 14.649 – (juris Rn. 37).

Vgl. VG München, Urt. v. 20.11.2012 – M 1 K 12.3006 – (juris).

VG Hamburg, Beschl. v. 13.09.2013, BauR 2014, 913.

BayVGH, Beschl. v. 10.07.2014, BayVBl. 2014, 727.

Siehe dazu VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752.

Siehe dazu VG Bayreuth, Urt. v. 27.02.2014 – B 2 K 13.574 – (juris).

Siehe dazu VG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.1991 – 13 L 4518/92 – (juris).

Siehe dazu VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 28 f.).

Siehe dazu VG Augsburg, Urt. v. 24.10.2013 – Au 5 K 12.188 – (juris Rn. 25) bzw. OVG Schleswig, Beschl. v. 29.07.1992 – 1 M 33/92 – (juris Rn. 34 f.).

Siehe dazu VG Köln, Urt. v. 11.01.2012 – 23 K 1277/11 – (juris Rn. 32 ff.).

Siehe dazu OVG Schwerin, Beschl. v. 12.12.1996, BauR 1997, 617.

VG Bayreuth, Urt. v. 27.02.2014 – B 2 K 13.574 – (juris Rn. 19); tendenziell für ein Kreisjugendheim im Ergebnis ähnlich, dann aber offen lassend OVG Schleswig, Beschl. v. 29.07.1992 – 1 M 33/92 – (juris Rn. 34 f.).

GewArch 2015/9

Abhandlungen kunft als „Anlage für soziale Zwecke“ i.S.d. BauNVO ein28.

Unter Heranziehung einer typisierenden Betrachtungsweise, die bei der Bestimmung, welche Variationsbreite ein Vorhaben besitze, geboten sei, kommt das VG Bayreuth dann zu dem Ergebnis, dass sich die vorherige Nutzung als Schullandheim gegenüber der nunmehr beabsichtigten Nutzung als in ihrem Wesen nicht derart verschieden erweise, dass von einem anderen Nutzungstyp gesprochen werden müsse.

Die neue Nutzung sei nicht geeignet, bodenrechtliche Belange zu berühren. Eine Anlage für soziale Zwecke i.S.d.

BauNVO werde ersetzt durch eine andere Anlage für soziale Zwecke. Die neue Nutzung werde auch im Vergleich zur bisherigen trotz der besonderen Bedürfnisse der Asylbewerber keine neuen städtebaulichen Probleme aufweisen29.

Abweichend vom VG Bayreuth kommt die überwiegende Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen jedoch zu anderen Ergebnissen30: So hat etwa der VGH Mannheim in seinem Beschluss vom 09.04.2014 die Umnutzung eines Lehrlingswohnheims zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber sowohl im bauordnungsrechtlichen wie auch im bauplanungsrechtlichen Sinne als genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung betrachtet, obwohl er das Lehrlingswohnheim – genauso wie eine Asylbewerberunterkunft – als „Anlage für soziale Zwecke“ wertete31. Im konkreten Fall war das Lehrlingswohnheim mit angeschlossener Werkstätte aber in einem Gewerbegebiet gelegen und der erstrebte Zweck des Wohnens am Ort der Ausbildungswerkstätte habe zu einer engen funktionalen Verklammerung der wohnähnlichen Nutzung mit der typischen, allgemein im Gewerbegebiet zulässigen gewerblichen Hauptnutzung geführt, was bei einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber offensichtlich nicht der Fall sei.

Das VG Düsseldorf hat in einer älteren Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Nutzung eines Gebäudes zur Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen gegenüber der genehmigten Nutzung als Altersheim eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstelle32. Im Ergebnis ähnlich hat das VG Augsburg am 24.10.2013 entschieden, dass die Nutzungsänderung von einem „Kinderkleinheim“ bzw. „Betreuten Wohnen für Jugendliche mit Betriebs- und Personalräumen“ in eine Asylbewerberunterkunft die der bisher genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlasse33. Ausschlaggebend hierfür war allerdings, dass für das Kinderkleinheim eine Belegung mit bis zu sieben Kindern und zwei Jugendlichen zuzüglich einer Vollzeit- und Teilzeiterzieherin vorgesehen war, während für die Nutzung als Asylbewerberunterkunft 25 Asylbewerber in dem Haus untergebracht werden sollten: „Bei der geplanten Nutzung handelt es sich daher im Vergleich zu der genehmigten Nutzung um eine neue Zweckbestimmung, die im Zusammenhang mit der Verdoppelung der Bewohnerzahl dazu führt, dass andere bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Anforderungen als die für die genehmigte Nutzung in Betracht kommen können und auch bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt“34.

Für die Umnutzung eines Kur- und Erholungsheims hat das VG München entschieden, dass durch die Verwirklichung einer Asylbewerberunterkunft die Variationsbreite eines Kurund Erholungsheims verlassen werde, so dass eine Nutzungsänderung sowohl im bauordnungsrechtlichen als auch im bauplanungsrechtlichen Sinne vorliege35. Begründet wurde dies mit mehreren Argumenten, die den Unterschied zwischen dem Aufenthalt von Kurgästen und dem von AsylbeGewArch 2015/9

werbern deutlich machen sollen: „Anders als Kurgäste oder Erholungssuchende halten sich Asylbewerber nicht nur einige Wochen in dem Wohnheim auf, sondern für die gesamte Dauer des Asylverfahrens. (…) Für diese Zeit stellt sich das Wohnheim zudem als räumlicher Lebensmittelpunkt des Asylbewerbers dar, ohne dass er eine Wohnung hätte, in die er nach seinem Kur- oder Erholungsaufenthalt zurückkehren könnte. Weiter ist der Aufenthalt des Asylbewerbers in der Asylbewerberunterkunft nicht freiwillig, sondern erfolgt nach einer Zuweisungsentscheidung der zuständigen Behörde, auf die der Asylbewerber keinerlei Einflussmöglichkeit hat (vgl. § 53 Abs. 1 S. 1 AsylVfG; Art. 4 Abs. 1 AufnG). Zudem obliegt es nicht der Wahl des Asylbewerbers, mit wie vielen und mit welchen Personen er sich das jeweilige Appartement teilt, sondern hängt von der von der Verwaltung der Unterkunft vorgenommenen Raumbelegung ab“36.

Die Umnutzung einer im Außenbereich gelegenen Soldatenunterkunft in ein Asylbewerberheim hat das OVG Schwerin als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne des § 29 BauGB gewertet, weil die geänderte Nutzung ein anderer Nutzungstyp sei und andersartige und weitergehende Ansprüche an den Außenbereich (§ 35 BauGB) stelle37.

Demgegenüber ist das VG Köln in seinem Urteil vom 11.01.

2012, bei dem es um die Unterbringung von Asylbewerbern in einem Obdachlosenheim ging, zu einem anderen Ergebnis gekommen: Die neue Nutzung halte sich im Rahmen des Bestandsschutzes und werfe die Genehmigungsfrage nicht neu auf. Es sei keine Nutzungsänderung gegeben, da an die Unterbringung von Aussiedlern, Asylbewerbern und Obdachlosen im Kern dieselben baurechtlichen Anforderungen gestellt würden38.

Von Bedeutung in diesem Zusammenhang ist auch die auf § 43 Abs. 2 VwVfG rekurrierende Rechtsprechung des VG Gelsenkirchen, demzufolge eine Baugenehmigung für ein Gebäude, das in der Vergangenheit bereits heimähnlich und damit als Anlage für soziale Zwecke genutzt wurde, ihre Wirksamkeit verloren haben kann, wenn die genehmigte Nutzung dauerhaft aufgegeben wurde: Die Baugenehmigung verliere jedenfalls dann ihre Wirksamkeit, wenn die Nutzung über einen gewissen Zeitraum nicht mehr ausgeübt werde und nach der Verkehrsauffassung mit ihrer Wiederaufnahme nicht mehr zu rechnen sei, weil konkrete Umstände gegen eine solche Wiederaufnahme sprächen, namentlich weil ein Verzicht des Bauherrn auf die Baugenehmigung anzunehmen sei39. bb) Bewertung und Stellungnahme Gegen die Entscheidung des VG Bayreuth vom 27.02.

201440, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde 28 29 30 31

32 33 34 35 36 37 38 39

40

VG Bayreuth, Urt. v. 27.02.2014 – B 2 K 13.574 – (juris Rn. 18) unter Hinweis auf BayVGH, Beschl. v. 29.01.2014 – 2 ZB 13.678 – (juris Rn. 5).

VG Bayreuth, Urt. v. 27.02.2014 – B 2 K 13.574 – (juris Rn. 19).

Siehe auch Lechner/Busse (Fn. 5), Art. 57 Rn. 417.

VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752; vgl. demgegenüber Aschke, in: Ferner/Kröninger/Aschke (Hrsg.), Baugesetzbuch mit Baunutzungsverordnung – Handkommentar (3. Aufl. 2013), § 3 BauNVO Rn. 4.

VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.12.1992 – 13 L 4518/92 – (juris).

VG Augsburg, Urt. v. 24.10.2013 – Au 5 K 12.188 – (juris Rn. 25).

VG Augsburg, Urt. v. 24.10.2013 – Au 5 K 12.188 – (juris Rn. 25).

VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 28).

VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 29).

OVG Schwerin, Beschl. v. 12.12.1996, BauR 1997, 617.

VG Köln, Urt. v. 11.01.2012 – 23 K 1277/11 – (juris Rn. 32 ff.).

Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 11.07.2013 – 6 L 674/13 – (juris Rn. 10) unter Hinweis auf VGH Mannheim, Urt. v. 04.03.2009, BauR 2009, 1881; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 15.07.2014 – 6 K 2945/13 – (juris); OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.01.2011, BauR 2011, 1154; siehe demgegenüber aber VG Berlin, Beschl. v.

19.02.2004 – 13 A 357.03 – (juris).

VG Bayreuth, Urt. v. 27.02.2014 – B 2 K 13.574 – (juris)

339

Abhandlungen liegt und die daher zu dem Ergebnis kommt, dass die Änderung von einer „Anlage für soziale Zwecke“ (im konkreten Fall Schullandheim) zu einer anderen „Anlage für soziale Zwecke“ (Asylbewerberunterkunft) keine baurechtlich relevante Nutzungsänderung darstelle, ist einzuwenden, dass eine solche Betrachtungsweise zu pauschal ist und die konkreten Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt. Im konkreten Fall mag es zwar zutreffend gewesen sein, die neue Nutzung als von der Genehmigung für die bisherige Nutzung mit gedeckt zu sehen, da vorher wie nachher eine „Anlage für soziale Zwecke“ Gegenstand der Nutzung war.

Dies sollte aber nicht verallgemeinert werden, denn für die beiden Nutzungsarten können sich unterschiedliche baurechtliche Anforderungen ergeben.

Gerade bei Lehrlingswohnheimen etwa ist eine differenzierende Betrachtung geboten: Hier können sich z.B. alleine schon wegen einer unterschiedlichen Belegungsdichte baurechtlich unterschiedliche Anforderungen ergeben. So macht es sowohl bauordnungsrechtlich (insb. im Hinblick auf Brandschutzanforderungen) als auch bauplanungsrechtlich sehr wohl einen Unterschied, ob ein Lehrlingswohnheim mit ein bis zwei Personen pro Wohnung belegt ist, oder – wie häufig bei Asylbewerberunterkünften – mit einer Familie mit vier, fünf oder mehr Personen pro Wohnung. Dasselbe muss für Altersheime, Kinder- oder Jugendheime gelten.

Bleibt die Belegungsdichte hingegen gleich, so macht es m.E. für die Frage, ob eine baugenehmigungspflichtige bzw. von § 29 Abs. 1 BauGB erfasste Nutzungsänderung vorliegt, keinen Unterschied, ob ein Gebäude z.B. als Schullandheim, Lehrlingswohnheim oder Altersheim auf der einen Seite oder als Asylbewerberunterkunft auf der anderen Seite genutzt wird. Diese Auffassung weicht von der überwiegenden Rechtsprechung ab, die eine Unterbringung von Asylbewerbern deshalb anders beurteilen will, weil diese sich ihre „Wohnstätte“ nicht selbst aussuchen können, sondern kraft behördlicher Entscheidung ohne großes Mitspracherecht zugeteilt bekommen (vgl. § 53 Abs. 1 AsylVfG)41. Diese fehlende Mitwirkungsmöglichkeit ist aber m.E. kein taugliches Unterscheidungskriterium, da es auf die tatsächliche Situation ankommt (Belegung eines Gebäudes mit einer bestimmten Anzahl von Personen zum Zwecke einer jedenfalls wohnähnlichen Nutzung), nicht aber darauf, ob jemand kraft eigenen Entschlusses oder kraft behördlicher Zuweisung dort – wenn auch nur vorübergehend – lebt. Abgesehen davon haben oftmals z.B. auch Lehrlinge, die für die Zeit ihrer Lehre in einem Lehrlingswohnheim untergebracht sind, mangels tatsächlich vorhandener Alternativen in der Nähe ihrer Ausbildungsstätte, keine andere Wahl, als im Wohnheim unterzukommen. c) Gaststätten mit Fremdenzimmer, Pensionen, Ferienappartements, Hotels Inhaber von Beherbergungsbetrieben wie Gaststätten mit Fremdenzimmer, Pensionen oder Hotels stellen diese – ganz oder teilweise – oftmals deshalb für die Unterbringung von Asylbewerbern zur Verfügung, weil dadurch eine bessere Auslastung des Betriebs bis hin zu einer wochen- oder monatelangen Vollauslastung erreicht werden kann, was gerade in touristisch weniger attraktiven Gegenden oder außerhalb von Saisonzeiten Einnahmen sichert. Auch nicht mehr betriebene Beherbergungsbetriebe werden oftmals eigens hierfür „reaktiviert“.

Gerichtlich wurde mehrfach entschieden, dass der Übergang einer Nutzung von einem Pensionsbetrieb zu einer Asylbewerberunterkunft eine – auch bauplanungsrechtlich bedeut340

same (§ 29 Abs. 1 BauGB)42 – genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellt: „Nachdem mit der Nutzungsänderung zur Asylbewerberunterkunft keine normale Pensionsnutzung mehr stattfindet, liegt die Nutzung als Asylbewerberheim nicht mehr in der Variationsbreite einer Pensionsnutzung“43. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Gasthäuser bzw. Gaststätten mit Fremdenzimmer44, Ferienappartements45 oder Hotels46.

Maßgeblich für dieses Ergebnis ist, dass Asylbewerberunterkünfte (als „Anlagen für soziale Zwecke“) etwas anderes sind als Beherbergungsbetriebe47. Für einen Beherbergungsbetrieb ist kennzeichnend, dass Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können Typisches Erscheinungsbild eines Beherbergungsbetriebs ist der Pensionsund Hotelbetrieb48.

Die Nutzung als Unterkunft für Asylbewerber entspricht in mehrfacher Hinsicht nicht dem Bild eines Beherbergungsbetriebs, wie das VG Leipzig in seinem Beschluss vom 13.11.2014 treffend ausgeführt hat: „Es fehlt zunächst schon an einem regelmäßigen Wechsel der Gäste und einem bloßen vorübergehenden Aufenthalt, da Asylbewerber regelmäßig über längere Zeiträume – häufig sogar über Jahre – in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind. Darüber hinaus unterscheiden sich die mit einem Asylbewerberheim verbundenen, auch im konkreten Fall zu erwartenden sozialen Angebote und Leistungen deutlich vom üblichen Betätigungsfeld eines Beherbergungsbetriebes. Zudem wird Asylbewerbern, die als solche über keinen weiteren Wohnraum verfügen, regelmäßig eine weitgehend unabhängige Gestaltung ihres häuslichen Wirkungskreises in den ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten ermöglicht“49. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Nutzung etwa eines Hotels als Asylbewerberunterkunft nicht im Rahmen entsprechender Beherbergungsverträge erfolgt. Asylbewerber werden in solchen Unterkünften regelmäßig nur aufgrund behördlicher Zuweisung untergebracht. Sie können dann auf den Ort und die Art der Unterbringung keinen Einfluss nehmen; sie treten auch nicht in unmittelbare vertragliche Beziehungen zu den Eigentümern oder Betreibern50.

Zu beachten ist allerdings, dass bestimmte Fallkonstellationen, wie sie etwa dem Urteil des BayVGH vom 18.11.1991 zugrunde lagen, dazu führen können, dass die Unterbringung von Asylbewerbern in einem Hotel trotzdem noch in der Variationsbreite der bestehenden Nutzung als Beherbergungsbetrieb liegt51. In dem vom BayVGH entschiedenen 41 42 43 44 45 46 47

48 49

50 51

Siehe etwa VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 29).

Siehe Lechner/Busse (Fn. 5), Art. 57 Rn. 420.

VG Regensburg, Urt. v. 23.09.2013 – RO 2 K 13.208 – (juris); siehe auch VG Leipzig, Beschl. v. 13.11.2014 – 4 L 1187/14 – (juris Rn. 20 ff.).

Vgl. VG Würzburg, Urt. v. 12.11.2013 – W 4 K 12.1115 – (juris Rn. 14); OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.03.1993 – 1 M 263/91 – (juris).

VG Leipzig, Beschl. v. 13.11.2014 – 4 L 1187/14 – (juris Rn. 24) unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt. v. 20.05.1987 – 1 A 124/86 – (juris).

VG München, Urt. v. 11.11.2004 – M 11 K 04.1273 – (juris Rn. 19); vgl. auch HessVGH, Beschl. v. 29.11.1989, GewArch 1990, 186.

Zum Begriff „Beherbergungsbetrieb“ siehe etwa BVerwG, Beschl. v. 31.07.2013, BauR 2013, 1996; HessVGH, Beschl. v. 29.11.1989, GewArch 1990, 186; VG Leipzig, Beschl. v. 13.11.2014 – 4 L 1187/14 – (juris Rn. 24).

BVerwG, Beschl. v. 31.07.2013, BauR 2013, 1996; VG Leipzig, Beschl. v. 13.11.

2014 – 4 L 1187/14 – (juris Rn. 24).

VG Leipzig, Beschl. v. 13.11.2014 – 4 L 1187/14 – (juris Rn. 25) unter Hinweis auf BayVGH, Urt. v. 13.09.2012, BauR 2103, 200; OVG Münster, Beschl. v. 04.11.2003, NVwZ-RR 2004, 247; VGH Mannheim, Urt. v. 25.05.1992, VBlBW 1993, 19.

OVG Münster, Urt. v. 03.11.1988, BauR 1989, 581; OVG Berlin, Beschl. v.

02.06.1987, NVwZ 1988, 264.

BayVGH, Urt. v. 18.11.1991, BauR 1992, 196 = ZfBR 1992, 194.

GewArch 2015/9

Abhandlungen Fall hat neben der Unterbringung von Asylbewerbern ein „normaler“ Hotelbetrieb stattgefunden, dem deshalb Priorität zukam, weil die Unterbringung von Asylbewerbern nur dann und nur soweit stattfand, als hierfür die Auslastung durch die Hotelnutzung für Feriengäste Raum ließ. Diese Form der Nutzung sah der BayVGH als wohl (noch) in der Variationsbreite einer Hotelnutzung liegend an: „Die Aufnahme von Asylbewerbern, praktisch als ‚Lückenfüller‘ für Feriengäste, die (…) bisher ausgeblieben sind, ändert diese Nutzung nicht“52. Abzustellen ist also immer auf die jeweiligen konkreten Verhältnisse53. d) Wohnungen und Wohnhäuser Nicht selten sind auch die Fälle, dass Wohnungen oder ganze Wohnhäuser für Asylbewerber zur Verfügung gestellt werden sollen. Das VG Gelsenkirchen hat mit Beschluss vom 11.07.2013 entschieden, dass eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt, wenn ein ursprünglich als „Wohngebäude“ genehmigtes Gebäude als Asylbewerberunterkunft genutzt werden soll54; dies gelte jedenfalls dann, wenn es sich um eine Unterkunft mit hoher Belegungsdichte, Überwachung, zentralen Einrichtungen zur Versorgung der Untergebrachten etc. handle, da dann nicht mehr nur eine schlichte Wohnnutzung, sondern eine „Anlage für soziale Zwecke“ im Sinne der Baunutzungsverordnung vorliege55. Ähnlich hat das VG Regensburg den Fall beurteilt, dass ein Einfamilienwohnhaus für die Unterbringung von 14 Asylsuchenden genutzt wird, da dies nicht der typischen Größenordnung einer Familie im Wohngebiet entspreche, sondern sich im doppelten Bereich dessen bewege, was bei üblicher Wohnnutzung anzunehmen sei56. Anders gelagert war der Fall, der dem Urteil des VG Ansbach vom 18.03.1993 zugrunde lag: Hier ging es um die Unterbringung mehrerer Asylbewerber in Wohnungen eines Mehrfamilienhauses; dies wertete das Gericht als „Wohnen” und nahm daher keine Einstufung als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor57.

Richtigerweise stellt die Rechtsprechung also auch hier auf den konkreten Einzelfall ab und unterscheidet danach, ob eine Nutzung durch Asylbewerber vorliegt, die dem hergebrachten Begriff des „Wohnens“ entspricht oder aber eine Nutzung, die aus den genannten Gründen nicht mehr als „Wohnen“ in dem genannten Sinne bezeichnet werden kann, so vor allem bei (zentralen) Gemeinschaftsunterkünften.

Der Begriff des Wohnens, von dem vor allem § 3 und § 4 BauNVO ausgehen, ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie der Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet58. Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber erfüllen in der Regel keines dieser Merkmale, wohingegen die dezentrale Unterbringung etwa einer Asylbewerberfamilie in einer Wohnung einer Wohnnutzung zumindest sehr nahe kommt, wenngleich es am Merkmal der Freiwilligkeit des Aufenthalts regelmäßig fehlt. Gleichwohl entspricht eine solche Unterbringung mehr einer Wohnnutzung als einer Nutzung, die eine Einstufung als „Anlage für soziale Zwecke“ rechtfertigen würde59. Zusammenfassend kann man daher festhalten: Entsprechen die äußeren Voraussetzungen dem üblichen Wohnen in der heutigen Gesellschaft, wird dadurch in der Regel die Annahme begründet, dass jedenfalls ein Mindestmaß von eigenbestimmter Lebensführung und Häuslichkeit im Sinne des Wohnbegriffs zu bejahen ist. Sind die Verhältnisse hingegen durch Besonderheiten geprägt, die im öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnis wurzeln, können sie die Qualifikation GewArch 2015/9

als Wohnen infrage stellen, so etwa eine Belegung außerhalb des üblichen Rahmens, z.B. eine Überbelegung und Unterbringung ohne Rücksicht auf die Familienzugehörigkeit60.

III. Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in Abhängigkeit vom Gebietstyp 1. Allgemeines Von der soeben erörterten Frage, ob eine bauordnungs- bzw. bauplanungsrechtlich relevante Nutzungsänderung vorliegt, zu unterscheiden ist die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer Asylbewerberunterkunft, die sich nicht nur dann stellt, wenn bereits bestehende Gebäude in ihrer Nutzung umfunktioniert werden sollen, sondern besonders auch dann, wenn solche Gebäude neu errichtet werden sollen. Praktisch bedeutsam sind dabei überwiegend Fälle, die im Innenbereich (vgl. § 34 BauGB) oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (vgl. § 30 BauGB) angesiedelt sind, wohingegen Außenbereichsfälle (vgl. § 35 BauGB)61 in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle spielen. Entscheidend für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sind vor allem die Vorgaben der Baunutzungsverordnung, die für die Innenbereichsfälle über § 34 Abs. 2 BauGB zur Anwendung kommen62 und für die Fälle im Geltungsbereich eines Bebauungsplans über § 1 Abs. 3 S. 2 BauNVO, demzufolge die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil eines Bebauungsplans werden, mit dem ein bestimmtes Baugebiet festgesetzt wird.

2. Asylbewerberunterkünfte als Anlagen für soziale Zwecke In Rechtsprechung und Literatur wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass Asylbewerberunterkünfte – sofern nicht ausnahmsweise nach dem unter II. 2. d) Gesagten von einer Wohnnutzung auszugehen ist63 – als Einrichtungen für soziale Zwecke anzusehen sind64. Sie dienen näm52 53 54 55

56 57

58 59

60 61

62 63 64

BayVGH, Urt. v. 18.11.1991, BauR 1992, 196 = ZfBR 1992, 194; siehe auch VG Leipzig, Beschl. v. 13.11.2014 – 4 L 1187/14 – (juris Rn. 25).

BayVGH, Urt. v. 18.11.1991, BauR 1992, 196 = ZfBR 1992, 194; OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.11.1989 – 1 M 88/89 – (juris).

VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 11.07.2013 – 6 L 674/13 – (juris Rn. 6).

VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 11.07.2013 – 6 L 674/13 – (juris Rn. 8 f.) unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 04.06.1997, NVwZ 1998, 173; siehe auch BayVGH, Urt. v. 13.09.2012, BauR 2013, 200 = BayVBl. 2013, 241; VG Augsburg, Urt. v. 29.11.2012 – Au 5 K 11.1606 – (juris Rn. 39).

VG Regensburg, Beschl. v. 29.08.2014 – RN 6 E 14.1432 – (juris Rn. 20).

VG Ansbach, Urt. v. 18.03.1993, BayVBl. 1994, 376; so auch VG Schwerin, Beschl. v. 29.09.2012 – 2 B 409/12 – (juris) unter Hinweis auf BayVGH, Beschl. v. 01.10.1992, BayVBl. 1993, 183.

BVerwG, Beschl. v. 25.03.1996, BauR 1996, 676 = ZfBR 1996, 228; Aschke (Fn. 31), § 3 BauNVO Rn. 1; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 11.07.2013, BauR 2013, 1992.

Vgl. VG Schwerin, Beschl. v. 29.09.2012 – 2 B 409/12 – (juris); VG Würzburg, Beschl. v. 27.02.2003 – W 4 E 03.116 – (juris Rn. 13); a.A. VG Köln, Urt. v.

11.01.2012 – 23 K 1277/11 – (juris Rn. 31); offen lassend: BayVGH, Beschl. v.

18.02.2003 – 26 CE 02.2052 – (juris Rn. 8).

Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar (Stand: April 2013), § 3 BauNVO Rn. 54 m.w.N. Siehe dazu etwa OVG Münster, Beschl. v. 29.09.2014 – 2 B 1048/14 – (juris); OVG Schwerin, Beschl. v. 12.12.1996, BauR 1997, 617; BayVGH, Beschl. v.

12.08.1992, NVwZ 1993, 278; OVG Münster, Beschl. v. 27.07.1992, NVwZ-RR 1993, 234; VG München, Urt. v. 11.11.2004 – M 11 K 04.1273 – (juris); VG Augsburg, Urt. v. 24.04.2001 – Au 5 K 01.839 – (juris).

Wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der BauNVO-Baugebiete entspricht.

Siehe Fn. 57 bis 59.

BVerwG, Beschl. v. 04.06.1997, NVwZ 1998, 173; BayVGH, Urt. v. 30.10.2014 – 1 N 13.2273 – (juris Rn. 20); BayVGH, Beschl. v. 29.01.2014 – 2 ZB 13.678 – (juris Rn. 5); BayVGH, Urt. v. 13.09.2012, BauR 2103, 200; OVG Münster, Urt. v. 03.11.1988, BauR 1989, 581; VG München, Urt. v. 29.04.2014 – M 1 K 13.5722 – (juris Rn. 27); VG Bayreuth, Urt. v. 27.02.2014 – B 2 K 13.574 – (juris); VG Berlin, Beschl. v. 11.12.2014 – 13 L 355.14 – (juris); VG Berlin, Urt. v.

19.11.2014 – 19 K 51.13 – (juris Rn. 31); VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 11.07.

2013 – 6 L 674/13 – (juris Rn. 8); Stock (Fn. 60), § 4 BauNVO Rn. 94; Hermanns/Hönig, BauR 2001, 1523 (1529).

341

Abhandlungen lich der menschenwürdigen Unterbringung und Existenzsicherung der Asylbewerber, also in erster Linie der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt65.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer Anlage für soziale Zwecke hängt vor allem davon ab, innerhalb welchen Gebietstyps sie errichtet bzw. – wenn es um die Nutzungsänderung eines bereits bestehenden Gebäudes geht – betrieben werden soll. Danach gilt allgemein für „Anlagen für soziale Zwecke“ folgendes: Allgemein zulässig sind Anlagen für soziale Zwecke in Allgemeinen Wohngebieten (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO)66, in Besonderen Wohngebieten (§ 4a Abs. 2 Nr. 5 BauNVO), in Dorfgebieten (§ 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO)67, in Mischgebieten (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO)68 und in Kerngebieten (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO). Ausnahmsweise können Anlagen für soziale Zwecke zugelassen werden in Reinen Wohngebieten (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO)69, in Gewerbegebieten (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) und in Industriegebieten (§ 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO).

Inwieweit die allgemein für „Anlagen für soziale Zwecke“ getroffene Regelung in der BauNVO zur (ausnahmsweisen) Zulässigkeit solcher Anlagen in Gewerbegebieten auch für Asylbewerberunterkünfte gilt, war zunächst umstritten, bis der Gesetzgeber mit dem am 26.11.2014 in Kraft getretenen „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“70 hierzu eine Aussage getroffen hat. Im Folgenden sollen die durch dieses Gesetz getroffenen Erleichterungen kurz vorgestellt werden, um sodann speziell auf Asylbewerberunterkünfte in Gewerbegebieten einzugehen.

3. Erleichterungen durch das FlüchtlingsunterbringungsMaßnahmengesetz 2014 Mit dem am 26.11.2014 in Kraft getretenen Gesetz wurden für die Zulässigkeit von Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern bauplanungsrechtliche Erleichterungen geschaffen, mit deren Hilfe die bedarfsgerechte Schaffung von öffentlichen Unterbringungseinrichtungen zeitnah ermöglicht und gesichert werden soll71. Zum Teil handelt es sich um zeitlich bis 31.12.2019 befristete Regelungen, zum Teil um Dauerrecht.

Als zeitlich nicht befristetes Dauerrecht wurden zum einen die Abwägungsbelange in § 1 Abs. 6 BauGB durch eine neu angefügte Nr. 13 ergänzt um „die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden oder ihrer Unterbringung“. Zum anderen wurde der in § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB verwendete Begriff des „Wohls der Allgemeinheit“ konkretisiert durch den Zusatz „einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihre Unterbringung“. In beiden Fällen handelt es sich um Änderungen eher klarstellender Natur, da das darin Ausgesagte auch ohne die Änderungen problemlos unter die betroffenen Vorschriften hätte subsumiert werden können.

Jeweils zeitlich befristet bis zum 31.12.2019 sind die neu eingefügten „Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte“ in § 246 Abs. 8 bis 10 BauGB. Dabei enthält Abs. 8 eine bauplanungsrechtliche Erleichterung für Flüchtlingsunterkünfte im Innenbereich, indem § 34 Abs. 3a S. 1 BauGB für entsprechend anwendbar erklärt wird, § 246 Abs. 9 BauGB enthält Erleichterungen für die Zulassung solcher Vorhaben im Außenbereich, sofern es sich um Außenbereichsinseln im Innenbereich handelt, indem die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB für entsprechend anwendbar erklärt wird und § 246 Abs. 10 BauGB erleichtert die Zulassung in Gewerbegebieten, indem unter bestimmten Vor342

aussetzungen die Möglichkeit einer Befreiung eröffnet wird, was im Folgenden näher beleuchtet werden soll.

4. Asylbewerberunterkünfte in Gewerbegebieten Vor Inkrafttreten des Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetzes hat der VGH Mannheim entschieden, dass eine Asylbewerbergemeinschaftsunterkunft trotz ihrer Einstufung als „Anlage für soziale Zwecke“ in einem Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig ist, „weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbewerbers ist, ihr damit ein wohnähnlicher Charakter zukommt und sie sich daher in einem Gewerbegebiet als gebietsunverträglich erweist“72. Ähnlich das OVG Hamburg: „Wohnoder wohnähnliche Nutzungen, die keinen Bezug zu einem vorhandenen Gewerbebetrieb haben, dürften in einem Gewerbegebiet abstrakt gebietsunverträglich sein, selbst wenn sie rechtlich als Anlage für soziale Zwecke einzustufen sind“73. Demgegenüber erachtet das VG Augsburg ein Asylbewerberheim in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise als soziale Einrichtung als zulässig74.

Vor dem Hintergrund dieser umstrittenen Rechtslage hat der Gesetzgeber nun mit § 246 Abs. 10 BauGB eine bis 31.12.

2019 befristete Befreiungsmöglichkeit eingeführt, die § 31 Abs. 2 BauGB ergänzen soll75. Sie gilt sowohl in durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebieten (§ 1 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 8 BauNVO) als auch – wie dem Klammerzusatz in § 246 Abs. 10 BauGB zu entnehmen ist („auch in Verbindung mit § 34 Abs. 2 BauGB“) – in sogenannten faktischen Gewerbegebieten, also Gebieten die zwar nicht durch Bebauungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen wurden, die faktisch aber einem solchen entsprechen. Die Befreiung ist an zwei Voraussetzungen gebunden76: Erste Voraussetzung ist, dass an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind. Zweite Voraussetzung ist, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Da sich § 246 Abs. 10 BauGB nicht auf „Aufnahmeeinrichtungen“ und „Gemeinschaftsunterkünfte“ beschränkt, sondern ausdrücklich auch „sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende“ mit umfasst, gilt die Vorschrift auch für den Fall, dass Asylbewerber in Wohnungen unter65 66 67 68 69 70

71 72

73

74 75 76

BayVGH, Urt. v. 13.09.2012, BauR 2013, 200; VG Augsburg, Beschl. v. 27.08.

2013 – Au 5 S 13.933 – (juris Rn. 51).

Siehe dazu etwa BVerwG, Beschl. v. 04.06.1997, NVwZ 1998, 173.

Siehe dazu etwa OVG Schleswig, Urt. v. 18.02.1993 – 1 L 74/92 – (juris); VGH Mannheim, Beschl. v. 30.05.1989, BauR 1989, 586.

Siehe dazu etwa VG Augsburg, Beschl. v. 24.07.2014 – Au 5 S 14.929 – (juris).

Siehe dazu etwa VG München, 27.09.2010 – M 8 K 09.1924 – (juris).

Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz vom 20.11.2014, BGBl. I, 1748; allgemein dazu Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2014, 1609; Petersen, KommunalPraxis BY 2015, 10; Scheidler, UPR 2015, 41.

So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/3070, S. 1.

VGH Mannheim, Beschl. v. 14.03.2013, BauR 2013, 1088; so auch VG Schwerin, Beschl. v. 29.09.2012 – 2 B 409/12 – (juris); im Ergebnis ähnlich VG Köln, Beschl. v. 10.11.2014 – 2 L 2039/14 – (juris); tendenziell auch BayVGH, Urt. v.

30.10.2014 – 1 N 13.2273 – (juris Rnl. 22); siehe auch VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2014, NVwZ-RR 2014, 752.

OVG Hamburg, Beschl. v. 17.06.2013, NVwZ-RR 2013, 990; im Ergebnis ebenso VG München, Urt. v. 03.06.2014 – M 1 K 14.339 – (juris); VG Ansbach, Urt. v. 09.10.2014 – AN 9 K 14.00830 – (juris Rn. 88).

VG Augsburg, Urt. v. 06.02.2013 – Au 4 K 12.1227 – (juris); VG Augsburg, Urt. v. 29.11.2012 – Au 5 K 11.1606 – (juris).

Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 18/2752, S. 12.

Ausführlich dazu Scheidler, UPR 2015, 41 (45 f.); Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2014, 1609 (1611); siehe auch VG Augsburg, Urt. v. 27.11.2014 – Au 5 K 14.649 – (juris Rn. 41).

GewArch 2015/9

Abhandlungen gebracht werden, die in einem Gewerbegebiet etwa in Gestalt von Betriebsleiterwohnungen bestehen können (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO).

Bei der Prüfung, ob eine Befreiung nach § 246 Abs. 10 BauGB erteilt werden kann, wird jeweils zu prüfen sein, ob die beantragte Flüchtlingsunterkunft mit den jeweils zulässigen Gewerbebetrieben im Gewerbegebiet miteinander verträglich ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Nutzungen im Gewerbegebiet im Hinblick auf ihre Emissionen und verkehrlichen Auswirkungen so gegliedert sind, dass es Bereiche gibt, in denen eine wohnähnliche Nutzung nicht unzumutbar gestört wird und von dieser wohnähnlichen Nutzung auch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für zulässige gewerbliche Nutzungen ausgehen77. Da die Norm als Befreiungs- und nicht etwa als Ausnahmetatbestand konzipiert ist, lässt sie größtmögliche Flexibilität und eine Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu.

Damit kann die Genehmigungsbehörde bei der Ausübung ihres Ermessens darüber, ob eine Befreiung erteilt wird oder nicht, im Einzelfall jede Fläche in einem Gewerbegebiet daraufhin prüfen, ob eine Unterbringung dort möglich und sinnvoll ist, insb. im Hinblick auf Lärm- oder Geruchsbelästigungen. Sind diese für eine Wohnnutzung oder eine wohnähnliche Nutzung zu groß, wird eine Befreiung ausscheiden, wohingegen es aber auch Gewerbegebiete gibt, die sich für Flüchtlingsunterkünfte durchaus eignen78.

Die oben wiedergegebene Rechtsprechung insb. des VGH Mannheim und des OVG Hamburg79, wonach Asylbewerberunterkünfte in Gewerbegebieten generell nicht in Betracht kommen, ist mit dem Inkrafttreten des Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetzes am 26.11.2014 nicht mehr haltbar80.

terkünfte, die i.d.R. als „Anlagen für soziale Zwecke“ einzustufen sind, stellt in der Regel eine baurechtlich relevante Nutzungsänderung dar. Zweifellos gilt dies für Büro- oder Schulgebäude sowie für vorher gewerblich genutzte Gebäude. Auch für Wohnheime geht die überwiegende Rechtsprechung davon aus, dass im Normalfall eine Nutzungsänderung vorliegt. Nach der hier vertretenen Auffassung ist hingegen zu differenzieren: Eine Nutzungsänderung ist nicht anzunehmen, wenn die Belegungsdichte gleich bleibt, da sowohl vor als auch nach der Umfunktionierung des Gebäudes zumindest eine wohnähnliche Nutzung vorlag bzw. vorliegt.

Die Umnutzung von Beherbergungsbetrieben in Asylbewerberunterkünfte ist dagegen regelmäßig als Nutzungsänderung zu werten. Bei Wohnungen unterscheidet die Rechtsprechung danach, ob sich die neue Nutzung durch Asylbewerber ebenfalls im Wesentlichen als „Wohnen“ darstellt, was bei einer dezentralen Unterbringung eher angenommen werden kann, als bei Gemeinschaftsunterkünften, die insb. dadurch gekennzeichnet sind, dass mehrere, untereinander fremde Personen zusammen leben, die vorhandene Einrichtungen gemeinsam nutzen. Durch das am 26.11.2014 in Kraft getretene Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz wurden bauplanungsrechtliche Erleichterungen geschaffen. Insb. wurde die bislang umstrittene Frage, ob Asylbewerberunterkünfte in Gewerbegebieten generell ausgeschlossen sind, in dem Sinne beantwortet, dass je nach den Umständen des Einzelfalles eine Zulassung im Wege einer Befreiung gewährt werden kann.

77 78 79

IV. Zusammenfassung Die Umnutzung bestehender Gebäude in Asylbewerberun-

80

Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates v. 08.10.2014, BT-Drs. 18/2752, S. 8.

Näher dazu Scheidler, UPR 2015, 41 (45) m.w.N. Fn. 72 und 73.

So auch das VG Augsburg, Urt. v. 27.11.2014 – Au 5 K 14.649 – (juris Rn. 42); vgl. auch Luther, NJW-Spezial 2014, 748 (749), wonach durch die neue Regelung der restriktiven Rspr. entgegen gewirkt werden soll.

Prof. Dr. Martin Burgi, München*

Subventionsrechtliche Betätigungsverbote für Handwerker auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts I. Die Behandlung von Gebäudeenergieberatern des Handwerks in Förderprogrammen des Bundes Die öffentlich geförderte Tätigkeit von Gebäudeenergieberatern erfolgt im Kontext der politischen Anstrengungen zur Energieeinsparung. Die wichtigste relevante Rechtsgrundlage im Europarecht bildet die Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur Energieeffizienz1, in Deutschland ist im konkreten Zusammenhang die Energieeinsparverordnung (EnEV) vom 16.11.

20012, zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.11.20133, maßgeblich4. Instrumente der Energieeffizienzpolitik bilden das klassische Ordnungsrecht, aber auch Fördermaßnahmen, mit denen Anreize für eine überobligatorische Erfüllung der rechtlichen Anforderungen gesetzt werden sollen5.

Wie sogleich im Einzelnen entfaltet wird, betrifft dies sowohl Wohngebäude als auch Gebäude und Anlagen im Mittelstand. Die Eigentümer dieser Gebäude als potenzielle Träger von Investitionsmaßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz bedürfen hierbei einer sachverständigen Beratung. Wie dem Endbericht des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) „Evaluation der EnerGewArch 2015/9

giesparberatung vor Ort“ auf dem Stand 2014 entnommen werden kann, haben sich allein im Förderprogramm „VorOrt-Beratung“ die Antragszahlen für Förderanträge im Zeitraum von 1998 bis zum 30.06. 2013 von 1.034 auf 32.661 (im Jahr 2009) und zuletzt 7.232 Förderanträge (im Juli 2013) entwickelt.

1. Ausgewählte relevante Förderprogramme a) Vor-Ort-Beratung (BAFA-Programm) Dieses Förderprogramm zielt auf die Förderung der Ener*

1 2 3 4

5

Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Beitrag ist aus einem Gutachten für das Ludwig-Fröhler-Institut (München) hervorgegangen.

ABl. L 315/1.

BGBl. I, 3085.

BGBl. I, 3951.

Einen instruktiven Gesamtüberblick über den Kontext bieten Britz/Eifert/Reimer (Hrsg.), Energieeffizienzrecht, 2010; Schneider, in: Ders./Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl. 2013, § 21 Rn. 181 f., und Knauff, Die Verwaltung 47 (2014), S. 407 ff.

