Konsequenzen des Klimawandels für Korallenriffe – mögliche Lösungsansätze

Page 1

1


abgetaucht

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenriffe – mögliche Lösungsansätze

xy

Christian Wild, Carin Jantzen, Wolfgang Niggl, Andreas Haas, Florian Mayer, Malik Naumann

Abb.1: Satellitenaufnahme des Plattformriffökosystems Heron Island im Südlichen Australischen Great Barrier Reef

Wir alle kennen die vielfältige Schönheit von Korallenriffen, aber wissen wir auch um ihre unmittelbare Gefährdung? Bekannte Wegbereiter der modernen Korallenriffforschung haben noch 1979 geschrieben: »Die Fähigkeit des Menschen das Angesicht der Erde zu verändern, hat in der belebten Welt nur einen Konkurrenten, winzige Korallenpolypen, die über Äonen geologischer Zeitrechnung massive Riffe aus Kalkstein gebildet haben.« Heutzutage sieht es nun leider so aus, als wären wir dabei die Korallen auszustechen, weil wir sie selbst oder ihren Lebensraum zerstören, sei es nun direkt oder mehr noch indirekt durch den globalen Klimawandel. Und dabei gehören Korallenriffe gemeinsam mit den tropischen Regenwäldern zu den Lebensräumen mit den meisten unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten auf unserem Planeten. Sie sind die Kinderstube vieler Lebewesen und bieten einem Viertel aller Fischarten weltweit Unterschlupf. Aber auch wir Menschen nutzen Korallenriffe in ganz vielfältiger Weise. Besonders in tropischen Entwicklungsländern lebt ein Großteil der Küstenbevölkerung in direkter Abhängigkeit von Korallenriffen. Neben ihrer oft lebensnotwendigen Funktion als Nahrungsquelle, wirken Riffe als Küstenschutz und sind Magnete für zahlungskräftige Touristen. In den letzten Jahrzehnten haben Korallenriffe zudem eine große Bedeutung als Quelle von neuen Rohextrakten für die Pharmaindustrie erlangt, was an der enormen Vielfalt von hier lebenden Organismen liegt. Sie haben also neben der enormen ökologischen Bedeutung auch eine wichtige ökonomische Bedeutung für die Anrainerstaaten.

1


abgetaucht

xy

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

Korallenriffe stellen Frühwarnsysteme für den Klimawandel dar. Eine Beeinträchtigung dieser sehr sensitiven Ökosysteme kann auf negative Umwelteinflüsse hinweisen, noch bevor diese an anderen, stabileren Ökosystemen sichtbar werden. Das liegt daran, dass tropische Korallenriffe gleich von beiden Hauptkonsequenzen der globalen Klimaveränderung für die Ozeane, der Ansäuerung und der Erwärmung, stark betroffen sind. Die Meeresansäuerung beeinträchtigt die Kalkfällung, mit der Korallen ihr Skelett aufbauen, während die Meereserwärmung dazu führt, dass der engumgrenzte Temperaturbereich, in dem Korallen leben können, immer öfter überschritten wird. Daher hat der beginnende Klimawandel aller Voraussicht nach insbesondere für Korallenriffe negative Konsequenzen. Der Weltklimarat IPCC entwickelt in seinem aktuellen Sachstandsbericht verschiedene denkbare Szenarien, unter anderem auch die Häufung der durch Temperatur ausgelösten Korallenbleiche. Eine Vielzahl von Beobachtungen weltweit belegen, dass der Klimawandel, in Verbindung mit weiteren Faktoren, schon heute angefangen hat Korallenriffe stark zu verändern und zu einer dramatischen Abnahme der Bedeckung durch riffbildende Steinkorallen geführt hat. Im Folgenden wollen wir diese Aspekte näher beleuchten, aber auch eine Übersicht der möglichen Lösungsansätze geben, denn eine Zerstörung der Korallenriffe würde nicht nur einen Verlust an kommerziellen und lebenswichtigen Ressourcen für uns Menschen bedeuten, auch unsere Welt würde ärmer an Schönheit und Vielfalt werden.

Die Ansäuerung der Meere – eine ernsthafte Bedrohung für die Korallenriffe der Zukunft Skelettbau der Steinkorallen Der Aufbau des kalkigen Skeletts, die Kalzifizierung, der Steinkorallen ist ein komplizierter und sensibler Prozess, der langsam aber kontinuierlich zu den größten baulichen Strukturen auf unserem Planeten geführt hat. Für die Kalzifizierung sind nicht nur die inneren Vorgänge im Gewebe der Koralle von Bedeutung, sondern auch die Chemie des umgebenden Meerwassers. Besonders wichtig sind der CO 2-Gehalt des Meerwassers und der daraus resultierende Säuregrad (pH-Wert), sowie das Aragonit-Lösungsgleichgewicht. Die Kalzifizierung der Korallen erfolgt zwischen dem eigentlichen Polypen und dem Skelett durch spezialisierte Zellen, die eine Matrix ausbilden, an der sich Kalziumkarbonat (CaCO 3), also Kalk, in Form von Aragonitkristallen bilden kann. An diesen Stätten der Kalzifizierung herrscht ein Kalziumüberschuss, der die Kalkfällung erleichtert. Dabei sorgt enzymatische Aktivität für einen ausreichenden Transport von Kalziumionen in und Wasserstoffionen aus der Koralle.

1

Abb.2: Die Geweihkoralle Acropora sp. aus dem Indopazifik


abgetaucht

Christian Wild et al.

Gelöster Kohlenstoff im Meerwasser kommt in drei verschiedenen Formen vor (gelöstes CO2, Bikarbonat und Karbonationen), die ein sogenanntes Puffersystem bilden. Dieses Gleichgewicht wird durch die Temperatur, den Salzgehalt, den herrschenden Druck (welcher mit zunehmender Wassertiefe ansteigt) und insbesondere den pH-Wert bestimmt. Auch eine Veränderung der Menge der einzelnen Kohlenstoffformen wirkt sich aus. Daher hat auch ein zunehmender CO 2-Gehalt der Atmosphäre, der durch Diffusion (Konzentrationsausgleich) dann wiederum ins Meerwasser gelangt, Auswirkungen auf dieses Gleichgewichtssystem. Mehr CO 2 bewirkt einen niedrigeren pH-Wert und eine abnehmende Konzentration von Karbonationen, da sich das Gleichgewicht verschiebt, was zu einem abnehmenden Sättigungswert für Aragonit führt. Bei einer Aragonitsättigung von 100 % befindet sich Aragonit im Gleichgewicht zwischen gelöster und fester Form. Je niedriger dieser Wert ist, desto schwieriger wird es für die kalzifizierenden Organismen Aragonit zu bilden, also Kalkstrukturen aufzubauen. Fällt der Sättigungswert unter ein bestimmtes Niveau, wird nicht nur neue Kalzifizierung unmöglich, sondern bereits gebildeter Kalk geht in Lösung, d.h. es kommt zu einem Abbau der Kalkstrukturen, was sich verheerend auf die Korallenriffe auswirken könnte. Abb.3:

