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Bling-Bling mal anders

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Frisch & fruchtig

Frisch & fruchtig

1912 erbaut, steht das Le Grand Bellevue wie ein Wahrzeichen gleich zu Beginn der berühmten Gstaader Promenade, eingebettet in einen kleinen Park. Im auf den ersten Blick klassischen Hotel sind Rock’n’Roll als auch Black Tie gleichermassen willkommen. Das altehrwürdige Haus hat sich im Lauf seiner Geschichte immer wieder neu erfunden: Historische Formalitäten sind verschwunden und haben modernem Lifestyle Platz gemacht.

Olivier, Guest Relation Ambassador Le Grand Bellevue

Ankommen und Abtauchen

Mit der letzten Kilometerreserve unseres Elektroautos rauschen wir auf leisen Sohlen ohne Getöse vor den Hoteleingang. Wir werden bereits erwartet und sofort herzlich in Empfang genommen von Guest Relation Ambassador Olivier. Der gebürtige Pariser, im langen Frack und in On-Turnschuhen, ist der gute Geist des Hauses. Als Erstes wird eine kleine Tasse trinkwarme Schokolade serviert, schliesslich sind wir ja in der Region des Chocolatiers Maison Cailler. «An hitzigen Sommertagen heissen wir unsere Gäste mit einem selbstgemachten Tee aus Kräutern, die hinter unserem Haus wachsen, willkommen», schmunzelt Olivier, der mich, an der Schokolade nippend, beobachtet. Er schwärmt auch sogleich von den vielen Ausflugsmöglichkeiten rund um Gstaad, empfiehlt sich sogleich als Organisator und Auskunftsperson. Die wunderbare Natur, die Bergwelt, das atemberaubend schöne Nachbardorf Rougemont mit seinen traditionellen Bauernhäusern und natürlich die Rodelbahn auf dem Glacier 3000, welche die höchste der Welt ist, seien wärmstens empfohlen. Wer es lieber ein bisschen wilder mag, soll Riverrafting oder Gleitschirmfliegen betreiben – oder auch shoppen, lacht Olivier, der zehn Sprachen spricht und bald zwei Jahrzehnte im Dienste des Hotels steht. Er kennt auch alle Promis, welche schon hier logiert haben. Seine Lippen sind jedoch versiegelt. In Gstaad wird nicht getuschelt!

Erfrischend anders

Liest man sich etwas in die Geschichte des Hotels ein, wird klar: Es hat sich von einem stoischen und klassischen Grand Hotel zu einem grossen, luxuriösen, aber dennoch lässigen und dynamischen Hotel entwickelt. 2012 wurde das Haus vom Medizinaltechnik-Unternehmen Straumann an die im Saanenland verwurzelte Familie Koetser verkauft. Daniel Koetsers Gattin Davia, eine Innenarchitektin, verwandelte daraufhin die alte Hoteldame in ein

Traumhaus von unverwechselbarem Charakter. Ein gelungenes Zusammenspiel aus alpiner Eleganz und ausgeprägter Landhausatmosphäre. Weisse Wände sucht man in diesem Haus wohl vergeblich, höchstens in den Zimmern. Blautöne, Zartrosa und wildgemusterte Wände entführen in eine Welt, die man so von aussen nicht erwarten würde. Ein bisschen crazy, aber genau richtig, denn das Ambiente fühlt sich stimmig und fröhlich an. Von den hängenden Sesseln in Form von Vogelkäfigen bis hin zum riesengrossen StoffDromedar – was für ein Eyecatcher! Wer am Wüstenschiff entlang geht, kommt denn auch rasch zur Tränke. In «The Bar» nippen die Gäste an aussergewöhnlichen, selbstkreierten Drinks und sitzen auf einem 17.5 Meter langen Chesterfield-Sofa. Wer möchte, kann hier auch unkompliziert essen. Guest Relation Ambassador Olivier empfiehlt: «den prämierten Burger, das Clubsandwich oder ein feines Häppchen aus der hauseigenen SushiBar, perfekt zubereitet von Sushi-Meister Takehiko Yoshikawa!» Die japanischen Köstlichkeiten werden übrigens überallhin serviert. Zum Beispiel auch zum Whirlpool für den kleinen Hunger während der Spa-Behandlung oder auch als Take-away. Die ganz grossen Gaumenfreuden erleben Hotel- wie auch externe Gäste im Restaurant «Leonard’s». Am Herd steht der 16-Gault-Millau-Punkte-Koch Francesco De Bartolomeis. Er verwöhnt entweder mit einem «Signature Menu» mit sechs raffinierten Gängen, italienischen Köstlichkeiten und natürlich mit traditionellen Lieblingen wie Moules, Rindsfilet sowie allerlei Pastakreationen. Der Italiener, der vieles von seiner Nonna mit auf den Weg bekommen hat, backt auch das Brot selbst. Serviert in einem Korb kann man sich seinen Liebling aussuchen. Aussen knusprig, innen weich, lang und dünn, ein himmlischer Genuss! Man muss aufpassen, nicht plötzlich von Brot und

Butter gesättigt zu sein, noch bevor überhaupt der erste Gang serviert wird – ein schwieriges Unterfangen!