Explizit Jessen, in: Energieeffizienzrecht (Fn. 4), S. 15 ff.; Stock, in: Härtel/Pielow (Hrsg.), Effektiv zu mehr Energieeffizienz?, 2012, S. 137 (139).

343

Abhandlungen gieberatung in Wohngebäuden vor Ort, ab 01.03.2015 bildet die „Richtlinie über die Förderung der Energieberatung in Wohngebäuden vor Ort“ vom 29.10.20146 den relevanten (und auch nachfolgend zugrunde gelegten) Rechtsrahmen.

Berater erhalten eine Zuwendung in Höhe von bis zu 60 % der förderfähigen Beratungskosten, wobei der Höchstzuschuss für Ein- und Zweifamilienhäuser maximal 800 EUR, für Wohngebäude mit drei oder mehr Wohneinheiten maximal 1.100 EUR beträgt (Ziff. 5.2. der Richtlinie 2014). Vom 28.10.2014 datiert die „Richtlinie über die Förderung von Energieberatungen im Mittelstand“, mit der Energiesparpotenziale in Gebäuden und Anlagen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gefördert werden sollen7. Hier beträgt die maximale Förderhöhe 8.000 EUR für die Beratung von Unternehmen, deren jährliche Energiekosten über 10.000 EUR liegen (Ziff. 5 Abs. 2). Beide BAFA-Programme sind durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgelegt worden. b) Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Bei der KfW sind verschiedene weitere Förderprogramme aufgelegt, u.a. das Förderprogramm „Energieeffizient bauen (153: Kredit)“, das auf die Finanzierung besonders energieeffizienter Neubauten, das sog. KfW-Effizienzhaus im Rahmen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms des Bundes, zielt. Insoweit können bis zu 100 % der Bauwerkskosten finanziert werden, wobei der maximale Kreditbetrag 50.000 EUR pro Wohneinheit beträgt (S. 4). Hierbei werden vergleichsweise günstige Finanzierungskonditionen gewährt.

2. Fördervoraussetzungen Die Einzelheiten der Förderung einschließlich des Verfahrens sind in den o.g. Richtlinien sowie im Internet auf der Homepage des Bundeswirtschaftsministeriums näher entfaltet8. Das stellvertretend genannte Programm BAFA-Mittelstand zielt auf ein „systematisches Verfahren zur Erlangung ausreichender Informationen über das bestehende Energieverbrauchsprofil eines Gebäudes oder einer Gebäudegruppe, eines Betriebsablaufs oder einer industriellen oder gewerblichen Anlage, zur Ermittlung und Quantifizierung der Möglichkeiten für wirtschaftliche Energieeinsparungen und Erfassung der Ergebnisse in einem Bericht“ (Ziff. 1.3.1.).

In allen Programmen sind die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit eines Energieberaters förderfähig (BAFAProgramme) bzw. eine KfW-Förderung möglich ist, detailliert festgelegt. So werden in der Anlage 1 zum Programm BAFA-Wohngebäude auf mehreren Seiten zahlreiche Anforderungen an die erforderlichen Daten und die konzeptionellen Aussagen aufgestellt. Namentlich bei der Vor-Ort-Beratung handelt es sich um ein „Energieaudit“ i.S.v. Art. 8 der Richtlinie 2012/27/EU vom 25.10.2012 zur Energieeffizienz. Durchgehend fällt auf, dass sich die Beratungsleistungen nicht etwa auf einzelne Gewerke, sondern stets das Gebäude bzw. die betroffenen Anlagen als Ganzes und gerade in ihrem funktionalen Zusammenhang beziehen. Sowohl die Diagnose (die Identifizierung von Einsparpotenzialen) als auch die Therapie (Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz) sind gewerksübergreifend angelegt.

Dies kommt besonders klar im Titel der EU-Richtlinie 2010/31 über die „Gesamtenergieeffizienz“ von Gebäuden9 zum Ausdruck.

344

b) Beraterbezogene Fördervoraussetzung jenseits der Qualifikation: Unabhängigkeit Selbstverständlich statuieren alle Programme eine Vielzahl von Anforderungen an die Qualifikation der Energieberater.

So wird beispielsweise gemäß Ziff. 3.1.1 des Programms BAFA-Wohngebäude als „Grundqualifikation“ gefordert, dass der jeweilige Berater die zur Ausstellung von Energieausweisen nach § 21 der EnEV notwendigen Anforderungen erfüllt10. Zusätzlich ist „eine Weiterbildung, deren Inhalt und Umfang den Anforderungen nach Anlage 2 dieser Richtlinie genügt“, erforderlich (Ziff. 3.1.2), auch müssen die Berater „zuverlässig“ sein.

Im Programm BAFA-Wohngebäude wird beispielsweise explizit statuiert, dass die Beratung „unabhängig von Anbietern und deren Produkten erfolgen“ muss (Ziff. 4.3). Demzufolge kann nur derjenige als Berater mit Erfolg einen Antrag stellen, der „unabhängig“ ist. Für nichtantragsberechtigt erklärt wird, „wer ein wirtschaftliches Eigeninteresse an Investitionsentscheidungen des Beratenden haben oder insofern durch wirtschaftliche Interessen eines Dritten beeinflusst sein kann“ (Ziff. 3.2.). Sodann werden in einer Art Regelbeispielstechnik („insbesondere“) verschiedene Konstellationen aufgezählt, in denen „insbesondere“ eine solche Beeinflussungsmöglichkeit besteht; eine der Konstellationen betrifft denjenigen, der „einen Handwerksbetrieb führt, daran beteiligt oder bei einem solchen beschäftigt ist“. Hierdurch wird mithin ein absolutes Betätigungsverbot für Leiter oder Mitarbeiter von Handwerksbetrieben als Energieberater errichtet. Folgerichtig können Leiter und Mitarbeiter von Handwerksbetrieben auch nicht Aufnahme in die „Energieeffizienz Expertenliste für Förderprogramme des Bundes“, auf die Ziff. 8 der Richtlinie erläuternd hinweist, finden. Im Rahmen der Aufzählung der Regelbeispiele, die zum Ausschluss der Unabhängigkeit und damit der Antragsberechtigung laut Ziff. 3 führen sollen, findet sich eine explizite Ausnahme, und zwar zugunsten von „Planungs- und Ausschreibungsleistungen sowie die Übernahme von Baubegleitungen oder Bauleitungen im Anschluss an eine VorOrt-Beratung“; diese insbesondere von Architekten erbrachten Leistungen seien „zulässig“, d.h. für Architekten gilt das absolute Betätigungsverbot nicht. Vielmehr können sie gleichzeitig die Vor-Ort-Beratung übernehmen und sodann Planungs- und Ausschreibungsleistungen und Baubegleitungen oder Bauleitungen im Hinblick auf ein und dasselbe Wohngebäude und zugunsten ein und desselben Eigentümers erbringen.

Im Programm KfW-Bauen wird ebenfalls explizit verlangt, dass „der Sachverständige … für das Bauvorhaben wirtschaftlich unabhängig zu beauftragen“ sei, und dass er neben einer „Beratung, Planung und Baubegleitung … weder in einem Inhaber-, Gesellschafts- oder Beschäftigungsverhältnis zu den bauausführenden Unternehmen oder Lieferanten stehen noch Lieferungen oder Leistungen vermitteln“ dürfe11. Eine vergleichbare Aussage findet sich im Programm KfW-Sanieren (ab der Fassung 02/2015 nur noch bezogen auf Sanierungsvorhaben „zum KfW-Effizienzhaus“, also nicht mehr auf Einzelvorhaben). Die Energiebe6 7 8 9 10 11

Veröffentlicht im BAnz AT v. 12.11.2014, B2.

Veröffentlicht im BAnz AT v. 12.11.2014, B1.

Abrufbar unter http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Energieeffizienz/energieberatung-und-foerderung.html (abgerufen am 16.02.2015).

ABl. 2010, L 153/13.

Zu den mit der Ausstellung von Energieausweisen zusammenhängenden Rechtsfragen vgl. Frenz, ZMR 2014, S. 852.

A.a.O., S. 2.

GewArch 2015/9

Abhandlungen rater müssen (wie bereits erwähnt) auf der „Energieeffizienz-Expertenliste“ stehen. In beiden Fällen handelt es sich mithin nicht um ein absolutes, sondern um ein relatives Betätigungsverbot. Denn der einzelne Sachverständige hat im Hinblick auf das jeweils infrage stehende Vorhaben die Wahl, ob er entweder ausschließlich die Energieberatung (einschließlich Planung und Baubegleitung!) übernehmen oder aber die eigentliche Bauausführung verantworten will.

3. Die Qualifikation der Gebäudeenergieberatung durch Leiter oder Mitarbeiter von Handwerksbetrieben Leiter oder Mitarbeiter von Handwerksbetrieben sind Meister oder Gesellen und verfügen als solche bereits über eine sehr hohe, auf jahrelanger Aus- und Fortbildung sowie praktischer Tätigkeit fußende Qualifikation. Wollen sie in der Gebäudeenergieberatung tätig werden, so verfügen sie jedenfalls über die für die Berechtigung zur Ausstellung von Energieausweisen nach § 21 EnEV erforderlichen Qualifikationen. Überdies haben sie eine „weitere Qualifizierung“ im Umfang von mindestens 210 Unterrichtseinheiten über sämtliche relevanten Aspekte der Gebäudeenergieberatung nach Ziff. 1.2 der Anlage 2 des BAFA-Wohngebäudeprogramms absolviert. Infolge ihrer hohen und unbestrittenen Erfahrung in der Ausführung von Konzepten verfügen sie überdies über eine Einschätzungskompetenz für das „Machbare“, die sie von allen anderen für die Gebäudeenergieberatung infrage kommenden Berufsgruppen, deren Kompetenzen vielfach eher im konzeptionellen Bereich liegen, unterscheiden dürfte.

II. Der rechtliche Zugriff auf die Förderprogramme 1. Gesetzesvertretender und ermessenslenkender Charakter Nach ganz h.A. stellen im Bereich des fördernden Wirtschaftsverwaltungshandelns die jeweiligen Haushaltsgesetze eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage dar. Es bedarf mithin keiner spezialgesetzlichen Grundlage für die Gewährung von Subventionen, vielmehr genügt die Bereitstellung unter Festlegung einer Zweckbestimmung im jeweiligen Haushaltsplan12. Die jeweiligen Fördervoraussetzungen und das Förderverfahren werden regelmäßig durch sog. Verwaltungsvorschriften (teilweise auch Richtlinien, Programme o.ä. genannt) festgelegt. Diesen kommt über den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG entgegen ihres sonstigen Charakters als Innenrecht eine rechtliche Außenwirkung zu13.

Dies ist ganz konkret im Zusammenhang mit dem BAFAVor-Ort-Programm durch das VG Frankfurt a.M. bestätigt worden. So heißt es im Urteil vom 23.01.200314, dass „die im Haushaltsgesetz vorgenommene Bereitstellung der Fördermittel und deren Zweckbindung mit der Auflage, die Zuschüsse nach Maßgabe besonderer Richtlinien zu gewähren, … eine ausreichende Grundlage für die vorgesehene Subventionierung“ bilde. Im Urteil vom 14.10.200515 bestätigte das Gericht diese Einschätzung und stellte fest, dass dies auch den Anforderungen an das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage i.S.v. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG genüge (da es sich um eine „Regelung der Berufsausübung“ handle; dazu noch ausführlicher IV. 2.).

Die nähere Betrachtung erweist, dass Verwaltungsvorschriften der hier infrage stehenden Art einerseits gesetzesvertretenden, andererseits ermessenslenkenden Charakters sind, wobei die Grenze zwischen beiden Inhalten fließend ist.

Konkret im Zusammenhang mit Subventions-Verwaltungsvorschriften, für die in Gestalt des Haushaltsgesetzes nur eiGewArch 2015/9

ne sehr rudimentäre formalgesetzliche Grundlage besteht, kommt der Verwaltungsvorschrift zunächst die Funktion zu, die erforderlichen Entscheidungsmaßstäbe, die im Gesetz allenfalls in groben Umrissen angelegt sind, zu liefern16. Da bei Subventions-Verwaltungsvorschriften regelmäßig kein Anspruch der potenziellen Zahlungsempfänger statuiert wird, sondern die Auszahlung ins Ermessen der für den Einzelfall zuständigen Behörden gestellt ist, bestimmen die entsprechenden Verwaltungsvorschriften regelmäßig zugleich darüber, in welcher Weise von dem der Verwaltung eingeräumten Ermessen im Einzelfall Gebrauch gemacht werden soll. Dies zielt auf eine einheitliche und gleichmäßige Ermessensausübung; diese zweite Charakterisierung wird als „ermessenslenkend“ bezeichnet17. Konkret im Hinblick auf das hier infrage stehende BAFA-Vor-Ort-Beratungsprogramm hat dies das VG Frankfurt a.M. in seiner Entscheidung vom 14.10.200518 ausdrücklich bestätigt. Nachfolgend wird es darum gehen, den Rahmen zu bestimmen, innerhalb dessen sich jene gesetzesvertretenden und ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften halten müssen.

2. Höherrangiger Rechtsrahmen Neben den Vorgaben des Grundgesetzes bilden zum einen die EU-Energieeffizienz-Richtlinie 2012/27/EU19, die EURichtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden20 und die EnEV den relevanten Rechtsrahmen.

Sodann sind die allgemeinen haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Maßgeblich für die Gewährung von Subventionen, die dort mit dem Terminus „Zuwendungen“ bezeichnet werden, sind die §§ 23 und 44 BHO, deren Inhalt wiederum durch die „Allgemeinen Verwaltungsvorschriften“ zur BHO konkretisiert werden. In (beispielsweise) Ziff. 6.6 des BAFA-Wohngebäude-Programms wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „für Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung des Zuschusses, für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung sowie Rücknahme und Widerruf des Zuwendungsbescheids und die Rückforderung des gewährten Zuschusses … die §§ 23, 44 BHO, die hierzu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften mit den dazugehörigen Nebenbestimmungen sowie die §§ 48 bis 49a des Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten.“ Überdies ist gem. §§ 91, 100 BHO der Bundesrechnungshof zur Prüfung berechtigt.

3. Objektive Rechtspflichten des Bundes und subjektive Rechte der betroffenen Berater Der Bund ist selbstverständlich objektiv-rechtlich dazu verpflichtet, die Gesetze und die Verfassungsvorgaben zu beachten. Als Urheber von Verwaltungsvorschriften ist er deutlich weniger frei als in der Rolle des Gesetzgebers, denn die Verwaltungsvorschriften sind auf der Ebene des Verwaltungshandelns angesiedelt. Indem sie die zahlreichen Einzelentscheidungen sachlich vorab koordinieren wollen, sind sie den für Einzelentscheidungen maßgeblichen rechtlichen Determinanten unterworfen und überdies der gerichtlichen 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Vgl. statt vieler BVerwG, NJW 1977, S. 1838 (1839); BVerwGE 104, 220 (222); Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 18. Aufl. 2014, S. 48.

Vgl. statt vieler Kühling, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht I, 3. Aufl. 2012, § 29 Rn. 9.

– 1 E 1687/01 –, S. 4.

– 1 E 2004/05 –, S. 10 f.

Vgl. BVerwGE 58, 45; ebenso bereits BVerwGE 19, 48 (55 ff.); näher Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 24 Rn. 11.

Vgl. wiederum Maurer (Fn. 16), § 24 Rn. 10.

– 1 E 2004/05 –, S. 11, Rn. 26 f.

Vgl. Fn. 1.

ABl. 2010, L 153/13.

345

Abhandlungen Kontrolle. Aufgrund des Koordinierungs-Charakters entfalten sie sogar eine deutlich beeinträchtigendere Wirkung, als wenn (beispielsweise) ein einzelner Berater durch eine einzelne Verwaltungsstelle abgelehnt würde21.

Die maßgebliche Frage lautet hierbei, ob ein sog. Ermessensfehlgebrauch vorliegt (dazu sogleich). In diesem Umfang besteht auch ein subjektives öffentliches Recht jedes einzelnen Antragstellers auf Einhaltung der Ermessensgrenzen, d.h. die Verwaltungsgerichte überprüfen im Hinblick auf den ihnen unterbreiteten jeweiligen Einzelfall gemäß § 114 VwGO, ob ermessensfehlerhaft gehandelt worden ist. Dies führt zu einer Inzidenzkontrolle der infrage stehenden Verwaltungsvorschriften, d.h. der oben beschriebenen Förderprogramme.

III. Wahrung der gesetzlichen Grenzen und der Zweckbestimmung?

Anhaltspunkte dafür, dass die BHO und die EnEV durch die Förderprogramme zur Gebäudeenergieberatung missachtet würden, bestehen nicht. Der mit den geschilderten Unabhängigkeitsregelungen verfolgte Zweck, die Unabhängigkeit der Energieberater zu sichern, ergibt sich aus der Sache selbst, weil „Beratung“ nur als distanziert/unabhängige (synonym: unparteiliche) Tätigkeit denkbar ist. Dieser Zusammenhang ist rechtswissenschaftlich seit langem geklärt und insbesondere im Hinblick auf die Einbeziehung Privater bei der Verwirklichung öffentlicher Zwecke weiter entfaltet worden22.

So eindeutig und unumstritten der Zweck – die Sicherung der Unabhängigkeit von Beratungstätigkeiten – mithin ist, so vielfältig sind freilich die Mechanismen, mit deren Hilfe dieser Zweck verfolgt werden kann. Dies bringt vortrefflich gerade die im vorliegenden Zusammenhang einschlägige EUEnergieeffizienzrichtlinie 2012/27 zum Ausdruck. Darin heißt es in Art. 8 Abs. 1, dass die Mitgliedstaaten „die Verfügbarkeit von hochwertigen Energie-Audits für alle Endkunden, die kostenwirksam sind (fördern) und a) in unabhängiger Weise von qualifizierten und/oder akkreditierten Experten nach Qualifikationskriterien durchgeführt werden“.

Mit der Formulierung „in unabhängiger Weise“ (die sich wortgleich auch in Art. 17 der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz in Gebäuden findet), wird explizit der Zweck (Sicherstellung der Unabhängigkeit der Beratung) normiert, die einzelnen Sicherstellungsmechanismen werden aber gerade nicht fix vorgegeben, sondern sind den Umsetzungsgesetzgebern bzw. den Behörden in den Mitgliedstaaten überlassen. Die in den BAFA- bzw. den KfWProgrammen gewählten Mechanismen des absoluten bzw. relativen Betätigungsverbots für Gebäudeenergieberater aus dem Handwerk sind also weder durch die EU-Energieeffizienzrichtlinie noch durch die EnEV oder durch sonstige gesetzliche Vorgaben legitimiert. Vielmehr sind sie der freien verwaltungspolitischen Entscheidung des Bundes entsprungen und müssen sich als solche rechtfertigen lassen, und zwar im Hinblick auf das hier berührte Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. IV. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG?

berühren, sich also lediglich als abstrakte Rahmenbedingungen einer konkreten Berufstätigkeit erweisen, ab. Entscheidend ist, dass zumindest eine mittelbare und indirekte Auswirkung auf Art und Umfang einzelner Berufe erkennbar ist.

Dies ist dann der Fall, wenn die infrage stehenden staatlichen Maßnahmen „infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen“; dies liegt insbesondere dann vor, „wenn die maßgeblichen Normen oder Maßnahmen im Schwerpunkt Tätigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausgeübt werden“23.

Im Hinblick auf Subventionsmaßnahmen kann eine lediglich allgemeine Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition nicht ohne weiteres als berufsregelnder Eingriff gegenüber den nicht zum Zuge kommenden Konkurrenten gewertet werden. Insbesondere allgemeinen Unterstützungssubventionen zugunsten einzelner, in wirtschaftliche Not geratener Wettbewerbsteilnehmer, wird vielfach eine berufsregelnde Tendenz abgesprochen24.

Etwas anderes gilt freilich, wenn eine unmittelbare Auswirkung auf die Wettbewerbsposition der nicht zum Zuge kommenden Unternehmen besteht, weil die Vergabe der Subvention verpflichtend an bestimmte Verhaltensweisen des Empfängers geknüpft wird. So liegt im hier zu beurteilenden Fall die Grundrechtsbeeinträchtigung der Gebäudeenergieberater des Handwerks nicht so sehr darin, dass Personen aus anderen Berufsgruppen im Gegensatz zu ihnen ohne Verzicht auf ihre angestammten beruflichen Aktivitäten die infrage stehenden Förderleistungen erhalten können. Vielmehr sind die Fördertatbestände so formuliert, dass Gebäudeenergieberater des Handwerks nur bei einer grundlegenden Änderung ihres Verhaltens in den Genuss der Förderleistungen kommen können, nämlich dann, wenn sie sich dem ausgesprochenen (absoluten bzw. relativen) Betätigungsverbot unterwerfen. Ihr diesbezügliches Verhalten wird mithin durch den Staat determiniert, indem ein bestimmtes berufsbezogenes Verhalten (Unterlassen der Betätigung als Handwerker) explizit zur tatbestandlichen Fördervoraussetzung gemacht wird. Die Berufsfreiheit ist damit in einer Intensität betroffen, die der eines klassischen Grundrechtseingriffs (etwa einem allgemeinen Betätigungsverbot ohne Bezug zu Fördermaßnahmen) durchaus nahe kommt. Dies beeinträchtigt die Handwerker in der allgemein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten freien Führung ihres Unternehmens sowie in der Dispositions-, Investitions-, Produktions- und in der Preisfreiheit, da sie auch solchen Kunden gegenüber, die auf die Inanspruchnahme der staatlichen Förderleistungen verzichten wollen, voraussichtlich nur noch ein um die Förderleistung abgesenktes Entgelt werden durchsetzen können25.

Zutreffenderweise ist daher auch die bislang mit verschiedenen Fördervoraussetzungen in Energieberatungsprogrammen befasste hessische Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Vorliegen einer berufsregelnden Tendenz ausgegangen26. Merk21

22

23

1. Objektiv berufsregelnde Tendenz Um als rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff qualifiziert werden zu können, müsste die hier infrage stehende Subventionsregelung eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweisen. Mit Hilfe dieses Kriteriums grenzt das BVerfG gegenüber Vorschriften, die das Berufsleben nur am Rande 346

24 25

26

Vgl. hierzu konkret im Hinblick auf das BAFA-Vor-Ort-Beratungsprogramm VG Frankfurt a.M., Urteil v. 14.10.2005 – 1 E 2004/05 – Rn. 26; allgemein Maurer (Fn. 16), § 24 Rn. 31.

U.a. durch den Verfasser dieses Gutachtens (Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 370 ff.); monographisch Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsausgabe, 2001, v.a. S. 195 ff.

BVerfGE 82, 209; BVerfGE 97, 228 (254); jüngst OVG Rheinland-Pfalz, DVBl. 2014, S. 1609 (1610); weiterführend Schneider, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Band V, 2013, § 113 Rn. 108 ff.

Vgl. nur Kühling, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Fn. 13), § 29 Rn. 14 f. passim.

Allgemein zu diesen Zusammenhängen, Kühling (Fn. 24), Rn. 14 und 15; Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VIII, 3. Aufl. 2010, § 171 Rn. 96 ff. und § 170 Rn. 87 und 89.

Beginnend mit VG Frankfurt a.M., Urteil v. 14.10.2005 (Fn. 15), Rn. 33; vgl. ferner HessVGH, Beschluss v. 13.02.1995 – A 8 TG 3493/94 –, Rn. 15.

GewArch 2015/9

Abhandlungen würdigerweise findet sich diese Einschätzung aber ausgerechnet in den beiden Entscheidungen, in denen es um die Fördervoraussetzung „Unabhängigkeit der Beratung“ geht27, nicht. Vielmehr wird dort ausschließlich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen. Da kein sachlicher Grund dafür erkennbar ist, warum die hier infrage stehenden Subventionsrichtlinien im Hinblick auf die Fördervoraussetzungen „Qualifikation“ bzw. „Zuverlässigkeit“ berufsregelnde Tendenz besitzen sollen, im Hinblick auf die Fördervoraussetzung „Unabhängigkeit“ aber nicht, wird man hierin ein Versehen erblicken müssen, das freilich die nachfolgend noch relevant werdende Konsequenz hat, dass eine Rechtfertigungsprüfung am Maßstab des Berufsfreiheitsgrundrechts in diesen beiden Entscheidungen unterblieben ist. Damit steht fest, dass das letzte grundrechtliche Wort (das abgesehen davon sowieso dem BVerwG bzw. dem BVerfG zukommen würde) noch nicht gesprochen sein kann.

2. Verortung zwischen Berufsausübungs- und Berufswahlregelung War der Umgang mit dem Berufsfreiheitsgrundrecht nach Art. 12 Abs. 1 GG lange Zeit durch die Zuordnung unterschiedlicher Rechtfertigungsanforderungen zu Berufsausübungsregelungen einerseits, Berufswahlregelungen andererseits, gekennzeichnet, so ist vermehrt eine Abkehr von einem starren Stufendenken in der Rechtsprechung des BVerfG zu beobachten. Dieses betont zu Recht die Einheitlichkeit des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG und entschärft die vielfach bestehenden Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsregeln dadurch, dass es den Regelungsvorbehalt zugunsten des Staates aufgrund einer flexibleren Abwägung ausgestaltet. Die Qualifizierung als Berufswahl- oder Berufsausübungsregelungen hat hierbei nur noch „vorstrukturierende Bedeutung“28.

Im Hinblick auf die hier zu prüfende Betroffenheit von Gebäudeenergieberatern des Handwerks liegt zunächst jedenfalls eine Berufsausübungsregelung vor. Denn dieser Personenkreis strebt gerade nicht eine Tätigkeit als selbstständiger Energieberater an, sondern möchte die damit verbundenen Tätigkeiten parallel mit der herkömmlichen Betätigung als Handwerker verbinden29. Betrachtet man freilich die Betätigung als Handwerker als einen Beruf, die Betätigung als Gebäudeenergieberater als einen anderen, zweiten Beruf, dann wirken sich die hier infrage stehenden Betätigungsverbote qua Förderprogramme durchaus auf die Wahl dieses zweiten Berufes aus. Daher hat der HessVGH in seinem Beschluss vom 13.02.199530 es offen gelassen, ob nicht auch die Freiheit der Berufswahl beeinträchtigt ist; jedenfalls hat er bei der Prüfung der Rechtfertigung der dort infrage stehenden Fördervoraussetzung (Zuverlässigkeit) die an Berufswahlregelungen gestellten höheren Rechtfertigungsanforderungen formuliert. Auch das BVerfG geht in seiner (allgemeinen) Rechtsprechung von einer Zuordnung von Inkompatibilitätsregelungen, d.h. von Bestimmungen, die die Entscheidung für einen zweiten Beruf betreffen, von einer Qualifikation als Berufswahl-, nicht lediglich als Berufsausübungsregelung aus31.

Für die nachfolgend zu unternehmende Rechtfertigungsprüfung bedeutet dies, dass die vergleichsweise schwachen Anforderungen an reine Berufsausübungsregelungen im vorliegenden Zusammenhang nicht ausreichen. Unter Orientierung an den herkömmlich für sog. subjektive BerufswahlreGewArch 2015/9

gelungen formulierten Anforderungen wird es vielmehr darauf ankommen, ob die infrage stehenden Förderprogramme dem „Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen“32, und ob sodann die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfüllt sind. Denn insbesondere das durch die BAFA-Programme verfügte absolute Betätigungsverbot zwingt Handwerker dazu, ihren Handwerksberuf aufzugeben, um den Zweitberuf des Gebäudeenergieberaters überhaupt ausüben zu können.

3. Konsequenz: Rechtfertigungsbedürftigkeit Die hier auf dem Prüfstand stehenden absoluten bzw. relativen Betätigungsverbote zulasten von Gebäudeenergieberatern des Handwerks müssen dem Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter dienen und den sodann näher spezifizierten Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen. Dabei geht es zu a) um die Legitimität des Zwecks der Sicherstellung von Unabhängigkeit als solchem, während bei b) - d) hinsichtlich der Unterpunkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit) die Legitimität des konkreten Mittels zur Sicherstellung der Unabhängigkeit, eben des absoluten bzw. des relativen Betätigungsverbots infrage, steht. a) Zweck der Berufsregelung: Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter Wie bereits festgestellt (III.), ist es legitim, die Unabhängigkeit der Beratung zur Fördervoraussetzung zu machen. Damit verbindet sich zum einen die berechtigte Erwartung, möglichst richtige und weiterführende Beratungsergebnisse erzielen zu können, und zwar im Interesse der Steigerung von Energieeffizienz (Ergebnisrichtigkeit). Zum zweiten verbindet sich mit der Fördervoraussetzung der Unabhängigkeit eine verbesserte Akzeptanz der Beratungsergebnisse, die ja vielfach erhebliche finanzielle Belastungen (trotz der Förderung) mit sich bringen, für die Betroffenen33. Insofern deckt sich der Gemeinwohlzweck der Sicherstellung der Unabhängigkeit mit den von der Rechtsprechung bereits legitimierten Gemeinwohlzwecken der Sicherstellung der Qualifikation der Berater34 bzw. der Sicherstellung ihrer Zuverlässigkeit35. b) Geeignetheit zur Sicherung der Unabhängigkeit Der Ausschluss von Gebäudeenergieberatern des Handwerks ist geeignet, um die Zwecksetzung einer unabhängigen Beratung zu erreichen. Obgleich hierdurch die Zahl der Energieberater beträchtlich verringert wird, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies eine ausreichende Bedienung des Beratungsbedürfnisses bei den Hauseigentümern infrage stellen würde. c) Erforderlichkeit zur Sicherung der Unabhängigkeit?

Das sog. Übermaßverbot verlangt, dass die den Grundrechtsträgern zugemutete Beeinträchtigung erforderlich sein muss.

Dies bedeutet, dass der verfolgte Zweck (hier: die Sicherung 27 28 29 30 31

32 33 34 35

Nämlich im Urteil des VG Frankfurt a.M. v. 29.11.2005 – 1 E 2317/05 –, und im Urteil des VG Frankfurt a.M. v. 28.08.2013 – 5 K 1765/13.F –.

Vgl. statt vieler Breuer, in: HdbStR VIII (Fn. 25), § 170 Rn. 84; Stern, Staatsrecht IV/1, 2006, § 111, S. 1893 f.

Insoweit auch VG Frankfurt a.M., Urteil v. 14.10.2005 – 1 E 2004/05 –, Rn. 33.

– 8 TG 3493/94 –, Rn. 23.

BVerfG, NJW 2013, S. 3357 (3358); vgl. bereits BVerfGE 21, 173 (181); ausführlich hierzu Stern, Staatsrecht (Fn. 28), S. 1894; Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2014, Art. 12 Rn. 140.

Vgl. nur BVerfGE 9, 338 (345); BVerfGE 64, 72 (82).

Ebenso HessVGH, Beschluss v. 13.02.1995 – 8 TG 3493/94 –, Rn. 23.

Zu ihnen VG Frankfurt a.M., Urteil v. 23.01.2003 (Fn. 14).

HessVGH, Beschluss v. 13.02.1995 (Fn. 26), Rn. 23.

347

Abhandlungen einer unabhängigen Beratung) „nicht durch ein anderes Mittel erreicht werden kann, das den Grundrechtsträger weniger belastet“36. Bei der Einschätzung darüber, ob andere Mittel überhaupt zur Verfügung stehen und falls ja, ob sie gleich wirksam sind, kommt dem Gesetzgeber ein gewisser Spielraum zu, den das BVerfG respektiert, indem es seine Kontrolle reduziert. Hierbei ist die Rechtsprechung freilich uneinheitlich, indem die Kontrollmaßstäbe des Gerichts von schlichter Evidenzkontrolle, über Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu intensiver inhaltlicher Kontrolle reichen37. Bei der Bestimmung des jeweils relevanten Kontrollmaßstabs wirkt sich aus, ob es sich um eine reine Berufsausübungsregelung handelt oder ob (wie im vorliegenden Fall) Elemente einer Berufswahlbeschränkung erkennbar sind. Wie oben (IV. 2.) festgestellt, betreffen die absoluten Betätigungsverbote der BAFA-Programme die Entscheidung für die Wahl des Berufs eines Gebäudeenergieberaters als Zweitberuf zum bereits zuvor gewählten Handwerksberuf, weswegen eine schlichte Evidenzkontrolle der vom Urheber der Verwaltungsvorschriften angestellten Überlegungen zu kurz greifen würde.

Daraus ergeben sich die folgenden Konsequenzen: Bei den beiden KfW-Programmen „Bauen“ bzw. „Sanieren“ sind keine milderen, gleich wirksamen Mittel zur Sicherung der Unabhängigkeit der Energieberatung ersichtlich. Das dort vorgesehene relative Betätigungsverbot schließt Gebäudeenergieberater des Handwerks nicht vollständig von der öffentlich geförderten Energieberatung aus, sondern nur dann, wenn sie parallel die den Beratungsgegenstand bildenden Ausführungsleistungen erbringen wollen. Nimmt man hinzu, dass jenseits der öffentlich geförderten Beratung weitere Betätigungsmöglichkeiten bestehen, so handelt es sich um eine dem Übermaßverbot entsprechende Ausgestaltung.

Misst man das absolute Betätigungsverbot der BAFA-Programme am Maßstab des Übermaßverbots, so drängt sich sofort als milderes Mittel auch dort die Statuierung eines bloß relativen Betätigungsverbots auf. Dieses könnte in Orientierung (beispielsweise) am KfW-Programm „Energieeffizient Bauen“ dahingehend formuliert sein, dass neben einer Beratung für das Vorhaben keine bauausführenden Tätigkeiten möglich sind, d.h. dass weder ein „Inhaber-, Gesellschafts- oder Beschäftigungsverhältnis zu den bauausführenden Handwerksunternehmen“ bestehen darf (nach Seite 2 des KfW-Bauen-Programms). Zur formalen Absicherung könnten die Fördervoraussetzungen dahingehend ergänzt werden, dass die Berater eine Erklärung beifügen müssen, wonach sie sich an der nachfolgenden Bauausführung nicht beteiligen werden. Eine zusätzliche Absicherung könnte darin bestehen, die letztlich förderbegünstigten Gebäudeeigentümer dazu zu verpflichten, zusätzlich zu den bereits bislang als „zuwendungserheblich“ eingestuften Unterlagen (nach Ziff. 8.3 Abs. 3 des BAFA-Mittelstand-Programms) auch die Rechnungen über die nach erfolgter VorOrt-Beratung durchgeführten Baumaßnahmen „mindestens fünf Jahre lang vorzuhalten“; sollte sich bei einer während dieses Zeitraums schon bislang möglichen Überprüfung herausstellen, dass die Bauausführung durch den Handwerksbetrieb des Beraters durchgeführt worden ist, könnte die Zuwendung zurückgefordert werden.

Die bislang (soweit ersichtlich) zum Erfordernis der Unabhängigkeit in der Gebäudeenergieberatung ergangenen Gerichtsentscheidungen, der Beschluss des HessVGH vom 01.03.201038 und das Urteil des VG Frankfurt a.M. vom 28.08.201339, haben mildere Mittel gegenüber dem absolu348

ten Betätigungsverbot erst gar nicht ins Auge gefasst, weil sie sich (wie bereits oben IV. 1. festgestellt) mit dem Berufsfreiheitsgrundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG gar nicht auseinandergesetzt haben. Das Gleiche gilt für das Urteil des VG Frankfurt a.M. vom 29.11.200540, in dem es aber immerhin für vereinbar mit dem Ziel der Sicherung der Unabhängigkeit der Gebäudeenergieberatung angesehen wird, dass Architekten nicht in das absolute Betätigungsverbot bei der Vor-Ort-Beratung einbezogen sind.

Der einzige Gesichtspunkt, der – bei gleichzeitiger Anerkennung eines weiten Einschätzungsspielraums zugunsten des Richtliniengebers – die Annahme eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot entfallen lassen könnte, ist der Gedanke der Verwaltungsökonomie. So ist allgemein anerkannt, dass die in Betracht kommenden milderen Mittel „nicht merklich höhere Aufwendungen der öffentlichen Hand notwendig“ machen dürfen41. Das VG Frankfurt a.M. formuliert freilich ausschließlich im Kontext des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG in seinem Urteil vom 28.08.

201342 dementsprechend, dass sich das BAFA-Programm „aufgrund der Vielzahl der zu bearbeitenden Antragsverfahren … auf eine generalisierende Betrachtungsweise stützen und demzufolge Vor-Ort-Beratungen von Schornsteinfegern grundsätzlich von der Förderung ausschließen“ können müsse. M.E. wirkt diese Argumentation nicht nur recht pauschal, sie wird auch dem eingangs (IV. 1. u. 2.) sichtbar gemachten berufsfreiheitsgrundrechtlichen Hintergrund nicht gerecht.

Da das absolute Betätigungsverbot der BAFA-Programme die Wahl des Berufs des Gebäudeenergieberaters erheblich beeinträchtigt, sind strengere Anforderungen an seine Rechtfertigung zu stellen. In Anlehnung an den Beschluss der Zweiten Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 23.08.

201343 ist vielmehr festzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Situationen dieser Art „Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unvereinbarkeitsregelungen“ gebietet, weil „die Beschränkung der Berufswahlfreiheit dem Betroffenen nur zumutbar ist, wenn der Unvereinbarkeitsgrundsatz nicht starr gehandhabt wird.“ Sodann heißt es: „Die Einführung einer Berufswahlschranke hinsichtlich gewerblicher Tätigkeiten ist nur dort erforderlich und zumutbar, wo die Gefahr einer Interessenkollision sich deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregeln zu bannen ist.“ Da im vorliegenden Zusammenhang in Gestalt der ja auch in den KfW-Programmen praktizierten relativen Betätigungsverbote Berufsausübungsregeln möglich sind, bestehen m.E. erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der absoluten Betätigungsverbote in den BAFA-Programmen mit dem Übermaßverbot. d) Keine Angemessenheit im Hinblick auf die Sicherung der Unabhängigkeit Sodann darf der Eingriff in das Berufsfreiheitsgrundrecht nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck stehen, d.h. er muss „angemessen“ sein. Dies erfordert eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und 36 37 38 39 40 41 42 43

BVerfGE 30, 292 (316); BVerfGE 53, 135 (145); BVerfGE 106, 216 (219); BVerfGE 117, 163 (189).

Nachvollziehbar mit zahlreichen Belegen bei Mann, in: Sachs (Fn. 31), Art. 12 Rn. 145.

– 11 A 2800/09.Z –.

– 5 K 1765/13.F –.

– 1 E 2317/05 –.

BVerfGE 77, 84 (110).

– 5 K 1765/13.F –, S. 5.

– 1 BvR 291/11 –, NJW 2013, S. 3357 (3358).

GewArch 2015/9

Abhandlungen dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe. Wird die „Grenze der Zumutbarkeit“ überschritten, so ist der betreffende Eingriff verfassungswidrig44. Dabei kommt es wiederum auf den Charakter der zu prüfenden Eingriffsmaßnahme an. Je tiefer in die Berufsfreiheit eingegriffen wird, d.h. je eher auch Elemente einer Berufswahlregelung vorliegen, desto größer muss das Gewicht des verfolgten Zwecks sein45. Die zu 3. a) angestellten Überlegungen zu den hier verfolgten Gemeinwohlzwecken haben ergeben, dass das Ziel der Sicherung der Unabhängigkeit der Gebäudeenergieberatung zum einen im Interesse der Erzielung möglichst richtiger Beratungsergebnisse (1) und zum anderen im Interesse der Akzeptanzsteigerung (2) gegenüber den beratenen Gebäudeeigentümern verfolgt wird.

(1) Im Hinblick auf den Aspekt der Ergebnisrichtigkeit spielt zuallererst die Qualifikation der Berater die entscheidende Rolle. Namentlich die Gebäudeenergieberater aus dem Handwerk verfügen über eine anerkanntermaßen große, teilweise exklusiv auch die Machbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen einbeziehende Fachkompetenz. Der Gegenstand der Beratung ist durch die Richtlinienprogramme intensiv determiniert, d.h. ganz überwiegend handelt es sich nicht um eine frei-gestalterische Tätigkeit, sondern um eine subsumtionsähnliche Prüftätigkeit. Dabei geht es durchgehend um die Anlage in ihrer Gesamtheit, sowohl im Hinblick auf den Änderungsbedarf (Diagnose) als auch im Hinblick auf die Änderungsmaßnahmen (Therapie). Ein relatives Betätigungsverbot in dem oben (IV. 3. c) näher entfalteten Sinne vermag sicherlich noch einen zu diesen Faktoren hinzu tretenden weiteren Impuls zur Erzielung möglichst richtiger Beratungsergebnisse zu liefern. Ein absolutes Betätigungsverbot scheint aber nicht indiziert, weil mit ihm kein so starker zusätzlicher Effekt zugunsten der Ergebnisrichtigkeit erzielt würde, wie es erforderlich wäre, um diesen so starken Eingriff noch zumutbar erscheinen zu lassen.

(2) Die Akzeptanz bei den beratenen Gebäudeeigentümern ist bereits dadurch sichergestellt, dass diese die Gebäudeenergieberater selbst auswählen und insbesondere die daraufhin vorgeschlagenen Maßnahmen aus eigener Tasche bezahlen (bei den BAFA-Programmen). Zusätzlich akzeptanzsteigernd würde ein relatives Betätigungsverbot nebst der oben vorgeschlagenen Pflicht zur Abgabe einer Erklärung und das Eingreifen des skizzierten Sanktionsarsenals (IV. 3. c) wirken. Ein absolutes Betätigungsverbot erscheint angesichts der hier obwaltenden Umstände nicht mehr angemessen; es ist Ausdruck eines paternalistischen Verständnisses, das sich anmaßt, die Auswahl eines möglichst vertrauenswürdigen Gebäudeenergieberaters als fernab von den Verhältnissen vor Ort sitzende Behörde besser beurteilen zu können als der konkret vor Ort betroffene Gebäudeeigentümer. Ermöglichte man diesem die freie Entscheidung zugunsten des Handwerkers seines Vertrauens als Vor-Ort-Berater (bei gleichzeitigem Ausschluss von den sich daraus ergebenden späteren bauausführenden Tätigkeiten), so dürfte dies die Akzeptanz der Beratung und damit die Verbesserung der Energieeffizienz (um die es ja eigentlich geht) eher steigern.