Kohlenstoffchemie im Meer

Schema der Kohlenstoffchemie im Meer

xy

gelöster anorganischer Kohlenstoff existiert als gelöstes Kohlendioxid (CO 2 und H2CO2), Bikarbonat (H2CO 3) und Karbonationen (CO2-3), die miteinander im Gleichgewicht, dem Karbonatpuffersystem, stehen,:

CO2 + H2O < = > H2CO3 < = > HCO -3 + H+ < = > CO2-3 + 2H+ Anteil an gesamt:

1%

90%

10%

Kalzifizierung:

Ca 2+ + 2HCO -3 = CaCO3 + CO2 + H2O

Photosynthese:

CO2 + H2O = CH2O + O2

in den Ozeanen der Zukunft: mehr H+ niedriger pH, weniger Karbonationen (CO 2-3) und eine niedrigere Aragonitsättigung

Kalzifizierung im Klimawandel Bei Ökosystemen spricht man von einem sogenannten Umkipppunkt (Englisch: »tipping point«), ab dem die Umweltbedingungen sich so verändert haben, dass ein System kollabiert. Dieser Wert könnte für den Kohlendioxidgehalt in naher Zukunft ein-

1


abgetaucht

xy

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

treten; verschiedene Modelle sagen eine entsprechend niedrige Aragonitsättigung in 100 bis 200 Jahren voraus, ab der Kalzifizierung unmöglich oder zumindest sehr schwierig wird. Ein zunehmender CO 2-Gehalt resultiert aber zunächst einmal in einer Abnahme der Kalzifizierung durch marine Organismen und somit ihrer Wachstumsraten. Dabei reagieren verschiedene Organismen unterschiedlich sensibel, sogar innerhalb der Korallen ist die Reaktion variabel. Bei einer Erhöhung der Wassertemperatur um 3 °C und des CO2-Gehalts im Meerwasser um ca. 40 %, reduziert sich die Kalzifizierungsrate von Korallen um 50 %. Dies ist das Ergebnis einer von zahlreichen Studien, welche eine Abnahme der Kalzifizierungsraten mit zunehmendem CO2-Gehalt beweist. Eine kürzlich veröffentliche Untersuchung zeigt, dass, zumindest bei der untersuchten Art, ein hoher Kohlendioxidgehalt ertragen wird, wobei die Korallen kein Kalkskelett mehr ausbilden, sondern eine Art blasiges Hydroskelett. Nach einer Abnahme des Kohlendioxidgehalts auf normales Niveau wurde wieder kalzifiziert. Dies zeichnet einen möglichen Überlebensweg für einzelne Korallenarten, was jedoch nichts an der Auflösung der Riffe selbst ändern würde. Aber nicht nur Korallen, auch pflanzliches Plankton mit Kalkskeletten, wie Kalkflagellaten (Coccolithophoriden) und krustenbildende Kalk-Rotalgen, (die den »Zement« der Korallenriffe bilden und wichtige Ansiedlungsfläche für Korallenlarven sind), werden betroffen sein. Dies wird dann wiederum Einfluss auf das Nahrungsangebot für viele Rifforganismen und die Stabilität der Riffe haben. Zusätzlich sind Korallenriffe auch einer zunehmenden Überdüngung (Eutrophierung), also dem Eintrag zusätzlicher Nährstoffe wie Nitrat und Phosphat ausgesetzt (durch Landwirtschaft, Aquakulturen und Abwässer). Eine solche Düngung kann sich zunächst positiv auf die Photosynthese der symbiotischen Algen in der Koralle (den Zooxanthellen) auswirken, aber gleichzeitig zu einer Reduzierung der Kalzifizierung führen. Dieser Effekt könnte die Auswirkungen eines zunehmenden CO 2-Gehaltes im Wasser auf kalzifizierende Organismen noch verstärken. Abb.4: Krustenbildende Kalk-rotalge mit Garnelen aus dem Indopazifik.

1


abgetaucht

Christian Wild et al.

Fossile Riffe und Kaltwasserkorallen Oft wird angemerkt, dass auch in früheren Erdzeitaltern der CO 2-Gehalt in der Atmosphäre höher war als heute. So betrug er im Devon z.B. das 20-30fache des heutigen Wertes und dennoch gab es ausgedehnte Korallenriffe, die allerdings von urtümlichen, inzwischen ausgestorbenen Korallen (Rugosa und Tabulata) aufgebaut wurden. Ein Erklärungsansatz für dieses Paradoxon liegt in der jeweiligen Karbonatmineralogie begründet. Devon-Korallen bauten ihr Skelett hauptsächlich aus Kalzit (einer anderen Kristallform des Kalziumkarbonats) und nicht aus Aragonit wie bei den heutigen Korallen. Kalzit ist bei verringerten pH-Werten im marinen Milieu stabiler als Aragonit und hat so eine massive Kalzifizierung der urtümlichen Korallen ermöglicht. Besonders gefährdet von der CO 2-Zunahme sind Kaltwasserkorallen, welche keine Zooxanthellen haben und in tieferen Gewässern (200-2000 m) zu finden sind. Ihre Wachstumsraten sind durch die kälteren Temperaturen und den fehlenden Beitrag der Photosynthese begrenzt, und sie haben daher meist geringere Kalzifizierungsraten als ihre Verwandten im Warmwasser. Da höherer Druck (nimmt mit der Tiefe zu) und niedrigere Temperatur (nimmt mit der Tiefe ab) die Löslichkeit von CO2 erhöhen, sind Kaltwasserkorallen einer niedrigeren Aragonitsättigung ausgesetzt und werden daher die ersten sein, welche von steigenden Kohlendioxidkonzentrationen betroffen sind. Daher wird befürchtet, dass diese erst kürzlich entdeckten Ökosysteme durch den Klimawandel massive Veränderungen und Zerstörungen erfahren, bevor man sie richtig erforscht und ihre ökologische Rolle erfasst hat.

xy

Die Korallenbleiche – Auslöser, Konsequenzen und Perspektive Symbiose von Korallen und Algen Korallen leben, wie viele Lebewesen der Korallenriffe, in Symbiose mit einzelligen Algen (Dinoflagellaten, auch Zooxanthellen genannt), man könnte sagen, sie haben einen Garten in sich selbst angelegt. Neben Korallen leben auch Muscheln, Schnecken, Schwämme und Quallen in Symbiose mit diesen Algen. Diese Nähe hat den Vorteil, dass der Austausch zwischen den Organismen über extrem kurze Wege erfolgen kann. Die Zooxanthellen, betreiben sehr effektiv Photosynthese und versorgen die Koralle mit den so produzierten Stoffen, wie Zuckern, als Nahrung. Da die Zooxanthellen innerhalb des Korallengewebes sitzen, sind sie vor Fraßfeinden geschützt und können so Dichten von mehreren Millionen Zellen pro cm² Koralle erreichen. Die Zooxanthellen profitieren auch durch die Nutzung von Stoffwechselendprodukten des Wirts (der Koralle) als Nährstoffe für ihre Photosynthese. Diese Symbiose ist allerdings nur unter ganz bestimmten, eng umgrenzten Umweltbedin-

1


abgetaucht

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

gungen stabil. Änderungen der Rahmenbedingungen, die auch zu einer Überbelastung der Korallen führen, können ein Ausbleichen verursachen. Dieses Phänomen, bei dem es zu einem Verlust der Algen und / oder der Pigmente der Algen kommt, wird als Korallenbleiche (»Coral Bleaching«) bezeichnet. Diese Korallenbleiche ist im Prinzip reversibel und nach einer Beendigung des Stresses können wieder Zooxanthellen aufgenommen werden. Oft jedoch führt die Korallenbleiche zu einem Massensterben der Korallen, da diese stark geschwächt und anfällig werden.

