g a n z
persönlich
Loslassen lernen Schon vor dem Frühstück setze ich mich im Morgenmantel an meinen Schreibtisch zu Hause. Es ist höchste Zeit für mein Editorial. Ich starre aus dem Fenster und bitte Gott: „Gib mir ein Wort, eine Idee!“ Nichts. Gar nichts kommt mir in den Sinn. Nach einer Weile komme ich mir ein bisschen komisch vor. Deshalb ziehe ich meine Turnschuhe an und gehe hinaus in den Wald, der gleich hinter unserem Haus liegt. Beim Spazierengehen fällt mir ein, dass wir gerade eine Leserumfrage mit tausend Umfragebögen durchgeführt haben. Eine der Fragen lautete: „Welche Themen würden Sie gern in LYDIA behandelt sehen?“ Die häufigsten Antworten lauteten: ‚Loslassen‘ und ‚Tod‘. Loslassen – bei diesem Wort tauchen Bilder aus meiner Kindheit in mir auf. Ich frage mich, was meine Mutter an jenem Weihnachtstag empfand, als ich 16 Jahre alt war und einen Blinddarmbruch hatte. Die Ärzte wussten nicht, ob ich überleben würde. Die Chancen standen nicht gut. Auf die Entzündung folgten Komplikationen. Meine Mutter hatte das Gefühl, uns blieb nicht mehr viel Zeit, und so rief sie einen Geistlichen und bat ihn, mir zum letzten Mal das Abendmahl zu geben. Als er mich segnete, war ich mir sicher: Jetzt komme ich in den Himmel! Dann hörte ich, wie meine Mutter unter Tränen betete: „Gott, ich gebe sie dir zurück. Ich lege sie in deine Hand.“ Der nächste Morgen hielt für uns alle eine Überraschung bereit: Ich saß aufrecht in meinem Bett und sagte: „Ich habe Hunger!“ Wie oft liegen die glücklichsten und die traurigsten Momente dicht nebeneinander, wie zwei Eisenbahnschienen an einem Gleis! Das ist auch zu Weihnachten der Fall. Für uns Menschen mag es das fröhlichste Fest sein, denn wir feiern das größte Geschenk, das Gott uns gegeben hat. Doch was fühlte wohl unser Vater im Himmel, als er seinen Sohn Jesus in unsere kalte, hartherzige Welt schickte? Sicher fiel es auch ihm nicht leicht loszulassen, obwohl alles vor Anbeginn der Welt geplant war.
Haben Sie sich jemals gefragt, warum Gott solch ein unbekanntes Dorf wie Bethlehem für die Geburt seines Sohnes aussuchte? Verpassen Sie nicht den Artikel „Warum Bethlehem?“ (S. 20–23). Für uns ist es eine Überraschung, dass Gott diesen Ort wählte, doch für ihn nicht. Bereits vor der Erschaffung der Welt war es Teil seines erstaunlichen Plans. Auf Seite 58–61 lesen Sie vom „Countdown des Lebens“. Maralyn war eine meiner langjährigen Freundinnen. Bewegt verfolgte ich ihr InternetTagebuch, in dem sie ihre Leser daran teilhaben ließ, wie sie sich auf den Himmel vorbereitete. Ihr Glaube war stark, als sie starb. Sie liebte das Leben, aber sie sehnte sich auch nach ihrem himmlischen Zuhause. Was für eine wunderbare Aussicht! Das Leben ist mehr als nur ein paar flüchtige Jahre, und wenn wir unsere heutigen Probleme aus der Perspektive der Ewigkeit betrachten, wirken sie kleiner und kleiner. Was ist das Wort für uns heute? Wir können Gott alles anvertrauen, was unser Herz schwer macht, und es in seine Hände legen. Denn wenn wir etwas loslassen, heißt das nicht, dass es verloren ist. Bei ihm ist es gut aufgehoben. Wie gut, dass er entscheidet, was er uns zurückgibt und was er in der Ewigkeit für uns aufbewahrt. Werfen Sie einen kurzen Blick zurück. Sehen Sie, wie weit Sie im Leben schon gekommen sind? Sie sind durch viele unterschiedliche Lebensphasen gegangen. Jetzt bittet Gott Sie, ihm erneut zu vertrauen. An seiner Hand können wir loslassen. Er bringt uns ans Ziel. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Und ich möchte mich von Herzen bedanken, dass Sie sich die Zeit nehmen, LYDIA zu lesen, und die Zeitschrift auch weiterverschenken. Mit herzlichen Grüßen,
Elisabeth Mittelstädt
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