Nun wird zwar auch bezüglich der Angemessenheit des Eingriffs in die Berufsfreiheit ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers angenommen. Dieser beruht auf der „Komplexität der wirtschaftlichen Sachverhalte, deren aktueller Status häufig nur schwer zu ermitteln und deren zukünftige Entwicklung noch schwerer vorherzusagen GewArch 2015/9

ist“46. Der Gesetzgeber darf daher insoweit nicht einer ExPost-Kontrolle durch die Verfassungsgerichtsbarkeit unterworfen werden. Vielmehr nimmt das Gericht häufig lediglich eine Art „Vertretbarkeitskontrolle“ vor 47. Im Hinblick auf das hier zu beurteilenden absolute Betätigungsverbot in den BAFA-Programmen geht es allerdings nicht um hochkomplexe wirtschaftliche Entwicklungen oder um Prognoseentscheidungen im Hinblick auf sozial- bzw. gesellschaftspolitische Zukunftsfragen. Vielmehr lässt sich ohne weiteres feststellen, dass den zwar legitimen Aspekten der Ergebnisrichtigkeit und der Akzeptanzsicherung bei den beratenden Gebäudeeigentümern ein vergleichsweise starkes, da undifferenziert-pauschal wirkendes Eingriffsmittel gegenüber steht. Berücksichtigt man überdies auch hier, dass es um mehr als um eine reine Berufsausübungsregelung geht, so ist m.E. der dem Gesetzgeber grundsätzlich eröffnete Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die Angemessenheit überschritten. Das absolute Betätigungsverbot der BAFA-Programme erweist sich mithin bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn angeblich rechtfertigenden Gründe als unzumutbar.

V. Zusammenfassung Während das in den KfW-Förderprogrammen vorgesehene relative Betätigungsverbot zulasten von Gebäudeenergieberatern des Handwerks mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar ist, bestehen im Hinblick auf das in den BAFA-Programmen vorgesehene absolute Betätigungsverbot erhebliche Zweifel im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot. Jedenfalls erweist sich das absolute Betätigungsverbot bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere seiner Eingriffswirkung und dem Gewicht des Gemeinwohlziels als unzumutbar. Das legitime Ziel der Sicherstellung einer unabhängigen Beratung rechtfertigt mithin nicht jedes Mittel, zumal mit objektiv berufsregelnder Tendenz die Wahl des Berufs eines Gebäudeenergieberaters als Zweitberuf betroffen ist. Abgesehen davon sind auch keine sachlichen Gründe dafür erkennbar, dass in den BAFA-Programmen die typischerweise von Architekten erbrachten „Planungs- und Ausschreibungsleistungen sowie die Übernahme von Baubegleitungen oder Bauleitungen im Anschluss an eine Vor-Ort-Beratung“ explizit von der Regelvermutung der fehlenden Unabhängigkeit bei Bestehen „wirtschaftlicher Interessen“ ausgenommen werden. Damit wird gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen48. Die Verwaltungsvorschriften für die Vor-Ort-Beratung müssen daher insoweit geändert werden, einzelne Ablehnungsentscheidungen können nicht auf die den Gebäudeenergieberatern des Handwerks angeblich fehlende Unabhängigkeit gestützt werden. Förderinteressenten aus dem Handwerk bzw. antragsberechtigte Unternehmen aus dem Mittelstand können sich hierauf auch vor den Verwaltungsgerichten berufen.

44 45 46 47 48

Vgl. BVerfGE 102, 197 (220); BVerfGE 107, 163 (192 f.).

Vgl. statt vieler Jarass, in: Ders./Pieroth (Hrsg.), GG, 13. Aufl. 2014, Art. 12 Rn. 44.

Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 116.

BVerfGE 90, 200 (333 ff.).

Mit der Konsequenz, dass auch bei den Handwerkern entsprechend zu verfahren ist; näher hierzu Burgi, Rechtliche Beurteilung der Betätigungsverbote für Gebäudeenergieberater des Handwerks in Förderprogrammen des Bundes, 2015, i.E. (Schriftenreihe des Deutschen-Handwerks-Instituts).

349

Abhandlungen

Priv.-Doz. Dr.iur. Dipl.sc.pol.Univ. Thomas Holzner, Bayreuth*

Anforderungen an behördliche Verbraucherschlichtungsstellen – Anmerkungen zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz) – A. Einleitung Zur Umsetzung der ADR-Richtlinie1, nach der die Mitgliedstaaten bis zum 09.07.2015 verpflichtet sind2, Verbrauchern bei Streitigkeiten mit Unternehmen über „Kaufverträge“ oder „Dienstleistungsverträge“ eine außergerichtliche Streitbeilegung durch Schlichtungsstellen zu ermöglichen, wurde nunmehr von der Bundesregierung ein Entwurf eines Gesetzes über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz – VSBG, im Folgenden: VSBG-RegE) vorgelegt3. Ziel ist es, Verbrauchern eine unparteiliche, unabhängige und transparente sowie kompetente und kostengünstige Möglichkeit zu eröffnen, ihre Rechte aus einem Vertrag gegenüber einem Unternehmer in einem außergerichtlichen Verfahren geltend zu machen, das den gesetzlich vorgegebenen Qualitätsstandards genügt und staatlicherseits abgesichert ist, ohne die Möglichkeit zu verlieren, gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen.

Der VSBG-RegE regelt daher die Einrichtung von privaten und behördlichen Schlichtungsstellen, wobei der Schwerpunkt auf den Anforderungen an private Verbraucherschlichtungsstellen liegt, auf die er bezüglich der behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen unter teilweiser Modifikation der Regelungen verweist4. Dem folgend skizziert der nachfolgende Beitrag zuerst (B.) die allgemeinen Anforderungen an behördliche Schlichtungsstellen, die diese mit den privaten gemein haben, ehe (C.) die besonderen Anforderungen und Modifikationen dargestellt werden und (D.) eine kurze Zusammenfassung und abschließende Bewertung erfolgt.

B. Allgemeine Anforderungen an behördliche Schlichtungsstellen Grundsätzlich ist der VSBG-RegE bemüht, die sowohl für behördliche als auch private Schlichtungsstellen gemeinsam geltenden Anforderungen ausgehend von letzteren allgemein zu formulieren und durch die Inbezugnahme auch für die behördlichen Schlichtungsstellen anzuwenden. Im Folgenden werden daher kurz die für beide Schlichtungsstellen geltenden Anforderungen in Bezug auf die (I.) Zuständigkeit, die (II.) Streitmittler und das (III.) Verfahren vorgestellt.

I. Zuständigkeit Die behördlichen Schlichtungsstellen sind zur Schlichtung von Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus einem Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB oder über das Bestehen eines solchen zuständig, sofern der Unternehmer im Inland niedergelassen ist5. In diesem Falle führt sie die Bezeichnung „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle“6. Sie kann jedoch ihre Zuständigkeit auch begrenzen und ihre Tätigkeit auf bestimmte Wirtschaftsbereiche, Vertragstypen oder Unternehmer beschränken7.

II. Anforderungen an die Streitmittler Die Streitmittler sollen Gewähr für eine „unparteiische und faire Verfahrensführung“8 bieten und unabhängig sein. Voraussetzung hierfür ist zum einen die fachliche Kompetenz9. Gefordert wird dafür, dass die Streitmittler über allgemeine Kenntnisse verfügen wie auch Fachwissen und Fähigkeiten besitzen, die für die Beilegung der Streitigkeiten, für welche die Ver350

braucherschlichtungsstelle zuständig ist, notwendig sind10.

Konkreteren Anforderungen enthält sich der VSBG-RegE. Insbesondere wird die Befähigung zum Richteramt, obgleich sie bei anderen Schlichtungsverfahren Voraussetzung ist11, nicht verlangt. Hierdurch soll der Verbraucherschlichtungsstelle ausreichender Spielraum belassen werden, je nach Sachgebiet und Streitigkeit sowie nach Art des Streitbeilegungsverfahrens angemessen qualifizierte Streitmittler auszuwählen12.

Da die Schlichtung auf Freiwilligkeit basiert13 und sie daher ihren Zweck, Gerichtsverfahren zu vermeiden und Streitigkeiten möglichst rasch, kostengünstig und endgültig zu schlichten, nur erfüllen kann, wenn in die schlichtende Stelle und insbesondere in ihre Unparteilichkeit ausreichendes Vertrauen besteht und so dem Schlichtungsvorschlag höhere Akzeptanz zukommt, ordnet der VSBG-RegE an, dass die Streitmittler eine Karenzzeit von drei Jahren einzuhalten haben, in der sie nicht für einen zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle verpflichteten Unternehmer, für ein mit diesem verbundenes Unternehmen oder für einen Verband, dem ein solcher Unternehmer angehört und der Unternehmerinteressen in dem Tätigkeitsbereich der Schlichtungsstelle oder der Verbraucherinteressen in dem Wirtschaftsbereich wahrnimmt, der in die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle fällt, tätig werden14.

Die Unabhängigkeit der Streitmittler soll weiter durch deren Weisungsfreiheit gewährleistet werden15. So dürfen die Streitmittler nicht von einer der Schlichtungsparteien bzgl. solcher Fragen, welche die Stellung des Streitmittlers bei der *

1

2 3

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

15

Der Autor ist Privatdozent und Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Universität Bayreuth und vertritt derzeit einen Lehrstuhl an der Universität Hannover. „alternative dispute resolution“, Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten.

Art. 25 RL 2013/11/EU. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (VSBG-RegE). Dieser basiert auf dem gleichnamigen Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, dazu Wiemers, WiVerw 2014, 291 ff.; Weiden, GRUR 2015, 153 ff.; Zwickel, NZM 2014, 18 ff.; Eidenmüller/Engel, ZIP 2013, 1704 ff.; Engel, Stellungnahmen der Verbände zum RefE VSBG, www.verbraucherstreitbeilegung.de, aufgerufen am 18.02.2015; ders., AnwBl 2013, 478 ff.; Hirsch, VuR, 2014, 205 ff.; ders., NJW 2013, 2088 ff.; Roth, JZ 2013, 637 ff.; Meller-Hannich/ Höland/Krausbeck, ZEuP 2014, 8 ff.; Hakenberg, EWS 2014, 181 ff.; Berlin, ZKM 2013, 108 ff.; ders., RRa 2014, 210 ff.; Wagner, ZKM 2013, 104 ff.; Rühl, ZRP 2014, 8 ff.; Deutlmoser/Engel, MMR 2012, 433 ff.; Tonner, RRa 2014, 234 ff. § 28 VSBG-RegE. Daneben bleiben die Anforderungen aus spezialgesetzlichen Regelungen unberührt. §§ 4 I, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 4 II 2, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 4 II 1, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 6 I, 28 S. 1 VSBG-RegE. Hakenberg, EWS 2014, 181 (188). §§ 6 II, 28 S. 1 VSBG-RegE. Z.B. §§ 1 II 1 i.V.m. 7 II Nr. 1, III Nr. 1 SchlichtVerfG; §§ 1 I 2 i.V.m. 11 II 2 Nr. 1 KASchlichtV; § 4 III 1 LuftSchlichtV. B. Zu § 6, Zu Absatz 2 RegE, S. 69 f. Sachverständige Kenntnisse dagegen nicht für erforderlich haltend Wiemers, WiVerw 2014, 291 (293).

Hakenberg, EWS 2014, 181 (185); Hirsch, NJW 2013, 2088 (2090); Berlin, ZKM 2013, 108 ff. §§ 6 III, 28 S. 1 VSBG-RegE. Diese Vorschrift geht über die von der RL 2013/11/EU aufgestellten Anforderungen hinaus. Kritisch hierzu die Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer, S. 5. §§ 7 I 1, 28 S. 1 VSBG-RegE.

GewArch 2015/9

Abhandlungen Durchführung des Schlichtungsverfahrens berühren, weisungsabhängig sein. Diese Voraussetzung ist von der Verbraucherschlichtungsstelle durch die Verfahrensordnung oder Satzung zu gewährleisten16, wie hierzu auch Offenbarungspflichten des Streitmittlers gegenüber der Verbraucherschlichtungsstelle und den Parteien angeordnet sind17.

Ebenso besteht eine Verschwiegenheitspflicht nach § 22 VSBG-RegE unter Verweis auf § 4 MediationsG, um die Parteien davor zu schützen, dass Informationen, die diese im Zuge des Streitbeilegungsverfahrens übermitteln, ohne deren Zustimmung weitergegeben werden, da andernfalls der Informationsfluss gehemmt und keine ausreichende Informationsgrundlage für ein Schlichtungsverfahren bestehen würde und die Hürde, sich an Schlichtungsstellen zu wenden, angehoben wäre18.

Die Verbraucherschlichtungsstelle kann die Streitmittlung einem Kollegialorgan übertragen, in dem die Interessen von Verbrauchern und Unternehmern paritätisch vertreten sind.

Da durch diese paritätische Besetzung gewährleistet ist, dass keines der Interessen überwiegt und das Gremium auf einen Interessenausgleich für die Entscheidung angewiesen ist, bedarf es der Anordnung von Karenzzeiten für diejenigen Mitglieder, die Unternehmensinteressen vertreten, nicht19.

Weitere neutrale Mitglieder können ebenfalls in das Gremium aufgenommen werden, für die dann auch wieder die Karenzzeit gilt, um deren unabhängigen Status zu bewahren.

Erfüllt der Streitmittler die Anforderungen an eine unabhängige und unparteiische Ausübung der Tätigkeit nicht mehr, kann er abberufen werden. Ebenso kann er aus anderen, vergleichbar wichtigen Gründen abbestellt werden20. Ansonsten soll die Amtsdauer drei Jahre nicht unterschreiten, um dem Streitmittler eine unabhängige Aufgabenerfüllung zu ermöglichen21. Eine Wiederbestellung ist möglich22.

III. Anforderungen an das Verfahren Das Verfahren wird auf Antrag eines Verbrauchers eingeleitet23, sofern keine Ablehnungsgründe bestehen24, und kann grundsätzlich25 auch wieder auf Wunsch der Parteien beendet werden26. Dies ist Ausdruck der Freiwilligkeit des Schlichtungsverfahrens. Die Verfahrenssprache ist grundsätzlich Deutsch, wobei andere Verfahrenssprachen von der Verfahrensordnung zugelassen werden können27. Für die Durchführung des Verfahrens in einer anderen Sprache ist die Zustimmung der Parteien erforderlich28. Eine Vertretung der Beteiligten darf nicht vorgeschrieben werden, ist jedoch durch einen Rechtsanwalt oder nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz möglich, so dass auch z.B. Vereinigungen für ihre Mitglieder, Verbraucherzentralen oder mit öffentlichen Mitteln geförderte Verbraucherverbände auftreten können29.

Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör und können Tatsachen und Bewertungen vorbringen30. Die Verbraucherschlichtungsstelle kann hierfür eine angemessene Frist setzen31. Des Weiteren bestehen Informations-32, Benachrichtigungs-33 und Unterrichtungspflichten34.

Das genaue Verfahren ist in einer Verfahrensordnung niederzulegen35, die den Vorgaben des VSBG-RegE entsprechen muss36. Die Verfahrensordnung soll der Transparenz des Verfahrens dienen und so zur Zustimmung der Parteien beitragen37. In dieser wird auch festgelegt, ob der Streitmittler den Parteien einen Schlichtungsvorschlag zu unterbreiten hat oder lediglich den Inhalt der Einigung über die Beilegung der Streitigkeit oder einen Hinweis auf die Nichteinigung übermitteln muss38. Insoweit legt der VSBG-RegE die Schlichtungsstellen nicht auf ein bestimmtes Verfahren zur GewArch 2015/9

Konfliktbeilegung fest. Zur Verfahrensbeschleunigung hat die Übermittlung innerhalb von 90 Tagen nach Eingang der vollständigen Beschwerdeakte zu erfolgen39. Dabei ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeakte dann vollständig ist, wenn beide Parteien ausreichend Gelegenheit hatten, nicht nur ihren eigenen Standpunkt und ihr Anliegen vorzutragen, sondern auch zu dem Vorbringen der Gegenpartei sowie etwaigen eingeholten Gutachten oder verfahrensrelevanten Äußerungen Dritter Stellung zu nehmen40. Die Frist kann mit Zustimmung der Parteien oder bei besonders schwierigen Streitigkeiten verlängert werden, wovon die Parteien zu unterrichten sind41, wie sie auch z.B. durch die Verfahrensordnung verkürzt werden kann42.

Die durchgeführten Konfliktbeilegungsverfahren dürfen dem Verbraucher keine verbindlichen Entscheidungen auferlegen. Der Verbraucher darf weder verpflichtet werden, sich einem ihm noch unbekannten Schlichtungsvorschlag zu unterwerfen, noch darf sein Zugang zu Gericht über die Dauer des Schlichtungsverfahrens hinaus ausgeschlossen werden43.

C. Besondere Anforderungen an behördliche Schlichtungsstellen Unterschiede ergeben sich für die behördlichen Schlichtungsstellen im Vergleich zu den privaten Schlichtungsstellen zum einen ausdrücklich durch die fehlende Inbezugnahme von Vorschriften des VSBG-RegE, zum anderen durch die lediglich „sinngemäße“ Anwendung der Vorschriften, auf die § 28 VSBG-RegE verweist, so dass die Besonderheiten der Angliederung an staatliche Stellen Berücksichtigung finden kann. Im Folgenden wird auf die Besonderheiten bzgl. der (I.) Zuständigkeit, der (II.) Weisungsgebundenheit der behördlichen Streitmittler, die (III.) Substitution der staatlichen Anerkennung durch die Staatsaufsicht, die (IV.) Finanzierung durch Gebühren statt durch eine Vergütung sowie die (V.) Beteiligung von Verbraucherverbänden eingegangen.

I. Unterschiede bzgl. der Zuständigkeit: nur subsidiäre Zuständigkeit Die im VSBG-RegE getroffene Unterscheidung zwischen privaten und behördlichen Schlichtungsstellen ist nicht neu, 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

§§ 7 II VSBG-RegE ist auf behördliche Schlichtungsstellen nicht anwendbar, § 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 7 III, IV, 28 S. 1 VSBG-RegE. Die Parteien können dem Streitmittler das weitere Tätigwerden jedoch erlauben.

B. Zu § 22 RegE, S. 81. §§ 7 V, 28 S. 1 VSBG-RegE. B. Zu § 8, Zu Absatz 2 RegE, S. 72. §§ 8, 28 S. 1 VSBG-RegE. Anderweitige Rechtsvorschriften, welche die Amtsdauer betreffen, bleiben unberührt. §§ 8 I 2, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 4 I, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 14, 28 S. 1 VSBG-RegE. Zu den Ausnahmen §§ 15 II, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 15, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 12 I, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 12 II, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 13, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 17 I 1, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 17 I 2, 28 S. 1 VSBG-RegE. Z.B. §§ 10, 19 III 1, 28 S. 1 VSBG-RegE. Z.B. §§ 17 I 2, 28 S. 1 VSBG-RegE. Z.B. §§ 16, 20 III 2, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 5, 28 S. 1 VSBG-RegE. Vgl. § 24 S. 1 VSBG-RegE. B. Zu § 5, Zu Absatz 1 RegE, S. 67 f. §§ 19 I, 28 S. 1 VSBG-RegE. §§ 20 II, 28 S. 1 VSBG-RegE. B. Zu § 20 RegE, S. 80. §§ 20 III, 28 S. 1 VSBG-RegE. B. Zu § 20 RegE, S. 80. §§ 5 II, 28 S. 1 VSBG-RegE.

351

Abhandlungen sondern führt das bislang bestehende Organisationsmodell der Verbraucherschlichtung fort. So bestehen bereits behördliche Schlichtungsstellen für Ansprüche von Fluggästen gegen Luftfahrtunternehmen beim Bundesamt für Justiz44, für Ansprüche von Verbrauchern gegen Finanzdienstleister bei der Deutschen Bundesbank45 und für Ansprüche von Verbrauchern nach dem Kapitalanlagegesetzbuch bei der Bundesanstalt für Finanzaufsicht46. Diese Schlichtungsstellen können nur dann angerufen werden, wenn der Zugang zu privaten Schlichtungsstellen in diesen Wirtschaftsbereichen verwehrt ist. Dem folgend sind auch die behördlichen Schlichtungsstellen nach dem VSBG-RegE gegenüber den privaten nachrangig und daher lediglich subsidiär anzurufen47. Den behördlichen Schlichtungsstellen kommt vielmehr Auffangfunktion zu, um Verbrauchern die von der ADR-Richtlinie geforderte Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung auch dann zu gewähren, wenn keine private Stelle vorhanden ist. Sie sollen insoweit Lücken schließen. Aus diesem Grunde wird die Zuständigkeit behördlicher Auffangschlichtungsstellen auf den von der Richtlinie eingeforderten Pflichtbereich begrenzt48 wie auch die Schlichtungsstellen bei den Ländern eingerichtet werden, um die Auffangfunktion möglichst flächendeckend zu erfüllen.

II. Weisungsfreiheit der Streitmittler?

Die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Streitmittler wird von dem von § 28 S. 1 VSBG-RegE in Bezug genommenen § 7 Abs. 1 VSBG-RegE auch für behördliche Verbraucherschlichtungsstellen eingefordert. Dabei sei die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Streitmittler bei behördlichen Schlichtungsstellen bereits durch deren Anbindung an eine staatliche Stelle und deren Verpflichtung allein auf Recht und Gesetz gewährleistet49. Es ist sicher richtig, dass behördliche Stellen an Recht und Gesetz gebunden sind. Da Schlichtungen jedoch regelmäßig nicht in vollständig gesetzesdeterminierten Bereichen erfolgen, sondern einen vom Gesetz gewährten Spielraum für eigene Entscheidungen voraussetzen und damit gerade der vom Gesetzgeber gewollte Spielraum für den Interessenausgleich genutzt werden muss, ist es zur Vermeidung von Bevorzugungen der Interessen der Unternehmer im Rahmen des vorgegebenen Spielraums erforderlich, dass die Karenzzeit auch auf behördliche Streitmittler angewandt wird, um ein eventuell bestehendes Näheverhältnis zumindest abzuschwächen50. Dies sieht der VSBG-RegE vor51.

Gleichzeitig geht der Regierungsentwurf davon aus, dass eine weitgehende Interessenunabhängigkeit dadurch zu sichern sei, dass ein Streitmittler innerhalb einer Behördenstruktur im Rahmen seiner Streitbeilegungsaufgabe weisungsfrei gestellt werden müsse52. Geht man vom Zweck der Weisungsfreiheit des Streitmittlers aus, der darin zu sehen ist, dass er seine Aufgabe neutral und unabhängig von Einflüssen der beteiligten Gruppen in Form von Verbrauchern und Unternehmern wahrnimmt, so ist zwar sicherzustellen, dass der behördliche Streitmittler keinen Weisungen dieser beiden Gruppen unterliegt, was jedoch regelmäßig nicht der Fall sein dürfte. Weshalb er auch keinen Weisungen einer übergeordneten Behörde unterliegen soll, erschließt sich dagegen nicht. Eine derartige Weisungsfreiheit ist insbesondere dann nicht erforderlich, wenn die weisungsbefugte Stelle selbst kein Parteigänger ist und damit die Weisungsbefugnis neutral im Sinne der Sachgerechtigkeit ausübt. Hiervon geht der Regierungsentwurf selbst aus, 352

der gerade die Anbindung an eine staatliche Stelle und die Bindung an Recht und Gesetz für die Gewährleistung von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ausreichen lässt53.

Darüber hinaus besteht für den Weisungsunterworfenen bei interesseneingefärbten Weisungen die Möglichkeit der Remonstration. Sollte auch dies als nicht ausreichend für die Gewährleistung der neutralen Schlichtertätigkeit erachtet werden, so könnte die neutrale Wahrnehmung der Weisungsbefugnisse durch die Anordnung einer Karenzzeit auch für die weisungsbefugten Stellen gesichert werden.

Vor diesem Hintergrund ist eine Weisungsfreistellung der behördlichen Streitmittler nicht erforderlich. Sogar unabdingbar wird die Weisungsabhängigkeit vor dem Hintergrund, dass bei behördlichen im Gegenteil zu den privaten Schlichtungsstellen kein Anerkennungsverfahren durchgeführt wird.

III. Staatliche Aufsicht statt Anerkennungsverfahren (§§ 24 ff.

VSBG-RegE) Das Anerkennungsverfahren privater Schlichtungsstellen54 soll sicherstellen, dass diese die gesetzlichen Anforderungen und ihre Aufgaben erfüllen können. Die Anerkennung durch Verwaltungsakt soll die Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards bezeugen und dadurch der Stelle zu höherer Akzeptanz verhelfen55. Als Folge der Anerkennung wird die Einrichtung u.a. in die Liste anerkannter Verbraucherschlichtungsstellen aufgenommen, die den zuständigen Behörden zugänglich gemacht wird56.

Richtigerweise bezeichnet auch der Regierungsentwurf ein solch förmliches Verfahren zur „Anerkennung“ behördlicher Verbraucherschlichtungsstellen als „systemfremd und unangemessen“57. Begründet wird diese Einschätzung neben der unmittelbaren Gesetzesbindung der Behörden mit der bestehenden staatlichen Aufsicht „durch eine Aufsichtsbehörde, die auch die Einhaltung der Anforderungen nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz und gegebenenfalls nach anderen Rechtsvorschriften überwachen muss und entsprechende Weisungsbefugnisse besitzt“58. Dem ist zuzustimmen, da insoweit bei behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen das Erfordernis staatlicher Kontrolle, wie es bei den privaten Verbraucherschlichtungsstellen besteht, entfällt. Die Kontrolle durch die staatliche Aufsicht ist jedoch nur dann geeignet, das Kontrollverfahren der Anerkennung zu ersetzen, wenn diese auch effektiv ist. Hierzu ist – wie der Regierungsentwurf zutreffend feststellt – das Weisungsrecht von zentraler Bedeutung, so dass auch aus diesem Grunde erforderlich ist, dass die behördlichen Streitmittler weisungsgebunden sind und so die übergeordneten Behörden ihre Einwirkungsmöglichkeit behalten.

Da sich sowohl die staatliche Aufsicht, welche die Anerkennung ersetzt, wie auch diejenige über die Tätigkeit des 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58

§ 57b I LuftVG. § 14 I UKlaG. § 342 I Kapitalanlagegesetzbuch. Zur bisher bestehenden außergerichtlichen Streitbeilegung Wiemers, WiVerw 2014, 291 (296 ff.).

A.III.2.d. RegE, S. 50.

A.III.2.d. RegE, S. 50.

B. Zu § 28 RegE, S. 85.

A.A. Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer, S. 7. §§ 6 III, 28 S. 1 VSBG-RegE. B. Zu § 28 RegE, S. 85.

B. Zu § 28 RegE, S. 85. §§ 24 ff. VSBG-RegE. B. Zu § 22 RegE, S. 82.

Art. 20 II 1, IV, V RL 2013/11/EU. B. Zu § 28 RegE, S. 86.

B. Zu Abschnitt 4 RegE, S. 82; B. Zu § 28 RegE, S. 86.

GewArch 2015/9

Abhandlungen Streitmittlers auf denselben Gegenstand beziehen und damit einer Ausdifferenzierung nicht zugänglich sind, erscheint der Regierungsentwurf in seiner Begründung und Aussage insoweit widersprüchlich zu sein, als er einerseits die Weisungsfreiheit der Streitmittler vor dem Hintergrund des §§ 7 Abs. 1, 28 S. 1 VSBG-RegE einfordert, andererseits mit Blick auf die Entbehrlichkeit eines Anerkennungsverfahrens jedoch gerade auf die staatliche Aufsicht und mit ihr auf ein bestehendes Weisungsrecht abstellt. Insoweit ist die Anordnung durch §§ 7 Abs. 1, 28 S. 1 VSBG-RegE dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass sie sich nur auf die Weisungsfreiheit behördlicher Streitmittler gegenüber an der Streitschlichtung beteiligter (Verbraucher- und Unternehmer-)Gruppen bezieht, dagegen die Weisungsbefugnis übergeordneter staatlicher Stellen hiervon nicht erfasst, sondern erhalten bleibt.

IV. Gebühren statt Vergütung Nicht von § 28 S. 1 VSBG-RegE in Bezug genommen werden konsequenterweise die Vorschriften über die Vergütung sowohl der Streitmittler als auch der Verbraucherschlichtungsstelle59, da die behördlichen Schlichtungsstellen durch Gebühren finanziert werden, die von den am Schlichtungsverfahren Beteiligten erhoben werden60. Da sich aus der ADR-Richtlinie, nach der das Streitbeilegungsverfahren für den Verbraucher grundsätzlich kostenlos zugänglich sein muss und allenfalls eine „Schutzgebühr“ erhoben werden darf 61, und dem Erwägungsgrund 41 der ADR-Richtlinie, nach dem das Verfahren für den Verbraucher allenfalls mit „niedrigen Kosten“ verbunden sein soll, ergibt, dass die Kosten für den Verbraucher niedrig zu halten sind, sind auch die Gebühren dementsprechend zu deckeln.

V. Beteiligung von Verbraucherverbänden bei der Auswahl der Streitmittler bei Körperschaften des öffentlichen Rechts Ordnet der VSBG-RegE an, dass bei privaten Schlichtungsstellen die wesentlichen Entscheidungen über die Struktur und Arbeitsweise unter Beteiligung von Interessenverbänden von Verbrauchern getroffen werden62, um neben einer internen Selbstkontrolle der Einrichtung auch die Neutralität und damit Akzeptanz der Schlichtungsstelle zu gewährleisten63, findet diese Vorschrift auch auf behördliche Schlichtungsstellen Anwendung, sofern die Verbraucherschlichtungsstellen bei Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den Handwerkskammern, der Industrie- und Handelskammer oder einer Berufskammer eingerichtet werden. Dies ist

konsequent, da die berufsständischen Kammern in erster Linie Interessenvertretungen ihrer Mitglieder und damit zumeist der am Schlichtungsverfahren beteiligten Unternehmerseite sind und hierdurch der Versuch unternommen wird, die Unparteilichkeit dieser Schlichtungsstellen zu sichern.

D. Zusammenfassung und abschließende Bewertung Der Regierungsentwurf vermag insbesondere durch die bei den Ländern eingerichteten behördlichen Schlichtungsstellen ein flächendeckendes und ortsnahes Streitschlichtungssystem zu etablieren und so die wesentlichen Punkte der ADR-Richtlinie ausreichend umzusetzen.

Zu bedenken ist jedoch, dass für behördliche Streitmittler die Freiheit von Weisungen übergeordneter Stellen zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit nicht erforderlich ist, da die Gefahr der interessengeleiteten Einflussnahme aufgrund der Bindung an Recht und Gesetz sowie durch die Möglichkeit der Remonstration bei interesseneingefärbten Weisungen nicht besteht und gegebenenfalls durch die Anordnung einer Karenzzeit auch für die weisungsbefugten Stellen begrenzt werden kann.

Die Weisungsunterworfenheit ist dagegen erforderlich, als auf ein Anerkennungsverfahren, das die privaten Schlichtungsstellen behördlicher Kontrolle unterwerfen soll, für behördliche Schlichtungsstellen gerade aufgrund bestehender staatlicher Aufsicht zu Recht verzichtet wird. Voraussetzung für effektive staatliche Aufsicht ist jedoch das Bestehen effektiver Einwirkungsmöglichkeiten der die Aufsicht ausübenden Behörde, welche insbesondere durch die Existenz eines Weisungsrechts verwirklicht wird. Insoweit ist der Regierungsentwurf in sich widersprüchlich, als er die Weisungsfreiheit der Streitmittler einfordert, zugleich jedoch die bestehende staatliche Aufsicht und mit ihr auch das Weisungsrecht als Grund für die Entbehrlichkeit eines Anerkennungsverfahrens heranzieht. Diesem Widerspruch kann jedoch durch eine teleologische Reduktion von §§ 7 Abs. 1, 28 S. 1 VSBG-RegE abgeholfen werden, wodurch die Anordnung der Weisungsfreiheit behördlicher Streitschlichter allein gegenüber an der Streitschlichtung beteiligten (Verbraucher- und Unternehmer-) Gruppen erfolgt, dagegen die Weisungsbefugnis übergeordneter staatlicher Stellen vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen wird und daher bestehen bleibt.

59 60 61 62 63

Z.B. §§ 7 II, 23 VSBG-RegE. A.III.2.d. RegE, S. 50.

Art. 8 lit.c RL 2013/11/EU. § 9 VSBG-RegE. B. Zu § 9, Zu Absatz 1 RegE, S. 73.

Dr. Matthias Wiemers, Berlin*

Das Deutsche Lebensmittelbuch und seine Funktion I. Das Deutsche Lebensmittelbuch in der Kritik Der Skandal um „Analog-Käse“ und „Klebefleisch“ liegt nun schon einige Jahre zurück. Öffentliche Meinung und Vertreter von Verbrauchern waren auf der Suche nach Ursachen dafür, dass Produkte auf dem Markt waren, die – zum großen Teil völlig legal hergestellt und etikettiert – durch eine Produktbezeichnung den Eindruck erwecken konnten, sie seien aus hochwertigeren Inhaltsstoffen zusammengesetzt, als dies angegeben war. Der Gesetzgeber schied bei diesen nach Auffassung Vieler irreführenden Produkten als Schuldiger aus, da die Zusammensetzung von Lebensmitteln in Deutschland nur sehr fragmentarisch „geregelt“ ist1. Sehr GewArch 2015/9

schnell verfiel man sodann darauf, dass es zwar keine Produkt“gesetze“ gibt, die Produktbeschreibungen in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs aber in der Praxis häufig wie Gesetze aufgefasst werden. Verbraucherschützer mussten hierbei auch feststellen, dass sie in den die Leitsätze erstellenden Gremien gewissermaßen allenfalls nur eine „Sperrminorität“ von 25 % hatten, während für Verbraucherschutzthemen in gesetzgebenden Körperschaften regelmäßig echte Mehrheiten zu organisieren sind. * 1

Der Autor ist Rechtsanwalt.

Zum Trend weg vom Missbrauchsprinzip hin zum Verbotsprinzip als Ausdruck vorheriger Regulierung von Produkten s. grdl. von Jagow, ZLR 2007, 479 ff.

353

Abhandlungen II. Der Versuch einer Normativierung der Leitsätze Über mehrere Jahre war zunächst versucht worden die Tätigkeit der Lebensmittelbuch-Kommission zu hinterfragen und Einblick in deren Tätigkeit zu nehmen. So hatte die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch im Jahre 2007 die Bundesrepublik Deutschland auf Herausgabe der Sitzungsprotokolle der Lebensmittelbuch-Kommission verklagt, was die angerufenen Gerichte zurückgewiesen hatten2.

Auf den dann im Jahre 2009 durch einen Bericht des Nachrichtenmagazins Frontal 21 über Käseimitate ausgelösten Lebensmittelskandal reagierte die zuständige Bundesministerin mit der Ausrufung der Initiative „Klarheit und Wahrheit“3. In diesem Zusammenhang wollte man die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs gewissermaßen durch einen „Allgemeinen Teil“ ergänzen, d.h. um Leitsätze, die die „Allgemeinen Grundsätze zu Bezeichnungen, Angaben und Aufmachungen“ von Lebensmitteln hätten enthalten sollen.

Der Ansatz von horizontalen Leitsätzen wurde jedoch in der Folgezeit wieder aufgegeben, nachdem dieser – in seiner Konzeption verfehlte – „Allgemeine Teil“ auf der Plenartagung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission im Februar 2011 nicht die notwendige einstimmige Zustimmung erhalten hatte. Auf der nächsten Sitzung hätte eine DreiviertelMehrheit ausgereicht, die aber ebenfalls nicht erreicht wurde.

Der Streit drehte sich dabei darum, ob es überhaupt zulässig ist, den Leitsätzen – über einen für alle anderen gültigen horizontalen Leitsatz – normative Wirkung zuzumessen.

Schon das Gesetz und seine Begründung sind dahingehend nicht eindeutig, ob den Leitsätzen eine normative Wirkung zukommen kann bzw. soll4.

Der Streit um die (mögliche) Normativität der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs schwelt seit Jahrzehnten. HansJürgen Rabe hat bereits im Jahre 1974 insoweit den Finger in die Wunde gelegt5. Der Gesetzgeber hat es seither vermieden, die von ihm gelegten semantischen Irrwege zu begradigen und eindeutig festzulegen, ob den Leitsätzen nur eine beschreibende Funktion der verkehrsüblichen Beschaffenheit der darin enthaltenen Lebensmittel zukommt, oder ob damit auch – zumindest in einem gewissen Umfang – Produkte und Produktgruppen „geregelt“ werden sollen. Er hat es auch 2011 wieder vermieden, eine Klarstellung unmittelbar im Gesetz vorzunehmen. Dabei hätte man auch eine gesetzliche Grundlage für einen horizontalen Leitsatz schaffen können6.

Wenn das zuständige Bundesministerium 2011 der Auffassung war, dass den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs – unter klarstellender Fortführung der Gesetzesbegründung von 19747 – eine verbindliche Wirkung zukommen soll, hätte es insoweit auch keiner Abstimmung in der Lebensmittelbuch-Kommission bedurft.

III. Evaluierung als Alternative War das Bundesministerium mit seinem Ansinnen, für die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs einen eindeutig normativen Allgemeinen Teil voranzustellen, erfolglos geblieben, so verfiel es im Frühjahr 2014 auf die Alternative, das System des Deutschen Lebensmittel-Buchs und der zugehörigen Kommission einer Evaluierung zu unterziehen und dabei Möglichkeiten einer Verbesserung der Kommissionsarbeit zu eruieren.

Der Evaluierungsauftrag wurde im April letzten Jahres an die Bonner AFC Public Services GmbH erteilt, die von Herrn Professor Dr. Wolfgang Voit von der Forschungsstelle für Lebensmittelrecht an der Universität Marburg unterstützt wurde.

IV. Zur Arbeitsweise der Evaluierer Rechtsfragen, also etwa die im vergangenen Jahr in der Li354

teratur aufgeworfene Frage nach der Legitimation der Lebensmittelbuch-Kommission8, spielten für das Gutachten erkennbar keine zentrale Rolle9 Nach einer Ist-Analyse, die mit Hilfe einer Literatur-Analyse, einiger qualitativer Interviews von Experten10 und sodann einer schriftlichen Befragung der relevanten Stakeholder11 erfolgte, folgte die eigentliche Evaluierung zunächst des Deutschen Lebensmittel-Buchs und sodann der Lebensmittelbuchs-Kommission. Am Schluss werden für beide Evaluierungsgegenstände jeweils Handlungsempfehlungen abgeleitet.

V. Ergebnisse der Evaluierung Der Evaluierungsbericht umfasst gut 200 Seiten. Unter welchen Prämissen die Untersuchung stattfand, ergibt sich ein wenig aus der „Kurzfassung der Forschungsergebnisse“.

Hierin heißt es zu Beginn, es lasse sich in der „Diskrepanz zwischen Hersteller- und Verbrauchervorstellung über die primäre Funktion der Leitsätze ein Zielkonflikt erkennen.“ Die Klarstellung der Zielsetzung und das Übereinbringen der divergierenden Anspruchshaltungen sei damit eine der größten Herausforderungen, die derzeit an das Deutsche Lebensmittelbuch und die Lebensmittelbuchkommission gestellt werden müssten.

Dies kann man vor dem Hintergrund verstehen, dass es in den letzten Jahren die Seite der institutionalisierten Verbraucherschützer, die in der Kommission ein Viertel der Mitglieder stellen, gewesen ist, die mit der formalen Übereinstimmung von Produkten wie „Analog-Käse“ mit den einschlägigen Leitsätzen nicht mehr einverstanden war12.

Der Streitpunkt besteht darin, ob den Leitsätzen überhaupt eine Funktion im Hinblick auf die Verbraucherinformation zukommt. Dies ist eine Frage, die von der Frage der (möglicherweise vorgeschrieben) Produktbeschaffenheit noch einmal scharf zu trennen ist.

Da die Vertreter der Verbraucherschaft offenbar davon ausgehen, dass den Leitsätzen eine „Funktion des Verbraucher2

3

4 5

6

7

8 9 10

11 12

VG Köln und OVG Münster; eine Revision wurde nicht zugelassen, die Beschwerde hiergegen hatte beim BVerwG keinen Erfolg (BVerwG, Beschl. v.

18.07.2011 – 7 B 14.11 –).

Einen letzten Stand dieser Initiative (Frühjahr 2014) erhalten Sie auf der homepage des BMEL unter folgendem link: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/KlarheitUndWahrheitInitiativeZusammenstellung.pdf?__blob =publicationFile.

S. hierzu Wiemers, LMuR 2009, S. 1 ff., 2.

Rabe, Quasi-Gesetzgebung im Lebensmittelrecht, BLL-Schriftenreihe Heft 80; s. a. Wiemers, Die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission nach §§ 15, 16 LFGB – Transformation von Lebensmittelkunde in Lebensmittelrecht, LMuR 2009. S. 1 ff.

Welche damit möglicherweise weiterhin verbundenen rechtlichen Problemstellungen damit aufgeworfen würden – Stichwort: dynamische Verweisung durch Änderung der übrigen, über den horizontalen Leitsatz rechtsverbindliche Leitsätze – soll hier nicht weiter untersucht werden.

Seinerzeit hieß es, „daher (müsse) die Möglichkeit eröffnet werden, in den Leitsätzen gegebenenfalls von der Auffassung bestimmter Verkehrskreise abzuweichen. Es (sollten) künftig nicht nur Beurteilungsmerkmale „festgestellt“, sondern darüber hinaus alle für die Verkehrsfähigkeit bedeutsamen Merkmale „beschrieben“ werden“, wobei den Leitsätzen „über eine bloße Feststellung von Herstellergewohnheiten und Verbrauchererwartungen hinaus eine gestaltende Funktion erlangen, wenn auch grundsätzlich ohne bindende Wirkung“ (zitiert nach Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittel, Kommentar, LFGB, § 15, Rn. 2).