Spa-Träume

Im Souterrain des Le Grand Bellevue verbirgt sich ein 3000 Quadratmeter grosses, alpines Wellnesszentrum. Auch hier sorgt das sanfte Farbkonzept der Chefin wieder für einen WowEffekt. Blasse Rosé-Töne und Terrakottafarben wechseln sich ab, beim Entree laden fünf hängende Rattan-Egg-Sessel zum Verweilen ein. Acht verschiedene Saunen und Dampfbäder, ein Yoga- und Pilates-Studio, ein Hallenbad und ein Entspannungspool unter freiem Himmel gehören zur Infrastruktur. Auf medizinische oder therapeutische Einrichtungen wurde bewusst verzichtet. Das Le Grand Spa ist mit seinen aussergewöhnlichen Saunen und Thermaloasen ausschliesslich darauf ausgerichtet, die Gäste ohne klinische Elemente zu verwöhnen. Die Therapeutinnen und Therapeuten können auf eine beträchtliche HighTech-Ausrüstung zurückgreifen. Aber schliesslich sind es ja die feinen Hände, welche den Unterschied machen. Von Shiatsu über Reflexologie bis hin zur Lomi-Lomi-Nui-Massage sind alle gefragten Techniken buchbar. Oder wie wäre es etwa mit einem Alpensalz-Peeling oder einem Ziegenmilch- und Honigbad?

Gerade zum Sommer hin bringen Behandlungen, welche die Zellerneuerung unterstützen und eine geschmeidige und strahlende Haut zum Vorschein bringen, wunderbares Wohlbefinden.

Blumige Opulenz

Als eines der wenigen Fünf-Sterne-Hotels beschäftigt das Le Grand Bellevue einen eigenen Floristen. Paolo hat ein geniales Händchen. Ob in der Lobby, in den Gängen, in der Bar oder auf jedem Tisch – ein Bouquet gehört mit dazu. Die Arrangements sind nicht zu übersehen. Wie Kunstobjekte ziehen sie die Blicke auf sich. Sie sind so faszinierend, dass mich Guest Relation Ambassador Olivier schon wieder ertappt. «Die Blumensträusse kann man auf Anfrage auch mit nach Hause nehmen oder sich einen nach Wahl von Paolo binden lassen», erzählt er. Es gäbe sogar Gäste, die nicht nach Hause fahren, ohne ein solches Bouquet im Kofferraum, bemerkt er mit funkelnden Augen.

Besonderes Gstaad

Was macht eigentlich den Ort im Berner Oberland so besonders? Sicherlich die wunderbare Natur, der intakte Chalet-Baustil und natürlich der internationale Jetset. Vor 60 Jahren brachte Elizabeth Taylor mit ihrer Person eine grosse Portion Glamour nach Gstaad, und Julie Andrews nannte es «the last paradise in a crazy world». Die Geschichte von Gstaad als Hort der Superreichen beginnt jedoch schon viel früher, nämlich Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Bahnanschluss an Montreux und Zweisimmen. Bald entstanden die Hotels Park und Alpina, das schlossartige Palace und das herrschaftliche Le Grand Bellevue – das bis heute bestehende Quartett an Fünfsternehäusern. So richtig aber fing die Geschichte 1916 an, während um das Land herum der Erste Weltkrieg tobte. Man sagt, dass die teuerste Privatschule der Welt, Le Rosey mit Sitz in Rolle am Genfersee, jedes Jahr von Januar bis März ihre Zöglinge ins Wintercamp nach Gstaad gezügelt hätte. Die Eltern der Schüler reisten an, um ihre Lieben zu besuchen. Sie buchten Hotelzimmer, speisten in Restaurants, mieteten und kauften bald Chalets, so erzählt man sich.

Gelebte Gastfreundschaft

Im Le Grand Bellevue ist der internationale Spirit zu spüren. Die Hauptsprache im Hotel ist demnach auch Englisch. Zum Glück sind aber auch einige Berndeutsch sprechende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus, was ich sehr sympathisch finde. Guest Relation Ambassador Olivier jedenfalls ist inzwischen dabei, seine elfte Sprache zu lernen. Diesmal: Rumänisch! Auf den Nachhauseweg nehme ich zwar keinen Blumenstrauss mit, dafür eine Menge Inspiration. Ob ich vielleicht unseren weissen Wänden zu Hause auch mal so einen Rosé-Anstrich geben soll? Oder lieber Grün oder Blau? ●

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