Auslöser der Korallenbleiche Abb.5:

xy

1

Während der letzten Jahrzehnte wurde eine Reihe von Umweltfaktoren identifiziert, die zur Unterbrechung der Korallen-Zooxanthellen-Symbiose führen können. Und so kann die Korallenbleiche als eine generelle Antwort auf Stress betrachtet werden. Korallenriffexperten sind sich einig, dass eine zu hohe Wassertemperatur der mit Abstand häufigste Auslöser für großflächiges Korallenbleichen ist. Dies verdeutlicht die Verknüpfung zwischen Korallenbleiche und der durch die globale Klimaveränderung ausgelösten Meereserwärmung. Schon eine nur wenige Wochen anhaltende Temperaturerhöhung von 1 bis 2 °C, verglichen mit den durchschnittlichen Höchsttempe-

Durch die Auswirkungen des Lichtes beginnen Geweihkorallen zuerst an den Spitzen zu bleichen. Die basalen Teile beherbergen noch mehr Zooxanthellen als die Spitzen und sind deswegen noch dunkler gefärbt.


abgetaucht

Christian Wild et al.

Abb.6: Ohne die Farbstoffe der Zooxanthellen kann man bei dieser gebleichten Kolonie im Australischen Great Barrier Reef die bläulichen Schutzpigmente der Koralle erkennen.

raturen, kann zum Ausbleichen von Korallen führen. Neben erhöhten Temperaturen können intensive UV-Strahlung, Salzgehaltsschwankungen oder bakterielle Infektionen Korallenbleiche auslösen. Neueste Studien belegen, dass die sich gegenseitig verstärkende Wirkung dieser Auslöser, vor allem aber die Kombination aus erhöhter Temperatur und starker UV-Strahlung zu einem besonders heftigen Ausbleichen führen kann. Das Auftreten von massiven Ausbleichungsereignissen hat während der letzten Jahrzehnte stark zugenommen. Vor 1979 wurden nur in den Jahren 1911, 1929 und 1961 durch hohe Temperaturen ausgelöste Korallenbleichen beobachtet. Seit 1979 wurden jedoch mindestens sechs großräumige Ausbleichungsereignisse rund um den Globus verzeichnet. Alleine im Jahr 1998 ging als Folge der durch das Klimaphänomen El Niño verursachten Oberflächenerwärmung der Meere die Korallenbedeckung weltweit um 16 % zurück. Noch gravierender wirkte sich das Ausbleichungsereignis im Jahre 2002 aus. Während 1998 bereits 42 % der Korallen des Großen Barriere Riffs ausbleichten, waren es im Jahre 2002 schon 54 %. Die vom Weltklimarat IPCC vorhergesagte zunehmende Meereserwärmung wird sehr wahrscheinlich zu einer steigenden Häufigkeit von Korallenbleichen führen. Eine solche Zunahme der Häufigkeit würde die Erholungszeit für die Riffe verkürzen und könnte über die nächsten Jahrzehnte einen massiven Rückgang der von Korallen bedeckten Fläche um geschätzte 60 % zur Folge haben.

xy

1


abgetaucht

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

Zelluläre und molekulare Mechanismen

xy

Durch neue Techniken auf den Gebieten der Tierphysiologie und Molekularbiologie konnte die Forschung bezüglich der zellulären Mechanismen der Korallenbleiche intensiviert werden. Dabei zeichnet sich ab, dass insbesondere ein Zusammenspiel von hohen Wassertemperaturen und starker UV-Strahlung dazu führt, dass bei der Photosynthese der Zooxanthellen verstärkt sogenannte freie Sauerstoffradikale gebildet werden, die Zellschäden verursachen. Dieses Problem kann noch dadurch verstärkt werden, dass sich die Sauerstoffradikale zusammen mit Stickstoffmonoxid, welches bei erhöhten Temperaturen vermehrt in den Zooxanthellen produziert wird, zu weiteren hochreaktiven Molekülen verbinden, die den Zusammenhalt zwischen Korallenzellen zerstören können. Dies mag die beobachtete Abgabe von kompletten, intakten Wirtszellen, welche funktionsfähige Zooxanthellen beinhalten, beim Ausbleichen der Koralle erklären. Darüber hinaus wurde beobachtet, dass Nekrose sowie Apoptose (programmierter Zelltod) zur Auflösung der Wirtszelle und dadurch zur Freisetzung von Zooxanthellen führen kann. Dafür können neben hohen Wassertemperaturen auch wieder freie Sauerstoffradikale verantwortlich sein. Doch Korallen haben Mechanismen entwickelt, die ihnen und ihren Zooxanthellen bis zu einem gewissen Maße Schutz vor zu großer Lichtintensität bieten. So wurden fluoreszierende Pigmente im Gewebe der Koralle entdeckt. Diese können durch Streuung des einfallenden Lichts sowie durch Fluoreszenz (das aufgenommene schädliche Licht wird umgewandelt und in einer weniger schädlichen Form wieder abgegeben) überschüssige Lichtenergie ableiten. Auch andere Substanzen im Korallengewebe schützen durch die Adsorption von bestimmten Wellenlängenbereichen des Lichtes sowohl die Koralle als auch die Zooxanthellen vor schädlicher UV-Strahlung.

Die Korallenbleiche als Anpassungsmechanismus gegenüber Klimaveränderung? Derzeit wird in der Wissenschaft die sogenannte Hypothese der adaptiven Korallenbleiche (»adaptive bleaching hypothesis«) diskutiert. Diese Hypothese sieht das Ausbleichen als einen Mechanismus, der den Korallen die Möglichkeit bietet, sich durch das Austauschen ihrer Zooxanthellen an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Gestützt wird diese Hypothese dadurch, dass heute tatsächlich elf verschiedene Zooxanthellen-Unterarten mit unterschiedlichen Eigenschaften, darunter auch erhöhte Temperaturtoleranz, bekannt sind. Durch wissenschaftliche Experimente wurde nachgewiesen, dass es tatsächlich zu einem Austausch von Zooxanthellen mit unterschiedlichen Eigenschaften kommen kann. Andererseits wird diese Hypothese aufgrund von Wissenslücken und Widersprüchen skeptisch gesehen und ihre Brauchbarkeit als ausreichend schneller Anpassungsmechanismus an die Konse-

1


abgetaucht

Christian Wild et al.

quenzen des globalen Klimawandels angezweifelt. Außerdem impliziert „adaptiv“ eine genetische Veränderung. Diese wurde allerdings bisher weder bei den Zooxanthellen noch bei den Korallen beobachtet.