Rixen, Legitimationsdefizite des Lebensmittelrechts – Zur demokratischen Legitimation der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission, DVBl. 2014, S. 949 ff.

Der Aufsatz von Rixen wird in Fußnoten mehrfach zitiert.

Befragt wurden – in etwa 60 bis 90 minütigen Interviews – Mitglieder der Deutschen Lebensmittelbuchs-Kommission und Mitarbeiter des BMEL, Vertreter von Behörden und Wissenschaft, Herstellern, Handel und NGOs, sowie Vertreter von Gerichten und Behörden.

Im Wege einer Online-Befragung wurden 1200 Lebensmittelhersteller, 100 Händler und einige sonstige Personen befragt.

Bezüglich des Analog-Käses lag noch ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 vor, wenn die Bezeichnung „Käse“ verwendet wurde (s. hierzu Krell/Schigulski, Lebensmittelimitate, in: Meyer (Hrsg.), Lebensmittel heute – Qualität & Recht, S. 261 ff., 263).

GewArch 2015/9

Abhandlungen schutzes und des Schutzes vor Täuschung“ zukommt, beklagen sie die „fachspezifische und für den Laien missverständlichen Formulierung der Leitsätze“.

Der Bericht leitet hieraus einen Zielkonflikt ab. Ein simultanes Maximieren sowohl von Herstelleransprüchen als auch von Verbraucheransprüchen an die Leitsätze scheine auf den ersten Blick nicht ohne weiteres realisierbar zu sein13. „Die Klarstellung der Zielsetzung, Bildung von Zielhierarchien und das Übereinbringen der divergierenden Anspruchshaltungen“ sei „damit sicherlich eine der größten Herausforderungen, die derzeit an“ das Lebensmittelbuch und die Kommission gestellt werden müsse.

VI. Empfehlungen Der Evaluierungsbericht fällt – nicht besonders überraschend – nicht so aus, dass etwa die Abschaffung des Lebensmittelbuchs oder der Kommission gefordert würde.

Empfehlungen, die die Berater geben, sind die folgenden: – Konkretisierung der Zieldefinition für das Deutsche Lebensmittelbuch, – Vereinfachungen von Verfahren und Arbeitsweise der Kommission, auch im Hinblick auf eine Verfahrensbeschleunigung, – Schaffung von mehr Transparenz im Meinungsbildungsprozess innerhalb der Kommission und bezüglich des Berufungsverfahrens der Mitglieder, – Schaffung einer zielgruppenorientierten Öffentlichkeitsarbeit.

VII. Kritik Aus den inzwischen erhobenen kritischen Stimmen ist diejenige des Verbraucherzentralen Bundesverbands (vzbv) naturgemäß von besonderer Bedeutung – war doch von den Verbraucherschützern eine erhöhte Erwartungshaltung gegenüber dem Lebensmittebuch entwickelt worden.

In einer aktuellen Stellungnahme vom 27.04.201514 schreibt der vzbv, der Evaluierungsbericht nenne eine Reihe der essentiellen Mängel beziehungsweise Problemfelder von Lebensmittelbuch und Lebensmittelbuch-Kommission, schaffe es jedoch nicht konsequent, „zu den aus Verbrauchersicht zentralen Fragen die notwendigen und ausreichend konkreten Handlungsempfehlungen abzuleiten“.

Zwar seien die Vorschläge zur Erhöhung der Transparenz der Arbeiten der Kommission, einer zielgruppengerechten Darstellung der Leitsätze sowie zur verbesserten Öffentlichkeitsarbeit gut, sie schüfen aber keine substantielle Verbesserung und damit auch keine verbesserte Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. Zu den aus vzbv-Sicht zentralen Fragestellungen mache der Bericht keine konkreten Vorschläge: – Eindeutige Zieldefinition für die Arbeit der Kommission, „in der die steigenden Verbraucheransprüche und das veränderte Verbraucherverständnis Berücksichtigung finden, – Möglichkeiten zur Erfassung der Verbrauchererwartung in den Leitsätzen, – Rolle der Onlineplattform Lebensmittelklarheit im Rahmen der“ Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission15.

Die Art und Weise, wie der vzbv auf die Evaluierung reagiert, überrascht nicht. Es ist auch nicht überraschend, dass auch im Evaluierungsbericht einer erhöhten „Transparenz“ der Kommissionsarbeit das Wort geredet wird. Dem Begriff der Transparenz kommt anscheinend ein nicht mehr hinterfragbarer Eigenwert in unserer Gesellschaft zu, so dass allein der Verwendung des Begriffs tabuisierende Wirkung im Hinblick auf den Fortgang der Diskussion ausübt. Dabei wird allerdings häufig vergessen, dass wir inzwischen in einer Ära der „totalen ÖfGewArch 2015/9

fentlichkeit“ (Otto Depenheuer) leben, die es immer schwerer macht, Sachlichkeit in Vertraulichkeit zu sichern16.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Evaluierungsbericht mitteilt, dass von einigen Mitgliedern der Lebensmittelbuch-Kommission darauf hingewiesen werde, dass „die Politik durchaus auch als eigene Anspruchsgruppe angesehen werden“ könne17. Der Bericht diskutiert in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund entsprechender Erwartungen der organisierten Verbraucherschaft eine Beteiligung der für Verbraucherschutz zuständigen Ressorts an der Kommission, um eine höhere Akzeptanz seitens der Verbraucherschaft für die Leitsätze zu erreichen.

Solchen Überlegungen ist entgegenzuhalten, dass eine weitere Steigerung der „Transparenz“ der Kommissionsarbeit – eventuell gepaart mit der Einschaltung politischer Ressorts in die Gremienarbeit – nur zu einer weiteren Politisierung der Arbeit der Lebensmittelbuchkommission führen würde.

Wenn gegenwärtig – sicher nicht immer zu Unrecht – die Langsamkeit der Kommissionsarbeit bezüglich der Aktualität der in den Leitsätzen beschriebenen Lebensmittel kritisiert wird, dann birgt mehr Transparenz die Gefahr, dass Politisierung zu einer noch weitergehenden Verzögerung der Kommissionsarbeit führt, weil sich diese sodann gar nicht mehr auf Formulierungen würde einigen können18.

Eine Erhöhung der Transparenz des Berufungsverfahrens für Mitglieder der Kommission verbietet sich ebenfalls aus dem Grunde, dass damit eine Politisierung des Verfahrens einhergehen könnte, was aus dem sachverständigen Experten einen Politiker machte, der nicht beschreiben, sondern regulieren will.

VIII. Plädoyer für Tradition und Demut Die Vorschläge, den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs eine Funktion der Verbraucheraufklärung zuzuweisen, können letztlich kaum überzeugen19. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die verkehrsübliche Beschaffenheit von Lebensmitteln zu beschreiben und durch diese Beschreibungen, die aufgrund einer Abstimmung unter Experten erfolgt, unter Umständen den Strafanspruch des Staates aufgrund einer behaupteten Verbrauchertäuschung entfallen zu lassen20. Dass die Leitsätze mitunter eine komplizierte Sprache verwenden, wäre nur schädlich, wenn es nachweislich entweder dazu führte, dass Leitsätze in der gerichtlichen Praxis nicht mehr herangezogen oder dort nicht verstanden würden. Die Leitsätze wenden sich aber eher nicht an Verbraucher, sondern neben den Gerichten an Experten aus allen Bereichen, die in der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission vertreten sind: Hersteller, Behörden, Wissenschaft und organisierte Verbraucherschaft.

Es gibt eben eine Lücke zwischen dem, was Verbraucher und ihre organisierten Vertreter für wünschenswert halten dürfen und was der Staat mit den Sanktionen des Strafrechts durchsetzen darf. Der Rechtsstaat will es so.

13 14 15 16 17 18

19 20

Bericht, S. 160.

Das Papier finden Sie hier: http://www.vzbv.de/pressemeldung/reformvorschlaege-der-evaluation-zur-deutschen-lebensmittelbuchkommission-gehen-nicht. vzbv-Papier, S. 3.

S. Depenheuer, Einführung, in: ders. Öffentlichkeit und Vertraulichkeit. Theorie und Praxis der politischen Kommunikation (2001), S. 7 ff., 15 f.

S. 139.

Dies könnte sich weiter verschärfen durch Beteiligung gleich mehrerer Ressorts unterschiedlicher politischer Färbung, deren Abstimmungsverhalten dann am Ende Gegenstand von Koalitionsabstimmungen werden könnten.

Eine andere, noch offene Frage ist es, inwiefern die Leitsätze für die Bestimmung der Lebensmittelsicherheit herangezogen werden könnten (s. Wiemers, LMuR 2009, S. 8 f.).

Hier ist nochmals zu betonen, dass die Leitsätze als antizipierte Sachverständigengutachten jederzeit durch entsprechenden konkreten Sachverständigenbeweis oder Verbraucherbefragung überwunden werden können (s. Wehlau, LFGB, Kommentar, § 11, Rn. 28 m.w.N.).

355

Rechtsprechung und Erlasse

Verfassungsrecht, Europarecht, Verfassungsrecht, Europarecht, allallgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, gemeines Wirtschaftsverwaltungsallgemeines Gewerberecht recht, allgemeines Gewerberecht Hess. BedarfsgewerbeVO, Normenkontrolle, Arbeit an Sonn- u. Feiertagen, VO-Ermächtigung, Feiertagsruhe, Ausnahme, Videotheken, öffentl. Bibliotheken, Brauereien, Getränkeindustrie, Eisfabriken, Großhandel, Buchmachergewerbe, Callcenter, Lotto- u. Totogesellschaften BedGewV § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 4, 5, 8, 9, 10; ArbZG §§ 9, 10, 13; GG Artt. 4 Abs. 1 u. 2, 9 Abs. 1 u. 3, 140; WRVArt. 139; VwGO §§ 47 Abs. 2 S. 1, 61, 138 Nr. 6 1. Eine Gewerkschaft ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt für einen Normenkontrollantrag gegen eine Rechtsverordnung, die in ihrem Tätigkeitsbereich gestützt auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zulässt.

2. Der Vorbehalt des Gesetzes erfordert nicht, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in der Getränkeindustrie, in Eisfabriken und im Großhandel mit deren Erzeugnissen sowie in Callcentern wegen der Wesentlichkeit dieser Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber, nicht aber auf der Grundlage der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG durch den Verordnungsgeber zugelassen wird.

3. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und die nicht weiter eingegrenzte Beschäftigung in Callcentern sind nicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich, um erhebliche Schäden zu vermeiden.

BVerwG, Urteil vom 26.11.2014 – 6 CN 1.13 – I. VGH Kassel, Urteil vom 12.09.2013 – 8 C 1776/12.N –, GewArch 2014, 35 ff.

Der VGH hat durch das angefochtene Urteil die Ausnahmeregelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, 8, 9 u. 10 der hess. Bedarfsgewerbeverordnung – BedGewV – für unwirksam erklärt: Die Normenkontrollanträge seien zulässig. Die Ast’in zu 1 (ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) könne geltend machen, durch die angegriffene VO in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 140 GG und Art. 139 WRV verletzt zu werden. Ob die Ast. zu 2 und zu 3 (aus evang.

Kirchengemeinden gebildete Dekanate) im Zeitpunkt ihrer Antragstellung berechtigt und fähig gewesen seien, ihre Rechte vor einem staatl. Gericht ohne die nach der Dekanatssynodalordnung erforderl. Genehmigung der Kirchenleitung geltend zu machen, könne offen bleiben, weil die Kirchenleitung die erforderl. Genehmigungen nachträglich erteilt habe. Die Normenkontrollanträge seien begründet. § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Getränkeindustrie und -großhandel), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken für Roh- und Speiseeis sowie entsprechender Großhandel) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Callcenter) seien ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage ergangen. Der VO-Geber habe hier im grundrechtsrelevanten Bereich wesentliche Grundentscheidungen getroffen, die nicht ihm zustünden, sondern dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten seien. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV zugunsten von Videotheken und öffentl. Bibliotheken diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Die Nutzer dieser Einrichtungen könnten sich auf deren Schließung an Sonnund Feiertagen einstellen, indem sie ihre Vorbereitungen für die Gestaltung dieser Tage schon am Samstag oder einem anderen arbeitsfreien Tag träfen. Auch die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV für Toto- und Lottogesellschaften diene nicht der Vermeidung erheblicher Schäden. Würden Gewinner und Gewinnquoten um einen Tag verzögert ermittelt und mitgeteilt, liege darin kein solcher Schaden. Die Ausnahme in § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV zugunsten des Buchmachergewerbes sei nicht hinreichend bestimmt. Nach der Begründung für die BedGewV habe diese Ausnahme offenbar nur Pferderennen erfassen sollen. Die Regelung sei jedoch nicht auf zertifizierte bzw. konzessionierte Buchmacher beschränkt, die ausschließl.

Pferdewetten abschließen und vermitteln dürften.

Mit seiner vom VGH zugelassenen Revision verfolgt der Ag. sein Begehren weiter, die Normenkontrollanträge abzulehnen.

356

Aus den Gründen: 10. II. Die Revision des Ag. ist nur zum Teil begründet.

11. Der VGH hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht die Normenkontrollanträge aller Ast. für zulässig gehalten. In der Sache ist das angefochtene Urteil mit Bundesrecht vereinbar, soweit der VGH § 1 Abs. 1 Nr. 1 (Videotheken und öffentl. Bibliotheken) sowie § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV (Lotto- und Totogesellschaften) für ungültig erklärt hat. Das angefochtene Urteil verletzt aber Bundesrecht, soweit der VGH § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV (Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV (Fabriken zur Herstellung von Rohund Speiseeis sowie Betriebe des Großhandels), § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV (Buchmachergewerbe) und § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV (Dienstleistungsunternehmen zur Entgegennahme von Aufträgen, Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation – Callcenter) für ungültig erklärt hat. Hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV ist das Urteil jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Ob dies hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 4 u. Nr. 5 BedGewV ebenfalls zutrifft, lässt sich auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilen. Dagegen erweist sich das angefochtene Urteil hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, ohne dass insoweit weitere tatsächliche Feststellungen erforderl. wären.

12. 1. Die Anträge sind zulässig.

13. a) Der Ast’in zu 1, der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, fehlt weder die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO noch das Rechtsschutzinteresse.

14. aa) Die Ast’in kann geltend machen, durch die angegriffenen Bestimmungen der BedGewV in ihren Rechten verletzt zu sein. Hierfür reicht ihr Vortrag aus, dass diese Bestimmungen mit der Ermächtigungsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des ArbZG v. 06.06.1994 (BGBl. I S. 1170) nicht vereinbar sind. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ist auch den Interessen von Vereinen und Gewerkschaften zu dienen bestimmt. Die dort geregelten Voraussetzungen für den Erlass einer RechtsVO sind in diesem Sinne drittschützend. Die begünstigte Gewerkschaft kann sich darauf berufen, die Voraussetzungen für den Erlass der RechtsVO hätten nicht vorgelegen und die VO verstoße dadurch gegen eine auch sie schützende Rechtsnorm.

15. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG konkretisiert mit den Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise beschäftigt werden dürfen, auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtl.

Schutzauftrag, der sich für den Gesetzgeber aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ergibt. Nach Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatl. anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzl. geschützt. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist auch darauf ausgerichtet, den Grundrechtsschutz zu stärken; sie konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatl. Schutzpflichten (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 – BVerfGE 125, 39 <80 f.> = GewArch 2010, 29 ff.). Der zeitl. Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen ist dabei auch für die Rahmenbedingungen des Wirkens der politischen Parteien, der Gewerkschaften und sonstiger Vereinigungen bedeutsam (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O., S. 83). Der objektivrechtl. Schutzauftrag, der in der Sonn- und Feiertagsgarantie begründet ist (Art. 139 WRV), ist mithin auf die Stärkung des Schutzes derjenigen Grundrechte angelegt, die in besonderem Maße auf Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung angewiesen sind (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O., S. 84). Mit der Gewährleistung rhythmisch wiederkehrender Tage der Arbeitsruhe fördert und schützt die Sonn- und Feiertagsgarantie dabei nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, sondern dient neben weiteren Grundrechten ebenso der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), auch in Gestalt der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), die sich so effektiver wahrnehmen lassen (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O., S. 82).

16. Rhythmisch wiederkehrende Tage der Arbeitsruhe und eine damit einhergehende regelmäßige Arbeitsruhe für alle fördern und erleichtern die Möglichkeit des Einzelnen, sich in einem Verein oder einer Koalition zu gemeinsamem Tun zusammenzufinden. Spiegelbildlich wird zugleich die Möglichkeit der Vereinigung selbst gefördert und erleichtert, ihren Zweck zu verwirklichen, der gerade in der Organisation von gemeinschaftlich wahrzunehmenden Interessen besteht. Wenn der Vereinigung abgeleitet aus der Vereinigungsfreiheit eine Antragsbefugnis zugebilligt wird, wird ihr mithin, anders als der Ag. meint, nicht etwa erlaubt, die Rechte ihrer Mitglieder als eigene wahrzunehmen. Sie nimmt vielmehr ein Recht wahr, das ihr selbst als Vereinigung zusteht.

GewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse 17. Zwar muss darüber hinaus die Vereinigung oder die Gewerkschaft durch die angegriffene Rechtsnorm in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen sein.

Sie kann eine Rechtsnorm nicht angreifen, wenn deren Anwendung sich nicht negativ auf die Verwirklichung gerade ihrer Vereinigungsfreiheit auswirken kann. An dieser Einschränkung scheitert die Antragsbefugnis der Ast’in indes nicht. Die BedGewV gestaltet den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe im Dienstleistungsbereich aus, in dem die Ast’in tätig ist.

18. bb) Der Ast’in fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse.

19. Das Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses neben der Antragsbefugnis soll nur vermeiden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Ast. wertlos ist. Maßgeblich ist, ob der Ast. durch die von ihm angestrebte Nichtigerklärung der Norm seine Rechtsstellung verbessern kann (Urt. v. 23.04.2002 – 4 CN 3.01 –, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 156). Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Normen ein Eingriff in die Grundrechte der Ast’in unterbliebe.

20. b) Auch die Anträge der Ast. zu 2 und zu 3, der Evang. Dekanate Darmstadt-Stadt und Vorderer Odenwald, sind zulässig.

21. aa) Die Ast. zu 2 und zu 3 sind antragsbefugt. Sie können ebenfalls geltend machen, die angegriffenen Normen verstießen gegen den auch für sie drittschützenden § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG, der auf der Ebene des einfachen Rechts den verfassungsrechtl. Schutzauftrag konkretisiert, der sich für sie aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG ergibt.

22. Entgegen den insoweit geäußerten Zweifeln des Ag. sind die Dekanate nicht bloße übergeordnete Verwaltungsinstanzen oder Dachverbände, die an dem eigentlichen religiösen Auftrag nicht teilhaben. Sie sind vielmehr in ihrem Bereich Religionsgemeinschaften und Träger des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG. Nach Art. 17 der Ordnung der Evang. Kirche in Hessen und Nassau (Kirchenordnung – KO) i.d.F. v. 20.02.2010, Amtsbl. der Evang.

Kirche in Hessen und Nassau (ABl.) 2010 S. 118, hat das Dekanat den Auftrag, das kirchl. Leben in der Region zu gestalten und so das Evangelium in seinem Bereich zu bezeugen. Es dient der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben, der Förderung der Zusammenarbeit und dem missionarischen Wirken in der Welt. Das Dekanat trägt Verantwortung für die Entwicklung der kirchl. Handlungsfelder in seinem Gebiet und fördert neue kirchl. Arbeit in seinem Gebiet.

23. bb) Die Ast. zu 2 und zu 3 sind nach § 61 Nr. 1 VwGO fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Sie sind jur. Personen in der Gestalt von Körperschaften des öffentl. Rechts (KdöR).

24. Dies hat der VGH in Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts festgestellt. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Vertrag des Landes Hessen mit den Evang. Kirchen in Hessen v. 10.06.1960 (GVBl. I S. 54) i.V.m. Art. 1 Abs. 4 dieses Vertrages sind die Kirchen, die Kirchengemeinden und die aus ihnen gebildeten Verbände KdöR. Nach Art. 16 S. 1 KO werden die Dekanate aus den Kirchengemeinden eines zusammengehörenden Gebietes gebildet.

Hieraus hat der VGH geschlossen, dass die Dekanate KdöR sind. An die Auslegung irrevisiblen Rechts durch den VGH ist das BVerwG als Revisionsgericht auch dann gem. § 173 S. 1 VwGO, § 560 ZPO gebunden, wenn das irrevisible Recht Normen der Verwaltungsprozessordnung ergänzt, welche von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen regeln (Urt. v. 01.07.

1988 – BVerwG 4 C 15.85 –, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 69).

25. cc) Die Ast. zu 2 und zu 3 sind prozessführungsbefugt.

26. Die Prozessführungsbefugnis setzt voraus, dass der Ast. prozessual berechtigt ist, im eigenen Namen (also nicht als Vertreter eines anderen) den von ihm geltend gemachten Anspruch alleine (als alleiniger potentieller Rechtsinhaber) geltend zu machen. Die Prozessführungsbefugnis kann fehlen, wenn jemand ein Recht im eigenen Namen geltend macht, das nicht ihm oder ihm nur gemeinsam mit anderen zusteht.

27. Die Ast. zu 2 und zu 3 sind befugt, über das von ihnen behauptete Recht aus Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG einen Prozess im eigenen Namen zu führen.

Daran ändert sich nichts dadurch, dass Beschlüsse des Dekanatssynodalvorstands über die Erhebung einer Klage vor einem staatl. Gericht nach § 26 Abs. 3 Buchst. b der Dekanatssynodalordnung (DSO) v. 26.11.2003 (ABl. 2004, 87) der Genehmigung durch die Kirchenverwaltung bedürfen und erst mit deren Erteilung wirksam werden. Die Vorschrift beschränkt nicht die Befugnis des Dekanatssynodalvorstands, das Dekanat nach außen wirksam zu vertreten. Diese Befugnis ist anderweit in § 24 DSO geregelt. Ebenso wie die weiteren Genehmigungsvorbehalte in § 26 Abs. 3 DSO räumt die Vorschrift der Kirchenverwaltung als Aufsichtsbehörde ein Kontrollrecht bei als wichtig angesehenen Vorgängen ein. Sie betrifft damit nur die interne Willensbildung.

Das gerichtl. geltend gemachte Recht steht aber weiterhin allein den Ast. zu.

GewArch 2015/9

Dass ihre interne Willensbildung vor Antragstellung an einem Mangel litt, nimmt ihnen nicht die Prozessführungsbefugnis.

28. Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob eine Genehmigung, die erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO erteilt wird, sich noch auf die Zulässigkeit des Antrags auswirken könnte oder ob dies ausgeschlossen ist, weil die Antragsfrist eine Ausschlussfrist ist.

29. 2. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 1 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Videotheken und öffentl. Bibliotheken zulässt. Insoweit ist die VO von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.

30. a) Entgegen der Auffassung der Ast. folgt dies allerdings (weder hier noch bei den weiteren Bestimmungen der VO) nicht bereits daraus, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG Ausnahmen nur für Betriebe zulasse, der Ag. aber Ausnahmen für Bereiche zugelassen habe.

31. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt zum Erlass einer RechtsVO und damit zum Erlass genereller Regelungen. Der VO-Geber soll nicht für einzelne konkrete Betriebe Ausnahmen zulassen, sondern muss die Betriebe nach Branchen oder Tätigkeitsfeldern abstrakt umschreiben. Wenn er dabei von „Bereichen“ spricht, weicht er mit dieser Wortwahl nicht von der Ermächtigungsgrundlage ab.

32. b) Jedoch liegen die Voraussetzungen der Ermächtigung nicht vor.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 S. 1 ArbZG können die Landesregierungen über die Ausnahmen in § 10 ArbZG hinaus durch RechtsVO weitere Ausnahmen von dem Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe zulassen, in denen eine solche Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderl. ist.

33. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und öffentl. Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen ist nicht erforderl., um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und anderenfalls eintretende erhebliche Schäden zu vermeiden.

34. aa) Es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen einerseits den Gründen, aus denen eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise zugelassen werden darf, und andererseits den Schäden, deren Vermeidung die Zulassung einer Ausnahme dienen soll. Die Schäden bestehen darin, dass Bedürfnisse der Bevölkerung nur unzureichend befriedigt werden. Zu diesen Bedürfnissen gehören auch solche, welche die Möglichkeit betreffen, die Freizeit an Sonn- und Feiertagen nach eigenen Vorstellungen zu nutzen. Wird die Freizeitgestaltung jedenfalls für beachtliche Teile der Bevölkerung beeinträchtigt, kann dies einen Schaden darstellen, zu dessen Vermeidung eine Ausnahme zugelassen werden kann. Dass von der Ermächtigung (nur) zur Vermeidung erheblicher Schäden Gebrauch gemacht werden darf, steuert dabei ebenso wie die vorgeschriebene Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe die Anforderungen, die an Bedeutung und Gewicht des Bedürfnisses zu stellen sind, dessen sonst unterbleibende Befriedigung die Zulassung einer Ausnahme vom Beschäftigungsverbot rechtfertigen soll. I.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG „erforderlich“ ist die Befriedigung täglich oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung nur, wenn ihr Unterbleiben einen erheblichen Schaden darstellt. Insoweit hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum des VO-Gebers bei der Auswahl der Bedürfnisse eingeschränkt, deren Befriedigung eine Ausnahme rechtfertigen soll.

35. bb) Bedürfnisse der Bevölkerung, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten, sind insbes. solche, die der Freizeitgestaltung dienen. Der Schutz der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV ist nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschaftsund Staatsordnung auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönl. Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll grds. die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbes. der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Die Bürger sollen sich an Sonnund Feiertagen von der berufl. Tätigkeit erholen und das tun können, was sie individuell für die Verwirklichung ihrer persönl. Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O., S. 85 f.).

36. Videotheken ermöglichen der Bevölkerung, die Freizeit zu gestalten, indem sie Bildträger, wie Videokassetten und DVD, aber auch Computer357

Rechtsprechung und Erlasse spiele vermieten. Sonn- und Feiertage bieten die nötige Zeit und Muße, um sich Filme eigener Wahl, also unabhängig vom jeweiligen Angebot der Lichtspieltheater und des Fernsehens, anzusehen. Jedoch ist es nicht erforderl., Videotheken auch an Sonn- und Feiertagen offen zuhalten, damit dieses Bedürfnis befriedigt werden kann.

37. Bildträger, wie DVD, können ebenso wie Computerspiele werktags zum Gebrauch an Sonn- oder Feiertagen gemietet werden. Wer an Sonn- und Feiertagen eine DVD oder ein Computerspiel verwenden will, muss seinen Bedarf an einem der vorangehenden Werktage decken oder etwa von der Vorführung von Filmen an dem folgenden Sonntag oder Feiertag absehen (vgl. hierzu bereits: (Urt. v. 19.04.1988 – BVerwG 1 C 50.86 – BVerwGE 79, 236 <242> =GewArch 1988, 268 ff.).

38. Der VO-Geber kann zwar bei dem Ausgleich gegenläufiger Schutzgüter im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, insbes. auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Es mag sein, dass es inzwischen in weiten Kreisen der Bevölkerung als ein Mangel empfunden wird, wenn der spontane Wunsch, sich einen bestimmten Film anzusehen, nicht sogleich erfüllt werden kann. Insbes. über das Internet lassen sich solche Wünsche ohne Aufschub realisieren. Dadurch mag die Einstellung der Bevölkerung weithin geprägt sein, die eine sofortige Verfügbarkeit von Angeboten voraussetzt und erwartet (so im Ergebnis: SächsVerfGH, Urt. v. 21.06.2012 – Vf. 77-II-11 A –, NVwZ-RR 2012, 873 <879>).

39. Ein alltäglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse potenzieller Kunden genügt jedoch grds. nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertage zu rechtfertigen. Er muss nicht allein deshalb zurückstehen, weil die Kunden ihren an Sonn- oder Feiertagen bestehenden Bedarf etwa an DVD-Filmen zwar an Werktagen decken könnten, ihn aber nicht an diesen Tagen, sondern aufgrund eines spontanen Entschlusses an Sonn- oder Feiertagen decken wollen. Es tritt unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe kein erheblicher Schaden i.S.d. gesetzl. Ermächtigungsgrundlage ein, wenn Wünsche nach einer bestimmten Freizeitgestaltung nur durch vorausschauende Planung realisiert werden können.

40. cc) Aus denselben Gründen ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in öffentl. Bibliotheken nicht erforderl., um an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Für wissenschaftl. Präsenzbibliotheken gilt ohnedies eine Ausnahme bereits aufgrund von § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG. 41. 3. Die Normenkontrollanträge sind ferner begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Lotto- und Totogesellschaften mit der elektronischen Geschäftsabwicklung zulässt. Auch insoweit ist die VO von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG nicht gedeckt.

42. Lotto- und Totospielen mag als Freizeitaktivität den Sonn- und Feiertagen zugeordnet werden können. Die Entgegennahme von Spielscheinen ist jedoch nicht erfasst. Abwicklung meint die Arbeiten nach der Ermittlung des Ergebnisses. Die Kabinettsvorlage begründet die Regelung damit, in der Bevölkerung bestehe ein dringendes Informationsbedürfnis für die zeitnahe Auswertung von Lotto- und Totoergebnissen. Allerdings ist nicht erkennbar, dass ein Aufschub der Abwicklung des Spiels, also die Mitteilung des Ergebnisses einschl. einer Gewinnquote, nicht auch auf die folgenden Werktage verschoben werden kann. Auch insoweit ist die sofortige Befriedigung des Informationsbedürfnisses nicht in einer Weise dringend, dass durch seinen Aufschub das Freizeitvergnügen erheblichen Schaden nimmt.

43. 4. Die Normenkontrollanträge sind begründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Dienstleistungsunternehmen mit der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung per Telekommunikation (Callcentern) zulässt.

44. a) Entgegen der Auffassung des VGH ist diese Ausnahme allerdings nicht schon deshalb von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Mit dieser Begründung verletzt das angefochtene Urteil vielmehr Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

45. aa) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatl. Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet wesentlich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“ (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Urt. v. 14.07.1998 – 1 BvR 1640/97 –, BVerfGE 98, 218 <251>).

358

46. bb) Gemessen hieran hatte nicht der (Bundes-)Gesetzgeber selbst zu entscheiden, ob für die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Callcentern eine Ausnahme zugelassen werden soll. Er durfte diese Entscheidung vielmehr dem VO-Geber überlassen. Was für die Wahrung des Sonn- und Feiertagsschutzes und die Schutzpflichten für dadurch konkretisierte Grundrechte wesentlich ist, hat der Gesetzgeber im ArbZG geregelt. Er hat festgelegt, dass das Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen die Regel ist, eine solche Beschäftigung nur als Ausnahme zugelassen werden kann. Er hat in § 13 Abs. 1 ArbZG festgelegt, welche gegenläufigen Belange hinreichendes Gewicht haben, um eine Ausnahme zu rechtfertigen, in Nr. 2 Buchst. a die Befriedigung von täglichen oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretenden Bedürfnissen der Bevölkerung. Er hat hierzu weitere Voraussetzungen festgelegt, welche die Durchbrechung des Sonn- und Feiertagsschutzes als Ausnahme sichern.

47. Auf die Zahl der Betroff. allein kommt es dabei nicht an. Maßgeblich ist, ob das mit der Ausnahme verfolgte Ziel ein solches Gewicht hat, das auch die Beschäftigung einer großen Zahl von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen gerechtfertigt erscheint, und ob die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen ihren Ausnahmecharakter behält. Die hierfür notwendigen Vorgaben hat der Gesetzgeber dem VO-Geber durch die begrenzenden Voraussetzungen der Ermächtigung gemacht.

48. cc) Unzutreffend ist die weitere Annahme des VGH, die Ermächtigung zugunsten der Landesregierung lasse nur Annahmen zu, durch welche einem Regelungsbedürfnis regionaler Art Rechnung getragen werden solle.

49. Zwar enthält die Begründung des Gesetzentwurfs der BReg. zu § 13 Abs. 2 ArbZG die Bemerkung, eine LandesVO komme insbes. dann in Frage, wenn das Regelungsbedürfnis regionaler Art sei (BT-Drs. 12/5888 S. 30). Schon diese Bemerkung bringt nicht zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber die Ermächtigung zugunsten der Landesregierungen auf Regelungsbedürfnisse regionaler Art hat begrenzen wollen. Erst Recht hat eine solche Begrenzung im Normtext keinen Anhalt gefunden. Der Gesetzgeber hat in erster Linie die BReg. zum Erlass der RechtsVO nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG ermächtigt und die Landesregierungen nur, soweit die BReg. von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht. In diesem Fall können die Landesregierungen „entsprechende Bestimmungen“ erlassen. Daraus ergibt sich, dass die Regelungskompetenz der Landesregierungen inhaltlich nicht eingeschränkt ist, sondern sie ihnen in demselben Umfang übertragen wird, wie sie der BReg. zusteht.

50. dd) Eine fehlende Regelungsbefugnis des VO-Gebers kann ferner nicht daraus hergeleitet werden, dass dem Gesetzgeber – wie der VGH meint – bei der Neufassung des ArbZG, jedenfalls bei späteren Änderungen dieses Gesetzes, bekannt war, dass Callcenter auch an Sonn- und Feiertagen auf unterschiedlichen – nach Auffassung des VGH zweifelhaften – Grundlagen tätig waren. Entgegen der Auffassung des VGH trägt die Schlussfolgerung nicht, wenn der Gesetzgeber gleichwohl in den Katalog des § 10 ArbZG keine Ausnahme zugunsten von Callcentern aufgenommen habe, habe er damit zugleich die Wertung getroffen, insoweit überwiege der Sonntagsschutz die Belange der Betriebe und der Bevölkerung, die ihre Dienstleistungen nachfrage.

51. Dass der Gesetzgeber in möglicher Kenntnis der Verhältnisse Callcenter nicht mit einer eigenen gesetzl. Ausnahme bedacht hat, stellt kein beredtes Schweigen dar. Der Gesetzgeber kann von einer gesetzl. Regelung allein deshalb Abstand genommen haben, weil er die Regelung dieses Sachverhalts bspw. wegen dessen geringerer Bedeutung dem VO-Geber überlassen wollte.

52. b) Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme sind nicht erfüllt. Weitere tatsächliche Feststellungen sind hierfür nicht erforderlich. Der Senat kann deshalb insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwGO).

53. § 1 Abs. 1 Nr. 9 BedGewV erfasst zum einen Dienstleistungsunternehmen, die als Dienstleister für andere Unternehmen per Telekommunikation Aufträge entgegennehmen, Auskünfte erteilen und beraten. Er erfasst zum anderen Dienstleistungsunternehmen, die durch eigene Beschäftigte bezogen auf ihre eigenen Dienstleistungen solche Leistungen anbieten. In beiden Fällen ist nicht weiter eingegrenzt, in welchen Branchen oder Tätigkeitsfeldern diese Leistungen sollen erbracht werden dürfen.

54. Mit diesem Inhalt ist die Norm mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar. Ob die engen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, lässt sich angesichts der Weite der Ausnahme und der damit einhergehenden mangelnden Voraussehbarkeit der erfassten Branchen und Tätigkeitsfelder nicht prüfen. Es ist jedoch ausgeschlossen, dass der Betrieb von Callcentern gleichgültig in welcher Branche oder für welche Tätigkeitsfelder stets GewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse erforderl. ist, um tägliche oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

55. Unter den Branchen, für die Callcenter tätig sind, sind auch solche, bei denen eine Ausnahme vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen mit der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist.

Dazu gehört namentlich der Versandhandel, für den insbes. der Ag. aufgrund eines gewandelten Verbraucherverhaltens ein Bedürfnis der Bevölkerung an der Entgegennahme von Aufträgen, der Auskunftserteilung und der Beratung an Sonn- und Feiertagen per Telekommunikation annehmen möchte. Zwar mag die Muße eines Sonn- und Feiertags vermehrt auch dazu genutzt werden, die Angebote des Versandhandels in Ruhe zu sichten und überlegte Kaufentscheidungen vorzubereiten. Jedoch ist die Erfüllung eines Erwerbswunsches durch Abgabe eines Auftrags, ggf. nach vorheriger Einholung zusätzlicher Auskünfte oder weiterer Beratung auch an den folgenden Werktagen ohne Weiteres möglich. Das Bedürfnis nach weiteren Auskünften, nach Beratung oder Erteilung eines Auftrags muss nicht sofort befriedigt werden. Diese Tätigkeiten sind eng der werktäglichen Geschäftigkeit und den alltäglichen Erwerbswünschen zuzurechnen. Ihr Aufschub ist hinzunehmen; eine erhebliche Einbuße des Freizeitwerts ist mit ihm nicht verbunden.

56. Allenfalls für einzelne Branchen mag es vorstellbar sein, dass angesichts eines gewandelten Verbraucherverhaltens oder aus anderen Gründen an Sonn- und Feiertagen ein Bedürfnis nach Entgegennahme von Aufträgen, nach Auskunftserteilung und Beratung per Telekommunikation besteht, welches auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Callcentern als erforderl. erscheinen lässt. Mangels jeden Anhaltspunktes im Normtext ist es den Gerichten aber verwehrt, selbst einen eigenen Katalog zulässiger Felder für eine Betätigung von Callcentern an Sonn- und Feiertagen aufzustellen, um die Norm zumindest teilweise aufrechtzuerhalten. Soweit über Callcenter Dienste abgewickelt werden, die an Sonn- und Feiertagen erreichbar sein müssen, um sonst eintretende erhebliche Schäden an Rechtsgütern zu verhindern, bedarf es einer übergangsweisen Aufrechterhaltung der Norm nicht. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in Notdiensten beschäftigt werden. Die Vorschrift ist weit auszulegen. Sie erfasst alle Dienstleistungen und Tätigkeiten zur Hilfeleistung, wie Schlüsseldienste, Reparaturnotdienste und Sperrannahmedienste der Banken und Kreditkartenunternehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Dienste in den Unternehmen selbst oder über ausgelagerte Callcenter erreichbar sind.

57. 5. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels zulässt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

58. a) Insoweit verletzt der VGH aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen.

59. b) Das angefochtene Urteil erweist sich nicht schon deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig, weil – wie die Ast. geltend gemacht haben – die VO (insgesamt und deshalb auch bezogen auf diese Regelung) dem Abwägungsgebot nicht genügt und aus diesem Grund unabhängig davon ungültig ist, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die in Rede stehende Ausnahme vorgelegen haben.

60. Die Gültigkeit einer untergesetzl. Norm kann in der Regel nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden. Der parlamentarische Gesetzgeber leitet im Rahmen seiner VO-Ermächtigung eigene Gestaltungsfreiräume an den VO-Geber weiter. Mit der Rechtssetzung durch VO sind vorbehaltlich gesetzl. Beschränkungen die Bewertungsspielräume verbunden, die sonst dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst zustehen. Eine verwaltungsgerichtl. Überprüfung des Abwägungsvorgangs des Normgebers setzt daher bei untergesetzl. Normen eine besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzl. formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind. Sind solche – wie hier – nicht vorhanden, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm mit Mängeln im Abwägungsvorgang nicht begründet werden. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtl. Maßstäben entspricht (Urt. v. 26.04.2006 – BVerwG 6 C 19.05 –, BVerwGE 125, 384 Rn. 16 = GewArch 2006, 341 ff.).

61. c) Ob das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung einer Ausnahme nicht erfüllt sind, kann GewArch 2015/9

der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht beurteilen. Insoweit muss die Sache zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den VGH zurückverwiesen werden (§ 144 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwGO).

62. Auf der bisherigen Tatsachengrundlage lässt sich weder feststellen noch ausschließen, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Brauereien, Betrieben zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein sowie in Betrieben des Großhandels erforderl. ist, um tägliche oder an diesen Tagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.

63. aa) Allerdings liegt auf der Hand, dass Getränke nicht erst an Sonn- und Feiertagen produziert werden und zur Verfügung stehen, um Bedürfnisse der Endverbraucher noch am selben Tag zu befriedigen. Soweit es um Brauereien und Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken und Schaumwein geht, kann nur die Tatbestandsvariante in Betracht kommen, dass die Beschäftigung der Arbeitnehmer (auch) an Sonn- und Feiertagen für die Befriedigung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG verlangt in dieser Variante („täglicher Bedarf“) nicht, dass durch die Beschäftigung an dem Sonntag ein Bedarf an demselben Sonntag befriedigt wird.

64. Dabei kann unterstellt werden, dass ein tägliches Bedürfnis an Brauereierzeugnissen und alkoholfreien Getränken vorhanden ist. Regelmäßig wird allerdings die Befriedigung dieses Bedürfnisses keine Produktion auch an Sonn- und Feiertagen erfordern, sondern durch den Ausstoß an Getränken an den übrigen Tagen gedeckt werden können. Soweit § 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b BedGewV eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nur in der Zeit v. 01.04. bis zum 31.10. des Jahres zulässt, darf die Vorschrift ferner nicht dahin missverstanden werden, dass in dieser Zeit durchgängig an jedem Sonn- und Feiertag die Beschäftigung von Arbeitnehmern zulässig ist.

Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme steht unter dem allgemeinen Vorbehalt in § 1 Abs. 1 BedGewV, dass die Arbeiten nicht an Werktagen durchgeführt werden können. Dies kann allenfalls in Spitzenzeiten der Nachfrage zutreffen, also insbes. im Sommer bei länger anhaltenden Hitzeperioden, wenn etwa die Produktion aus den Zeiten geringerer Nachfrage und eine insoweit mögliche Lagerhaltung nicht mehr ausreicht, auch den jetzt erhöhten Bedarf zu decken, und die Kapazitäten der Getränkehersteller aus nachvollziehbaren wirtschaftl.

Gründen nicht auf einen solchen Spitzenbedarf ausgerichtet sind. Sie könnten deshalb in derartigen Spitzenzeiten auf eine Produktion rund um die Woche angewiesen sein, um den dann täglich gegebenen erhöhten Bedarf auch (zeitversetzt zur Produktion) täglich decken zu können.

