Ernst Heise

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besetzte mich in dem Kinder-Musical „Aljoscha und das Zirkuspferd“, in dem ich einen Auftritt mit Gesang und ganzem Orchester hatte. Als ich das Textbuch las, war ich vernichtet. Ich muß dazu sagen, daß ich seit meiner Kindheit ein gestörtes Verhältnis zur Musik hatte. Als Kleinkind sang ich gern und laut, bis meine Eltern es mir untersagten, weil sich die Nachbarn beschwert hatten. Als Sechsjährige in der Schule durfte ich bei einer Schulaufführung das Blümchen nicht singen, mit dem ich besetzt war, weil ich nach Ansicht des Lehrers zu falsch sang. Für ein kleines Mädchen, das danach lechzte, Theater zu spielen, ein Trauma. Ich wurde vorsichtig und hielt künftig den Mund. Gott sei Dank war Singen damals in der Schauspielschule kein Pflichtfach. Es gab ja noch keine Musicals, und ich machte mein Manko anderweitig wett. Und nun? Da war guter Rat teuer. Einen Musical-Auftritt kann man nicht streichen. Die Rolle war wunderbar: Eine energische, kinderliebe Tante, genau das Richtige für mich. Das meinte auch der Regisseur und wollte von einer Umbesetzung, um die ich ihn anflehte, nichts wissen. Der Sänger Ernst Heise wurde zu Hilfe gerufen, um mich umzustimmen. Er reagierte wie alle: „Wir kriegen das schon hin.“ Verzweifeltes Üben, Staunen, Kopfschütteln – wie gehabt. Nun versuchte er, einzelne Töne mit mir zu üben. Mal traf ich den Ton, mal nicht. Es war immer nur Zufall. Dann kam er auf die Idee, ich solle ihm Töne nachsprechen. Und siehe da, alles war anders, sprechend traf ich die kleinste Tonfärbung. Ein sicheres Gefühl für Rhythmik hatte ich auch. „Du bist ein Phänomen, Hanne“, sagte er zu mir. „Es gibt jetzt nur eines – du mußt dein Auftrittslied rhythmisch sprechen, das geht auch mit Orchester.“ So entschied mein lieber Kollege Ernst Heise, und der Regisseur war’s auch zufrieden. Also trat ich zur Premiere vor das Publikum und sprach mit das Orchester übertönender, kräftiger Stimme in schnellem Rhythmus mein: „Ich bin die Tante Natascha – ich passe auf Aljoscha auf – der Junge ist nicht dumm . . .“ usw. Das Ende vom Lied: Ich hatte eine gute Kritik. Ich war die Einzige, die mit ihrer Stimme über das Orchester gekommen war. Die anderen sangen zwar richtig, waren aber leider nicht zu hören. Ich habe die Rolle dann noch sehr gern gespielt. Ja, man muß nur einfallsreiche Kollegen haben. Achim Fröhlich Ernst Heise als Sänger von Seemannsliedern Als in den 50er Jahren beim Deutschlandsender das Hafenkonzert „vom Stapel lief“, gehörte Ernst Heise zu den ersten Künstlern, die dabei waren und dieser bald sehr beliebten Sendung Profil gaben. Mit seiner markanten männlichen Stimme war er geradezu prädestiniert für klangvolle Seemannslieder. 80

erinnerungen


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