Abb.7: Massenhaftes Bleichen von Geweihkorallen im Australischen Great

xy

Barrier Reef, aber eine Kolonie zeigt eine erhöhte Temperaturresistenz.

Ökologische Auswirkungen der Korallenbleiche Für die Korallen bedeutet ein Ende der Symbiose mit den Zooxanthellen vor allem den Verlust ihres primären Energieversorgers, da meist der Großteil des täglichen Energiebedarfs durch die Zooxanthellen gedeckt wird. Dieser Energiemangel kann von den Korallen, zumindest teilweise, durch verstärkten Beutefang mit ihren Tentakeln ausgeglichen werden. Dennoch befinden sich ausgebleichte Korallen grundsätzlich in einem Zustand starker Schwächung. Investitionen in Verteidigungsmechanismen werden zurückgeschraubt, so dass Korallen anfällig werden gegenüber krankheitserregenden Bakterien, Pilzen und Viren. Hält der ausgebleichte Zustand über einen längeren Zeitraum an oder wird er von weiteren Stressfaktoren begleitet, führt dies zu großflächigem Korallensterben. Hinzu kommt, dass während der Korallenbleiche auch das Wachstum des Skeletts, die Kalkfällung, und die Fruchtbarkeit von Korallen stark reduziert sind. Dies alles kann dazu führen, dass Korallen im Konkurrenzkampf mit am Boden lebenden Algen zurückfallen und von diesen überwachsen werden (siehe Abschnitt Regimewechsel in Korallenriffen). Korallenbleichen können zudem auch gravierende Auswirkungen auf das Funktionieren von Riffökosystemen haben, da während des Ausbleichens große Mengen an Zooxanthellen und von den Korallen selbst stammenden organischen Materials abgegeben werden. Dies kann wie in (siehe Wild & Jantzen) beschrieben, entscheidende Konsequenzen für Stoffkreisläufe im Riff haben. Insofern sind Langzeitfolgen von Korallenbleichen für Riffökosysteme sehr wahrscheinlich.

1


abgetaucht

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

Regimewechsel in Korallenriffen Beobachtungen und auslösende Faktoren

xy

1

Wie kann ein nach außen gesund wirkendes Riff in ein paar Jahren zu einer von Algen zugewachsenen Ödnis werden? Diese Frage haben sich in den letzten Jahren vor allem viele Stammgäste von karibischen Riffen gestellt. Dass solche Beobachtungen auch in der wissenschaftlichen Welt eine immer größere Besorgnis auslösten macht ein kürzlich erschienener Artikel im renommierten Wissenschaftsmagazin Science deutlich. Er trägt den frei übersetzten Titel: Stehen unsere Riffe vor einer glitschigen Rutschpartie zu Schleimalgen? Von vielen Riffen weltweit wird berichtet, dass die ehemals dominierenden, riffbildenden Steinkorallen zunehmend von anderen wirbellosen Tieren (zum Beispiel Weichkorallen, Hydratiere, Schwämmen und Manteltiere) bis hin zu bodenbewachsenden Algen (darunter auch viele schleimige Arten) verdrängt und schließlich ersetzt werden. Diese Vorgänge nennt man Regimewechsel. Die am schwersten von diesem Regimewechsel betroffenen Korallenriffe liegen in der Karibik. Hier wurde ein Verlust von 80 % der Korallenbedeckung innerhalb der letzten 30 Jahre festgestellt. Aber auch aus dem gesamten Indopazifik und Hawaii wird seit der globalen Korallenbleiche von 1998 ein Rückgang der Korallenbedeckung von bis zu 30 % gemeldet. In den meisten Fällen sind an die Stelle der Korallen nun den Meeresboden bewachsende Algen getreten. Ein solcher Regimewechsel wird meist durch eine Reihe von Stressfaktoren ausgelöst. Die oben beschriebenen massiven Rückgänge der Korallenbedeckung in jüngster Vergangenheit deuten an, dass die Konsequenzen der globalen Klimaveränderung die entscheidende Rolle zu spielen scheinen. Die bereits erwähnte temperaturausgelöste Korallenbleiche kann wie 1998 und 2002 zur Massenmortalität von Korallen führen, schwächt aber in je-

Abb.8 (linkes Bild): Intaktes korallendominiertes Saumriff im Roten Meer. Abb.9 (rechtes Bild): Von Algen dominiertes ehemaliges Korallenriff im Kiritimati Atoll, Polynesien.


Christian Wild et al.

abgetaucht dem Fall die Korallen stark, so dass Algen im Wettbewerb mit Korallen in Vorteil geraten. Einige weitere, direkt vom Menschen verursachte Faktoren, insbesondere das Abfischen von Algen fressenden Fischen und der Eintrag von anorganischen Nährstoffen wie Nitrat oder Phospat (meist aus Landwirtschaft und Industrie), können weitere für Algenwachstum günstige Bedingungen schaffen. Mit welcher Geschwindigkeit sich der Regimewechsel vollzieht, hängt von vielen Faktoren ab. Einzelne klimaausgelöste Katastrophenereignisse, wie ausgedehnte Korallenbleichen mit anschließender Massenmortalität, führen meist zu Algen als direkten Nachfolger der Korallen, wo hingegen örtlich begrenzte Faktoren wie der Eintrag von anorganischen Nährstoffen und Überfischung einen graduellen Wechsel über Weichkorallen und Schwämme nach sich ziehen. Zusätzlich wird sich die Ansäuerung der Meere (siehe oben) aller Wahrscheinlichkeit nach dramatisch auf Kalkskelett bildende Lebewesen, insbesondere Steinkorallen, auswirken. Das ist ein weiterer Nachteil für die Korallen gegenüber den nicht-kalkbildenden Boden bewohnenden Algen.