65. bb) Soweit die Ausnahme sich auf Betriebe des Großhandels bezieht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c BedGewV), kommt als Grundlage der Regelung nur die Tatbestandsalternative in Betracht, dass die Belieferung der Kundschaft zur Befriedigung von Bedürfnissen dient, die an Sonn- und Feiertagen besonders hervortreten.

66. Für die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse ist eine Ausnahme nicht erforderlich. Außerhalb der Sonn- und Feiertage werden die Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer Versorgung mit Getränken in erster Linie über Verkaufsstellen befriedigt. Für ihre Belieferung ist der Großhandel nicht auf die Sonn- und Feiertage angewiesen. Selbst ein größerer Absatz von Getränken am Wochenende kann durch eine Belieferung am frühen Montag ausgeglichen werden.

67. An Sonn- und Feiertagen treten Bedürfnisse der Bevölkerung an Erzeugnissen der Brauereien, an alkoholfreien (Erfrischungs-)Getränken und an Schaumwein besonders hervor in Restaurants, Ausflugslokalen und an diesen Tagen geöffneten Vergnügungsstätten. Restaurants können sich grds. an Werktagen ausreichend eindecken. Die Ermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG dient nicht dazu, Fehldispositionen einzelner Unternehmen auszugleichen (zutreffend: Richardi/Annuß, NZA 1999, 953 <956>). Dass eine Belieferung dieser Kunden des Großhandels an Sonn- und Feiertagen über den Ausgleich von Fehldispositionen hinaus erforderl. ist, die Bedürfnisse der Bevölkerung dort zu befriedigen, hat der VGH nicht festgestellt. Auch insoweit ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich.

68. 6. Ob die Normenkontrollanträge begründet sind, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 5 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sowie in Betrieben des Großhandels mit diesen Erzeugnissen zulässt, kann der Senat ebenfalls nicht abschließend entscheiden.

69. Auch insoweit verletzt der VGH aus den dargelegten Gründen mit seiner Annahme Bundesrecht, diese Ausnahme sei schon deshalb nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt, weil sie wegen ihrer Wesentlichkeit nur durch den parlamentarischen Gesetzgeber hätte getroffen werden dürfen. Ob 359

Rechtsprechung und Erlasse die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG für die Zulassung dieser Ausnahme erfüllt sind und das angefochtene Urteil sich deshalb aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden. Insoweit muss die Sache aus den ebenfalls bereits dargelegten Gründen zur weiteren Klärung des Sachverhalts an den VGH zurückverwiesen werden.

70. 7. Die Normenkontrollanträge sind unbegründet, soweit § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen im Buchmachergewerbe zur Annahme von Wetten für Veranstaltungen zulässt. Insoweit ist die VO von der Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a ArbZG gedeckt.

71. a) Mit seiner gegenteiligen Annahme verletzt der VGH Bundesrecht.

72. aa) Entgegen der Rüge des Ag. leidet das angefochtene Urteil insoweit nicht an einem Verfahrensfehler i.S.d. § 138 Nr. 6 VwGO. Die Ausführungen des VGH genügen dem formalen Begründungserfordernis (zu ihm etwa: Beschl. v. 04.12.1998 – BVerwG 8 B 187.98 –, Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1). Es ist erkennbar, mit welchen Überlegungen der VGH zu seiner Annahme gelangt ist, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei zu unbestimmt. Er hat der Begründung des Entwurfs der RechtsVO entnommen, der VO-Geber habe mit dieser Norm eine Ausnahme zugunsten der Buchmacher auf Pferderennbahnen für Rennen an Sonn- und Feiertagen schaffen wollen. Der VGH hat dem Wortlaut der Norm eine so eingeschränkte Ausnahme aber nicht entnehmen können und deshalb gemeint, der VO-Geber habe seinen Regelungswillen nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht. Aus diesen Überlegungen mag sich eine Unbestimmtheit der Norm nicht ergeben können. Das begründet aber keinen formalen Mangel i.S.d. § 138 Nr. 6 VwGO. 73. bb) Bundesrecht verletzt aber die Annahme des VGH, § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV sei nicht hinreichend bestimmt. Die Norm mag auslegungsbedürftig sein, sie ist aber auch auslegungsfähig.

74. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV dürfen Arbeitnehmer im Buchmachergewerbe nicht schlechthin an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sondern nur zur Entgegennahme von Wetten für Veranstaltungen. Dabei kann es sich nur um solche Veranstaltungen handeln, die an diesem Tage stattfinden und für die sich deshalb aus anderen Vorschriften ergeben muss, dass sie an diesen Tagen etwa aus Gründen der Freizeitgestaltung der Bevölkerung auch stattfinden dürfen (hierzu: § 10 Abs. 1 Nr. 7 ArbZG). Ferner ergibt sich aus der Bezugnahme auf Veranstaltungen zugleich, dass die Wetten nur an der Stätte der Veranstaltung entgegengenommen werden dürfen. Erfasst werden damit insbes. Rennsportveranstaltungen, etwa auf Pferderennbahnen.

75. b) In dieser Auslegung ist § 1 Abs. 1 Nr. 8 BedGewV von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Bei der Annahme von Wetten für Veranstaltungen am Veranstaltungsort handelt es sich um einen spezifischen Sonn- und Feiertagsbedarf, der als Bestandteil des Freizeiterlebnisses aus der Situation geboren ist und, um nicht den Freizeitgenuss insgesamt zu gefährden, nur an Ort und Stelle befriedigt werden kann (zutreffend: Richardi/Annuß, a.a.O.).

Erbwaffen, Blockierpflicht, Verschärfung waffenrechtlicher Umgangsanforderungen, Vertrauensschutz, Altfälle WaffG § 20 Abs. 3 S. 2 Die Blockierpflicht gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 WaffG gilt auch in Bezug auf Erbwaffen, die vor Einführung dieser Pflicht durch das Waffengesetzänderungsgesetz vom 26.03.

2008 vom Erwerber infolge Erbfalls im Einklang mit damaligen waffenrechtlichen Vorgaben in Besitz genommen worden sind. Dem steht der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht entgegen.

BVerwG, Urteil vom 16.03.2015 – 6 C 31.14 – I. VG Köln, Urteil vom 28.06.2012 – 20 K 6147/11 – II. OVG Münster, Urteil vom 15.05.2014 – 20 A 1853/12 – Die Kl’in wurde als Alleinerbin ihres 2001 verstorbenen Ehemannes Eigentümerin von Schusswaffen. Hierfür erteilte der Bekl. ihr eine Waffenbesitzkarte. 2011 erlegte er ihr durch Bescheid auf, einige dieser Waffen mit Blockiersystemen zu versehen. Das VG hat ihre hiergegen gerichtete Klage abgewiesen, das OVG ihre Berufung zurückgewiesen: Die Blockierpflicht gem. § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG gelte auch, sofern die Waffe vor Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 2008 infolge Erbfalls erworben sei. Die Revision der Kl’in blieb ohne Erfolg.

360

Aus den Gründen: 4. II. Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteil. ohne mündl. Verhandlung entscheidet (§ 141 S. 1, § 125 Abs. 1 S. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist als unbegründet zurückzuweisen. Das Berufungsurteil verletzt nicht Bundesrecht. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.

5. 1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 9 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 WaffG. Hiernach kann eine waffenrechtl. Erlaubnis zur Abwehr von Gefahren für die öffentl. Sicherheit oder Ordnung nachträglich mit einer Auflage versehen werden. Durch Nichterfüllung der Blockierpflicht gem. § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG stört die Kl’in die öffentl. Sicherheit. Sie unterliegt dieser Pflicht, weil – wie sie selbst nicht in Frage stellt – die betroffenen Waffen erlaubnispflichtig sind (§ 2 Abs. 2 WaffG) und sie kein waffenrechtl. Bedürfnis geltend machen kann. Der Bekl. durfte ihr daher auferlegen, diese Waffen mit Blockiersystemen zu versehen. Ermessensfehler sind ihm hierbei nicht unterlaufen.

6. a) § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG gilt für sämtliche infolge Erbfalls erworbenen erlaubnispflichtigen Waffen unabhängig vom Erwerbszeitpunkt. Erfasst sind auch Altfälle aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten des WaffGÄndG v. 26.03.2008 (BGBl. I S. 426), das die Blockierpflicht für Erbwaffen eingeführt hat.

7. aa) Allerdings folgt dies noch nicht zwingend aus Wortlaut und systematischer Stellung von § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG. 8. Ob auch Altfälle in die Blockierpflicht einbezogen sind, wird durch den Text der Vorschrift nicht ausdrücklich in die eine oder andere Richtung beantwortet.

9. Gesetzessystematisch ist, jedenfalls bei Einbeziehung von § 58 WaffG, die Lesart nicht versperrt, dass die Norm keine Anwendung gegenüber Personen beansprucht, die bei Inkrafttreten des WaffGÄndG von 2008 bereits Inhaber einer Waffenbesitzkarte für früher erworbene Erbwaffen waren. Umgekehrt ist gesetzessystematisch die Lesart nicht versperrt, dass die Norm die waffenrechtl. Stellung des Erwerbers infolge Erbfalls nicht nur im Hinblick auf die Erteilung der waffenrechtl. Erlaubnis, sondern auch im Hinblick auf die weitere Besitzberechtigung regeln soll. Für letzteres spricht insbes. die amtliche Überschrift von § 20 WaffG. 10. bb) Die Gesetzesmaterialien enthalten Anhaltspunkte dafür, dass die Erstreckung auf Altfälle der Regelungsabsicht des Gesetzgebers bei Erlass des WaffGÄndG von 2008 entsprach (ebenso Gade/Stoppa, WaffG, 2011, § 20 Rn. 19; Papsthart, in: Steindorf/Heinrich/ders., Waffenrecht, 9. Aufl.

2010, § 20 Rn. 8).

11. Die BReg. hat am 22.11.2007 den Gesetzentwurf vorgelegt (BR-Drs. 838/07). In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des BRates v. 20.12.2007 hat die BReg. die Aufnahme eines in ihrem Gesetzentwurf noch nicht vorgesehenen Abs. 7 in § 20 WaffG vorgeschlagen, um – entsprechend dem heutigen § 20 Abs. 7 S. 1 WaffG – Ausnahmen von der für „alle Erbwaffen“ geltenden Blockierpflicht zu ermöglichen, sofern ein entsprechendes Blockiersystem noch nicht vorhanden ist. In diesem Zusammenhang ist in der Gegenäußerung ausgeführt: „Durch die Formulierung ‘alle Erbwaffen’ wird klargestellt, dass sich die Verpflichtung zur Blockierung auch auf Waffen erstreckt, die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes infolge eines Erbfalls erworben wurden“ (BT-Drs. 16/7717 S. 38 f.).

12. Eine wortgleiche Aussage hat sodann der Innenausschuss des BTages, der den Vorschlag aus der Gegenäußerung der BReg. in seiner Beschlussempfehlung an das Plenum aufgriff, in seinem Bericht v. 20.02.2008 zu den Ausschussberatungen getroffen (BT-Drs. 16/8224 S. 16).

13. Die Aussagen beziehen sich zwar unmittelbar auf Abs. 7 von § 20 des Entwurfs. Ungeachtet dessen erhellen sie, welches Verständnis die BReg. als Urheberin des Entwurfs bzw. der Innenausschuss des Deutschen BTages als federführender parlamentarischer Fachausschuss im Hinblick auf die Frage der Rückwirkung der in Abs. 2 von § 20 des Entwurfs vorgesehenen Blockierpflicht besaßen.

14. cc) Für die Erstreckung auf Altfälle sprechen entscheidend Sinn und Zweck von § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG. Die Blockierpflicht soll i.S. einer konsequenten Risikominimierung die mit dem Besitz von Erbwaffen verbundene abstrakte Gefahr einer Schädigung Dritter verringern, welche der Gesetzgeber bei fehlendem waffenrechtl. Bedürfnis des Besitzers für nicht hinnehmbar erachtet hat. Wären nur Erbfälle ab dem Jahr 2008 einbezogen, würde die angestrebte Risikoverringerung erst allmählich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten eintreten. Dass der Gesetzgeber eine derart massive Verzögerung in Kauf nehmen wollte, kann nicht unterstellt werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass seiner aktualisierten Risikobewertung sofort und umfassend Rechnung getragen werden sollte (vgl. bereits im anderen Zusammenhang: BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 – 6 C 24.06 –, Buchholz 402.5 GewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse WaffG Nr. 93 Rn. 47 = GewArch 2007, 485 ff.).

15. dd) Für die Auffassung der Kl’in, der Gesetzgeber habe den Einbezug von Altfällen allenfalls in Bezug auf Erbfälle nach Inkrafttreten des Waffenrechtsneuregelungsgesetzes von 2002 beabsichtigt, sind keine Belege ersichtlich.

16. Das Waffenrechtsneuregelungsgesetz hatte das sog. Erbenprivileg nur noch für einen befristeten Zeitraum von fünf Jahren beibehalten (vgl. Art. 19 Nr. 2).

In der Begründung des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs der BReg. hieß es hierzu, falls bis zum Ablauf dieser Frist kein wirksames Blockiersystem auf den Markt gebracht sei, lasse sich die Privilegierung des Erben nicht länger vertreten (BT-Drs. 14/7758 S. 66). Hierauf Bezug nehmend hat die BReg. sodann in der Begründung ihres Gesetzentwurfs, der zum WaffGÄndG v. 26.03.2008 führte, dargelegt, § 20 WaffG sei wegen des am 01.04.2008 anstehenden Wegfalls des Erbenprivilegs neu zu fassen. Weder hieraus noch aus anderen Begebenheiten des Gesetzgebungsverfahrens lässt sich auf einen Willen des Gesetzgebers schließen, Altfälle aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten des Waffenrechtsneuregelungsgesetzes von 2002 von der vorgesehenen Blockierpflicht auszunehmen.

17. b) Der angefochtene Bescheid ist nicht wegen Ermessensfehlern zu beanstanden.

18. Der Bekl. hat im Rahmen der Begründung des angefochtenen Bescheids ausgeführt, über Ermessen zu verfügen. Im Rahmen der vorgenommenen Interessenabwägung überwiege das Interesse der Allgemeinheit auf Schutz vor Missbrauch und unsachgemäßem Gebrauch von Waffen. Auf Seiten der Kl’in liege kein außergewöhnlicher Härtefall vor.

19. Der Bekl. hat hiermit das ihm durch § 9 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 WaffG eingeräumte Ermessen erkannt und den für dessen Ausübung relevanten Gesichtspunkten hinreichend Rechnung getragen. Zutreffend hat bereits das VG im ersten Rechtszug aufgezeigt, dass der langjährige beanstandungsfreie Besitz der in Rede stehenden Waffen durch die Kl’in außer Betracht gelassen werden durfte. § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG erlegt im Interesse strikter Risikoverringerung die Blockierpflicht unabhängig vom Grad der Gefahrgeneigtheit des jeweiligen Einzelfalls auf. Diese Maßgabe muss auch im Rahmen von § 9 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 WaffG berücksichtigt werden. Sie entbindet die Waffenbehörde bei Anwendung dieser Vorschrift davon, vor Durchsetzung der Blockierpflicht individuelle personenbezogene Risikoeinschätzungen vorzunehmen.

20. 2. Mit dem verfassungsrechtl. Grundsatz des Vertrauensschutzes ist die Erstreckung auf Altfälle vereinbar.

21. Dieser Grundsatz, der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten ableitet, engt die Befugnis des Gesetzgebers ein, die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich zu ändern (vgl.

BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02 u.a. –, BVerfGE 127, 1 <16 m.w.N.>). Zu unterscheiden sind Fälle einer „echten“ und einer „unechten“ Rückwirkung. Eine Rechtsnorm entfaltet „echte“ Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Das ist grds. verfassungsrechtl. unzulässig (BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010 a.a.O. S. 17 m.w.N.).

Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“), liegt eine „unechte“ Rückwirkung vor. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grds. unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Vertrauensschutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010, a.a.O. S. 17 m.w.N.). Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtl. gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtl. und rechtsstaatl. Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010, a.a.O. S. 18 m.w.N.).

22. Ausgehend von diesen Maßstäben stößt die Blockierpflicht für Altfälle nicht auf Bedenken: 23. Der Einbezug von Altfällen in § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG stellt eine bloße GewArch 2015/9

tatbestandliche Rückanknüpfung dar, unterfällt also nicht der Kategorie der „echten“ Rückwirkung. Die Blockierpflicht wird nicht im Nachhinein für Zeiträume der Vergangenheit begründet, sondern gilt erst ab dem Zeitpunkt ihrer gesetzl. Einführung. Allerdings wird sie, soweit Altfälle betroffen sind, von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst, nämlich dem zu einem früheren Zeitpunkt im Einklang mit waffenrechtl. Vorschriften vollzogenen Besitz von Erbwaffen, für den bis zum Erlass von § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG selbst bei Bedürfnislosigkeit keine Blockierpflicht galt. Wegen dieser Veränderung der waffenrechtl. Position derjenigen, die wie die Kl’in bereits vor Erlass der Vorschrift Besitzer von Erbwaffen waren, kommt der Vorschrift „unechte“ Rückwirkung zu.

24. Den hierfür durch die Rspr. des BVerfG aufgezeigten Anforderungen wird § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG vollauf gerecht. Die Erstreckung der Blockierpflicht auf Altfälle ist geeignet, das mit dem Besitz von Erbwaffen verbundene abstrakte Schadensrisiko für Dritte umgehend und umfassend zu verringern. Ein milderes, gleich wirksames Mittel hierfür ist nicht ersichtlich. Bei einer Gesamtabwägung zwischen den Belangen der Betroff. und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit ohne weiteres gewahrt. Der Gesetzgeber hat allgemein ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem WaffG jeweils verfolgten Sicherungszwecke möglichst rasch zur Geltung zu bringen. Er handelt bei der Ausgestaltung des waffenrechtl. Umgangsrechts mit dem Ziel, seine Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 GG zu erfüllen und sich schützend vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu stellen. Mit Rücksicht auf den besonderen Rang dieser Schutzpflichten und die Weite des insoweit bestehenden legislativen Entscheidungsspielraums kann der Gesetzgeber in aller Regel das waffenrechtl. Umgangsrecht verschärfen, ohne hierin durch den verfassungsrechtl. Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt zu werden (BVerwG, vgl. Urt. v. 16.05.2007 – 6 C 24.06 –, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 93 Rn. 45 = GewArch 2007, 485 ff.). Umgekehrt kann derjenige, dem der Umgang mit Waffen erlaubt ist, in aller Regel nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass die einmal geltenden Umgangsanforderungen für alle Zukunft unverändert bleiben.

25. Dass speziell im Hinblick auf die Einführung der Blockierpflicht ausnahmsweise eine abweichende Bewertung angebracht sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die Blockierpflicht trifft gem. § 20 Abs. 3 S. 2 WaffG denjenigen, der kein rechtl. anerkanntes Bedürfnis für den Umgang mit Waffen besitzt, d.h. der nicht die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Gesetzgeber Waffenbesitz im Allgemeinen für hinnehmbar hält. Wird die Fortdauer des Privilegs, dennoch Waffen besitzen zu dürfen, durch die Maßgabe eingeschränkt, ihre Schussfähigkeit auszuschließen, ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht ansatzweise überschritten, zumal nicht ersichtlich ist, dass die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten eine unannehmbare Größenordnung erreichen könnten.

Gewerbeordnung und Gewerbeordnung und sonstiges Gesonstiges Gewerberecht werberecht

Insolvenzverfahrenseröffnung, IHK-Beitragspflicht, Masseverbindlichkeit InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2; IHKG § 2 Abs. 1, 3 Abs. 2, 3 Die während eines Insolvenzverfahrens entstehende Beitragspflicht zur Industrie- und Handelskammer ist eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO. VG Düsseldorf, Urteil vom 13.05.2015 – 20 K 4304/14 – (n.rkr., Berufung anhängig bei dem OVG Münster – 17 A 1258/15 –) 1. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens jährlich neu entstehende Beitragspflicht stellt eine „in anderer Weise durch die Verwertung der Insolvenzmasse“ begründete Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO dar, die gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen ist.

2. Bei Kapitalgesellschaften erlischt – anders als bei Einzelkaufleuten oder Personengesellschaften – die objektive Gewerbesteuerpflicht und damit die Beitragspflicht nicht schon mit dem Aufhören der gewerblichen Tätigkeit, sondern mit dem Aufhören jeglicher Tätigkeit überhaupt.

361

Rechtsprechung und Erlasse 3. Der für die objektive Gewerbesteuerpflicht und damit für die Beitragspflicht maßgebliche Abwicklungszeitpunkt liegt vor der Anmeldung zur Löschung im Handelsregister, frühestens bei der insolvenzrechtlichen Schlussverteilung, da zu diesem Zeitpunkt das Vermögen der Gesellschaft – mit Ausnahme des laufenden Einkommens – verteilt ist.

4. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu entstehende Beitragspflichten können als Masseverbindlichkeiten im Wege der Aufrechnung gegen Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend gemacht werden.

– Orientierungssätze – Mit Beschluss des AG – Insolvenzgericht – v. 20.08.2013 (Az.: 63 IN 248/13) wurde über das Vermögen der X.-UG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kl. zum Insolvenzverwalter ernannt. Dies geschah aufgrund eines am 12.12.2012 beim Insolvenzgericht eingegangenen Antrags einer Gläubigerin. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Geschäftsgegenstand der X.-UG war die Reinigung von Baustellen.

Seit Beginn des Kalenderjahres 2013 erzielte sie keinerlei Umsatzerlöse.

Zum 19.08.2013 meldete die X.-UG ihr Gewerbe ab.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhielt die bekl. IHK aufgrund einer durchgeführten Zwangsvollstreckung am 21.05.2013 113,13 Euro und am 17.05.2013 340,96 Euro aus dem schuldnerischen Vermögen. Mit Schreiben v. 15.05.2014 forderte der Kl. nach Zahlungsanfechtung zur Auskehr der erhaltenen Beträge an die Insolvenzmasse auf. Am 27.05.2014 erließ die Bekl. den Beitragsbescheid für das Jahr 2014 in Höhe von 180,00 Euro. Diesem legte sie einen Gewerbeertrag der X.-UG in Höhe von 0,00 Euro zugrunde. Die Beitragspflicht begründete sie damit, dass eine Mitgliedschaft des Unternehmens in der IHK auch während des Insolvenzverfahrens bestehe, so dass es sich bei der in Rede stehenden Beitragszahlung um eine Masseverbindlichkeit handele. Die Bekl. verrechnete den angefochtenen Betrag von insgesamt 454,09 Euro mit der angeforderten Beitragszahlung und kündigte an, den noch offenen Betrag in Höhe von 274,09 Euro auf das von dem Kl. eingerichtete Verwalteranderkonto einzuzahlen.

Mit Schreiben v. 10.06.2014 beantragte der Kl. gegenüber der Bekl. die Aufhebung des angegriffenen Bescheides und führte aus, dass der Geschäftsbetrieb bereits vor Insolvenzeröffnung im Jahr 2013 vollständig eingestellt worden sei und eine Beitragspflicht für das Kalenderjahr 2014 daher nicht bestehe.

Der Kl. hat Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Der angegriffene Beitragsbescheid sei aufzuheben, da weder er noch die Schuldnerin Mitglied der Bekl. sei. Die Schuldnerin erziele bereits seit 2013 keine Umsätze mehr, übe keinen Geschäftsbetrieb aus und sei nicht mehr zur Gewerbesteuer veranlagt.

Aus den Gründen: Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig. Die Beteiligungsfähigkeit des Kl. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin folgt aus § 80 Abs. 1 InsO. Als Partei kraft Amtes ist er im Wege gesetzl. Prozessstandschaft zur prozessualen Geltendmachung subjektiver Rechte der Insolvenzschuldnerin ermächtigt und damit klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO. Die Klage ist aber nicht begründet.

Der Kl. ist aktivlegitimiert, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der X.-UG gem. § 80 Abs. 1 InsO durch Beschluss des AG – Insolvenzgericht – v. 12.12.2012 auf ihn übergegangen ist.

Der Bescheid v. 27.05.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Mitgliedsbeitrag sind §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 u. 3 IHKG i.V.m. der BeitragsO der N.-IHK v. 01.12.2004, zul. geänd. durch Beschluss der Vollversammlung v. 06.12.2007 i.V.m. der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2014 v. 26.11.2013. Nach diesen Vorschriften erhebt die IHK von ihren Mitgliedern als Beiträge Grundbeiträge und Umlagen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor.

Die X.-UG ist nach wie vor Mitglied der Bekl. Gem. § 2 Abs. 1 IHKG gehören zur IHK, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, u.a. jur. Personen des priv. Rechts, welche im Bezirk der IHK eine Betriebsstätte unterhalten. Das Merkmal der „Veranlagung zur Gewerbesteuer“ ist dabei rein objektiv zu bestimmen und hängt nicht davon ab, ob der Gewerbetreibende tatsächlich Gewerbesteuer zahlen muss oder ob er überhaupt Gewinne erwirtschaftet. Für die Mitgliedschaft in der IHK kommt es allein auf die dem Grunde nach bestehende Ge362

werbesteuerpflicht an (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.2005 – 6 C 10/04 –, GewArch 2005, 211 ff., zit. nach juris).

Die X.-UG ist objektiv gewerbesteuerpflichtig. Denn als Kapitalgesellschaft ist sie gem. § 2 Abs. 2 GewStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb i.S.d. Gewerbesteuerrechts anzusehen. Die durch das am 01.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missständen (MoMiG) eingeführte Unternehmergesellschaft gilt als Handelsgesellschaft i.S.d. Handelsgesetzbuchs (vgl. §§ 5 a, 13 Abs. 3 GmbHG) und ist im Handelsregister eingetragen. Hinsichtlich ihrer grds. Gewerbesteuerpflichtigkeit und der daraus folgenden Beitragspflichtigkeit zu den IHKs bestehen vor diesem Hintergrund in der Rspr. keinerlei Zweifel (vgl. etwa VG Hannover, Urt. v. 07.05.2013 – 11 A 2436/11 –; OVG Lüneburg, Beschl. v.

24.07.2013 – 8 LA 16/13 –, GewArch 2014, 175 ff., zit. nach juris).

Auch das durch Beschluss des AG v. 20.08.2013 über das Vermögen der X.UG eröffnete Insolvenzverfahren steht ihrer Gewerbesteuerpflichtigkeit nicht entgegen. Gem. § 4 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) i.d.F. v. 15.10.2002 bleibt ein in Auflösung befindlicher Gewerbebetrieb bis zur Beendigung seiner Aufgabe oder Abwicklung Steuergegenstand. Ausweislich der Vorschrift des § 4 Abs. 2 GewStDV wird die Gewerbesteuerpflicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers nicht berührt. Ganz in diesem Sinne bestimmt § 3 Abs. 3 S. 2 der Beitragsordnung der Bekl. (BO), dass die Beitragspflicht der Kammerzugehörigen durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht berührt wird. Korrespondierend hierzu erlischt bei den Kapitalgesellschaften i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStG – anders als bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften – nach R 2.6 Abs. 2 S. 1 GewStR 2009 die objektive Gewerbesteuerpflichtigkeit nicht schon mit dem Aufhören der gewerbl. Tätigkeit, sondern mit dem Aufhören jeglicher Tätigkeit überhaupt. Da die Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaften i.S.d. § 2 Abs. 2 GewStG somit an ihrer Gewerbesteuerpflicht nichts ändern, fallen die Beendigung der Abwicklung und das Aufhören der Gewerbesteuerpflicht gem.

R 2.6 Abs. 4 S. 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009 (GewStR) regelmäßig mit dem Zeitpunkt zusammen, in dem das Vermögen an die Gesellschafter verteilt ist. Wenn bei dieser Verteilung Vermögensbeträge zur Begleichung von Schulden zurückbehalten werden, bleibt das Unternehmen nach R 2.6 Abs. 4 S. 3 GewStR gewerbesteuerpflichtig, bis die Schulden beglichen sind. Die Frage des Abwicklungszeitpunkts beantwortet sich vor diesem Hintergrund ausschließlich danach, wie lange die Gesellschaft Vermögen hat und dieses verwaltet (vgl.

Kammer, Urt. v. 03.05.2012 – 20 K 1247/11 –).

Welcher Zeitpunkt im Laufe der insolvenzrechtl. Abwicklung der Gesellschaft als Zeitpunkt der „Beendigung seiner Aufgabe oder Abwicklung“ i.S.d. § 4 Abs. 1 GewStDV anzusehen ist, wird durch die gewerbesteuerrechtl. Vorschriften nicht präzisiert. Er lässt sich daher nur anhand des Sinn und Zwecks sowie der Systematik der insolvenz- und steuerrechtl. Vorschriften näher eingrenzen. Dabei dürfte Einigkeit jedenfalls insoweit bestehen, als dass es für den Fortbestand der Gewerbesteuerpflichtigkeit nicht darauf ankommt, ob der im Handelsregister eingetragene Unternehmensgegenstand bis zur Löschung der Gesellschaft noch die Möglichkeit der Wiederaufnahme einer gewerbl. Tätigkeit bietet. Denn die Anmeldung zur Löschung im Handelsregister oder gar die Löschung selbst ist kein Bestandteil der Abwicklung i.S.d. oben genannten Vorschriften (vgl. OVG Sachs.-Anh., Urt. v. 17.02.2000 – A 1 S 157/99 –; zit. nach juris).

Auf der anderen Seite ist als frühestmöglicher Zeitpunkt der Abwicklung die insolvenzrechtl. Schlussverteilung i.S.d. § 196 Abs. 1 lnsO anzusehen.

Denn Sinn und Zweck der Schlussverteilung ist, die gesamte verwertbare Masse an die Insolvenzgläubiger auszuschütten und das Insolvenzverfahren zu beenden, vgl. § 200 lnsO. Sie findet statt, sobald die Masseverwertung abgeschlossen ist (vgl. Meller-Hannich in: Jaeger, InsO, § 196 Rn. 1).

Der Zeitpunkt der Schlussverteilung ist insoweit als derjenige anzusehen, zu welchem das Vermögen der Gesellschaft – mit Ausnahme des laufenden Einkommens – i.S.d. § 4 Abs. 1 u. 2 GewStDV „verteilt“ ist. Nur diese Betrachtungsweise genügt auch der in §§ 2 Abs. 1 IHKG, 4 GewStDV zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers, das Bestehen der objektiven Gewerbesteuerpflicht möglichst an objektivierte Begebenheiten und nicht an das Bestehen einzelner Vermögenswerte anzuknüpfen.

Unter Zugrundelegung dessen hat sich die X.-UG zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständl. Bescheides am 27.05.2014 noch in der Abwicklung befunden. Denn zu diesem Zeitpunkt hat nach dem unbestrittenen Vortrag der Bekl. eine Schlussverteilung i.S.d. § 196 lnsO noch nicht stattgefunden, so dass eine Verteilung der noch vorhandenen Masse und damit eine abschließende Verwertung weiterhin aussteht. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die X.-UG ihr Gewerbe bereits zum 19.08.2013 abgemeldet und sämtliche GeGewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse schäftstätigkeiten zu Beginn des Kalenderjahres 2013 eingestellt hatte. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang maßgeblich, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über personelles oder sachliches Kapital, das unmittelbar der Führung des laufenden Betriebes zugeordnet werden könnte, verfügte. Denn anders als bei den Personenhandelsgesellschaften ist bei den Kapitalgesellschaften eine werbende Tätigkeit – also eine solche, die regelmäßig eine Teilnahme am allgemeinen Geschäftsverkehr mit sich bringt – nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Nr. 19 Abs. 3 S. 2 GewStR nicht erforderlich.

Die X.-UG hat schließlich auch eine Betriebsstätte im Bezirk der Bekl. unterhalten. Das IHKG enthält keine eigene Definition des Begriffs der Betriebsstätte, es wird jedoch ganz allgemein (vgl. etwa BVerwG, Urt. v.

19.01.2005 – 6 C 10/04 –, GewArch 2005, 211 ff., zit. nach juris) auf den steuerrechtl. Betriebsstättenbegriff des § 12 AO abgestellt. Gem. § 12 S. 1 AO ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, wobei nach dem Regelbeispiel des § 12 S. 2 Nr. 1 AO als Betriebsstätte u.a. die Stätte der Geschäftsleitung anzusehen ist.

Geschäftsleitung ist nach § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftl. Oberleitung, also dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird bzw. an dem auf Dauer gesehen die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit getroffen werden. Nach der Rspr. des BFH muss jedes Unternehmen einen Ort der Geschäftsleitung haben. Eine feste eigene Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient, ist hierfür nicht erforderlich. Daher kann sich die Stätte der Geschäftsleitung etwa auch in der Wohnung des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft befinden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 01.12.201 0 – 17 A 2689/09 –; BFH, Urt. v. 16.12.1998 – IR 138197 –, jew. zit. nach juris).

Unter Zugrundelegung dessen befindet sich die Betriebsstätte der X.-UG im Bezirk der Bekl. Im Falle einer Insolvenz werden die für das tatsächliche und rechtl. Geschäft der Gesellschaft maßgeblichen Handlungen regelmäßig durch den Insolvenzverwalter ausgeübt, so dass dieser grds. die Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO innehat. Der Sitz des Insolvenzverwalters über das Vermögen der X.-UG befindet sich in … und damit im Kammerbezirk.

Da die Höhe des streitgegenständl. Beitragsbescheides auch von dem Kl. nicht beanstandet wird, erweist sich die angegriffene Beitragsforderung dem Grunde und der Höhe nach als rechtmäßig.

Die Inanspruchnahme des Kl. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X.-UG begegnet ebenfalls keinen rechtl. Bedenken. Die von der Bekl. festgesetzte Beitragsforderung stellt eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, die – anders als eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO – gem. § 53 InsO unmittelbar gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen und von diesem aus der Insolvenzmasse zu begleichen ist.

Gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten solche, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Unter Handlungen des Insolvenzverwalters i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 InsO versteht das Gesetz Rechtsgeschäfte und andere schuld- oder haftungsbegründende Handlungen einschließl. der Prozesshandlungen (vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 55 Rn. 8).

Die von der Bekl. erhobene Beitragsforderung ist keine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 InsO, weil sie nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters, sondern als Folge seiner Amtstätigkeit entstanden ist. Nach unbestrittenem Vortrag des Kl. wurde der Geschäftsbetrieb der X.-UG bereits zu Beginn des Kalenderjahres 2013 eingestellt, nachdem sämtliche Aufträge der Y.UG erteilt worden waren und die X.-UG keine Umsätze mehr erzielt hatte. Spätestens seit der Verwertung des letzten Sachgegenstandes der X.-UG bzw. mit Gutschrift des Ablösebetrages am 08.10.2013 hat auch der Kl. keine rechtsgeschäftl. Handlungen i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 InsO mehr vorgenommen.

Die streitbefangene Beitragsforderung stellt aber eine gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO in anderer Weise durch die Verwertung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit dar.

Die in anderer Weise begründeten sonstigen Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO müssen durch die Amtstätigkeit des Verwalters ausgelöst worden sein und dürfen weder zu den durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründeten Verbindlichkeiten nach Nr. 1 Halbs. 1 noch zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten der Nr. 2 oder der Nr. 3 gehören. Zu den Verbindlichkeiten, die durch die Verwaltung entstehen, sind etwa diejenigen zu zählen, die durch den Beschluss eines Organs oder einer Gemeinschaft kraft Gesetzes oder kraft Verwaltungsakts entstehen (vgl.

Henckel, in: Jaeger, InsO, §55 Rn. 29 f.).

Zu den kraft Gesetzes entstehenden Masseverbindlichkeiten zählen insGewArch 2015/9

bes. Steuerforderungen, etwa die Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer, die Gewerbesteuer, Grundsteuer und die Lohnsteuer für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse nach der Verfahrenseröffnung fortbestehen oder vom Verwalter im Unternehmen des Schuldners neu begründet werden.

Demgegenüber gehören zu den Masseverbindlichkeiten, die durch Verwaltungsakt begründet oder festgesetzt werden, etwa Beiträge, Sonderbeiträge und Gebühren, die an Kammern als Körperschaften des öffentl. Rechts für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten sind (vgl.

Henckel, in: Jaeger, InsO, § 55 Rn. 33 ff.).

Dabei setzt § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO stets voraus, dass die Verbindlichkeit auf eine – wie auch immer geartete – Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen ist. Denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht gem. § 80 Abs. 1 InsO nur noch dem Insolvenzverwalter das Recht zu, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Gem. § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren grds. das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Damit gehören etwa auch Einkünfte, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielt werden, zur Insolvenzmasse; nicht zur Insolvenzmasse gehören dagegen nach § 36 InsO unpfändbare und wirksam freigegebene Gegenstände (vgl. FG München, Urt. v. 21.07.2010 – 10 K 3005/07 – m.w.N. –, zit. nach juris).

Welche Anforderungen an die danach erforderliche massebezogene Verwaltungshandlung des Insolvenzverwalters zu stellen sind, ergibt sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO nicht ohne weiteres. Rechtl. Vorgaben lassen sich jedoch der Systematik und dem Sinn und Zweck der insolvenzrechtl.

Vorschriften sowie deren Zusammenspiel mit den hier einschlägigen Vorschriften des Gewerbesteuerrechts entnehmen.

Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens sind in § 1 InsO niedergelegt. Dort heißt es: „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftl. zu befriedigen, indem das Vermögen eines Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbes. zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“ Soweit § 1 InsO als Ziel des Insolvenzverfahrens die gemeinschaftl. Befriedigung der Gläubiger benennt, kann diese auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden. Hierzu sieht das Gesetz verschiedene Forderungskategorien vor. Das Insolvenzvermögen, also die Insolvenzmasse, ist den Insolvenzgläubigern zugewiesen, vgl. § 35 InsO. Sie dient ihrer gemeinschaftl.

Befriedigung. Dies bedeutet, dass die individuelle Rechtsverfolgung, wie sie außerhalb des Insolvenzverfahrens zulässig ist, den Insolvenzgläubigern verwehrt ist und durch ein besonderes Verfahren verdrängt wird, das auch dem Ausgleich der Gläubigerinteressen untereinander dient. Hierbei strebt die Insolvenzordnung grds. eine gleiche Befriedigung aller Insolvenzgläubiger an (vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 3).

Für die in § 54 InsO aufgeführten Kosten des Insolvenzverfahrens und die in § 55 InsO aufgezählten sonstigen Masseverbindlichkeiten enthält § 53 InsO eine hiervon abweichende Rechtsfolge. Denn deren Gläubiger werden „vorweg“, das heißt vor den Insolvenzgläubigern und unabhängig von dem Verlauf des Verteilungsverfahrens befriedigt (vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 53 Rn. 3).

Die in § 53 InsO normierte Rechtsfolge führt regelmäßig dazu, dass die Massegläubiger – anders als die Insolvenzgläubiger – nicht nur anteilig, sondern voll befriedigt werden; sie stellt damit eine Durchbrechung des Grundsatzes der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger dar. Sinn und Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist es, die Handlungsfreiheit des Insolvenzverwalters im geschäftl.

Verkehr mit Dritten zu sichern und ihm zu ermöglichen, die hierfür erforderlichen Rechtsgeschäfte abzuschließen bzw. die hierfür erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen vorzunehmen. Masseverbindlichkeiten sollen deshalb grds. nur im Rahmen von Geschäften entstehen, welche der Insolvenzverwalter mit dem Ziel abschließt, der Masse etwas zuzuführen (vgl. LSG Bad.-Württ., Urt. v. 19.05.2010 – L 3 AL 3121/06 – m.w.N. –, zit. nach juris).

Das in § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zum Ausdruck kommende Austausch- bzw.

Gegenseitigkeitsprinzip ist im hiesigen Kontext allerdings mit den Wertentscheidungen des Gesetzgebers im Bereich des Steuer- und IHK-Beitragsrechts in Einklang zu bringen. Dieser geht in §§ 2 Abs. 1 IHKG, 2 Abs. 2 GewStG von dem Fortbestand der Beitragspflicht auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus und setzt damit die insolvenzrechtl. Durchsetzbarkeit der in Rede stehenden Beitragsforderung gleichermaßen voraus. Indes bedingt diese gesetzgeberische Entscheidung wiederum die Einordnung der nach Insolvenzeröffnung entstandenen Beitragsforderung als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 InsO, da ein gegen die Insolvenzschuldnerin selbst gerichteter Anspruch auf363

Rechtsprechung und Erlasse grund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht durchsetzbar wäre. Da die aus der Mitgliedschaft zu den IHKs resultierende Beitragspflicht im Bereich der Kapitalgesellschaften nicht auf einer Geschäftstätigkeit des Insolvenzverwalters beruht, sondern allein auf der objektiven Gewerbesteuerpflicht der Insolvenzschuldnerin, entsteht auf den ersten Blick ein gewisser Widerspruch zu den beschriebenen insolvenzrechtl. Grundsätzen. Jedoch knüpft die Mitgliedschaft in einer IHK an die gewerbl. Tätigkeit an. Führt der Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren oder im eröffneten Verfahren das Unternehmen fort oder setzt der Schuldner im Rahmen der Eigenverwaltung seine unternehmerische Tätigkeit fort, so handelt es sich um einen vermögensrechtl. Anspruch gegen die Insolvenzmasse, der von dem Verwalter im Rang des § 55 InsO zu erfüllen ist (vgl. Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 55 Rn. 27).

So verhält es sich hier. Die X.-UG als Insolvenzschuldnerin ist aufgrund ihrer gewerbl. Tätigkeit nach wie vor Mitglied bei der Bekl. Der Begriff der gewerbl. Tätigkeit ist rein objektiv zu bestimmen. Anders als bei den Personenhandelsgesellschaften setzt die „gewerbliche Tätigkeit“ der Kapitalgesellschaften keine werbende Tätigkeit voraus. Nach der Wertung des § 2 Abs. 2 GewStG sind sie vielmehr auch dann „gewerblich tätig“, wenn ihr Geschäftsgegenstand sich auf die Abwicklung und Verteilung der restlichen Vermögensmasse beschränkt. Die solchermaßen in § 2 Abs. 2 GewStG zum Ausdruck kommende Unterscheidung stellt eine grundlegende, über das Steuerrecht hinausgehende Unterscheidung dar, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht aufgehoben werden kann. Die erforderliche massebezogene Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters in Gestalt seiner „gewerblichen Tätigkeit“ beschränkt sich daher nach Eröffnung des Verfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft auf deren Abwicklung und Auflösung, die – wie bereits ausgeführt – hier noch nicht abgeschlossen ist.

