Juttas Erbe Nicht bei jeder Bekanntschaft springt sofort der sogenannte Funke über, aber als ich Jutta auf einer Gartenparty kennenlernte, waren wir uns sofort sympathisch. Sie war in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche Frau und hatte einen außergewöhnlichen Charme. Schon allein durch ihr Äußeres zog sie die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Sie war klein von Gestalt, hatte eine aufrechte Körperhaltung und einen lockeren, beschwingten Gang. Ihr leuchtend rotes Haar und das strahlende Lächeln ihres Mundes wirkten schon von Weitem anziehend auf jeden, der ihr begegnete. Auch durch ihren etwas anderen Kleidungsstil fiel sie auf. Ich erinnere mich noch an ihre bunte Pelzjacke, in der sie mit ihrem roten Haar wie eine Fabelfigur aus einem C.-S.-Lewis-Roman wirkte. Man war gerne in ihrer Gesellschaft, und wohin sie auch kam – sie verbreitete Freude und das Gefühl von Annahme. Jutta unterrichtete an der nahen Volkshochschule Deutsch für türkische Frauen. Oft erzählte sie uns von diesen Türkinnen, die sie in ihr Herz geschlossen hatte. Häufig wurde sie von diesen Frauen eingeladen und sie besuchte sie gerne. Hin und wieder berichtete sie von solch einer Einladung: „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was diese Frauen mir alles aufgetischt haben“, erzählte sie einmal in einer Frauenrunde mit weit aufgerissenen Augen. „Das konnte
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