Interaktion zwischen Korallen und Algen

Abb.10: Ein durch Schwämme und Hydratiere dominiertes karibisches Riff bei Cozumel, Mexico

xy

Korallen und Algen sind nun viel häufiger nebeneinander zu finden und kommen so vermehrt in direkten Kontakt miteinander. Und so ist es auch das Ziel vieler aktueller Untersuchungen gerade diese Interaktionen genauer zu beschreiben. Korallen bezeichnet man auch als Ingenieure ihres gesamten Riffökosystems (siehe Kapitel Wild & Jantzen). Dabei tragen sie zur gesamten Produktivität des Riffs bei und leisten über die Abgabe von organischen Material einen wichtigen Beitrag zu den Nährstoffkreisläufen im Riff. Neueste Studien zeigen jedoch, dass auch Algen über die Abgabe von organischem Material Prozesse im Riff beeinflussen können. Besonders interessant ist eine Laborstudie von 2006, die andeutet, dass bodenbewohnende Algen in direkter Nachbarschaft zu Korallen große Mengen an gelöstem organischem Material abgeben. Dies kann zu einer lokalen Stimulation der mikrobiellen Aktivität führen, so dass sehr viel Sauerstoff verbraucht wird. Resultierende geringe Sauerstoffkonzentrationen oder sogar vollständiges Fehlen von Sauerstoff können Korallen stark schädigen oder abtöten. Andere aktuelle Studien bestätigen die schädigende Wirkung von gelöstem organischem Material (insbesondere Zuckerverbindungen wie Glucose) auf Korallen. Zudem scheint gelöstes organisches Material schlimmere negative Auswirkungen auf die Korallen zu haben als anorganische Nährstoffe wie Nitrat und Phosphat, die traditionell als die Hauptschädlinge für Korallenriffe aufgefasst wurden, da sie das Algenwachstum direkt fördern können. Leider fehlen bis heute wichtige wissenschaftliche Daten, um die Relevanz und Dynamik der erwähnten Prozesse im Feld zu verstehen. Erste Untersuchungen im Nördlichen Roten Meer deuten an, dass die Stabilität der Interaktion zwischen Korallen und Algen saisonal sehr unterschiedlich ist. Das mag auch auf andere Gebiete zutreffen und ist von weiteren Faktoren wie Nährstoffeintrag oder Überfischung abhängig.

1


abgetaucht

xy

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

Konsequenzen von Regimewechseln in Korallenriffen Der Regimewechsel von Korallen zu Algen zieht also eine ganze Reihe von Prozessen nach sich, bis hin zu einer Veränderung der Stoffkreisläufe im Riff. Dazu kommt, dass eine Art Teufelskreis entsteht: Korallenlarven können nur auf harten Flächen im Riff, dem sogenannten Hartsubstrat (z.B. abgestorbenes Korallenskelett), ansiedeln. Solche Flächen werden während eines Regimewechsels nun von Algen besetzt, eine Neuansiedlung von Korallen kann immer seltener stattfinden und eine weitere Runde geht an die Algen. Der beschriebene Regimewechsel von Korallen zu Algen scheint daher kaum reversibel zu sein, und einmal »gekippte« Riffe bleiben vielleicht für immer eine Algenödnis. Dies hat natürlich entscheidende Konsequenzen für die Komplexität des Lebensraums Korallenriff. Neben dem direkten Effekt der Meeresansäuerung auf Kalkstrukturen im Riff (siehe oben) kann ein Regimewechsel von Korallen zu Algen dazu führen, dass mehr Kalk erodiert als aufgebaut wird. Ein komplexer, bunter 3-dimensionaler Lebensraum mit entsprechend vielfältigen Kleinstlebensräumen (siehe Kapitel Wild) verändert sich immer mehr zu einem zweidimensionalen Algenrasen in dem die Farbe grün dominiert. Eine extreme Verringerung der biologischen Vielfalt ist die logische Folge. Auch die Produktivität von Algen-dominierten Riffen wird stark reduziert sein. Zuerst einmal ist die Besiedlungsfläche verringert und daher der Lebensraum von insgesamt weniger Lebewesen besiedelt, was zu einer geringeren Gesamtproduktion ganz allgemein führt. Dazu kommt, dass die Photosynthese der Korallen-Symbionten sehr ergiebig ist, da der enge Austausch beider Partner sehr effektive und förderliche Austauschprozesse ermöglicht. Da können die Algen nicht mithalten. Zuletzt fallen viele Prozesse weg, welche die Nährstoffe im Riff halten und recyceln können (siehe Kapitel Wild & Jantzen). Der beschriebene

1

Abb.11: Veränderung einer Korallen – Algen Interaktion im Roten Meer während eines Beobachtungszeitraums von 3 Wochen. Rot: Lebendes Korallengewebe, gelb: Interaktionsfläche, violett: totes, von Algen überwachsenes Korallenskelett


abgetaucht

Christian Wild et al.

Regimewechsel führt somit zu einer extremen Verarmung des Ökosystems Korallenriff, und das auf allen Ebenen. Produktivität, Komplexität und Biodiversität gehen weitgehend verloren, was sich auch stark auf Wirtschaftszweige wie den Tourismus und die Fischerei auswirkt.

Mögliche Lösungsansätze So stellt sich nun die Frage, was können wir (als Einzelne und als Menschheit) tun, um Korallenriffe gegen die verheerenden und scheinbar unaufhaltbaren Konsequenzen des Klimawandels zu schützen. Besteht noch eine Chance oder sollen wir Korallenriffforscher uns vor allem als Nachlassverwalter fühlen? Wir denken nicht, denn es gibt einige hoffnungsvolle Ansätze für den Schutz der Riffe, und einige davon wurden auch schon vielversprechend umgesetzt. Direkte menschliche Faktoren wie Überdüngung, Überfischung oder schädliche Fangmethoden (z.B. Dynamitfischen) bedeuten greifbaren Stress für Korallenriffe und können so gezielt bekämpft werden. Dem Klimawandel und seinen Konsequenzen, der Erwärmung und Ansäuerung der Ozeane, kann man fast ausschließlich indirekt entgegenwirken, in erster Linie natürlich durch eine flächendeckende und rigorose Reduktion der Treibhausgasemissionen. Abb.12: Direkte und indirekte Einflüsse des Menschen auf Korallenriffe

xy

Treibhausgase Überfischung Überdüngung Sedimenteintrag

Korallendominiert

Algendominiert

1


Reduzierung der Emission von Treibhausgasen – Die jüngsten Berichte des Weltklimarates (IPCC) betonen immer drastischer, wie wichtig internationale Vereinbarungen zur Reduktion der Emission von Treibhausgasen sind, um eine Verlangsamung des Klimawandels zu erreichen. Wohlgemerkt, wir sprechen hier schon länger von einer Verlangsamung, nicht von einer Vermeidung. Leider ist die internationale Gemeinschaft noch weit von einer Einigung entfernt, auch xy

aufgrund der Fehler, die bei der Formulierung des Kyoto-Protokolls gemacht wurden. Hier besteht eindeutig Verbesserungsbedarf. Wichtig ist eine stärkere Einbeziehung der Länder die für den Großteil aller Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Experten fordern die Entstehung von Emissionsmärkten nach marktwirtschaftlichen Prinzipien und die Einrichtung eines wesentlich höheren Budgets für Forschung und Entwicklung bei der Energieeffizienz und der Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen. Eine drastische Reduzierung der Emission von Treibhausgasen muss allerdings auf allen Ebenen zugleich stattfinden, also global ebenso, wie auch auf Ebene der Länder, Kommunen und Individuen. Letzteres wird vor allem durch unser Verhalten und unseren Lebensstil beeinflusst. Der Weltklimarat IPCC sagt in seinem 4. Sachstandsbericht bis 2030 eine Zunahme des Kohlendioxidausstoßes von 80 % gegenüber heute voraus. Der höchste Zuwachs wird im Personenverkehr erwartet, wobei die entwickelten Länder den Hauptanteil stellen. Umweltfreundliche Alternativen zum Flugzeug und Auto sind Bahn- und insbesondere Fernbusreisen. In einer Studie des Bundesumweltamtes wurden die Schadstoffemissionen (Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe, Stickoxide, Partikel) einzelner Verkehrsträger verglichen. Das Benzinäquivalent bei typischer Auslastung beträgt beim PKW 6,2,