Die Beitragsforderung der Bekl. ist auch nach Eröffnung und damit innerhalb des von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO erfassten Zeitraums entstanden.

Wie die Frage des Entstehungszeitpunkts einer Forderung materiell-rechtl. zu bestimmen ist, ergibt sich aus den insolvenzrechtl. Vorschriften nicht ohne weiteres. Die finanzgerichtl. Rspr. hat die Verortung von Steueransprüchen innerhalb des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO in zeitlicher Hinsicht von der Erfüllung des zugrunde liegenden Steuertatbestandes abhängig gemacht. Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich demzufolge nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Steueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Welche Anforderungen im Einzelnen an die somit erforderliche Tatbestandsverwirklichung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht nach dem Insolvenzrecht. Bei der Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung ist demnach wie folgt zu differenzieren: Kommt es zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Insolvenzforderung i.S.d. § 37 InsO. Wird der steuerl. Tatbestand erst nach Verfahrenseröffnung vollständig verwirklicht, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor (vgl.

BFH, Urt. v. 29.08.2007 – IX R 4/07 –; Urt. v. 09.12.2010 – V R 22/10 –; Thür.

FG, Urt. v. 30.11.2011 – 3 K 581/09 –, zit. nach juris).

Für die im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Vereins- oder Verbandsmitglieds durch Satzung begründete Pflicht zur Zahlung von Beiträgen können diese Grundsätze entsprechend herangezogen werden, soweit die Beiträge – wie hier, vgl. § 1 Abs. 1 BO – zu den öffentl. Abgaben zählen.

Denn in diesem Falle werden sie als hoheitlich geltend gemachte ö-r Geldforderungen von allen erhoben, die einen normativ bestimmten Tatbestand erfüllen und zur Deckung des Finanzbedarfs des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentl. Aufgaben dienen und sind damit den Steuern ähnlich (vgl.

Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 57 m.w.N.).

Für die insolvenzrechtl. Einordnung der Mitgliedsbeiträge zu den IHKs bedeutet dies: Die Frage des Entstehungszeitpunkts der in Rede stehenden Beitragsforderung und damit die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit beantwortet sich nach dem der Forderung zugrunde liegenden Satzungsrecht. Wird danach die Mitgliedschaft in dem jeweiligen Verband bzw. Verein nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet, besteht die Beitragspflicht fort, bis die Mitgliedschaft etwa durch Kündigung oder Ausschluss beendet ist. Die Beitragspflicht ist nicht schon mit der Satzung oder dem Beitritt des Mitglieds für alle Zeit begründet. Sie entsteht periodisch jeweils neu, kann deshalb Masseverbindlichkeit sein, wenn die Beitragsperiode nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt.

Dabei besteht die Beitragspflicht unabhängig davon, ob der Insolvenzverwal364

ter Leistungen des Vereins oder Verbandes in Anspruch nimmt (vgl. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 55 Rn. 30; zur Beitragsforderung eines Genossenschaftsverbands vgl. OLG Köln, Beschl. v. 04.05.2012 – 5 U 227/11 –; LG Kassel, Urt. v. 31.07.2002 – 4 O 246/02 –, zit. nach juris).

So liegt der Fall hier. Anders als im Steuerrecht, dessen Tatbestände sich – wie etwa im Umsatz- oder Einkommenssteuerrecht – auf verschiedene, zeitlich nachgelagerte Tatbestandsmerkmale erstreckt, deren vollständige Verwirklichung im Rahmen des § 55 Abs. 1 InsO jeweils gesondert zu überprüfen ist (vgl.

Thür. FG, Urt. v. 30.11.2011 – 3 K 581/09 –, zit. nach juris), ist die Fälligkeit der streitgegenständl. Beitragsforderung der Bekl. und damit deren tatbestandliche Verwirklichung gem. § 17 BO ausschl. von dem Zugang des Beitragsbescheides abhängig. Die Beitragspflicht entsteht hierbei jährlich neu. Insoweit bestimmt § 3 Abs. 1 u. 2 BO hinsichtlich des Beginns und des Endes der Beitragspflicht und damit des Umfangs der Beitragsperiode: „Die Beitragspflicht entsteht mit Beginn des Geschäftsjahres, erstmalig mit dem Beginn der IHK-Zugehörigkeit.

Erhebungszeitraum für den Beitrag ist das Geschäftsjahr v. 01.01. bis zum 31.12.“ Dies zugrunde gelegt, ist die streitbefangene Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit innerhalb des von § 55 Abs. 1 InsO erfassten Zeitraums entstanden. Der angegriffene Beitragsbescheid ist dem Kl. frühestens am 27.05.2014, mithin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, zugegangen. Erst zu diesem Zeitpunkt konnte die Beitragsforderung zur Entstehung gelangen. Infolgedessen handelt es sich bei diesem nicht um eine aufschiebend bedingte oder befristete Forderung i.S.d. § 38 InsO, die dem Grunde nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden war.

Die von der Bekl. vorgenommene Aufrechnung ist zulässig, ohne den Einschränkungen der §§ 94 bis 96 InsO zu unterliegen, die nur für Insolvenzforderungen gelten. Denn die streitbefangene Beitragsforderung stellt keine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO dar, sondern eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO, die von der Bekl. ohne weiteres im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden kann. …

Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grds. Bedeutung hat, vgl. § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Insoweit haben die Beteil. in der mündl. Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass die hier streitige Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO für eine Vielzahl von Verfahren entscheidungserhebliche Bedeutung haben wird.

Anmerkung: Mitgliedschaft und Beitragspflicht in Selbstverwaltungsträgern im Insolvenzverfahren1 Das vorstehende noch nicht rechtskräftige Urteil2 des VG Düsseldorf bietet Gelegenheit, einen allgemeinen Blick auf die Mitgliedschaft und die daran anknüpfende Beitragspflicht von Unternehmen in Selbstverwaltungsträgern in der Insolvenz des Mitglieds hier am Beispiel der Mitgliedschaft in den Industrie- und Handelskammern zu werfen.

Maßgeblich für die IHK-Mitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHK-Gesetz ist neben dem Bestehen einer Betriebsstätte das Vorliegen der objektiven Gewerbesteuerpflicht3. Dieser Maßstab gilt auch in der Insolvenz.

Die Insolvenzordnung als Gesamtvollstreckungsordnung regelt für die Zeit des Insolvenzverfahrens, wer die Mitgliedschaftsrechte geltend machen kann und nach welchen Maßgaben die nach dem Abgabenrecht begründeten (Beitrags-)Forderungen geltend gemacht werden können4.

Sie greift nicht, und das stellt die Entscheidung in Einklang mit der übrigen Rechtsprechung insbesondere zum Recht der öffentlichen Abgaben in der Insolvenz klar, in die Begründung der Mitgliedschaftsrechte oder der -pflichten ein5. Dieses Zusammenwirken der Regelungsordnungen soll im Folgenden anhand dafür wesentlicher Aspekte im Rahmen des Ablaufes eines Insolvenzverfahrens nachgezeichnet werden.

I. Insolvenzeröffnung als Differenzierungszeitpunkt In der Insolvenz des Mitgliedsunternehmens ist ein Zeitpunkt für die Betrachtung der Rechte und (Beitrags-)Pflichten entscheidend – der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Vor diesem Zeitpunkt ist mit Ausnahme des starken Insolvenzverwalters während des Insolvenzeröffnungsverfahrens das Unternehmen selbst aus der Mitgliederstellung berechtigt und verpflichtet. Für die streitgegenständliche Mitgliedsbeitragspflicht bedeutet dies, dass Mitgliedsbeiträge für Jahre, deren Tatbestände vor diesem Zeitpunkt erfüllt wurden, lediglich als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Damit unterliegen sie, wenn sie bereits durchgesetzt wurden, zumindest dem Risiko der Insolvenzanfechtung, wenn deren Voraussetzungen gegeben sind.

GewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse Nach der Insolvenzeröffnung bleibt der Insolvenzschuldner zwar Inhaber von Rechten und Pflichten, aber die aus der Rechtsträgerschaft folgenden Befugnisse bezogen auf die Insolvenzmasse gehen nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über, soweit nicht das Verfahren in Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO geführt wird 6. Daraus folgt auch, dass der Insolvenzverwalter Adressat für auf die Insolvenzmasse bezogene Verwaltungsakte während des Insolvenzverfahrens ist 7. Damit stellt sich im Rahmen der Beitragserhebung die allein nach dem Abgabenrecht zu beantwortende Frage, ob hierfür die Voraussetzungen noch gegeben sind oder nicht, für die Mitgliedschaft in den Industrieund Handelskammern also, ob die objektive Gewerbesteuerpflicht gegeben ist.

II. Ende der Mitgliedschaft im Insolvenzverfahren Das Entfallen der objektiven Gewerbesteuerpflicht bestimmt den Zeitpunkt des Endes der IHK-Mitgliedschaft auch im Insolvenzverfahren. Die Regelung in § 4 Abs. 2 GewStDV stellt klar, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solche keinen Einfluss auf die objektive Gewerbesteuerpflicht hat. Für die objektive Gewerbesteuerpflicht ist nach § 2 GewStG zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften auf der einen und Kapitalgesellschaften auf der anderen Seite zu unterscheiden.

1. Einzelunternehmen und Personengesellschaften Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist auch bei deren Eintragung im Handelsregister nach § 2 Abs. 1 GewStG in Verbindung mit § 15 EStG darauf abzustellen, ob eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird oder nicht. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind verschiedene Konstellationen denkbar. Die werbende Tätigkeit könnte sowohl durch den Insolvenzverwalter im Rahmen des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel einer Sanierung oder zur Vorbereitung einer anderweitigen Verwertung, als auch durch den Insolvenzschuldner im Rahmen einer freigegebenen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO oder auch in Form der Eigenverwaltung fortgesetzt werden. In allen genannten Fallvarianten würde die objektive Gewerbesteuerpflicht bestehen bleiben und damit auch die Mitgliedschaft. Der Unterschied zwischen den Konstellationen ist allein, dass der Verwaltungsakt, mit dem der Mitgliedsbeitrag festgesetzt wird, während der vom Insolvenzverwalter fortgesetzten werbenden Tätigkeit dem Insolvenzverwalter gegenüber zu erlassen ist und im Falle der Fortsetzung der werbenden Tätigkeit durch den Insolvenzschuldner nach der Freigabe durch den Insolvenzverwalter oder in Eigenverwaltung gegenüber dem Insolvenzschuldner 8.

2. Kapitalgesellschaften Bei Kapitalgesellschaften sieht hingegen die Regelung in § 2 Abs. 2 GewStG vor, dass diese während ihres Bestandes „stets und in vollem Umfang“ objektiv gewerbesteuerpflichtig sind. Hier musste in der besprochenen Entscheidung nun der Zeitpunkt definiert werden, zu dem diese objektive Gewerbesteuerpflicht im Insolvenzverfahren endet.

Maßstab ist hier die abgabenrechtliche Regelung in § 4 Abs. 1 GewStDV, wonach ein aufgegebener oder aufgelöster Gewerbebetrieb bis zur Beendigung der Aufgabe oder Abwicklung Steuergegenstand bleibt. Die Entscheidung stellt in Einklang mit der Rechtsprechung, Literatur und Auffassung der Finanzverwaltung klar, dass ein Abstellen auf die Löschung im Handelsregister oder auf eine entsprechende Antragstellung nicht sachgerecht wäre, da die Löschung nicht mehr Teil der Abwicklung ist, sondern diese voraussetzt9. Gleichzeitig setzt das Gericht den frühestmöglichen Zeitpunkt der Beendigung der Abwicklung im Insolvenzverfahren auf die insolvenzrechtliche Schlussverteilung fest. Nach der Ausschüttung der Insolvenzmasse an die Insolvenzgläubiger nach § 196 InsO im Vorfeld der Beendigung des Insolvenzverfahrens nach § 200 InsO endet danach die objektive Gewerbesteuerpflicht und damit die Mitgliedschaft des Unternehmens.

III. Geltendmachung von Mitgliedsbeiträgen Das Insolvenzrecht als Gesamtvollstreckungsrecht erlangt erst in den Fällen, in denen die Mitgliedschaft nach den vorstehenden Maßstäben noch besteht, Bedeutung. Es regelt, wie die Beitragsforderungen geltend zu machen sind. Danach gilt, dass Beitragsforderungen, deren Tatbestände vor der Insolvenzeröffnung erfüllt wurden, als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden sind. Dabei hängt es von der Regelung in der jeweiligen Beitragsordnung des Selbstverwaltungsträgers GewArch 2015/9

ab, ob es sich um eine unteilbare Jahresabgabe handelt, die in voller Höhe zum Erhebungszeitpunkt geltend zu machen ist, oder ob eine Aufteilung des Mitgliedsbeitrages in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung erfolgt.

Für die nach der Insolvenzeröffnung im Regelinsolvenzverfahren begründeten Beitragsforderungen muss zwischen den Fällen differenziert werden, in denen der Insolvenzverwalter die gewerbliche Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO freigegeben hat, und den übrigen Fällen, in denen der Insolvenzverwalter das Unternehmen entweder fortführt oder im Falle einer Kapitalgesellschaft noch nicht abgewickelt hat. Während im ersten Fall der Insolvenzschuldner aufgrund seiner freigegebenen Tätigkeit gewerbesteuerpflichtig ist und die Beitragsforderung außerhalb des Insolvenzverfahrens zu begleichen hat, ist in den übrigen Fällen der Insolvenzverwalter Adressat des Beitragsbescheides in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über die Insolvenzmasse und die Beitragsforderung als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO vor der Verteilung zu begleichen. Diese Adressatenstellung und Empfangszuständigkeit folgt aus seinem Amt, wonach er allein Empfänger von Willenserklärungen wie Verwaltungsakten betreffend die Insolvenzmasse ist10.

Diese Einordnung des durch Verwaltungsakt begründeten Mitgliedsbeitrages für Körperschaften des öffentlichen Rechts als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO diskutiert das VG in der hier besprochenen Entscheidung unter Heranziehung der insolvenzrechtlichen Literatur und Rechtsprechung. Sie steht überdies in Einklang mit der darüber hinaus hier zitierten Rechtsprechung über Mitgliedsbeiträge zu Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie zur Rechtsprechung im Recht der öffentlichen Abgaben allgemein.

Das Gericht geht dabei insbesondere auf das aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO herausgelesene Austausch- und Gegenseitigkeitsprinzip ein, wonach Masseverbindlichkeiten nach Nr. 1 Halbs. 1 nur durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet sein sollen, die der Masse etwas zuführen. Neben den Handlungen gehören auch solche Verbindlichkeiten zu den Masseverbindlichkeiten, die „in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden“. Der entscheidende Aspekt ist somit ausweislich des gesetzlichen Tatbestandes nicht, ob der Insolvenzmasse durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung in anderer Weise etwas zufließt, sondern ob die Verbindlichkeit „durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse“ begründet wird. Mithin ist der Bezug zur Insolvenzmasse, nicht ein etwaiger Zufluss ausschlaggebend. Durch die abgabenrechtliche Regelung, dass bis zur Schlussverteilung die objektive Gewerbesteuerpflicht und damit die Mitgliedschaft und die daran anknüpfende Beitragspflicht bei Kapitalgesellschaften besteht, wird eine Beitragsforderung „in anderer Weise“ durch Verwaltungsakt begründet, solange der Insolvenzverwalter die Abwicklung – die Verwertung der Insolvenzmasse – nicht abgeschlossen hat. Diese abgabenrechtliche Regelung stellt den Bezug zur Insolvenzmasse her und begründet damit die Masseverbindlichkeit11. Die Begründung einer öffentlichen Abgabe als Masseverbindlichkeit einer Kapitalgesellschaft ohne werbende Tätigkeit ist dabei keine Besonderheit des Beitragsrechts der Selbstverwaltungsträger, sondern bspw. auch aus anderen Regelungsbereichen bekannt12.

Die Geltendmachung von Mitgliedsbeiträgen umfasst schließlich auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Durchsetzung. Hier zeigt der dem besprochenen Urteil zugrunde liegende Fall selbst, dass eine Aufrechnung der Beitragsforderung mit dem geltend gemachten Anspruch aus Insolvenzanfechtung eine effektive und effiziente Möglichkeit der Realisierung der Forderung ist. Dabei ist jedoch als Vorfrage zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung insbesondere nach der neueren konkretisierenden Rechtsprechung gegeben sind und die weitere Entwicklung der Gesetzgebung im Auge zu behalten13.

Dr. Frank Rieger, LL.M. oec., Duisburg* * 1 2 3

Der Autor ist im Bereich Recht und Steuern der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg tätig.

Der Beitrag gibt ausschließlich die Auffassung des Autors wieder.

Das Berufungsverfahren vor dem OVG Nordrhein-Westfalen wird unter dem Az. 17 A 1258/15 geführt.

Zu den Voraussetzungen auch im Überblick zu anderen Selbstverwaltungsträgern vgl. nur Rieger in Kluth (Hrsg.), Handbuch des Kammerrechts, § 13 Rn. 120 ff.

365

Rechtsprechung und Erlasse 4

5

6 7

8

9

10 11 12

13

Zur Funktion des Insolvenzverfahrens insbesondere unter ökonomischen Gesichtspunkten vgl. nur Rieger, Kammern in der Insolvenz, S. 328 ff. m.w.N. Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 26.02.2015 – 3 C 8.14 –: Das Insolvenzverfahren „erfasst neben privatrechtlichen Ansprüchen auch Steuerforderungen, öffentliche Abgaben und sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen, wie sich etwa aus § 55 Abs. 4 und § 185 InsO ableiten lässt und daraus folgt, dass der Gesetzgeber für diese Ansprüche jenseits der Insolvenzordnung keine insolvenzrechtlichen Sondervorschriften getroffen hat“ sowie BVerwG, Urt. v. 12.06.2003 – 3 C 21.02 – (zur Gesamtvollstreckungsordnung mit Bezugnahme auf die InsO). Dazu auch Depré/Dobler in Beck/Depré (Hrsg.), Praxis der Insolvenz, § 35 Rn. 1; König in Buth/Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz, § 36 Rn. 1 ff. sowie Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 462 ff. zum Verhältnis von Steuerrecht und Insolvenzrecht – jeweils m.w.N insbesondere zur Rechtsprechung.

Vgl. nur Ott/Vuia in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 80 Rn. 6.

Vgl. nur zu öffentlichen Abgaben bzw. zur ordnungsrechtlichen Pflichtenstellung Ott/Vuia in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 80 Rn. 133, 136 ff.

Vgl. nur VG Mainz, Urt. v. 21.10.2011 – 4 K 1578/10.MZ – (für die Beitragspflicht nach der Handwerksordnung); dazu auch mit weiteren Differenzierungen GewStR Abschn. 19 Abs. 1 f. In der Rechtsprechung zur Beitragspflicht bei Versorgungswerken der freien Berufe finden sich die Anknüpfungen entsprechend, vgl. insoweit nur OVG NW, Beschl. v. 28.09.2011 – 17 A 1258/10 –; VG Köln, Urt. v. 27.09.2011 – 7 K 4880/10 –.

Vgl. nur BFH, Urt. v. 06.07.1983 – I R 12/79 –; OVG LSA, Urt. v. 17.02.2000 – A 1 S 157/99 –; GewStR Abschn. 19 Abs. 3; Hefermehl in MüKo-InsO § 55 Rn. 80.

Vgl. nur Rieger, Kammern in der Insolvenz, S. 272 f.

Vgl. dazu nur Hefermehl in MüKo-InsO § 55 Rn. 67 ff.

Vgl. nur die Rechtsprechung des BFH, Urt. v. 13.04.2011 – II R 49/09 –; Urt. v.

08.09.2011 – II R 54/10 –.

Vgl. dazu nur Brinkmann, NZG 2015, 697; Hölzle, ZIP 2015, 662 zu dem aktuellen Referentenentwurf zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts v. 16.03.

2015 – http://www.bmjv.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/ DE/2015/20150316_ Reform_der_Insolvenzanfechtung.html?nn=3433226.

(Noch nicht bestandskräftige) Gewerbeuntersagung, Insolvenzverfahren InsO § 21 Abs. 1 + 2; GewO §§ 12, 35 Abs. 1 + 6; ZPO § 240 1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gewerbetreibenden führt nicht zur Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens über eine Gewerbeuntersagung.

2. Der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO maßgebliche Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gilt auch für den Anwendungsbereich des § 12 Satz 1 GewO (Fortentwicklung der Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1 <2 ff.>).

Daher bewirkt ein erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren nicht die Rechtswidrigkeit einer Gewerbeuntersagung wegen einer auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruhenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden.

3. § 12 Satz 1 GewO normiert kein Verbot der Vollstreckung von Gewerbeuntersagungen für die Dauer des Insolvenzverfahrens.

BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 – 8 C 6.14 – I. VG Regensburg, Urteil vom 22.11.2012 – RN 5 K 12.26 – II. VGH München, Urteil vom 27.01.2014 – 22 BV 13.260 – Das Verfahren betrifft insbes. die Frage, welche Auswirkungen nach § 12 GewO ein Insolvenzverfahren auf eine bereits ergangene, jedoch noch nicht bestandskräftige Gewerbeuntersagung hat.

Der Kl. wendet sich gegen die mit dem angefochtenen Bescheid des zuständigen Landratsamtes unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte Untersagung des ausgeübten Gewerbes „Handel und Montage von Bauelementen“ und aller anderen Gewerbe sowie der Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person (sog. erweiterte Gewerbeuntersagung).

Zur Begründung wurde im Bescheid ausgeführt, der Kl. sei unzuverlässig i.S.d. § 35 Abs. 1 GewO, weil er seiner wirtschaftl. Leistungsunfähigkeit wegen nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Betriebsführung biete.

Die dagegen gerichtete Klage hatte weder vor dem VG noch vor dem VGH Erfolg. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung komme es allein auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten behördl. Entscheidung an. Die Behörde müsse nicht beobachten, ob der Gewerbetreibende nach

366

der Untersagung wieder zuverlässig geworden sei. Vielmehr obliege es dem Gewerbetreibenden, ggf. einen Antrag nach § 35 Abs. 6 GewO auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung zu stellen, wenn er der Ansicht sei, er sei wieder zuverlässig. Auch der Sinn und Zweck des § 12 GewO gebiete nicht die Verschiebung des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung maßgeblichen Zeitpunkts. Ziel des § 12 GewO sei es, während eines Insolvenzverfahrens die Sanierungschancen des Gewerbetreibenden nicht durch gewerberechtl. Maßnahmen, insbes. nicht durch eine mit Zwangsmitteln durchgesetzte Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO, zu gefährden. Dieses Ziel werde bereits dadurch erreicht, dass eine wirksame Untersagungsverfügung während der in § 12 S. 1 GewO genannten Zeiträume, insbes. aber während des Insolvenzverfahrens, nicht vollzogen werden könne. Demgegenüber setze die Gewährleistung der Sanierungschancen des Gewerbetreibenden nicht voraus, dass dessen Verhältnisse nach dem Erlass der Untersagungsverfügung aus Anlass des Insolvenzverfahrens zu einem späteren Zeitpunkt erneut von Amts wegen geprüft werden, zumal dieser nach § 35 Abs. 6 GewO die Möglichkeit habe, Änderungen dieser Verhältnisse im Wiedergestattungsverfahren geltend zu machen.

Mit seiner vom VGH wegen grds. Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Aufhebungsbegehren weiter.

Aus den Gründen: 11. II. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Der Bay. VGH hat die Berufung des Kl. gegen das erstinstanzl. Urteil zu Recht zurückgewiesen. Der Bescheid des Bekl. ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten.

12. 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht das gerichtl. Verfahren im Hinblick auf das eröffnete Insolvenzverfahren nicht gem. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 240 S. 1 ZPO ausgesetzt. Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 S. 1 ZPO setzt voraus, dass der Streitgegenstand „die Insolvenzmasse betrifft“. Dies ist hier nicht der Fall. Die angefochtene Gewerbeuntersagung knüpft an in der Person des Kl. liegende Unzuverlässigkeitstatbestände an und entzieht ihm als Person die Befugnis, bestimmten berufl. Tätigkeiten nachzugehen. Sie betrifft das berufl. Betätigungsrecht des Gewerbetreibenden. Dieses personenbezogene Recht gehört nicht zur Insolvenzmasse. Denn sie umfasst gem. § 35 Abs. 1 InsO v. 05.10.1994 (BGBl. I S. 2866) zul. geänd. durch Art. 6 des Gesetzes v.

31.08.2013 (BGBl. I S. 3533) allein das dem Gemeinschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehörende und das während des Verfahrens erlangte Vermögen (BVerwG, Beschl. v. 18.01.2006 – 6 C 21.05 –, Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 53 = GewArch 2006, 387 f.). Das personenbezogene Recht zur Gewerbeausübung, das aus § 1 GewO i.d.F. der Bekanntm. v. 22.02.1999 (BGBl. I S. 202) zul. geänd. durch Art. 10 des Gesetzes v. 15.04.2015 (BGBl. I S. 583) folgt, zählt dazu nicht. Dementsprechend unterliegt es auch nicht der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters.

13. 2. Die Tatbestandsvoraussetzungen der vom Bekl. nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO verfügten Gewerbeuntersagung sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 S. 2 GewO) lagen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheides am 21.09.2010 vor.

14. a) Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerbl. Betätigung. Überschuldung und wirtschaftl. Leistungsunfähigkeit begründen grds. die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 05.08.1965 – 1 C 69.62 –, BVerwGE 22, 16 = GewArch 1966, 9). Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftl. Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftl. Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, Urt. v. 02.02.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1 <4> = GewArch 1982, 294 ff.).

15. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung kommt es nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördl. UntersagungsverfahGewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse rens weiterentwickelt haben. In der Rspr. des BVerwG ist geklärt, dass seit Inkrafttreten der Neufassung des § 35 Abs. 6 GewO am 01.05.1974 eine deutliche Trennung zwischen dem Untersagungsverfahren einerseits und dem Wiedergestattungsverfahren andererseits besteht. Ist ein Gewerbe wirksam untersagt worden, hat die Behörde nicht mehr zu prüfen, ob die Untersagungsgründe die ergangene Gewerbeuntersagung weiterhin tragen. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.02.1982 – 1 C 146.

80 –, BVerwGE 65, 1 <2 ff.> = GewArch 1982, 294 ff.; Beschl. v. 15.02.1995 – 1 B 19.95 –, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 58 = GewArch 1995, 200 u. v.

09.04.1997 – 1 B 81.97 – Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 67).

16. In diesem Sinne war der Kl. zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens (Art. 43 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG) des angefochtenen Bescheides am 21.09.2010 und damit zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im Gewerbeuntersagungsverfahren unzuverlässig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die durchgreifende Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, hatte der Kl. damals Steuerrückstände von 5.013 EUR und schuldete zudem der AOK seit über einem Jahr Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 845 EUR. Ferner hatte er am 21.12.2009 die eidesstattl. Versicherung nach § 807 ZPO a.F. abgegeben, wobei sich dem zugehörigen Protokoll weitere Schulden des Kl. von mehr als 12.000 DM entnehmen ließen. Die Verletzung seiner Pflichten zur Zahlung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge beruhte angesichts seiner Vermögensverhältnisse maßgeblich auf fehlender wirtschaftl. Leistungsfähigkeit, nicht auf einer in der Person begründeten Unzuverlässigkeit. Gegenüber dem Bekl. hatte er sich selbst als mittellos bezeichnet. Irgendein Konzept zum Abbau seiner Schulden hatte der Kl. nicht entwickelt.

17. b) Revisionsgerichtl. nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für die erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 S. 2 GewO zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorlagen. In der Rspr. des BVerwG ist geklärt, dass insoweit Tatsachen vorliegen müssen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“). Diese sind bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen gegeben. Außerdem muss die erweiterte Gewerbeuntersagung erforderl. sein, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen des Gewerbetreibenden vorliegt. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerbl.

Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerbl. zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (BVerwG, Urt. v. 02.02.1982 – 1 C 17.79 –, BVerwGE 65, 9 <11>; Beschl. v. 11.09.1992 – 1 B 131.92 –, GewArch 1995, 116).

18. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Ermessenserwägungen der Behörde nach § 35 Abs. 1 S. 2 GewO rechtsfehlerfrei sind, ist revisionsrechtl. nicht zu beanstanden. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbl. Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderl., so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (BVerwG, Urt. v. 02.02.1982 – 1 C 17.79 –, BVerwGE 65, 9 <11>). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.

19. c) An der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Erlasses des angefochtenen Bescheides (hier: 21.09.2010) für die Beurteilung der gewerberechtl. Zuverlässigkeit des Kl. und der Rechtmäßigkeit der Untersagung des ausgeübten Gewerbes sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung ändert sich auch nichts dadurch, dass die dem Kl. im angefochtenen Bescheid gewährte Frist (21.10.2010) noch nicht abgelaufen war, bis zu der die gewerbl. Betätigung eingestellt werden musste. Bis zum Ablauf der von der Gewerbeuntersagungsbehörde gesetzten Frist darf der Gewerbetreibende zwar noch gewerbl. tätig sein, um Abwicklungsarbeiten vorzunehmen und die Einstellung des Geschäftsbetriebs vorzubereiten. Die Auslauffrist hebt die Wirksamkeit der bereits ergangenen Untersagungsverfügung aber nicht auf, sondern ist deren fester Bestandteil.

GewArch 2015/9

20. 3. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht nachträglich nach § 12 S. 1 GewO rechtswidrig geworden.

21. Für die Beurteilung der gewerberechtl. Zuverlässigkeit des Kl. und der Rechtmäßigkeit der Untersagung des ausgeübten Gewerbes sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung war ohne Bedeutung, dass nach dem Wirksamwerden des angefochtenen Untersagungsbescheides am 21.09.2010 über das Vermögen des Kl. durch Beschluss des AG L. – Insolvenzgericht – v. 23.09.

2010 zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und die Anordnung getroffen wurde, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 InsO). Gleiches gilt für den Umstand, dass das Insolvenzgericht am 11.11.2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen hat.

22. Nach § 12 S. 1 GewO sind u.a. Vorschriften zur Untersagung des Gewerbes bei einer auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruhenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden während eines Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO angeordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans nicht anzuwenden in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Der Bay. VGH hat zu Recht angenommen, dass § 12 S. 1 GewO die aus § 35 Abs. 6 GewO folgende Vorverlegung des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Dauerverwaltungsakts „Untersagung der Gewerbeausübung“ maßgeblichen Zeitpunkts auf die letzte Verwaltungsentscheidung unberührt lässt. Ein Insolvenzverfahren, das – wie hier – erst nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnet wurde, ist daher ohne Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Untersagung des Gewerbes wegen einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführenden Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden.

23. Der Wortlaut ist insoweit zwar nicht zwingend. § 12 S. 1 GewO verbietet für die Dauer des Insolvenzverfahrens nicht die Maßnahme der Untersagung eines Gewerbes selbst, sondern die Anwendung entsprechender Vorschriften. Mit Blick auf die nicht nur von den Behörden, sondern auch von den Gerichten vorzunehmende Subsumtion kann von einer Anwendung der Untersagungsvorschriften auch im gerichtl. Verfahren gesprochen werden.

Daher schließt nicht bereits der Wortsinn die Annahme aus, dass auch ein erst nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren nachträglich die im gerichtl. Verfahren zu beachtende Rechtswidrigkeit einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse gestützten Gewerbeuntersagung auslöst (vgl. Hahn, GewArch 2000, 361, <365 f.>). Allerdings liegt eine solche Auslegung schon deshalb nicht nahe, weil die gerichtl. Subsumtion in die im Rahmen des verwaltungsgerichtl. Rechtsschutzes zu leistende Kontrolle der Rechtsanwendung durch die Behörden eingebunden ist. Entscheidend gegen die Annahme eines erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens entstehenden Anwendungsverbots spricht jedoch die im Gesetz angelegte systematische Trennung zwischen Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren. Nach dem Regelungszusammenhang von § 35 Abs. 1 u. 6 GewO sind nach Abschluss des behördl. Untersagungsverfahrens eintretende Änderungen der Verhältnisse allein im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Wiedergestattung zu prüfen und zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 12 S. 1 GewO lässt die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 6 GewO und die grds. systematische Trennung unberührt. Sie erfasst § 35 Abs. 6 GewO schon deshalb nicht, weil es sich dabei um keine Vorschrift handelt, „welche die Untersagung eines Gewerbes … ermöglicht“. Eine Berücksichtigung nach Abschluss des behördl. Untersagungsverfahrens eingetretener neuer Umstände würde die in § 35 Abs. 1 und 6 GewO normierte Systematik von Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren durchbrechen.

24. Sinn und Zweck des § 12 S. 1 GewO stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, einen Konflikt mit den Zielen des Insolvenzverfahrens zu vermeiden und insbes. die Möglichkeit einer Sanierung des insolventen Unternehmens nicht durch eine Gewerbeuntersagung zu vereiteln (vgl. dazu vor allem die Begründung des Reg.-Entwurfs zu § 12 S. 1 GewO, BT-Drs. 12/3803, S. 103 f.). Ohne die Regelung in § 12 S. 1 GewO könnte zum Beispiel einem Beschluss der Gläubigerversammlung gem. § 157 InsO, das Unternehmen vorläufig fortzuführen, durch eine Untersagungsverfügung und ihre Vollziehung die Grundlage entzogen werden.

Ebenso könnten ohne die von § 12 S. 1 GewO ausgelöste Sperrwirkung die Aufstellung und Durchführung eines Insolvenzplanes nach §§ 217 ff. InsO gefährdet oder gar verhindert werden. Um diese Folgen auszuschließen, ordnet die Vorschrift an, dass die Untersagungsbehörde ab Beginn der in § 12 367

Rechtsprechung und Erlasse S. 1 GewO abschließend bestimmten Zeiträume § 35 Abs. 1 GewO nicht mehr anwenden darf, soweit die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruht. Auch im Hinblick auf die Interessen am Schutz des Geschäftsverkehrs vor den Gefahren, die von einem insolventen und deshalb gewerberechtl. unzuverlässigen Gewerbetreibenden ausgehen, erschien dies, wie insbes. die Entstehungsgeschichte der Regelung ausweist, dem Gesetzgeber vertretbar. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter kompensiert das Gefährdungspotential, das von der weiteren Ausübung des Gewerbes des insolventen Gemeinschuldners ausgeht. Neue Vertragspartner des Gewerbetreibenden können aufgrund der Vorschriften des Insolvenzrechts über die Einsetzung eines Insolvenzverwalters und dessen die Direktionsrechte des insolventen Gewerbetreibenden ersetzenden Befugnisse, den Vorrang der Masseverbindlichkeiten und die Aufsicht des Insolvenzgerichts geschützt werden. Vorläufige Anordnungen des Insolvenzgerichts nach § 21 InsO dienen dem gleichen Ziel, wenn auch mit unterschiedlichen Schutzwirkungen für den Geschäftsverkehr.

25. Das an die Behörden gerichtete Verbot des Erlasses von Untersagungsverfügungen wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse des Gewerbetreibenden während eines parallel zum Gewerbeuntersagungsverfahren laufenden Insolvenzverfahrens dient dem Ziel des § 12 S. 1 GewO, die Möglichkeit einer Sanierung des insolventen Unternehmens offen zuhalten. Dieses Ziel erfordert nicht darüber hinaus, dass ein erst nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren unter Durchbrechung der Trennung von Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren die nachträgliche Rechtswidrigkeit einer auf ungeordnete Vermögensverhältnisse gestützten Untersagung auslöst. Allerdings hat der Bay. VGH in diesem Zusammenhang zu Recht angenommen, dass § 12 S. 1 GewO kein Verbot der Vollstreckung von Gewerbeuntersagungen wegen wirtschaftl. Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden normiert, um die insolvenzrechtl. Ziele zu sichern, wie dies zum Teil in der obergerichtl. Rspr. und in der Lit. vertreten wird. Dagegen spricht schon der klare Wortlaut der Vorschrift. Denn die vollstreckungsrechtl. Vorschriften etwa zur Anordnung oder Festsetzung von Zwangsgeld „ermöglichen“ nicht i.S.v. § 12 S. 1 GewO die Untersagung eines Gewerbes wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, sondern den Vollzug einer bereits ergangenen Gewerbeuntersagung. Außerdem betrifft die Frage der Unzuverlässigkeit wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes „Untersagung“, die von der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zur Vollstreckung des Grundverwaltungsaktes strikt zu trennen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2004 – 1 C 30.03 –, BVerwGE 122, 293 <296 f.>). Zudem würde ein Vollstreckungsverbot eine ungerechtfertigte Privilegierung derjenigen Gewerbetreibenden bewirken, die eine vor Beginn der in § 12 S. 1 GewO bezeichneten Zeiträume ergangene sofort vollziehbare oder bestandskräftig gewordene Untersagungsverfügung missachten. Die Frage, ob und inwieweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die insolvenzgerichtl. Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO bei Ausübung des vollstreckungsrechtl. Ermessens Berücksichtigung finden kann, betrifft allein die Auslegung und Anwendung des landesrechtl. Vollstreckungsrechts.

26. Dem Ziel des § 12 S. 1 GewO, dem Gewerbetreibenden die mit der Durchführung eines Insolvenzverfahrens eröffnete Chance zu einem Neuanfang zu sichern, kann jedoch auch unter Wahrung der im Gesetz angelegten Trennung von Gewerbeuntersagungs- und Wiedergestattungsverfahren Rechnung getragen werden. Zwar ist § 12 GewO nach seinem Wortlaut nicht auf das Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO anwendbar. Soweit die Untersagung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf dessen ungeordneten Vermögensverhältnissen beruht, kann jedoch ein nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren die Grundlage für eine Wiedergestattung der Gewerbeausübung bieten. Das setzt die Prognose voraus, dass der Gewerbetreibende künftig wirtschaftl. hinreichend leistungsfähig sein wird, um das Gewerbe ordnungsgemäß ausüben zu können. Allerdings rechtfertigen allein die oben genannten insolvenzrechtl. Sicherungen eine solche Prognose nicht. Wie ausgeführt, bewirken diese Sicherungen, solange und soweit sie greifen, dass kein Bedürfnis i.S.d. § 35 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 GewO besteht, den Geschäftsverkehr von einer Fortsetzung der gewerbl. Tätigkeit des insolventen Gewerbetreibenden zu schützen (vgl. BT-Drs. 12/3803 S. 103). Für die Prognose einer auf den Aspekt der wirtschaftl. Leistungsfähigkeit bezogenen dauerhaften Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist darüber hinaus erforderlich, dass begründete Aussicht auf eine Sanierung seiner Vermögensverhältnisse infolge der im Insolvenzverfahren durchzuführenden Maßnahmen besteht. Für diesen Fall werden in der Regel die Voraussetzungen des § 35 Abs. 6 S. 1 GewO für eine Wiedergestattung der Gewerbeausübung wegen künftig geordneter Vermögensverhältnisse und zwischenzeitlich fehlender Ge368

fährdung des Geschäftsverkehrs vorliegen. Umgekehrt wird eine Wiedergestattung im Regelfalle nicht in Betracht kommen, wenn die Sanierungschancen negativ zu bewerten sind. Ist der Sanierungserfolg – insbes. zu Beginn des Insolvenzverfahrens – noch offen, fehlt zwar zunächst die Grundlage für die Feststellung, dass der Gewerbetreibende die Gewähr dafür bietet, das Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß auszuüben. Insoweit kann dem in § 12 GewO zum Ausdruck kommenden öffentl. Interesse, eine Sanierung des insolventen Gewerbes im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht durch eine fortdauernde Untersagung der Gewerbeausübung von vornherein zu vereiteln, dadurch Rechnung getragen werden, dass die nach § 35 Abs. 6 S. 1 GewO vorausgesetzte Gewähr dauerhafter Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden – hier nach seiner wirtschaftl. Leistungsfähigkeit – durch geeignete Nebenbestimmungen gesichert wird, die den weiteren Bestand der Wiedergestattung vom Ergebnis des Insolvenzverfahrens abhängig machen (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). Zur raschen vorläufigen Klärung der Befugnis zur Fortführung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO steht dem Gewerbetreibenden die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO zur Verfügung.

27. Das Wiedergestattungsverfahren ist auch nicht deshalb ungeeignet, die Chance für eine Sanierung des insolventen Gewerbes durch ein nach Abschluss des Gewerbeuntersagungsverfahrens eröffnetes Insolvenzverfahren zu erhalten, weil im Regelfall für die Wiedergestattung eine Wartefrist von einem Jahr nach Durchführung der Untersagungsverfügung einzuhalten ist (§ 35 Abs. 6 S. 2 GewO). Denn für den Fall, dass Aussicht auf eine Sanierung der Vermögensverhältnisse des Gewerbetreibenden im Wege insolvenzrechtl.

Maßnahmen besteht oder ein Sanierungserfolg jedenfalls möglich erscheint, wird vom Vorliegen „besonderer Gründe“ i.S.d. § 35 Abs. 6 S. 2 GewO auszugehen sein, weil es dann nicht mehr aufgrund überwiegender öffentl. Interessen gerechtfertigt ist, den Betroff. trotz fehlender Gefährdung des Geschäftsverkehrs länger von der Ausübung des Gewerbes fernzuhalten und dadurch den Sanierungserfolg zu gefährden (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.07.1959 – 1 C 101.54 –, DVBl. 1959, 775 <776> u. Beschl. v. 23.11.1990 – 1 B 155.90 –, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 47 = GewArch 1991, 110 ff.; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand Okt. 2014, Bd. I, § 35 Rn. 177).

Spielhallenbetrieb, Untersagung, Kapitalgesellschaft, Umwandlung, Personengesellschaft, Erlöschen der Spielhallenerlaubnis, vorläufiger Rechtsschutz GewO § 15 Abs. 2; GlüStV §§ 25, 29 Abs. 4 S. 2; VwGO § 94 1. Eine Personengesellschaft (hier: GmbH & Co. KG) ist nicht gewerbefähig und kann daher nicht Träger einer Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle nach § 33i GewO sein.

