Prolog Catherine stand in der Küche und sah ihre Tochter am offenen Fenster vorübergehen. Obwohl sie das feingeschnittene, von dunklen Haaren umrahmte Gesicht nur kurz gesehen hatte, wusste sie, wohin Anne ging. Eigentlich wollte sie sie bitten, ihr bei der Vorbereitung des Essens zu helfen, doch sie hielt sich zurück. Ihr Mutterinstinkt sagte ihr, dass ihre Tochter allein sein wollte und sie diese Zeit brauchte. Ihre Tochter. Catherine trat näher ans Fenster und sah, wie die schlanke Gestalt die Dorfgasse hinunterging. Anne war auf dem Weg in Richtung Küste, zur hohen Klippe, die einen weiten Ausblick bot, jenseits des Städtchens, wo die glitzernde blaue Fläche der FundyBucht in die Cobequid-Bucht überging. Schon als kleines Kind war Anne gerne mit ihrem Großvater dorthin gegangen und sie hatte einen alten Baumstumpf als ihren Lieblingsplatz auserkoren. Catherine hatte die beiden manchmal begleitet und wusste, dass Anne nun dort mit ihren Gedanken allein sein wollte. Worüber mag sie heute wohl nachdenken?, überlegte Catherine, als Anne ihrem Blick entschwand. Mit ihren achtzehn Jahren war sie kein Kind mehr. Sie hatte eine stille Fröhlichkeit, doch es gab Augenblicke, in denen die Nachdenklichkeit sie wie ein Schleier umgab und ihre Züge so ernst und unergründlich wurden wie die einer leidgeprüften Frau. Dann wollte Anne allein sein. Wieder einmal fragte sich Catherine, ob es richtig gewesen war, dass Andrew und sie Anne so früh über ihre Herkunft aufgeklärt hatten, ihr gesagt hatten, dass sie in einer französischen Familie geboren, dann aber gegen Catherines eigenes Kind ausgetauscht worden war, damit sie zu einem englischen Arzt gebracht werden konnte, der sie von einer lebensgefährlichen Krankheit heilen sollte. Dass der Kontakt zu ihren leiblichen Eltern dann durch die überraschende Vertreibung der Franzosen unmöglich gemacht worden war. War es richtig gewesen, einen so jungen Menschen mit einer solchen Wahrheit zu konfrontieren? Andrew und sie waren nach langem Überlegen zu dem Schluss gekommen, dass sie Anne diese Dinge 5