1


prioritäre Ursachenbekämpfung des Klimawandels beim Flugzeug 5,8, bei der Bahn im Nahverkehr 4,8 und im Fernverkehr 2,7, beim Linienbus 3,3 und bei einem Reisebus 1,4 Liter pro 100 Kilometer und Person. In dieser Statistik sind jedoch nur die direkten Energiekosten des Transportes berücksichtigt. Zum sogenannten Primärenergieverbrauch zählen auch Faktoren wie zum Beispiel die Erhaltung der Transportwege und -mittel, der Anfahrts- sowie der Schienenumweg, Herstellungskosten des Treibstoffes und Energieverluste bei

xy

der Herstellung der Elektrizität. Doch auch unter Berücksichtigung aller direkten und indirekten Kosten bleiben Schienen- und Busverkehr die umweltfreundlichen Alternativen zu PKW und Flugzeug. Doch nicht nur auf dem Transportsektor kann die CO2-Emission durch individuelle Entscheidungen verringert werden. Eine der Haupt-Quellen für das in die Atmosphäre gelangendes CO2 sind Haushalte, die über eine schlechte Energieeffizienz verfügen. Durch unwirksame oder veraltete Wärmedämmung verbrauchen diese ein Vielfaches der eigentlich benötigten Energieressourcen. Die Sanierung maroder Gebäude und zusätzliche Wärmeisolierung eignen sich hier als effektive Gegenmaßnahmen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Umstellung von fossilen auf regenerative Energieträger, bzw. der weitere Ausbau dieser Energiequellen auch durch die Industrie. Aber auch die sogenannten »kleinen Momente des Lebens« machen einen Unterschied, also alle individuellen Maßnahmen, die helfen Energie einzusparen. Das kann das Benutzen eines Fahrrads anstelle eines Autos sein, das Sparen von Strom im Haushalt oder das häufige Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel und vieles mehr...

1


abgetaucht

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

Managementmaßnahmen zur Stärkung von Korallenriffen

xy

Eine wichtige Möglichkeit Korallen gegen den fortschreitenden Klimawandel stark zu machen, ist ihnen den Rücken frei zu halten, also sie vor allen weiteren schädigenden Faktoren zu schützen. Das heißt sie hauptsächlich von den Stressfaktoren zu befreien denen sie durch uns Menschen ausgesetzt sind, wie Überfischung, dem Eintrag von anorganischen Nährstoffen aus der Landwirtschaft und mechanischer Zerstörung. Hier hat sich gezeigt, dass sich Korallenriffe in gut kontrollierten marinen Schutzgebieten (Marine Protected Areas, MPAs), insbesondere in solchen mit vollständigem Entnahmeverbot (No Take Areas, NTAs), schneller von katastrophalen Ereignissen wie ausgedehnten Korallenbleichen erholen, als in ungeschützten Bereichen. Die möglichen Instrumente zur generellen Stärkung von Korallenriffen schließen neben der Einrichtung und wirksamen Kontrolle von marinen Schutzgebieten auch Maßnahmen der Küstenentwicklung und des Küstenmanagements mit ein. Hier sind neben der Errichtung von Kläranlagen auch die Erhaltung eines Puffergürtels von Küstenwäldern und bzw. Mangroven wichtig, um von Land stammende Sedimente zurückzuhalten, das oft in großen Mengen ins Meer eingetragen wird. So werden Korallen in küstennahen Gebieten nicht nur durch absinkende Schlammpartikel selbst, sondern auch durch die dadurch hervorgerufene Wassertrübung geschädigt. Die reduzierte Lichtverfügbarkeit bewirkt, dass die betroffenen Korallen durch die Erhöhung der Zooxanthellenanzahl bzw. der Pigmentkonzentration dunkler werden. Nun wird Lichtenergie viel stärker absorbiert, so dass sich eine nachweislich höhere Temperatur von bis zu 1,5° C über den dunkleren küstennahen Korallen ergibt. Genau dies kann den Unterschied ausmachen und dann zu einer Korallenbleiche führen. Insofern können entsprechende Küstenentwicklungsmaßnahmen sogar zu einer Prävention bzw. Abschwächung der temperaturausgelösten Korallenbleiche führen.

Marine Schutzgebiete Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areaes – MPAs) sind eine wirkungsvolle Maßnahme um Stressfaktoren zu vermindern und Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Dabei ist jedoch auch die Qualität des Schutzes, vor allem die rechtliche Umsetzung und die dadurch ermöglichte Kontrolle sehr wichtig. Die durch MPAs geschützte Korallenrifffläche ist bisher bei weitem zu klein, um deren Biodiversität und assoziierte Fischbestände zu sichern. MPAs können nicht nur die Ökosysteme innerhalb ihrer Grenzen schützen, sondern darüber hinaus auch die Artenvielfalt in benachbarten Lebensräumen steigern. Vor der Errichtung eines MPAs sind immer drei Fragen zu beantworten: »Wo?«, »Warum?« und »Wie?«. Die ersten beiden Fragen sind oft einfach zu beantworten, da es eine große Anzahl von Meeresgebieten gibt, die aus sehr vielen verschiedenen Gründen den Schutz dringend benötigen. Die Beantwortung

1


Christian Wild et al.