2. Wird durch eine formwechselnde Umwandlung gemäß §§ 190 ff. UmwG eine Kapitalgesellschaft (hier: GmbH) in eine Personengesellschaft (hier: GmbH & Co. KG) umgewandelt, erlischt die der Kapitalgesellschaft erteilte Erlaubnis nach § 33i GewO. 3. Wird in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes von dem Antragsteller die Aussetzung bzw. das Ruhen des Verfahrens beantragt, bestehen Bedenken an dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis.

OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.05.2015 – 7 ME 1/15 – I. VG Hannover, Beschluss vom 18.12.2014 – 11 B 9571/14 – Aus den Gründen: Die Beschwerde der Ast’in gegen den Beschluss des VG hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das VG den Antrag der Ast’in abgelehnt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (Az.: 11 A 391/14) gegen die im Bescheid der Ag’in v. 23.12.2013 verfügte und am 06.05.2014 für sofort vollziehbar erklärte Untersagung der Fortsetzung des Betriebes der Spielhalle 2 (rechter Eingang) in der C. in D. wiederherzustellen.

1. Zunächst ist es nicht angezeigt, das Beschwerdeverfahren gem. § 94 VwGO auszusetzen oder das Ruhen des Verfahrens nach §§ 173 S. 1 VwGO, 251 S. 1 ZPO anzuordnen.

Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen GewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse Rechtsstreits auszusetzen sei. Die Ast’in verweist darauf, dass eine Vielzahl von Verfassungsbeschwerden gegen das aus § 25 GlüStV folgende Verbot des Betriebs von Mehrfachspielstätten anhängig sei. Eine unmittelbare Anwendung des § 94 VwGO kommt danach nicht in Betracht. Die Frage der Gültigkeit bzw.

Verfassungsgemäßheit einer Rechtsnorm betrifft kein vorgreifliches Rechtsverhältnis. Vielmehr geht es um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage (vgl.

BVerwG, Beschl. v. 08.12.2000 – 4 B 75.00 –, NVwZ-RR 2001, 483, m.w.N.).

Die Aussetzung kann auch nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 94 VwGO gestützt werden. Eine solche entsprechende Anwendung wird für die Fälle vertreten, in denen die Entscheidung des Rechtsstreits von der Gültigkeit einer Norm abhängt, deren Prüfung bereits Gegenstand eines Verfahrens vor dem BVerfG ist. Die von der Ast’in aufgeführten Verfassungsbeschwerden betreffen zunächst nicht direkt den § 25 GlüStV. Gegenstand der Verfassungsbeschwerden sind die Regelungen des Berl. SpielhallG und des Saarl. SpielhallG sowie die in § 29 Abs. 4 S. 3 GlüStV geregelte einjährige Übergangsfrist. Des Weiteren ergibt sich aus dem von der Ast’in vorgelegten Schreiben des BVerfG v. 09.03.2015 in dem Verfahren 1 BvR 1694/13, dass die Sache der zuständigen Kammer oder dem Senat noch nicht zur Entscheidung über die Annahme der Verfassungsbeschwerde vorgelegen hat (vgl. § 93a BVerfGG). Die Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO wegen einer anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen die entscheidungserhebliche Norm setzt jedoch die Annahme der Verfassungsbeschwerde voraus. Nur in diesen Fällen ist nämlich mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass das BVerfG eine Entscheidung über die Gültigkeit der Norm oder ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz trifft, die für das aussetzende Gericht bindend ist und Gesetzeskraft hat (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 10.11.2008 – 1 S 59/08 –, NVwZRR 2009, 273, m.w.N.). Schließl. macht § 94 VwGO, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, es dem Gericht nicht zur Pflicht, die Verhandlung auszusetzen. Die Entscheidung liegt vielmehr im richterl. Ermessen.

Eine Ermessensreduktion kommt nur dann in Betracht, wenn anders eine sachgerechte Entscheidung nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.12.2000, a.a.O.). Der Senat hält eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens nicht für sachdienlich: Es handelt sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, das eine gewisse Eilbedürftigkeit impliziert. Eine Aussetzung liefe dem Sinn und Zweck eines solchen Verfahrens zuwider.

Auch ein Ruhen des Verfahrens nach §§ 173 S. 1 VwGO, 251 S. 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Nach § 251 S. 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Unabhängig davon, dass der Senat die Anordnung des Ruhens eines Beschwerdeverfahrens im vorläufigen Rechtsschutz nicht für zweckmäßig hält, hat die Ag’in … mitgeteilt, dass sie keinen Anlass für die Beantragung des Ruhens des Beschwerdeverfahrens sieht.

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das VG den Antrag der Ast’in auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Az.: 11 A 391/14) abgelehnt.

Zur Begründung hat das VG im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 25 Abs. 2 GlüStV die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die – wie hier – in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehe, insbes. in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sei, ausgeschlossen sei. Die Fortsetzung des Betriebes könne daher gem. § 15 Abs. 2 GewO von der zuständigen Behörde verhindert werden. Etwas anderes ergebe sich nicht aus der Übergangsregelung in § 29 Abs. 4 S. 2 GlüStV. Danach würden Spielhallen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Staatsvertrags bestünden und für die bis zum 28.10.2011 eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden sei, deren Geltungsdauer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages ende, bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrages als mit §§ 24 u. 25 GlüStV vereinbar gelten. Die Ast’in könne sich nicht darauf berufen, dass die der Firma „A. GmbH E.“ unter dem 27.09.1990 erteilte Erlaubnis unabhängig von der Umwandlung im Jahr 2005 weiter gelte. Die GmbH als juristische Person sei umgewandelt worden in die „A. GmbH & Co. KG“, die als Personengesellschaft nicht selbst Gewerbetreibende und Erlaubnisinhaberin sein konnte. Die Erlaubnis sei daher erloschen. Das Gewerberecht habe insoweit Vorrang vor dem Umwandlungsrecht. Die Ast’in könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der jeweilige Betreiber einer Spielhalle sei selbst dafür verantwortlich, über die zum legalen Betrieb erforderlichen Erlaubnisse zu verfügen. Die Heranziehung der GmbH & Co. KG zur Zahlung von Gewerbeund Vergnügungssteuer durch den Fachbereich Finanzen der Ag’in legalisieGewArch 2015/9

re nicht den erlaubnislosen Betrieb der Spielhalle. Schließl. sei der Ast’in spätestens seit dem Schreiben der Ag’in v. 26.09.2012 bekannt, dass nach deren Auffassung aufgrund der Neuregelungen im GlüStV nur noch eine der beiden Spielhallen erlaubnisfähig und der Betrieb der zweiten Spielhalle zu verhindern sei. Selbst seit dem Erlass der angefochtenen Verfügung v. 23.12.2013 seien bis zur nachträglichen Anordnung der sofortigen Vollziehung noch einmal nahezu fünf Monate vergangen, in denen sich die Ast’in auf die Betriebsuntersagung auch wirtschaftl. hätte einstellen können.

Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht – hinsichtlich der gegen die Richtigkeit der erstinstanzl. Entscheidung sprechenden Gründe (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.11.2004 – 8 S 1870/04 –, NVwZ-RR 2006, 75) – nach § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern. Dies gilt hier umso mehr, als das Beschwerdegericht – über die Beschwerdebegründung hinaus – zu Lasten des BF auch solche Gründe zu berücksichtigen hat, auf welche sich das VG bei seiner Entscheidung nicht gestützt hat, die diese aber zu rechtfertigen in der Lage wären (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 21.05.2003 – 1 CS 03.60 –, NVwZ 2004, 251; OVG NRW, Beschl. v. 18.08.2002 – 7 B 315/02 –, NVwZ 2002, 1390). Es besteht keine Beschränkung der Sachprüfung des Beschwerdegerichts in Bezug auf die Gründe, die für die Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzl. Entscheidung sprechen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.11.2004, a.a.O.). a) Der Senat hat bereits Bedenken an dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis der Ast’in, so dass ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unzulässig abzulehnen wäre. Die Ast’in hat … eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens, hilfsweise ein Ruhen des Beschwerdeverfahrens beantragt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass eine Vielzahl von Verfassungsbeschwerden gegen das aus § 25 GlüStV folgende Verbot des Betriebs von Mehrfachspielstätten anhängig sei, und ausgeführt, dass es möglicherweise für sämtl. Verfahrensbeteiligte hilfreicher sei, den Ausgang der Verfahren vor dem BVerfG abzuwarten. Mit diesem Begehren macht die Ast’in deutlich, dass sie sich – insbes. auch wirtschaftl. – darauf eingestellt hat, für die Dauer der Verfahren vor dem BVerfG der für sofort vollziehbar erklärten Untersagung der Fortsetzung des Spielhallenbetriebes zu folgen. Vor dem Hintergrund der durchschnittlichen Verfahrensdauer von Verfassungsbeschwerden (vgl. dazu die im Internet veröffentl. Jahresstatistik 2014 des BVerfG) gibt sie damit zugleich zu erkennen, dass es vor dem voraussichtlichen Abschluss des Klageverfahrens (Az.: 11 A 391/14) einer Entscheidung im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht bedarf. b) Unabhängig davon hat das VG zu Recht entschieden, dass der Antrag der Ast’in auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Sache ohne Erfolg bleibt. In der nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO gebotenen Abwägung zwischen dem öffentl. Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Untersagungsbescheides einerseits und dem privaten Interesse der Ast’in an der Aussetzung der Vollziehung andererseits überwiegt vorliegend das öffentl. Interesse. aa) Der Ast’in gelingt es nicht, die Rechtsauffassung der Vorinstanz überzeugend in Zweifel zu ziehen, dass die Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 S. 2 GlüStV nicht zugunsten der Ast’in anwendbar ist, da die der Firma „A. GmbH E.“ unter dem 27.09.1990 erteilte Erlaubnis mit der Umwandlung dieser Firma in die „A. GmbH & Co. KG“ erloschen ist. Die Ast’in trägt im Wesentlichen vor, dass vor dem Hintergrund der Umwandlung im Wege des Formwechsels nach Maßgabe der §§ 190 ff. UmwG eine Neukonzessionierung nicht erforderlich sei. Mit der Eintragung des Formwechsels bestehe der ursprüngliche Rechtsträger in der durch den Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter. Ö-r Erlaubnisse und Genehmigungen blieben rechtswirksam. Gewerberechtl. Zulassungen würden durch einen Formwechsel von einer Kapital- in eine Personenhandelsgesellschaft nicht zum Erlöschen gebracht. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des gewerberechtl. Grundsatzes, wonach eine Personenhandelsgesellschaft nicht Gewerbetreibende sein könne. Es gebe keinen Vorrang des Gewerberechts vor dem Umwandlungsrecht. Die These des Nichtfortbestandes ö-r Erlaubnisse wäre ein mit dem Kerngedanken des Umwandlungsrechts nicht in Einklang zu bringender Wertungswiderspruch. Verwiesen werde auf das Urteil des BFH v. 30.09.2003 (Az.: III R 6/02).

Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen – aber auch ausreichenden – summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage teilt der Senat die Auffassung des VG, dass die der juristischen Person „A. GmbH E.“ unter dem 27.09.1990 erteilte Erlaubnis mit der Umwandlung in die Firma „A. GmbH & Co. KG“ erloschen ist, da letztere als Personengesellschaft nicht selbst Gewerbetreibende und damit Erlaubnisinhaberin nach § 33i GewO sein kann. Insoweit kann die Ast’in im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg geltend machen, der Betrieb der Spielhalle 2 (rechter Eingang) sei 369

Rechtsprechung und Erlasse durch eine der „A. GmbH & Co. KG“ erteilte Erlaubnis legitimiert.

Der Senat verkennt nicht das die formwechselnde Umwandlung bestimmende Prinzip der rechtl. und wirtschaftl. Identität des Rechtsträgers alter und neuer Rechtsform. Grds. bleiben daher ö-r Erlaubnisse und Genehmigungen auch nach dem Formwechsel erhalten. Etwas anderes gilt jedoch für Erlaubnisse, die nur Unternehmen mit bestimmter Rechtsform erteilt werden können oder die personenbezogen sind (vgl. Eckert, „Der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und seine Auswirkungen auf öffentlich-rechtliche Erlaubnisse“, ZIP 1998, 1950, m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Erlaubnis nach § 33i GewO ist persönlicher und sachlicher Natur, d.h. sie ist an eine bestimmte Person, an bestimmte Räume und an eine bestimmte Betriebsart gebunden (vgl. Marcks in: Landmann/ Rohmer, GewO, Band I, Stand: Okt. 2014, § 33i Rn. 20). Entscheidend kommt hinzu, dass im Gewerberecht – soweit keine anderweitigen speziellen Regelungen bestehen – nur natürliche oder juristische Personen Gewerbetreibende sein können. Eine Personengesellschaft – d.h. auch eine GmbH & Co. KG – kann nicht selbst Gewerbetreibende sein, sondern nur ihre Gesellschafter (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.1965 – I C 69.62 –, BVerwGE 22, 16 = GewArch 1966, 9; Urt. v. 22.01.1971 – VII C 60.70 –, BVerwGE 37, 130 = GewArch 1971, 169; Beschl. v. 16.12.1992 – 1 B 162.92 –, GewArch 1993, 156; Bay. VGH, Urt. v. 26.11.1991 – 22 B 90.440 –, GewArch 1992, 181; Hess.

VGH, Urt. v. 14.01.1991 – 8 UE 2648/89 –, GewArch 1991, 343; Beschl. des Senats v. 31.07.2008 – 7 LA 53/08 –, GewArch 2009, 32; Marcks in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 33i Rn. 19, § 35 Rn. 64 f., m.w.N.).

Diese im Gewerberecht überkommene Rechtsauffassung hat zur Konsequenz, dass gewerberechtl. Erlaubnisse nur dann erhalten bleiben können, wenn es sich sowohl bei dem formwechselnden Rechtsträger als auch bei dem Rechtsträger neuer Rechtsform um Gewerbetreibende handelt (vgl. VG Gießen, Urt. v.

30.08.2000 – 8 E 592/99 –, GewArch 2001, 80; Gaiser, „Die Umwandlung und die Auswirkungen auf personenbezogene öffentlich-rechtliche Erlaubnisse – Ein unlösbarer Konflikt zwischen Umwandlungsrecht und Gewerberecht?“, DB 2000, 361; a. A.: BFH, Urt. v. 30.09.2003 – III R 6/02 –, juris, zur Eintragung in die Handwerksrolle; kritisch: Odenthal, „Das Schicksal personenbezogener gewerberechtl. Erlaubnisse bei der Umwandlung von Gesellschaften“, GewArch 2005, 132). Der Formwechsel einer GmbH in eine GmbH & Co. KG führt danach zum Erlöschen bestehender gewerberechtl. Erlaubnisse, da die GmbH & Co. KG nicht Gewerbetreibende sein kann.

Der Senat verkennt insoweit nicht, dass die strikte Anwendung der gewerberechtl. Grundsätze – quasi als lex specialis – einem Kerngedanken der formwechselnden Umwandlung zuwiderläuft. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass dieser Widerspruch – wenn man nicht einen Vorrang des Gewerberechts vor dem Umwandlungsrecht als lex specialis bejahen will – gelöst werden könne, indem die im Gewerberecht tradierte Auffassung, dass Personenhandelsgesellschaften nicht Gewerbetreibende bzw. Erlaubnisträger sein können, aufgegeben wird (vgl. Eckert, a.a.O.). Eine Abkehr von diesem – in Rspr. und Lit. – allgemein anerkannten gewerberechtl. Grundsatz erscheint dem Senat in dem vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes jedoch nicht angezeigt. Dies gilt umso mehr, als die gewerberechtl.

Vorschriften der Wahrung öffentl. Belange – öffentl. Sicherheit und Ordnung – dienen, während das Umwandlungsrecht eine völlig andere Zielrichtung – Erleichterung der Umstrukturierung von Unternehmen – verfolgt.

Eine – in der Lit. angedachte (vgl. Eckert, a.a.O.) – Sonderlösung lediglich für den Fall des Formwechsels einer GmbH in eine GmbH & Co. KG hält der Senat nicht für sachgerecht. Ein solches Vorgehen würde zu einer weiteren Differenzierung und damit Zersplitterung hinsichtlich der Frage der Eigenschaft als Gewerbetreibender führen. Die von der Ast’in zit. Urteile des BVerwG v. 26.04.1994 (Az.: 1 C 17.92, BVerwGE 95, 363 = GewArch 1994, 474 ff.) und des BFH v. 30.09.2003 (a.a.O.) treffen eine andere Beurteilung lediglich für den speziellen Fall der Eintragung in die Handwerksrolle entsprechend § 7 Abs. 4 S. 1 HwO a.F. Für diesen Fall hat das BVerwG entschieden, dass eine GmbH & Co. KG, deren alleinige Komplementärin eine GmbH ist, handwerksrechtl. wie eine juristische Person zu behandeln ist.

Nach Auffassung des Senats ist dieser zu § 7 Abs. 4 S. 1 HwO a.F. entwickelte Rechtsgedanke jedoch nicht allgemein auf das übrige Gewerberecht übertragbar, und zwar schon deshalb, weil § 7 Abs. 4 HwO a.F. bereits von seiner Konstruktion her sowohl juristischen Personen als auch Personengesellschaften die Eintragung in die Handwerksrolle ermöglicht (vgl. auch § 7 Abs. 1 HwO in der aktuell geltenden Fassung). bb) Ohne Erfolg führt die Ast’in zur Begründung ihrer Beschwerde aus, dass der Untersagungsverfügung der Umstand des Vertrauensschutzes entgegenste370

he. Die Ag’in habe Kenntnis von dem Umwandlungsvorgang im Jahr 2005 gehabt. Dies werde belegt durch verschiedene Schreiben und Bescheide der Ag’in, die an die Firma „A. GmbH & Co. KG“ adressiert gewesen seien. Dadurch, dass die Ag’in in Kenntnis des Umwandlungsvorgangs den Weiterbetrieb der Spielhalle jahrelang toleriert habe, sei ein schützenswertes Vertrauen der Ast’in dahingehend entstanden, dass eine Neukonzessionierung nicht notwendig sei.

Zunächst ist schon zweifelhaft, ob der zuständige Fachbereich Recht und Ordnung der Ag’in tatsächlich eine positive Kenntnis von dem Umwandlungsvorgang hatte. Der Formwechsel ist der Ag’in nicht angezeigt worden. Der Verwaltungsvorgang der Ag’in enthält – bis zum Jahr 2012 – keine Hinweise auf den Umwandlungsvorgang. Der dort enthaltene Gebührenbescheid v. 06.03.

2009 ist an die Firma „A. GmbH E.“, also gerade nicht an die Firma „A. GmbH & Co. KG“, gerichtet. Die von der Ast’in im erstinstanzl. Verfahren … vorgelegten Schreiben und Bescheide, die an die Firma „A. GmbH & Co. KG“ adressiert sind, sind Gewerbesteuer- und Vergnügungssteuerbescheide sowie diesbzgl. Schreiben des Fachbereichs Finanzen der Ag’in sowie ein Gebührenbescheid für eine Bauvoranfrage des Fachbereichs Planen und Stadtentwicklung der Ag’in. Auffällig ist, dass die von der Ast’in vorgelegten Bescheide des – hier zuständigen – Fachbereichs Recht und Ordnung der Ag’in betreffend die Sperrzeitvergünstigung wiederum an die Firma „A. GmbH“ gerichtet sind.

Unabhängig davon vermag die bloße Untätigkeit der Ag’in hinsichtlich der formellen Illegalität des Betriebes der Spielhalle ab dem Jahr 2005 kein Vertrauen der Ast’in in den Fortbestand der im Jahr 1990 erteilten Erlaubnis zu begründen. Zunächst lag es nicht im Verantwortungsbereich der Ag’in, die Ast’in zu einer Neubeantragung der Erlaubnis nach § 33i GewO aufzufordern; insoweit ist der Gewerbetreibende selbst in der Pflicht. Des Weiteren ist aus dem Nichterlass einer Verfügung nach § 15 Abs. 2 GewO nicht zu folgern, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Bei der Verhinderung des weiteren Betriebes eines Gewerbes nach § 15 Abs. 2 GewO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahme zwischen einer bloß formellen und einer materiellen Illegalität zu unterscheiden ist. Nach dem Erlöschen der ursprünglich im Jahr 1990 erteilten Erlaubnis gem. § 33i GewO durch den Umwandlungsvorgang im Jahr 2005 lag bis zum Inkrafttreten des neuen GlüStV im Jahr 2012 zunächst nur eine formelle Illegalität vor. Dieser formelle Rechtsverstoß hätte durch die Beantragung einer neuen Erlaubnis beseitigt werden können, so dass ermessensfehlerfrei von dem Erlass einer Verfügung nach § 15 Abs. 2 GewO abgesehen werden konnte. Aus diesem Grund kann der Nichterlass einer entsprechenden Verfügung weder ein Vertrauen in den Fortbestand der ursprünglichen Erlaubnis noch dahingehend begründen, dass auch in Zukunft – etwa bei Hinzutreten einer materiellen Illegalität – keine Verfügung nach § 15 Abs. 2 GewO ergehen würde. Die Situation hat sich durch die Einführung der zwingenden Abstandsvorschriften in § 25 GlüStV geändert. Damit ist der Betrieb der hier streitigen Spielhalle 2 auch materiell rechtswidrig geworden. cc) Soweit die Ast’in in ihrem Schriftsatz v. 26.03.2015 (sinngemäß) die Verfassungswidrigkeit des aus § 25 GlüStV folgenden Verbots des Betriebs von Mehrfachspielstätten geltend gemacht hat, ist dieser Einwand bereits nicht berücksichtigungsfähig. Da die Ast’in in ihrer Beschwerdebegründungsschrift innerhalb der Beschwerdefrist nicht vorgetragen hat, dass und weshalb § 25 GlüStV verfassungswidrig sein sollte, hat sie eine solche Argumentation mit dem Schriftsatz v. 26.03.2015 nicht in berücksichtigungsfähiger Weise nachzuholen vermocht. Denn nach dem Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist konnte die Ast’in ihre Beschwerdebegründung nur noch ergänzen, soweit der konkret zu ergänzende Beschwerdegrund bereits innerhalb der Frist ausreichend ausgeführt worden war. Dies ist hier nicht geschehen.

Im Übrigen trägt die Ast’in auch in dem Schriftsatz v. 26.03.2015 keine Gründe vor, warum § 25 GlüStV verfassungswidrig sein sollte. Vielmehr weist sie lediglich auf bei dem BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerden hin. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem lediglich eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage zu erfolgen hat, und mit Blick auf seine bisherige diesbzgl. Rspr. (vgl. Beschl. v. 15.04.2014 – 7 ME 121/13 –, juris, u. v. 07.01.2014 – 7 ME 90/13 –, juris) keinen Anlass, an der Verfassungskonformität der Vorschrift zu zweifeln. dd) Die Ast’in wendet mit ihrer Beschwerdebegründung schließl. ein, dass bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung zwischen dem öffentl. Interesse am sofortigen Vollzug und dem privaten Interesse am Suspensiveffekt zu berücksichtigen sei, dass die Ag’in spätestens mit ihrem Schreiben v. 26.09.

2012 die angeblich rechtswidrige Situation erkannt habe. Die angefochtene Verfügung sei erst am 23.12.2013 erlassen worden. Sodann seien noch einmal fünf Monate vergangen, bis die Ag’in nachträglich die sofortige Vollziehung GewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse angeordnet habe. Die Ag’in habe durch das überlange Zuwarten selbst zu erkennen gegeben, dass ein sofortiger Vollzug der Verfügung nicht notwendig sei.

Entgegen der Auffassung des VG sei daher ein öffentl. Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht erkennbar.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Eine Folgenabwägung geht – unabhängig von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache und damit auch unabhängig von den Ausführungen unter aa) bis cc) – zu Lasten der Ast’in aus. Den wirtschaftl. Interessen der Ast’in steht das hohe Gewicht des Interesses der Allgemeinheit an einem zeitnahen Wirksamwerden der mit dem GlüStV zur Eindämmung der Spielsucht vorgenommenen Rechtsänderungen gegenüber. Der Gesetzeszweck, die Spielmöglichkeiten zu beschränken und damit im Hinblick auf das hohe Suchtpotential bei Geldspielgeräten die Gefahren der Spielsucht einzudämmen, stellt einen bedeutsamen öffentl.

Belang dar, der es rechtfertigt, private – insbes. wirtschaftl. – Belange einzelner Spielhallenbetreiber geringer zu gewichten (vgl. Beschl. des Senats v.

15.04.2014 u. 07.01.2014, a.a.O.). Dies gilt hier umso mehr, als die Ast’in mit ihrem Antrag auf Aussetzung bzw. Ruhen des Beschwerdeverfahrens zum Ausdruck gebracht hat, dass sie sich wirtschaftl. auf ein vorübergehendes Nichtbetreiben der Spielhalle eingestellt hat.

Das dargestellte öffentl. Interesse ist nicht durch das von der Ast’in geltend gemachte Zuwarten der Ag’in entfallen. Die Tatsache, dass die Ag’in die angegriffene Verfügung erst 15 Monate nach ihrem Anhörungsschreiben v.

26.09.2012 erlassen hat, ist dem Umstand einer umfangreichen internen Prüfung auf der Grundlage des Vortrags der Ast’in, der Gewährung von Akteneinsicht und der erneuten Anhörung der Ast’in geschuldet. Aus dem Umstand, dass die Ag’in den angefochtenen Bescheid v. 23.12.2013 nicht unmittelbar mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbunden hat, kann ebenfalls nicht gefolgert werden, dass ein öffentl. Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht besteht. Vielmehr stand es der Ag’in frei, zunächst abzuwarten, ob überhaupt ein Rechtsbehelf gegen die getroffene Verfügung eingelegt wird.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nämlich nur dann erforderlich, wenn mit einer Bestandskraft der Grundverfügung nicht in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Nachdem durch die Klageerhebung und die mehrfachen Fristverlängerungsanträge der Ast’in im gerichtl. Klageverfahren feststand, dass eine solche Bestandskraft nicht in naher Zukunft eintreten würde, hat die Ag’in – insoweit zeitnah – am 06.05.2014 die sofortige Vollziehung angeordnet.

Handwerk, Berufsbildung

Handwerk, Berufsbildung Altgesellenregelung, Ausübungsberechtigung, leitende Stellung, (illegaler) Ein-Mann-Betrieb; Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, Wertungswiderspruch HwO §§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 7 Abs. 1 + 1a, 7b, 8 Abs. 1 + 2, 16 Abs. 3 S. 1, 117 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; GewO § 35 Abs. 1; GG Artt. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1; VwGO § 137 Abs. 1 1. Zeiträume der handwerksrechtlich unzulässigen selbständigen Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks ohne die erforderliche Eintragung in die Handwerksrolle können nicht für die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO angerechnet werden.

2. Eine legale selbständige Handwerksausübung im EinMann-Betrieb ist als Berufserfahrung in leitender Stellung für die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO zu berücksichtigen.

BVerwG, Urteil vom 13.05.2015 – 8 C 12.14 – I. VG Augsburg, Urteil vom 07.03.2013 – Au 5 K 12.325 – II. VGH München, Urteil vom 19.03.2014 – 22 B 13.2021 –, GewArch 2014, 315 f.

Der Kl. begehrt von der bekl. Handwerkskammer die Erteilung einer Ausübungsberechtigung für das Maler- und Lackiererhandwerk nach § 7b HwO (sog. „Altgesellenregelung“).

Der Kl. war nach Ablegen der Gesellenprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk als Malergeselle in verschiedenen Betrieben beschäftigt.

Zum Okt. 2005 meldete er ein Gewerbe u.a. als Raumausstatter und Bodenleger an. In den darauf folgenden Jahren ergingen gegen ihn Bußgeldbescheide wegen unzulässiger Ausübung eines Gewerbebetriebs. Im

GewArch 2015/9

Sept. 2011 beantragte der Kl. die Erteilung einer Ausübungsberechtigung für das Maler- und Lackiererhandwerk und gab an, seit 2005 im eigenen „Ein-Mann-Betrieb“ selbständig und eigenverantwortlich Maler- und Lackierertätigkeiten auszuüben. Die bekl. Handwerkskammer lehnte den Antrag ab, da die erforderl. Berufserfahrung – insbes. die vierjährige Tätigkeit in leitender Funktion – nicht nachgewiesen sei.

Das VG hat der dagegen erhobenen Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hin hat der VGH das Urteil des VG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die illegale, ohne die erforderl. Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübte Tätigkeit im eigenen Ein-Mann-Betrieb könne nicht als Nachweis einer mindestens vierjährigen Tätigkeit in leitender Stellung dienen. Das Erfordernis einer langjährigen unselbständigen Tätigkeit in leitender Funktion spiegele das Leitbild des Erfahrungsaustausches mit einem Meister wider und schließe es jedenfalls aus, die Tätigkeit in einem illegalen Ein-Mann-Betrieb zu berücksichtigen.

Die vom VGH zugelassene Revision blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen: 12. II. Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angegriffene Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

13. 1. Der VGH hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen. Der während des Revisionsverfahrens ergangene, auf § 35 Abs. 1 GewO gestützte und zwischenzeitlich bestandskräftige Gewerbeuntersagungsbescheid lässt das Rechtsschutzbedürfnis an der auf die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO gerichteten Klage nicht entfallen. Die erstrebte handwerksrechtl. Genehmigung kann dem Kl. bis zu einer gewerberechtl. Wiedergestattung handwerksrechtl. eine Tätigkeit z.B. als angestellter Betriebsleiter nach § 7 Abs. 1 HwO ermöglichen und gewerberechtl. die Grundlage für eine – von der gegenüber dem Kl. ergangenen, auf alle Gewerbe erweiterten Untersagungsverfügung nicht erfassten – Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragter Person nach § 35 Abs. 1 S. 2 GewO bieten und damit seine Rechtsposition verbessern.

14. 2. Die Annahme des VGH, der Kl. habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO, ist im Ergebnis revisionsrechtl. nicht zu beanstanden.

15. a) Zwar ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils davon auszugehen, dass der Kl. nach Bestehen der Gesellenprüfung in dem zu betreibenden zulassungspflichtigen Handwerk des Malers und Lackierers eine Tätigkeit von insgesamt mindestens sechs Jahren ausgeübt hat. Dieser für die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 HwO erforderl. Mindestzeitraum ist im Übrigen, unabhängig von der Berücksichtigung der selbständigen Handwerksausübung seit Okt. 2005, bereits durch die von den Tatsachengerichten festgestellten Zeiten der abhängigen Beschäftigung als Geselle in Malerbetrieben nachgewiesen.

16. Der VGH hat dabei zu Recht angenommen, dass die Erteilung einer Ausübungsberechtigung keine Vollzeittätigkeit in den von § 7b HwO tatbestandlich geforderten Mindestzeiträumen voraussetzt. Nach den getroffenen Feststellungen war der Kl. seit Okt. 2005 wenn schon nicht in Vollzeit, dann doch mit einem überwiegenden Teil der üblichen Arbeitszeit tätig. Soweit das Berufungsgericht den Zeitraum einer mindestens sechsjährigen Tätigkeit als Geselle in dem zu betreibenden Handwerk für den Kl. allerdings wegen über acht Jahre währender Tätigkeit als erfüllt angesehen hat …, ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass eine Verlängerung der in § 7b HwO normierten Mindestzeiträume bei einer lediglich teilzeitigen handwerklichen Tätigkeit nicht vorgesehen ist. Als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG bedürfte eine solche Modifikation der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Ausübung eines eintragungspflichtigen Handwerks einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung, die sich der HwO jedoch nicht entnehmen lässt. Angesichts der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, inwieweit die § 7b HwO zugrunde liegende, allein an die bisherigen Tätigkeitszeiträume anknüpfende Vermutung ausreichender Kenntnisse und Fertigkeiten für eine selbständige Handwerksausübung bei einer gänzlich untergeordneten, nur gelegentlichen Tätigkeit tragfähig wäre und wo die Untergrenze des berücksichtigungsfähigen Tätigkeitsumfangs verliefe.

17. b) Zutreffend hat das Berufungsgericht jedoch festgestellt, dass der Kl. die weitere Erteilungsvoraussetzung des § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 u. 2 HwO einer Tätigkeit von insgesamt vier Jahren in leitender Stellung nicht erfüllt.

Hierfür hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kl. in seinem Ein-MannBetrieb ohne die nach § 1 Abs. 1 S. 1 HwO erforderl. Eintragung in die Handwerksrolle und damit illegal tätig war. Dagegen ist im Ergebnis revisionsrechtl. nichts zu erinnern.

371

Rechtsprechung und Erlasse 18. aa) Das gilt zunächst für die Annahme einer Eintragungspflicht. Nach den tatsächl. Feststellungen des Berufungsurteils hat der Kl. seit Okt. 2005 selbständig zumindest eine wesentl. Tätigkeit des Maler- und Lackiererhandwerks ausgeübt. Als wesentl. Tätigkeit des zulassungspflichtigen Handwerks, die nach § 7b Abs. 1 Nr. 3 HwO von der bisherigen Handwerksausübung mindestens umfasst sein muss, kann in Übereinstimmung mit den nach st. Rspr. bestehenden Voraussetzungen für die Wesentlichkeit einer Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 S. 1 u. 2 HwO (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.04.2014 – 8 C 50.12 –, BVerwGE 149, 265 Rn. 21 m.w.N. = GewArch 2014, 317 ff.) nur eine Tätigkeit im Kernbereich des Handwerks in Betracht kommen, die diesem sein essentielles Gepräge verleiht. Mit der bisherigen, zumindest eine wesentl. Tätigkeit umfassenden Handwerksausübung soll im Rahmen des § 7b HwO eine Berufserfahrung im Kernbereich des zu betreibenden Handwerks belegt werden (vgl. die Entwurfsbegründung in BT-Drs. 15/1206 S. 28). Das trifft für die vom Berufungsgericht als „klassische Malertätigkeit“ gewertete Handwerksausübung des Kl. zu, die das Anstreichen von Wohnungen und von Fassaden sowie das Lackieren von Türen und Fenstern umfasste. Der Einwand des Kl., diese Tätigkeit könne für das Maler- und Lackiererhandwerk nicht wesentlich sein, weil sie dem zulassungsfreien, von ihm angemeldeten Handwerk des Raumausstatters zugeordnet werden könne, überzeugt nicht. Zwar kann eine Tätigkeit nicht dem Kernbereich eines Handwerks zuzuordnen sein, wenn sie als zulassungsfreies Handwerk oder handwerksähnliches Gewerbe der Anlage B zur HwO unterfällt (BVerwG, Urz. v. 09.04.2014 – 8 C 50.12 –, BVerwGE 149, 265 Rn. 26 = GewArch 2014, 317 ff.). Das trifft hier aber nicht zu.

Denn die vom Berufungsgericht festgestellte Tätigkeit des Kl. überschritt schon deshalb die ausschließl. auf Innenräume bezogene Tätigkeit des zulassungsfreien Raumausstatterhandwerks (vgl. ebd. Rn. 27), weil sie auch das Anstreichen von Fassaden umfasste.

19. bb) Das Berufungsgericht hat auch im Ergebnis zu Recht angenommen, dass Zeiten des handwerksrechtl. unzulässigen selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks ohne die erforderl. Eintragung in die Handwerksrolle für die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nicht als „Ausübung einer Tätigkeit in leitender Stellung“ i.S.d. § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 HwO angerechnet werden können. Es sieht es als letztlich ausschlaggebendes Argument gegen die Berücksichtigungsfähigkeit handwerksrechtl. unzulässiger Tätigkeiten im Rahmen des § 7b HwO an, dass nach dem Gedanken der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung illegales, bußgeldbewehrtes Verhalten nicht belohnt werden dürfe und dafür auch keine Anreize geschaffen werden sollen … Soweit darin ein verfassungsrechtl. Argument gesehen werden soll, kann dem allerdings nicht zugestimmt werden. Würde man dem folgen, dann wäre eine einfachgesetzl. Auslegung des § 7b HwO als Rechtsgrundlage der Erteilung einer Ausübungsberechtigung dahingehend, dass auch Zeiträume illegaler Handwerksausübung berücksichtigungsfähig wären, als Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot von vorneherein ausgeschlossen. Darüber hinaus würde der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die Regelung der Berufszulassung erfahrener Gesellen in sachlich nicht gerechtfertigter Weise eingeengt. Das rechtsstaatl. Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist jedoch nicht berührt, wenn derselbe Normgeber den Erwerb einer Rechtsposition an ein Verhalten knüpft, das rechtswidrig und mit Bußgeld bewehrt war.

20. Richtig ist, dass bei einer Anerkennung von Zeiträumen einer gegen den Eintragungsgrundsatz des § 1 Abs. 1 S. 1 HwO verstoßenden Handwerksausübung als für eine Ausübungsberechtigung berücksichtigungsfähige Berufserfahrung ein normatives Spannungsverhältnis zu dem Eintragungsvorbehalt zulassungspflichtiger Handwerke zu der ihn bewehrenden Bußgeldvorschrift des § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO sowie zu § 16 Abs. 3 S. 1 HwO als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung der Fortsetzung eines handwerksrechtl. unrechtmäßigen selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe entstünde. Gleichwohl könnten sachgerechte Gründe den Gesetzgeber unter Beibehaltung der Untersagungsbefugnis und der Bußgeldbewehrung für die Zeiten illegaler Handwerksausübung zu einer Legalisierungsentscheidung für bislang unrechtmäßige Tätigkeiten veranlassen. Das Rechtsstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG stünde einem solchen Regelungskonzept ebenso wenig entgegen wie in anderen Rechtsbereichen, in denen der Gesetzgeber – etwa im Aufenthaltsrecht, vgl. § 25 Abs. 5, § 25a Abs. 1, § 104a Abs. 1 AufenthG – tatsächlich eingetretenen Gegebenheiten durch eine differenzierte Legalisierungsentscheidung Rechnung trägt. Es verpflichtet den Gesetzgeber zur Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit der von ihm getroffenen Regelungen (vgl. BVerfG, Urt. v.

20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2434/04 –, BVerfGE 119, 331 <366>; Kammerbeschl. v. 28.04.2009 – 1 BvR 224/07 –, BVerfGK 15, 377 <384> = Gew372

Arch 2009, 306 ff.). Diesen Anforderungen würde auch eine Berücksichtigung von Zeiten illegaler Handwerksausübung für die Erteilung einer – in die Zukunft gerichteten – Ausübungsberechtigung gerecht. Die Untersagungsmöglichkeit nach § 16 Abs. 3 HwO und die Bußgeldbewehrung des Verbotes der Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks ohne Eintragung in die Handwerksrolle nach § 1 Abs. 1 S. 1 HwO bis zum Zeitpunkt der Legalisierung blieben durch sie unberührt. Eine Untersagung ab dem Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen bis zur Entscheidung über die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO wäre regelmäßig ermessensfehlerhaft.

Eine rechtsstaatswidrige Normkollision i.S.v. sich ausschließenden Rechtsfolgen wäre somit nicht gegeben.

21. Soweit der Gedanke der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung über diese Anforderungen hinaus in der Rspr. des BVerfG herangezogen wird, um widersprüchliche gesetzl. Verhaltensanforderungen gegenüber den Normbetroffenen zu vermeiden, soll dadurch eine Koordinierung des sachlichen Gehaltes von Regelungen unterschiedlicher Normgeber gewährleistet werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 07.05.1998 – 2 BvR 1876/91, 1083/92, 2188/92, 2200/ 92, 2624/94 –, BVerfGE 98, 83 <97 ff.> = GewArch 1998, 287 ff. u. v. 07.05.

1998 – 2 BvR 1991/95, 2004/95 –, BVerfGE 98, 106, <118 ff.> = GewArch 1998, 283 ff.), etwa im Verhältnis zwischen Sachgesetzgeber und Steuergesetzgeber sowie zwischen Bundes- und Landesgesetzgeber. Anders als in derartigen Fällen fehlt es bei Regelungen desselben Normgebers mit unterschiedl. Zielrichtung aber an einer rechtl. Regel zur Auflösung des normativen Spannungsverhältnisses, um die Geltung einer der betreffenden Regelungen nach dem Gedanken der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung einschränken zu können. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass das Berufungsgericht das rechtsstaatl. Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Rechtfertigungsgrund für eine Einschränkung grundrechtl. Freiheit herangezogen hat. Das widerspricht dem Wesen des Rechtsstaatsprinzips als Instrument zur Mäßigung und Begrenzung der Staatsgewalt.

22. cc) Nach allem ist im Wege der Auslegung des § 7b HwO zu ermitteln, ob auch Zeiten des unzulässigen selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks ohne die erforderl. Eintragung in die Handwerksrolle einen Anspruch auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung begründen können. In diesem Zusammenhang erlangt auch der Gesichtspunkt des „Wertungswiderspruchs“ Bedeutung. Denn es ist anerkannt, dass bei der Auslegung einfachen Rechts innerhalb der Grenzen des methodisch Zulässigen ein Auslegungsergebnis vermieden werden soll, das zu normativen Wertungswidersprüchen führt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 – 2 BvR 2661/06 –, BVerfGE 126, 286 <306> = GewArch 2011, 94 f. u. Kammerbeschl. v. 26.09. 2011 – 2 BvR 2216/06, 469/07 –, NJW 2012, 669 Rn. 45 m.w.N.). Ausgehend davon bestätigt die Auslegung des § 7b HwO das Ergebnis des VGH, wonach Zeiten illegaler selbständiger Ausübung des zulassungspflichtigen Handwerks für die Erteilung einer Ausübungsberechtigung nicht angerechnet werden können.

23. Dem Wortlaut des § 7b HwO lässt sich allerdings keine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Legalisierung eines bislang unter Verstoß gegen die HwO geführten Betriebs entnehmen. Dass § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 HwO mit dem „zu betreibenden“ zulassungspflichtigen Handwerk eine künftige selbständige Tätigkeit auf Grundlage der zu erteilenden Ausübungsberechtigung in den Blick nimmt, schließt die Berücksichtigung einer bisherigen selbständigen Handwerksausübung schon deshalb nicht aus, weil diese durchaus in Übereinstimmung mit der HwO – etwa auf Grundlage einer befristeten Ausnahmegenehmigung nach § 8 Abs. 1 u. 2 HwO – erfolgt sein kann.