abgetaucht der Wie-Frage wirft Probleme auf, insbesondere in tropischen Entwicklungsländern. In diesen Regionen ist die Errichtung und Aufrechterhaltung von MPAs oft ein schwieriges Unterfangen. In den meisten Fällen mangelt es an der öffentlichen Unterstützung und der Einhaltung von festgelegten Regeln, aber oft auch an Kontrolle wegen mangelndem Personal. Gebiete nur für geschützt zu erklären reicht dabei oft nicht aus, da in der Regel die lokale Bevölkerung auf die Nutzung der Ressourcen eines Riffgebietes angewiesen ist. MPAs funktionieren wesentlich besser, wenn die ansässige Bevölkerung von Anfang an in die Planung und Einrichtung mit einbezogen wird (z.B. durch das sogenannte Integrierte Küstenzonenmanagement). Dies ist insbesondere wichtig, um Verantwortungsgefühl für die Ressource Korallenriff und damit auch eine nachhaltige Nutzung zu erzielen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die notwendigen wissenschaftlichen, finanziellen und logistischen Kapazitäten vorhanden sind, was in Entwicklungsländern oft nicht der Fall ist. Insbesondere die Schaffung von alternativen Einkommensquellen (z.B. im Bereich Ökotourismus) ist wichtig, um den Fischereidruck auf Korallenriffe zu reduzieren. xy Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen auch, wie wichtig es ist, das Konzept der MPA-Einrichtung durch die Schaffung von verbindenden Netzwerken aus MPAs zu verbessern. Dabei sind die schützenden Korallenriffareale so auszuwählen, dass ein Austausch von Korallenlarven möglich ist, damit die genetische Vielfalt erhalten bleibt. Mindestens ein Drittel der MPAs sollten darüber hinaus zu »No Take Areas« (NTAs) erklärt werden, damit zentrale Reservoirs entstehen, die die Regeneration von nicht oder nur schwach geschützten Nachbarriffen über zusätzliche Larvenproduktion unterstützen. Australien hat diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nun aufgegriffen und über die Fläche des gesamten Great Barrier Reefs das empfohlene NTA und MPA-Netzwerk eingerichtet. Im Juli 2004 wurden im Rahmen einer Neuzonierung der Schutzgebiete die NTA-Gebiete von weniger als 5 % auf über 33 % der Gesamtfläche ausgedehnt. Auch der pazifische Inselstaat Palau ist den wissenschaftlichen Empfehlungen gefolgt und hat ein Netzwerk aus MPAs geschaffen, die ein Drittel der Küstenflächen abdecken. Daneben hat sich in den letzten Jahren eine wissenschaftliche und auch politische Diskussion bezüglich einer Schutzpriorität von Korallenriffen nach bestimmten Kriterien entwickelt, z.B. die Höhe der Biodiversität. Im Gespräch sind auch Pläne, sogar einzelne besonders stressresistente Korallenarten, die eine hohe natürliche Widerstandsfähigkeit (resilience) gegen die Konsequenzen des Klimawandels aufweisen, unter möglichst weitgehenden Schutz vor anderen Stressfaktoren zu stellen. Auch könnten ganze Riffe nach solchen »Widerstandskriterien« unter Schutz gestellt werden: Zum Beispiel ständig beschattete oder strömungsexponierte Riffe (siehe unten) oder subtropische Riffe in höheren geographischen Breiten (z.B. Japan und Rotes Meer), die aufgrund ihrer Lage zumindest von Meereserwärmung und Korallenbleiche weniger betroffen sind als die tropischen Riffe. Ein Schutz weniger Arten, der eine große Zahl von tropischen

1


abgetaucht

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

Korallen und deren assoziierte Lebensgemeinschaften ausschließt, ist jedoch in der Wissenschaft umstritten. Er könnte zu einer deutlichen Verringerung der Vielfalt führen und damit eine Verarmung an genetischem Material bedeuten. Darüber hinaus wäre eine veränderte Artenzusammensetzung in Korallenriffen zu erwarten, die letztlich zu einer verminderten Widerstandsfähigkeit des gesamten Ökosystems gegen äußere Stressfaktoren führen könnte. Expertenschätzungen gehen davon aus, dass der ökonomische Wert von Korallenriffen zwischen 100.000 und 600.000 $ pro Quadratkilometer und Jahr beträgt. Dem gegenüber stehen die Kosten für den Schutz, die für das MPA-Management auf 775 $ pro Quadratkilometer und Jahr geschätzt werden, also weniger als 1 % des ökonomischen Wertes. Das Einrichten von MPAs für Korallenriffareale ist also nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll.

Direkte Maßnahmen zur Bekämpfung xy

der Klimaveränderungseffekte auf Korallenriffe Vor allem dort wo massives wirtschaftliches Interesse (Tourismus) an intakten Korallenriffen besteht, wird auf lokaler Ebene mit einigen ungewöhnlichen direkten Lösungsansätzen für die Konsequenzen der Klimaveränderung experimentiert. Dazu wurden die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Korallenbleiche genutzt. Wie oben beschrieben, ist neben der erhöhten Wassertemperatur auch die UV-Strahlung ein wichtiger, auslösender Faktor. Auf dem Markt sind UV-absorbierende Plastiknetze erhältlich, die an Stelzen oder Schwimmplattformen befestigt, über ausgewählte Korallenriffareale gespannt werden. Getestet wurde das Verfahren in unmittelbarer Nähe einer von Schnorcheltouristen intensiv genutzten Schwimmplattform im australischen großen Barriere Riff über den Zeitraum von zwei Jahren. Erste Untersuchungen zeigten, dass die Korallenbleiche unter der Abdeckung tatsächlich schwächer ausgefallen war als außerhalb. Eine 2004 getestete alternative Technik, die Besprühung mit Meerwasser, verspricht eine Minderung der Sonneneinstrahlung durch Kräuselung der Meeresoberfläche und der daraus resultierenden stärkeren Reflexion des Lichtes. Starke Wasserströmungen können das Ausbleichen von Korallen verhindern oder abschwächen. Es gibt daher Gedankenspiele, die die Installation von strömungserzeugenden Anlagen wie Turbinen im Riff vorsehen. Hier scheint aber neben der direkten Riffschädigung bei der Installation auch insbesondere der hohe Energiebedarf für den Betrieb der Turbine problematisch zu sein, so ein negativer Beitrag zur Klimaveränderung geleistet wird, um eines ihrer Symptome zu bekämpfen. Darüber hinaus werden Maßnahmen diskutiert, nach intensiven Ausbleichungsereignissen, großflächig hitzeresistente Korallensymbionten (siehe obige Beschreibung der Adaptive Bleaching Hypothese) in Riffen auszubringen, um bereits gebleichte Korallen mit diesen zu versorgen und damit widerstandsfähiger gegen

1


Christian Wild et al.

abgetaucht

Abb.13: Sonnenschutz für Korallen: Schwimmende UV-absorbie-

xy

rende Netze vermindern die Korallenbleiche.

Internationale Schutzinstrumente für Korallenriffe Auf internationaler Ebene existieren mehrere Vereinbarungen und Programme unter dem Dach der Vereinten Nationen und der »World Conservation Union« (IUCN), die den Riffschutz betreffen. Weltweit sind durch die IUCN 1.300 ausgewählte Meeresgebiete ausgewiesen, einschließlich 400 Korallenriffen in 65 Ländern. Weitere 55 Areale mit Korallenriffen wurden im Rahmen von drei UN-Instrumenten, der »Weltkulturerbe-Konvention«, dem »Mensch und Biosphärenreservate (MAB)«-Programm und der »Ramsar Konvention für Feuchtgebiete«, unter besonderen Schutz gestellt. Diese Instrumente haben den Vorteil, dass hier neben dem weitgehenden Schutz der betroffenen Areale auch oft ein großes Maß an Aufmerksamkeit für die Schutzwürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein in der ansässigen Bevölkerung erreicht wird. Es ist daher wünschenswert, dass weit mehr Korallenriffareale als bisher ausgewiesen werden. Seit 2005 existiert mit dem »Coral Reef Targeted Research & Capacity Building for Management Programm« (CRTR) ein weiteres internationales Korallenprogramm, das darauf abzielt, ganz bestimmte wissenschaftliche Erkenntnislücken zu füllen, und diese dann gezielt in Managementstrategien umzusetzen. Dieses zum Großteil von der Global Environmental Facility (GEF) finanzierte und von den Vereinten Nationen unterstützte Programm besteht aus 6 internationalen Expertengruppen, die an 4 Zentren in Mexico, Australien, Tansania und den Philippinen an Forschungsprojekten arbeiten. Dabei besteht eine enge Kommunikation zur internationalen Staatengemeinschaft, denen die erarbeiteten Ergebnisse als Entscheidungsgrundlagen zugänglich gemacht werden.

1


abgetaucht

Konsequenzen des Klimawandels für Korallenrif fe

erneute Temperaturerhöhungen zu machen. Da eine solche direkte Maßnahme aber einen unabsehbaren Eingriff in das sensible Gefüge des gesamten Ökosystems darstellt, und damit die sofortigen und zukünftigen Auswirkungen nicht einzuschätzen sind, sollte von solchen Maßnahmen genauso wie von Genmanipulationen an Koralle und/oder Zooxanthellen abgesehen werden.

Wiederaufforstungsprojekte für geschädigte Riffe

xy

Durch die direkte Verpflanzung junger, gesunder Korallenkolonien aus intakten Riffen auf unter Wasser installierten Betonstrukturen kann die Regenerationswahrscheinlichkeit geschädigter Riffe erhöht werden. Diese lokal begrenzte Methode wird bereits in einigen betroffenen Gebieten (z.B. bei Tsunami- und Ankerschäden oder Tourismuszentren) in verschiedenen Formen angewendet. Dabei existieren sowohl vereinfachte Varianten (z.B. quaderförmige Betonblöcke), als auch besonders an die Riffstruktur angepasste Konstruktionen (z.B. »Reef Balls«), deren Produktion und Installation einen hohen finanziellen Aufwand benötigen. Desweiteren wurde eine elektrochemische Methode entwickelt, die dazu dient, im Riff versenkte Metallstrukturen (z.B. Gitternetze) durch Anlegen eines leichten elektrischen Stroms mit einer Kalkschicht zu überziehen (s. auch Artikel Schuhmacher). Dabei bewirkt der Strom eine verstärkte Abscheidung von Kalk aus dem Meerwasser, der sich in der Folge auf der Metallstruktur ablagert und somit neue Ansiedlungsflächen für Korallenlarven bietet (soweit vorhanden), aber auch verpflanzten Korallenkolonien zum beschleunigten Wachstum verhelfen sollte. Auch das Versenken von Schiffwracks als künstliche Ansiedlungsflächen und Lebensräume für Meeresbewohner hat in den letzten Jahrzehnten vermehrt Anwendung gefunden. Das Einbringen dieser künstlichen Riffstrukturen wird in ihrer Gesamtheit der Öffentlichkeit als durchaus praktikable Maßnahme vermittelt. Neben den positiven Eigenschaften sind dabei jedoch auch die hohen Kosten der Produktion und Installation (z.B. bei »Reef Balls«) und die Ungewissheit der Einträge von chemischen Schadstoffen (bei Schiffswracks) zu beachten. Im Moment vertreten vielen Wissenschaftler den Standpunkt, dass sich künstliche Riffstrukturen nicht zum völligen Wiederaufbau von Korallenriffen eignen, und eher eine Art Symptombehandlung darstellen als eine nachhaltige Maßnahme zur Rettung von Korallenriffen.

Gedankenspiele zur direkten Beeinflussung des Weltklimas Schon vor zwanzig Jahren gab es den Vorschlag, durch eine gezielte Andüngung eine Algenblüte im Meer zu verursachen, die bei der Bindung des Kohlendioxides helfen und so den Treibhauseffekt mindern sollte. Doch die Rolle, die Algen bei der Bindung von Kohlendioxid zukommt, ist nach neuen Untersuchungen deutlich gerin-

1


abgetaucht

Christian Wild et al.

ger als bisher angenommen. Zudem wird das zunächst fixierte Kohlendioxid über die Nahrungskette wieder den Weg in die Atmosphäre finden und daher nicht langfristig dem globalen Ökosystem entzogen. Wissenschaftlern gelang es zu zeigen, dass Dimethylsulfid (DMS), ein schwefelhaltiges Stoffwechselprodukt von Mikroalgen im Meer, in der Atmosphäre als Kondensationskern für die Wolkenbildung wirken kann. Mit Hilfe eines Modells wurde errechnet, dass eine durch künstliche Düngung von Phytoplankton erreichbare 30%ige Erhöhung der vorhandenen Menge an DMS über der Meeresoberfläche die globale Oberflächentemperatur um 1.3º C verringern könnte. Die Autoren geben aber selbst zu bedenken, dass die Prozesse des Modells nicht vollständig erforscht seien, und solche Schätzungen somit nicht als Patentrezept gegen Klimaerwärmung gesehen werden dürfen. Tatsächlich ist nicht sicher, ob ein solcher Mechanismus mittels negativer Rückkopplung einer Erderwärmung entgegenwirkt, oder diese sogar verstärkt.

Fazit

xy

Faktoren wie die Ansäuerung und Erwärmung der Ozeane bedrohen Korallenriffe in drastischer Weise. Die Konsequenzen der globalen Klimaveränderung sind aber kaum auf direktem Wege zu bekämpfen. Direkte Maßnahmen sind allenfalls von lokaler Brauchbarkeit und stellen letztendlich auch nur ein Kurieren an den Symptomen des Klimawandels dar. Höchste Priorität muss dem Zustandekommen, der Verbesserung und der rigorosen legislativen Umsetzung von internationalen Klimaschutzvereinbarungen eingeräumt werden. Daneben gibt es aber auch eine ganze Reihe von individuellen Maßnahmen, die die Emission von CO2 wirksam reduzieren. Die Gesamtheit solcher Verhaltensänderungen kann den Unterschied ausmachen und befähigt jeden einzelnen zur Verminderung des Klimawandels beizutragen. Für den unmittelbaren Schutz von Korallenriffen gegen die bereits stattfindenden und nicht mehr aufzuhaltenden Konsequenzen der Klimaveränderung bieten sich alle Maßnahmen an, die geeignet sind, Riffe grundsätzlich stärker zu machen, indem sie möglichst weitgehend befreit werden von allen weiteren direkt vom Menschen verursachten Stressfaktoren. Dabei ist die Ausweisung und Verbesserung von marinen Schutzgebieten unter möglichst weitgehender Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft von ganz zentraler Bedeutung. Eine solche Strategie fördert nachweislich die Regenerationsfähigkeit von Korallenriffen wie eine ganze Reihe von Positivbeispielen gezeigt hat. Und das ist das Entscheidende: Wir wissen nicht erst durch Beobachtungen nach ausgedehnten Korallenbleichen und nach dem Tsunami von 2004, dass Korallenriffe sich gut von Katastrophenereignissen erholen können. Wir sollten ihnen die Möglichkeit dazu geben und sofort anfangen zu handeln.

1


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.