24. Entsprechend der rechtsstaatl. Zielsetzung einer Vermeidung normativer Wertungswidersprüche gewinnt für die Auslegung des § 7b HwO an Bedeutung, dass der Gesetzgeber bei Einführung dieser Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Ausübungsberechtigung sowohl an der Befugnis der handwerksrechtl. Untersagung illegaler Betriebe nach § 16 Abs. 3 HwO als auch an dem Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 117 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 HwO festgehalten hat, welcher das selbständige Betreiben eines in § 1 Abs. 1 HwO genannten Gewerbes als stehendes Gewerbe entgegen der Pflicht zur Eintragung in die Handwerksrolle mit einem Bußgeld von bis zu zehntausend Euro bedroht. Hierzu stünde es in einem Wertungswiderspruch, wenn durch die Möglichkeit, auf Grundlage der Zeiten einer illegalen selbständigen Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks über die Erteilung einer Ausübungsberechtigung die Eintragung in die Handwerksrolle zu erreichen, ein permanenter Anreiz zu einem Verstoß gegen den Eintragungsgrundsatz des § 1 Abs. 1 S. 1 HwO und die Vorschriften der §§ 7 ff. HwO über die Voraussetzungen einer Eintragung erzeugt würde. So lange der Gesetzgeber nicht erkennbar eine Legalisierung eines gegen die HwO verstoßenden Betriebs bzw.

GewArch 2015/9

Rechtsprechung und Erlasse die Berücksichtigung der durch Führung eines illegalen selbständigen Betriebs erreichten Tätigkeitszeiträume vorsieht, ist eine Auslegung des § 7b HwO vorzuziehen, mit der kein fortwährender Anreiz zu unrechtmäßigem Verhalten verbunden ist. Weder der Wortlaut der Regelung noch ihre systematische Stellung, ihre Entstehungsgeschichte oder ihr Sinn und Zweck geben einen klaren Hinweis auf eine solche Legalisierung. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ein gesetzl. verbotenes Verhalten nicht zur Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Genehmigung der Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks hat machen wollen.

25. (1) Der Regelungszusammenhang des § 7b Abs. 1 Nr. 2 HwO spricht nicht für, sondern gegen eine nachträgliche Legalisierung des selbständigen Betriebs eines Handwerks ohne die erforderl. Eintragung in die Handwerksrolle.

Voraussetzung des Anspruchs auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung ist nach § 7b Abs. 1 Nr. 1 HwO, dass der Ast. eine Gesellenprüfung in dem zu betreibenden oder mit diesem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk oder eine Abschlussprüfung in einem entsprechenden anerkannten Ausbildungsberuf bestanden hat. Damit hat der Gesetzgeber eine legale berufl. Entwicklung in den Blick genommen, auf deren Grundlage die nach § 7b Abs. 1 Nr. 2 HwO geforderte Berufserfahrung erworben worden ist. Auch die in § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 3 HwO normierten Nachweismöglichkeiten für eine leitende Tätigkeit durch Arbeitszeugnisse, Stellenbeschreibungen oder in anderer Weise sind ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber an eine legale handwerkl. Tätigkeit angeknüpft hat, die durch im Rechtsverkehr gebräuchliche Dokumente belegbar ist.

26. (2) Auch der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der sog. Altgesellenregelung des § 7b HwO lassen sich keine durchgreifenden Argumente zugunsten einer Berücksichtigung von Zeiten illegaler Handwerksausübung entnehmen. Mit der Einführung des § 7b HwO im Rahmen der Dritten Handwerksnovelle (Art. 1 Nr. 10 des Dritten Gesetzes zur Änd. der HwO und anderer handwerksrechtl. Vorschriften v. 24.12.2003, BGBl. I S. 2934) sollte dem tüchtigen Altgesellen eine verbesserte Perspektive der selbständigen Handwerksausübung geboten und neben den bestehenden Zugangswegen der Meisterprüfung und der Ausnahmebewilligung unter Nachweis der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 8 Abs. 1 HwO) eine weitere, prüfungsfreie Möglichkeit eröffnet werden, um zur Eintragung in die Handwerksrolle zu gelangen (vgl. die Begründung des Entwurfs in BT-Drs. 15/1206 S. 27 bis 29). Die gesetzl. Festlegung bestimmter Tätigkeitszeiträume in dem selbständig zu betreibenden zulassungspflichtigen Handwerk sollte typisierend die Lebenssituation eines Altgesellen nach mehreren Jahren der Handwerksausübung erfassen, für welche die Unzumutbarkeit eines Ablegens der Meisterprüfung von Gesetzes wegen unterstellt wurde. Zugleich sollte die Regelung klarstellen, dass die für eine selbständige Handwerksausübung erforderl. Kenntnisse und Fertigkeiten durch die langjährige Berufserfahrung als nachgewiesen gelten (vgl. BT-Drs. 15/1206 S. 28). Die Tragfähigkeit dieser gesetzl. Typisierungen wird bei einem regelwidrigen berufl.

Verlauf, der die gefahrenabwehrenden Vorschriften der Zulassungspflicht selbständiger stehender Handwerksausübung (vgl. für das Maler- und Lackiererhandwerk BVerwG, Urt. v. 09.04.2014 – 8 C 50.12 –, BVerwGE 149, 265 Rn. 41 f. = GewArch 2014, 317 ff.) nicht beachtet hat, in Frage gestellt. Dass ein illegaler Betrieb über mehrere Jahre am Markt Bestand gehabt hat, mag zwar ein gewisses Indiz für ein ausreichendes fachliches Können sein. Ein solcher Betrieb hat aber über Jahre hinweg die Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt, die nach der HwO zur Gefahrenvermeidung verlangt werden. Es kann nicht typisierend unterstellt werden, dass dieses fachliche Defizit nach Ablauf des Mindestzeitraums von vier Jahren gem. § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 HwO durch die praktische Erfahrung des betreffenden Handwerkers ausgeglichen ist.

27. Dass mit der Dritten Handwerksnovelle neben einer Absicherung der Verhältnismäßigkeit des Meisterzwangs und der Verringerung der Unterschiede zwischen der Berufszulassung von inländischen Handwerkern und von Handwerkern aus anderen EU-Mitgliedstaaten auch die Zielsetzung verfolgt wurde, der Schwarzarbeit im Handwerk entgegenzuwirken, spricht nicht für eine Berücksichtigung der Zeiträume illegaler selbständiger Tätigkeit im Rahmen des § 7b HwO. Eine Eindämmung von Schwarzarbeit sollte vor allem durch die Eingrenzung des Kreises zulassungspflichtiger Handwerke in Anlage A der HwO auf die im Interesse der Gefahrenabwehr dem Meisterzwang vorzubehaltenden Handwerke sowie durch die Aufgabe des sog. Inhaberprinzips zugunsten des Betriebsleiterprinzips in § 7 Abs. 1 HwO erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/1206 S. 20, 22, 26; BT-Drs. 15/1481 S. 12). Auch in der Erleichterung des Zugangs langjährig erfahrener Gesellen zur Selbständigkeit hat der Gesetzentwurf einen Beitrag zum Abbau von Schwarzarbeit gesehen (vgl. die Stellungnahme der BReg. zu einem vom BRat während des GesetzGewArch 2015/9

gebungsverfahrens eingebrachten eigenen Entwurf, BT-Drs. 15/2138 S. 24).

Auf eine Legalisierung bestehender handwerksrechtlich unzulässiger Betriebe nehmen die Materialien des Gesetzgebungsverfahrens keinen Bezug. Soweit die Entwurfsbegründung darauf verweist, auch eine Tätigkeit in einem unzulässigen Handwerksbetrieb stelle eine für die verlangten Mindestzeiträume der Berufserfahrung ausreichende Handwerksausübung dar (vgl. BT-Drs. 15/ 1206 S. 28), bezieht sich dies auf die von der heutigen Sechsjahresfrist des § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 HwO erfasste Gesellentätigkeit, nicht jedoch auf den Zeitraum einer qualifizierten Tätigkeit in leitender Stellung. Die Einbeziehung einer Tätigkeit im unzulässigen Betrieb soll den abhängig beschäftigten Gesellen schützen, der für die handwerksrechtl. Illegalität seines Betriebs keine Verantwortung trägt und deshalb an der Möglichkeit eines erleichterten Zugangs zur Existenzgründung teilhaben soll.

28. Schon in der Eröffnung einer zusätzlichen Möglichkeit der Eintragung erfahrener, im eigenen Verantwortungsbereich legal tätiger Gesellen in die Handwerksrolle liegt ein Beitrag zur Eindämmung der Schattenwirtschaft. Demgegenüber würde das gesetzgeberische Ziel einer Verringerung der Schwarzarbeit durch eine fortwährende Möglichkeit der Anrechnung von Tätigkeitszeiten eigener handwerksordnungswidriger selbständiger Handwerksausübung verfehlt. Der Anspruch auf Erteilung einer Ausübungsberechtigung würde sich letztlich als Ersitzungstatbestand für Gesellen darstellen, die mit einem handwerksrechtl. unzulässigen Betrieb die in § 7b Abs. 1 Nr. 2 HwO geforderten Mindestzeiträume ohne den Vollzug einer behördl. Untersagung überstehen. Dass ein solcher fortlaufender gesetzl. Anreiz zur vorzeitigen, handwerksrechtl. unzulässigen Existenzgründung vom Gesetzgeber in Kauf genommen worden wäre, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht ansatzweise entnehmen.

29. dd) Die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG gebietet es nicht, anknüpfend an eine gegen die Eintragungspflicht des § 1 Abs. 1 HwO verstoßende selbständige Handwerksausübung eine Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO zu erteilen. Zur Sicherung des Gemeinwohlzwecks der Abwehr von Gesundheitsgefahren für Dritte ist die Berufsbeschränkung der Eintragungspflicht gem. § 1 Abs. 1 u. 2 i.V.m. §§ 7 ff. HwO für das Maler- und Lackiererhandwerk verfassungsgemäß, insbes. verhältnismäßig (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.04.2014 – 8 C 50.12 –, BVerwGE 149, 265 Rn. 37 ff. = GewArch 2014, 317 ff.). Die Verhältnismäßigkeit der Eintragungspflicht wird dadurch gesichert, dass dem Gewerbetreibenden neben dem Großen Befähigungsnachweis mit der einzelfallbezogenen Ausnahmebewilligung des § 8 HwO wegen Unzumutbarkeit und der pauschal an Tätigkeitszeiträume anknüpfenden Altgesellenregelung des § 7b HwO nunmehr zwei weitere Möglichkeiten des Erwerbs der Eintragungsvoraussetzungen zur Seite stehen (vgl. in Bezug auf die Altgesellenregelung bereits BVerwG, Urt. v. 31.08.2011 – 8 C 9.10 –, BVerwGE 140, 276 Rn. 36 = GewArch 2012, 39 ff.). Es ist verfassungsrechtl. nicht geboten, dem Gewerbetreibenden eine weitere Möglichkeit des Erwerbs der Eintragungsvoraussetzungen durch mehrjährige rechtswidrige selbständige Tätigkeit ohne Eintragung in die Handwerksrolle zu eröffnen, die letztlich von einer lückenhaften Untersagungspraxis abhängt. Eine Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7b HwO, welche den Erteilungsanspruch auf Fälle legaler bisheriger Handwerksausübung beschränkt, kann sich demgegenüber auf den gefahrenabwehrenden Zweck der berufseinschränkenden handwerksrechtl. Regelungen stützen. Denn bei Berücksichtigung illegaler selbständiger Tätigkeit würde ein jahrelanger Zustand nachträglich zur Grundlage einer Berufszulassung gemacht, bei dem die Abwehr von Gefahren einer Handwerksausübung für die Gesundheit Dritter nach der gesetzl. Konzeption der Eintragungspflicht nicht gewährleistet war. Infolge der fehlleitenden Anreizwirkung auf Gesellen, sich faktisch vor Ablauf der gesetzl. Mindestzeiträume selbständig zu machen, entstünde gleichzeitig eine Lücke in dem gefahrenpräventiven Regelungskonzept der §§ 1, 7 ff. der HwO. 30. ee) Das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs.1·GG ist durch die Voraussetzung einer mindestens vierjährigen handwerksrechtl. legalen Tätigkeit in leitender Stellung für die Erteilung einer Ausübungsberechtigung schon nicht in seinem Schutzbereich betroffen. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt das Erworbene als Ergebnis einer Betätigung, während Art. 12 Abs. 1 GG den Erwerb, die Betätigung selbst, schützt (BVerfG, Entsch. v. 16.03.1971 – 1 BvR 52/66, 665/66, 667/66, 754/66 –, BVerfGE 30, 292 <335>; Beschl. v.

25.05.1993 – 1 BvR 345/83 –, BVerfGE 88, 366 <377> u. v. 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06, 469/07 –, NJW 2012, 669 Rn. 40). Eine erworbene Rechtsposition steht hier nicht in Rede.

31. ff) Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass der – insoweit nicht entscheidungstragenden – Auffassung des Berufungsgerichts, eine selbständige Tätigkeit in einem Ein-Mann-Unternehmen könne für den vierjährigen Mindest373

Rechtsprechung und Erlasse / Leitsätze zeitraum einer Tätigkeit in leitender Stellung gem. § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 HwO nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, nicht gefolgt werden kann. Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht weder dem Gesetzeswortlaut nach, welcher keine Vorgaben zur Betriebsgröße oder zur Betriebsform enthält, noch nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Auch vor Erteilung einer Ausübungsberechtigung und ohne Großen Befähigungsnachweis ist eine für den vierjährigen Mindestzeitraum der Tätigkeit in leitender Stellung nach § 7b HwO relevante selbständige Handwerksausübung in Einklang mit den handwerksrechtl.

Anforderungen denkbar, etwa auf Grundlage einer befristeten Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 u. 2 HwO oder in Form eines Reisegewerbes. Eine solche selbständige Tätigkeit, die vielfach zunächst als Ein-Mann-Betrieb beginnt, vermittelt dem Gewerbetreibenden mindestens ebenso wie dem abhängig in leitender Position beschäftigten Gesellen die für die erfolgreiche und gefahrenvermeidende Führung eines Handwerksbetriebs erforderl. berufl. Erfahrung in verantwortlicher Position. Dass die im Vermittlungsverfahren eingefügte (vgl. BT-Drs. 15/2246 S. 3) Legaldefinition der leitenden Stellung in § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 HwO auf die „Übertragung“ eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnisse an den Gesellen abstellt, erklärt sich daraus, dass der Gesetzentwurf sich an dem Normalfall einer erstmaligen Existenzgründung nach Erteilung der erstrebten Ausübungsberechtigung und folglich vorherigen unselbständigen qualifizierten Gesellentätigkeit in leitender Funktion orientiert hat (vgl. BT-Drs. 15/1206 S. 28 f.; BT-Drs. 15/1481 S. 12 f., 16). Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass eine bisherige legale selbständige Tätigkeit des Gesellen nur im Ausnahmefall als Handwerksausübung in leitender Stellung anzuerkennen wäre. Eine solche Einschränkung wäre durch Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr nicht begründbar. Sie ließe sich auch nicht aus einem Idealbild des kontinuierlichen Erfahrungsaustausches zwischen Gesellen und Meister im Betrieb ableiten, das in der betriebl. Wirklichkeit vielfach nicht eingelöst werden kann (vgl. auch BT-Drs. 15/1206 S. 29). Der Fall eines legal selbständig ein Handwerk Ausübenden ist vielmehr neben der häufigeren Er-

Abrufmöglichkeit der bearbeiteten Entscheidungen unter http://www.gewerbe-archiv.de/leser-service/anmeldung-login/ Anlageberater, Aufklärungspflichtverletzung BGB § 280 Zur Aufklärungspflicht des Anlageberaters in Bezug auf Risiken der Geschäftstätigkeit des Fonds im Zweitmarkt für US-amerikanische Lebensversicherungspolicen.

KG Berlin, Urteil vom 30.04.2015 – 8 U 183/13 – (n. rkr.)

I. LG Berlin, Urteil vom 13.11.2011 – 3 O 243/12 – Ein Anlageberater verletzt seine vertraglichen Pflichten, wenn er nicht über das Risiko aufklärt, das sich daraus ergibt, dass US-amerikanische Lebensversicherungen im Unterschied zu deutschen Kapitallebensversicherungen nicht vorzeitig kündbar sind, sondern bei Nichtzahlung der Prämien bis zum Laufzeitende der Versicherung verfallen, so dass das vom Fonds gehaltene Policen-Portfolio nur bei hinreichender Liquidität für die Bedienung der Prämien aufrechterhalten werden kann.

– Orientierungssatz – Sportwettenvermittlungsuntersagung, Schadensersatzansprüche, unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch, Amtshaftungsanspruch, legislatives Unrecht, Weisung der übergeordneten Körperschaft GG Art. 34 S. 1; AEUV Art. 340; BGB § 839; OBG NW §§ 9 Abs. 2 Buchst. a, 39 Abs. 1 Buchst. b a) Weisungen einer übergeordneten Körperschaft, die der nachgeordneten Verwaltung zur gleichmäßigen Ausführung behördlicher Aufgaben allgemein eine bestimmte Gesetzesauslegung vorschreiben, begründen regelmäßig keine Amtspflichten gegenüber dem einzelnen Bürger. Sie führen – anders als die Weisung in einem konkreten Einzelfall – auch nicht zu einer Haftungsverlagerung von der nachgeordneten auf die übergeordnete Behörde. b) Die verschuldensunabhängige Haftung nach § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NW erfasst nicht den Fall, dass das von der Ordnungsbehörde zutreffend angewandte Gesetz verfassungswidrig ist (legislatives Unrecht). Dem steht es gleich, wenn die Ordnungsbehörde nationales Recht für sich genommen korrekt ausführt, das – für die Verwaltung nicht ohne weiteres erkennbar – mit Unionsrecht nicht vereinbar ist.

BGH, Urteil vom 16.04.2015 – III ZR 333/13 – I. LG Bochum, Urteil vom 09.09.2011 – 5 O 156/10 – II. OLG Hamm, Urteil vom 14.06.2013 – I-11 U 89/11 – (berichtigt durch Beschluss vom 29.11.2013) 374

scheinungsform des abhängig im Betrieb beschäftigten Gesellen auch ohne ausdrückl. Erwähnung im Gesetzeswortlaut oder in den Gesetzesmaterialien mitgedacht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 3 HwO zu den Nachweisen über eine Tätigkeit in leitender Stellung, denn diese sind auch „in anderer Weise“ möglich, also etwa durch Rechnungen oder Zeugenaussagen, wie sie das Berufungsgericht im vorliegenden Fall seinen Tatsachenfeststellungen zugrunde gelegt hat. Im Übrigen ging der Entwurf der Dritten Handwerksnovelle ausdrücklich davon aus, dass die Leitung eines Unternehmens (als eine Alternative der EU-rechtlichen Definition des Betriebsleiters) über die Anforderungen an eine Berufserfahrung nach der Altgesellenregelung hinausgehe und wegen der mit § 7b HwO angestrebten Erleichterung für Altgesellen nicht verlangt werden dürfe (BT-Drs. 15/1206 S. 28). Umso mehr aber ist eine vorhandene – legale – selbständige Handwerksausübung als berufl. Erfahrung in leitender Stellung bei der Erteilung einer Ausübungsberechtigung zu berücksichtigen.

32. gg) Den Einwand der Revision, der VGH habe den verfassungsrechtl.

Spielraum für die Auslegung des § 7b HwO dadurch überschritten, dass er Tätigkeiten in leitender Stellung nur bei qualitativ gegenüber einer gewöhnlichen Gesellentätigkeit herausgehobenen Handwerksausübung anerkenne, kann der Senat schon auf Grundlage des Wortlauts der Regelung nicht nachvollziehen, der in § 7b Abs. 1 Nr. 2 S. 1 u. 2 HwO eine klare Abstufung von nicht weiter qualifizierter sechsjähriger Gesellentätigkeit und vierjähriger Tätigkeit mit gesteigerter Verantwortung vorsieht. Die Gesetz gewordene Formulierung ist zudem auf das parlamentarische Vermittlungsverfahren zurückzuführen, dessen Ergebnis eine Steigerung der urspr. Anforderungen des Entwurfs an den Mindestzeitraum in „herausgehobener, verantwortlicher oder leitender Stellung“ gewährleisten sollte (vgl. BT-Drs. 15/1206 S. 6, 27 f.; BT-Drs. 15/1481 S. 9 u.

16; BT-Drs. 15/2246 S. 3 und BR-Plenarprotokoll 795 v. 19.12.2003 S. 502 f.).

Auch aus der Rspr. des BVerfG (Kammerbeschl. v. 05.12.2005 – 1 BvR 1730/02 –, GewArch 2006, 71) ergibt sich nichts anderes.

Leitsätze Spielhallenbetreiber, Mehrfachkonzession, Übergangsregelung, Hamburger Spielhallengesetz, vorläufiger Rechtsschutz HambSpielhG §§ 1 Abs. 3, 4 Abs. 3 S. 1 + 3, 9 Abs. 2 S. 1 + 2; GG Artt. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 11 1. Die Übergangsregelung des § 9 Abs. 2 HmbSpielhG, nach der Spielhallenbetreiber, die im Besitz einer „Mehrfachkonzession“ sind, die Zahl der Geldspielgeräte pro Spielhalle ca. 2 1/2 Jahre früher auf maximal 8 Geräte reduzieren müssen als Betreiber mit „Einzelkonzession“, verstößt voraussichtlich gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 2. Die Übergangsregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 HmbSpielhG, nach der bestimmte Unternehmen bis zum 30.06.2017 als gesetzeskonform gelten, umfasst nicht die Regelungen über die Modalitäten der konkreten Aufstellung (Abstände, Sichtblenden) von Geldspielgeräten nach § 4 Abs. 3 Satz 3 HmbSpielhG. Diese sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 19.12.2012 wirksam.

3. Das nach Art. 70 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG in die Zuständigkeit der Länder fallende „Recht der Spielhallen“ umfasst auch Regelungen über die Modalitäten der konkreten Aufstellung von Geldspielgeräten in einer Spielhalle (hier § 4 Abs. 3 Satz 3 HmbSpielhG).

4. § 4 Abs. 3 Satz 3 HmbSpielhG steht als Berufsausübungsregelung mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang.

OVG Hamburg, Beschluss vom 19.05.2015 – 4 Bs 14/15 – I. VG Hamburg, Beschluss vom 07.01.2015 – 4 E 6235/14 – Lebensmitteletikettierung, Irreführung, Früchtetee RL 2000/13/EG Artt. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i, 3 Abs. 1 Nr. 2 Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i und Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.03.2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür in der durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2009 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass es mit ihnen nicht vereinbar ist, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus GewArch 2015/9

Leitsätze dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt.

EuGH (Neunte Kammer), Urteil vom 04.06.2015 – C-195/14 – (Teekanne) I. LG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2012 – 38 O 74/11 – II. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2013 – I-20 U 59/12 – III. BGH, Vorlagebeschluss vom 26.02.2014 – I ZR 45/13 – „Rinder Hackfleisch zum Braten“, Qualitätsmetzgerei“, Lebensmittelprobe, Gegenprobe, Kennzeichnung, Fettgehalt, Nährwert, Schwankungsbreite, Irreführung, Markenname, Benachrichtigungsschreiben, Zugang AEUV Art. 267 Abs. 2 + 3; EMRK Art. 6 Abs. 1; EUV Art. 4 Abs. 3; EWG-RL 90/496 Art. 1 Abs. 4 lit. k); GVP vom 20.08.2009 (BGBl. I 2009, 2852); LFGB § 11 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 lit. b); LFGB vom 07.09.2007 (BGBl. I 2013, 1426) § 44 Abs. 2; LMKV § 3 Abs. 1 Nr. 2; NKV § 2 Nr. 12; VO (EG) 1162/2009 Art. 4 Abs. 4; VO (EG) 2076/2005 Art. 10 Abs. 1; VO (EG) 882/2004 Art. 11 Abs. 6; VwGO §§ 101 Abs. 1 S. 2, 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3, 4, 5 1. Zur Frage des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbotes nach Art. 11 Abs. 6 VO (EG) Nr. 882/2004 und Art. 6 Abs. 1 EMRK, weil dem Lebensmittelunternehmer das Recht zur Einholung einer Gegenprobenuntersuchung unmöglich oder erschwert worden ist.

2. Der Hersteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei nicht ordnungsgemäß über die Möglichkeit der Einholung einer Gegenprobe benachrichtigt worden, wenn es sich damit zu seinem eigenen vorausgegangenen Verhalten in Widerspruch setzt.

3. Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Nr. 2 lit. b LFGB wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2076/2005 im Hinblick auf den zulässigen Fettgehalt des hergestellten und in den Verkehr gebrachten Rinderhackfleisches im „Tagesdurchschnitt“ unter Berücksichtigung eventueller „Schwankungstoleranzen“.

4. Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB durch das in den Verkehrbringen von Rinderhackfleisch vermittels irreführender Angaben „Maximal 20 % Fettanteil“ und „Durchschnittlicher Nährwert je 100 g …

Fett 18 g“.

5. Zur Frage des durchschnittlichen Nährwertes eines Lebensmittels.

6. Zur Frage der erforderlichen Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshofs und zur Frage der Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m Art. 267 Abs. 2 AEUV. OVG Magdeburg, Beschluss vom 09.12.2014 – 3 L 5/12 – I. VG Halle, Urteil vom 30.11.2011 – 1 A 81/10 HAL – Telekommunikationsrechtliches Entgeltgenehmigungsverfahren, Vergleichsmarktbetrachtung, Drittanfechtung einer Entgeltgenehmigung, Wettbewerber, Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung, Mobilfunk-Terminierungsentgelt, schmale Vergleichsbasis TKG 2004 §§ 12, 15, 28, 31, 33, 35, 136; VwVfG § 39; Richtlinie 2002/21/EG Art. 4 1. Wettbewerber ohne direkte Vertragsbeziehung mit dem regulierten Unternehmen können im Rahmen einer Drittanfechtungsklage gegen eine telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung nicht die Einhaltung des in § 31 TKG normierten Entgeltmaßstabs der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung sowie die Einhaltung der in § 35 TKG geregelten Entgeltermittlungsmethoden, sondern lediglich Verstöße gegen das Verbot des Behinderungsmissbrauchs gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TKG geltend machen.

2. Bei einer Vergleichsmarktbetrachtung im telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigungsverfahren sind Vergleichsobjekte die auf den jeweiligen Märkten zu beobachtenden Preise und nicht die Kosten, die den dort tätigen Unternehmen entstehen.

3. Wird lediglich ein seinerseits regulierter Markt mit nur einem noch nicht bestandskräftig festgesetzten Entgelt, das gewichtige unternehmensübergreifende Kostenpositionen nicht berücksichtigt, zum Vergleich herangezogen, ist die Basis für den Vergleich zu schmal.

BVerwG, Urteil vom 25.02.2015 – 6 C 37.13 – I. VG Köln, Urteil vom 02.10.2013 – 21 K 5786/07 – Mieterhöhung, Kappungsgrenze (15 %), Bayern, Verfassungsmäßigkeit WoGeV § 1 b, Anlage 2 1. Kommt der Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung einer bayerischen Rechtsverordnung zu der Überzeugung, dass die zugrunde liegende bundesrechtliche Ermächtigung gegen das Grundgesetz verstößt, hat er gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Die Gültigkeit der gesetzlichen Ermächtigung ist entscheidungserhebliche Vorfrage bei der Überprüfung der darauf beruhenden GewArch 2015/9

Abrufmöglichkeit der Entscheidungen unter http://www.gewerbe-archiv.de/leser-service/anmeldung-login/ Verordnung.

2. Im Hinblick auf § 558 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB besteht kein Anlass zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, weil nicht ersichtlich ist, dass diese bundesrechtliche Ermächtigung gegen das Grundgesetz verstößt.

3. Wird der landesrechtliche Normgeber aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigung tätig, muss er die darin enthaltenen Vorgaben beachten. Eine Prüfung der abgeleiteten Norm auf ihre Vereinbarkeit mit dem Landesverfassungsrecht ist nur insoweit eröffnet, als die bundesrechtliche Ermächtigung dem landesrechtlichen Normgeber einen Gestaltungsspielraum einräumt.

4. Die Regelung des § 1 b i.V.m. Anlage 2 WoGeV, wonach in den aufgeführten Gemeinden die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen 15 v.H. beträgt, verstößt nicht gegen Normen der Bayerischen Verfassung.

5. Das von der Staatsregierung bei der Auswahl der Gemeinden angewandte Verfahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

6. Aus einzelnen gleich formulierten Tatbestandsmerkmalen zur Wohnungsmangellage in § 558 Abs. 3 Satz 2 und § 577 a Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht zwingend zu folgern, dass die danach jeweils möglichen Verordnungsregelungen für dieselben Gebiete gelten müssten.

VerfGH München, Entscheidung vom 16.06.2015 – Vf. 12-VII-14 – MietenbegrenzungsVO, „Mietpreisbremse“, Verfassungsbeschwerde, Rechtswegerschöpfung, Subsidiaritätsgrundsatz, Zivilrechtsweg MietBegrV Bln; BGB § 556d; BVerfGG §§ 32 Abs. 1, 90, 93a Abs. 2 Verfassungsbeschwerde gegen „Mietpreisbremse“ in Berlin unzulässig.

– Orientierungssatz – BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015 – 1 BvR 1360/15 – Vorhandene Telekommunikationslinie, Verlegung, Kostentragung, spätere besondere Anlage, Ausführung unter überwiegender Beteiligung des Wegeunterhaltspflichtigen, gesellschaftsrechtliche Beteiligung, Ortverkehr/Fernverkehr, höherwertige Materialbeschaffenheit TWG § 6; TKG 1996 § 56; ÖPNVG NRW § 3 1. Eine spätere besondere Anlage wird auch dann im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 TKG 1996 unter überwiegender Beteiligung des Wegeunterhaltungspflichtigen zur Ausführung gebracht, wenn die Anlage von einem zwar rechtlich selbstständigen Dritten ausgeführt wird, den der Wegeunterhaltungspflichtige aber zur Wahrnehmung einer ihm übertragenen oder von ihm übernommenen öffentlichen Aufgabe gegründet hat und den er aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren gesellschaftsrechtlichen Beteiligung beherrscht.

2. § 56 Abs. 2 Satz 2 TKG 1996 verlangt nicht, dass sich Telekommunikationslinien, die im Sinne dieser Bestimmung nicht lediglich dem Ortsverkehr dienen, anhand einer höherwertigen Materialbeschaffenheit von solchen Telekommunikationslinien unterscheiden, die ausschließlich dem Ortsverkehr dienen. Es genügt, wenn sie bestimmungsgemäß für Telekommunikation genutzt werden, welche das Ortsnetz überschreitet.

BVerwG, Urteil vom 29.04.2015 – 6 C 32.14 – I. VG Köln, Urteil vom 12.01.2012 – 1 K 535/10 – II. OVG Münster, Urteil vom 15.05.2014 – 20 A 525/12 – Internet, Bezahlmöglichkeit, Abbuchungsdienst „Sofortüberweisung“, einzige kostenfreie Zahlungsmöglichkeit, Unzumutbarkeit BGB § 312 a Abs. 4 Nr. 1; UKlaG § 2 Abs. 1 Ein Online-Shop, der als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit die „Sofortüberweisung“ der Sofort AG anbietet, verstößt gegen § 312 a Abs. 4 Nr. 1 BGB, § 2 Abs. 1 UKlaG. Die Nutzung des Dienstes „Sofortüberweisung“ ist für den Verbraucher unzumutbar, da er hierzu nicht nur mit einem Dritten in vertragliche Beziehungen treten, sondern diesem Dritten auch noch Kontozugangsdaten mitteilen und in den Abruf von Kontodaten einwilligen muss.

– Orientierungssätze – LG Frankfurt a.M., Urteil vom 03.06.2015 – 2-06 O 458/14 – (n.rkr.)

Kostenloser Fahrdienst, Augenklinik, heilmittelrechtliches Verbot von Werbegaben, Marktverhaltensregelung UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 1 Fall 2; Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt Erwägungsgrund 33, Art. 2 Abs. 2 Buchst. f; HWG §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; UmwG §§ 2 Nr. 1, 4 ff., 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 190 ff., 202 Abs. 1 Nr. 1; Freistellungs-VO § 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. e a) Zu den nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommenen Gesundheitsdienstleistungen gehören auch die Leistungen 375

Abrufmöglichkeit der bearbeiteten Entscheidungen unter http://www.gewerbe-archiv.de/leser-service/anmeldung-login/ von Privatkliniken und die Werbung für solche Dienstleistungen. b) Der Umstand, dass der Fahrdienst einer Klinik geeignet ist, deren Ansehen beim Publikum allgemein zu steigern, ändert nichts daran, dass der Fahrdienst aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs in erster Linie der Förderung des Absatzes der Dienstleistungen der Klinik dient und damit der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes eröffnet ist. c) Der Formwechsel einer Gesellschaft nach §§ 190 ff. UmwG hat als solcher ebenso wenig Auswirkungen auf das Fortbestehen einer in ihrer Person begründeten Gefahr der Wiederholung einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise wie die Aufnahme eines anderen Rechtsträgers nach § 2 Nr. 1, §§ 4 ff. UmwG. d) Das Angebot eines kostenlosen Fahrdienstes für die Patienten einer Klinik begründet keine abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten, wenn davon auszugehen ist, dass die Aussicht, den Fahrdienst in Anspruch nehmen zu können, einen Patienten nicht veranlassen kann, weniger intensiv nach einer für ihn geeigneten Behandlung zu suchen. e) Der Fahrdienst einer Klinik, der die Abholung des Patienten an einem

Leitsätze / Buchbesprechungen Sammelpunkt in einer 37 km entfernten Stadt und den Rücktransport des Patienten nach Hause über eine gegebenenfalls noch längere Wegstrecke umfasst, stellt weder eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG noch eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 HWG handelsübliche Nebenleistung dar. f) Die Freistellung nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e der Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfälle von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (Freistellungs-Verordnung) gilt regelmäßig nicht für Transferfahrten, die den Patienten zur Einlieferung in das Krankenhaus hinoder nach erfolgter Entlassung zurückbefördern. g) Bei Vorschriften, die dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dienen, kann die Spürbarkeit von Verstößen im Sinne von § 3 UWG nur ganz ausnahmsweise verneint werden.

BGH, Urteil vom 12.02.2015 – I ZR 213/13 – (Fahrdienst zur Augenklinik) I. LG Köln, Urteil vom 25.04.2013 – 31 O 588/12 – II. OLG Köln, Urteil vom 22.11.2013 – 6 U 91/13 –

Buchbesprechungen Martin Maslaton (Hrsg.), Windenergieanlagen. Ein Rechtshandbuch, Verlag C. H. Beck, München 2015, 418 S., 149 Euro (ISBN 978-3-406-66021-4) Die Windenergie als Teil der so genannten Erneuerbaren muss im „Strom-Mix“ eines relativ sonnenarmen Landes wie der Bundesrepublik Deutschland naturgemäß eine relativ große Rolle spielen. Und in der Tat sehen die deutschen Flächenländer regelmäßig vor, zumindest an dafür geeigneten Stellen Windenergiestandorte zu schaffen – zum Nutzen auch für diejenigen Bürger, die im innerstädtischen Bereich oftmals „nur“ im Wege von Energieeffizienzmaßnahmen zur „Energiewende“ ihren Beitrag leisten können. Dass dieses ein durchaus konfliktträchtiges Unterfangen ist, liegt auf der Hand, und es ist kein Wunder, dass es mittlerweile eine ganze Reihe von Experten in Deutschland gibt, die auf die Auflösung der damit verbundenen Spannungen spezialisiert ist. Einige dieser Experten haben sich unter Führung des Leipziger Rechtsanwalts Prof. Dr. Martin Maslaton zusammengefunden, um das Teilrechtsgebiet aufzuarbeiten. Der Herausgeber geht in seiner eher als Vorwort zu verstehenden Einführung nur kurz auf die Entwicklung der Klimapolitik seit dem Brundtland-Report von 1987 ein, bevor im ersten Kapitel sogleich die „Auswahl geeigneter Windenergieanlagen-Standorte aus planungsrechtlicher Sicht“ erörtert wird.

Eine Stufe konkreter wird es im zweiten Kapitel, wo „Verwaltungsverfahren und Genehmigungserfordernisse für Anlagenerrichtung und -betrieb“ beleuchtet werden. Mit dem dritten Kapitel erfolgt gewissermaßen ein Schwenk zur Seite, indem die privatrechtlichen Grundlagen HERAUSGEBER Dr. Frank Hüpers unter Mitwirkung von Dr. Sabine Hepperle, Abteilungsleiterin Mittelstandspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Dr. Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Rennert, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Ministerialdirigent a. D. Ulrich Schönleiter, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Handwerkskammertages, Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages REDAKTION Dr. Beate Maiwald, GEWERBEARCHIV Max-Joseph-Straße 4, 80333 München Telefon (089) 59 43 30, Telefax (089) 5 50 1177 E-Mail:hri@lfi-muenchen.de VERLAG GILDEBUCHVERLAG GmbH Klein Flottbeker Weg 77 · 22605 Hamburg Telefon 0 51 81/8004-52, Telefax 51 81/80 04-90 E-Mail: info@gildebuchverlag.de Erfassung/Schlussredaktion: Bernd O. Dort

376

der Nutzung von Windenergie dargelegt werden, also namentlich das Grundstücksrecht, aber auch Kaufrecht und Werkvertragsrecht jeweils mit Bezügen etwa zum AGB-Recht und zum Verbraucherrecht.

Das vierte Kapitel ist der Förderung von Windenergieanlagen, also dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) gewidmet. Werden OffshoreWindenergieanlagen eigentlich nur im Rahmen dieses Kapitels ausdrücklich erwähnt (Rn. 340), so erfährt eine besondere Kategorie „Kleinwindenergieanlagen“ in Kapitel 5 eine eigene Behandlung, die zunächst mit einer Darstellung von insgesamt drei unterschiedlichen gebräuchlichen Definitionen beginnt.

Noch knapper fällt das letzte Kapitel „Steuerliche Aspekte des Betriebs von Windenergieanlagen“ aus – obwohl der Autor gleich zu Beginn feststellt, die Besteuerung der Errichtung und des Betriebs von Windenergieanlagen seien „ein weites Feld“.

Nimmt man alles zusammen, so haben die Autoren mit dem neuen Rechtshandbuch ein solides Hilfsmittel zur Erschließung einer interessanten Quelle von Energie und Einnahmen für Wirtschaft und Gesellschaft vorgelegt. Es dürfte allerdings namentlich für diejenigen (Kollegen) interessant sein, die sich bereits zur Betreuung von WindenergieProjekten entschlossen haben. Wer sich erst noch einen weiteren Überblick verschaffen will, dürfte mit anderen Darstellungen besser bedient sein. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines relativ hohen Preises für das gebundene Werk.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Wiemers, Berlin

GEWERBE ARCHIV

Zeitschrift für Wirtschaftsverwaltungsrecht

Bestellungen werden vom Verlag und allen Buchhandlungen entgegengenommen. Abonnementskündigungen müssen drei Monate vor Ende des Bezugszeitraumes dem Verlag schriftlich vorliegen. Bei Nichterscheinen infolge höherer Gewalt, Materialverknappung, Streik o.ä. besteht kein Anspruch auf Nachlieferung bzw. Schadenersatz.

Erfüllungsort 22605 Hamburg

WIRTSCHAFT UND VERWALTUNG

SATZ: Gildebuchverlag GmbH, 31061 Alfeld E-Mail für Manuskripte und Entscheidungen: info@gewerbearchiv.de

VERTRIEBS- UND ANZEIGENLEITUNG Brunhilde Schellhammer

DRUCK: Leinebergland-Druck GmbH & Co. KG, 31061 Alfeld

Postfach1351 • 31043 Alfeld Föhrster Straße 8 • 31061 Alfeld Telefon (0 51 81) 80 04-52 Telefax (0 51 81) 80 04-90 E-Mail: info@gewerbearchiv.de Homepage: www.gewerbearchiv.de Gültige Anzeigen-Preisliste vom 1.1. 2015 ISSN-Nr. 0016-9404

Sämtliche mit Verfasserangabe versehenen Beiträge stellen nur die Meinungsäußerung des Verfassers, nicht die des Herausgebers bzw. der Schriftleitung dar.

Manuskripte, Anregungen und Anfragen werden an die Redaktion GEWERBEARCHIV, Max-Joseph-Straße 4, 80333 München, erbeten.

Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Die Annahme zur Veröffentlichung muss schriftlich erfolgen. Mit der Annahme zur Veröffentlichung überträgt der Autor dem Verlag das ausschließliche Verlagsrecht für die Zeit bis zum Ablauf des Urheberrechts. Eingeschlossen sind insbesondere auch das Recht zur Herstellung elektronischer Versionen und zu Einspeicherung in Datenbanken sowie das Recht zu deren Vervielfältigung und Verbreitung online oder offline.

Alle in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und Ihre Leitsätze, denn diese sind geschützt, soweit sie vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert worden sind. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert oder übertragen werden.

mit Themenheft

BEZUGSBEDINGUNGEN Die Zeitschrift GEWERBEARCHIV erscheint monatlich inkl. dem Themenheft „Wirtschaft und Verwaltung“. Das Themenheft ist nur in Verbindung mit einem Abonnement GEWERBEARCHIV zu beziehen und ist im Bezugspreis enthalten.

Bezugspreise GEWERBEARCHIV: Einzelheft 36,– EUR (inkl.

7,87 EUR Versandkosten und 2,36 EUR MwSt). Abonnement: halbjährlich 127,00 EUR (inkl. 14,87 EUR Versandkosten und 8,31 EUR MwSt); jährlich 239,– EUR (inkl. 33,67 EUR Versandkosten und 15,64 EUR Mehrwertsteuer). Ausland jährlich: 253,– EUR (inkl. 53,– EUR Versandkosten).

GewArch 2015/9