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Vivian Böllersen

Eine der ältesten Abbildungen eines Walnussbaums stammt aus dem 1543 in deutscher Sprache erschienenen New Kreüterbuch des Mediziners und Botanikers Leonhart Fuchs (1501-1566) – siehe Bild oben. Fuchs zählte gemeinsam mit Otto Brunfels und Hieronymus Bock zu den „Vätern der Pflanzenkunde“.

Die Geschichte der Walnuss reicht natürlich viel, viel länger zurück. Wissenschaftler vermuten, dass sie im Gebiet des heutigen West- und Südanatolien die Eiszeiten überstand und sich im Quartär im östlichen Mittelmeergebiet, auf der Balkanhalbinsel sowie in Vorder-und Mittelasien verbreitete.

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Namen wie „karya persica“ oder „karya sinopica“ weisen darauf hin, dass die Griechen der Antike veredelte Walnusssorten aus dieser Region bezogen.

Die Römer kultivierten den Baum in Italien und den Provinzen des Römischen Reiches, insbesondere auch in Gallien, was zur spätlateinischen Bezeichnung „nux gallica“ führte, die als „Welschnuss“ oder „Walnuss“ in die deutsche Sprache überging.

Ihre endgültige Verbreitung in Mitteleuropa wurde schließlich von Karl dem Großen (742-814) besiegelt, der in seiner „Verordnung über die Krongüter und Reichshöfe“ (Capitulare de villis vel curtis imperii) anwies, 73 Nutzpflanzen auf seinen Gütern anzubauen – darunter auch die Walnuss.

Jahrhundertelang war sie fortan ein beliebter Haus- und Hofbaum, wurde aber vor allem in ländlichen Regionen Deutschlands auch großflächig kultiviert.

Dichter und Maler entdeckten Baum und Frucht und nahmen sich ihrer an – Johann Wolfgang von Goethe zum Beispiel würdigte in seinem Roman „Die Leiden des jungen Werther“ den Nussbaum als Lebensbaum.

Noch wichtiger allerdings waren seine kulinarische und wirtschaftliche Bedeutung. Rezepte für Walnusskuchen und Walnusslikör finden sich bei Henriette Davidis, Mary Hahn und in jedem anderen bürgerlichen Kochbuch.

Ölmühlen entdeckten das Walnussöl als neue Spezialität. Die grünen Nussschalen wurden gemahlen und dienten als Pfefferersatz oder als Haarfärbemittel.

Besonders wertvoll war das schwere, zähe Walnussholz. Diese Eigenschaften prädestinierten es für die Waffenfabrikation. Aus dem Holz wurden Kolben und Schäfte für Karabiner gefertigt. „Das ist ein Grund dafür, dass die relativ großen Walnussbestände in Deutschland durch die beiden Weltkriege nachhaltig dezimiert wurden“, so Vivian Böllersen in ihrem Buch „Revival der Walnuss“.

Die Walnuss

Die Walnussmeisterin

VIVIAN BÖLLERSEN, EINE URALTE FRUCHT UND DER KLIMAWANDEL

VON JÖRG TEUSCHER

Sie spricht über Bodenansprüche, Ertragsparameter, Standortbedingungen und Veredlungstechniken als handele es sich um die simpelsten Dinge der Welt. Und wäre da nicht das juvenile „genau“ am Ende jedes zweiten Satzes, man könnte meinen, sie sei ein uralter Hase in diesem Metier. Sie ist allerdings gerade mal 32, gehört aber dennoch beim Thema „Walnuss“ zu den Wenigen im Land, die nicht nur mitschwätzen können, sondern wirklich Expertise besitzen. Die Rede ist von Vivian Böllersen, Berlinerin aus Neukölln, Absolventin der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Master-Studiengang Öko-Agrarmanagement, Abschlussnote 1,3.

Vivian Böllersen — als Jurymitglied beim Berliner Naschmarkt, Dezember 2019...

Kennengelernt haben wir Vivian Böllersen als rastlos Reisende, unterwegs in Sachen Walnuss zwischen Brandenburg und Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen.

In der Hauptstadt an einem Grüne-Woche-Stand, auf der Essener Pflanzenmesse hinter einem Rednerpult, bei einer PermakulturKonferenz in Friedrichswalde als Diskussionspartnerin.

Keine Frage, der gute alte Walnussbaum erlebt offenbar eine Renaissance. „Revival der Walnuss“ nannte Vivian Böllersen dann auch ihr erstes Buch, dass sie auf der Grundlage ihrer Masterarbeit schrieb (s. Seite 83, Bild u. re.).

Inzwischen hat ein weiterer Verlag angefragt, es geht um ein Standardwerk – Anbau, Sorten, Nutzen, das ganze Programm. Vivian Böllersen überlegt noch – da sind ihre Baumschule in Velten, der Umbau des kleinen Hofladens in Herzberg, die Anschaffung einer neuen Nussknackmaschine, Exkursionen, Referate, Symposien. Und da ist natürlich ihr Sohn Tom, der im März zur Welt kam…

...als Ausstellerin in der BrandenburgHalle der Grünen Woche, Januar 2020...

...als Referentin auf einer Konferenz des Permakultur-Instituts, Februar 2020.

Auslese Nr. 120

Jupiter

Kindliche Erlebnisse können prägend sein, auch für die Berufswahl. War es im Falle von Vivian Böllersen der ertragreiche Walnussbaum im elterlichen Garten im Neuköllner Stadtteil Rudow? „Er hat vielleicht ein bisschen meine Liebe zur Natur und damit meinen Studienwunsch beeinflusst, mehr aber nicht.“ Vielleicht spielte er aber, wenigstens im Unterbewusstsein, eine Rolle bei der Suche nach einem geeigneten Thema für ihre Masterarbeit.

Ausschlaggebend war allerdings dann doch wohl die Beobachtung, dass es im deutschen Obst- und Gemüsehandel ausschließlich Walnüsse aus den USA, Chile oder Frankreich gibt.

Vivian Böllersen ermittelte, dass Deutschland jährlich rund 27.000 Tonnen Walnüsse mit und ohne Schale importiert. Einheimische Nüsse – Fehlanzeige. „Der Walnussanbau in Deutschland hat keinerlei wirtschaftliche Bedeutung mehr“, schrieb sie – und: „Die Neugier herauszufinden, weshalb die Walnuss dermaßen in den Hintergrund landwirtschaftlich-forstlicher Bemühungen gerutscht ist, waren das Startkapital zu meiner Masterarbeit.“

Vivian Böllersen beendete ihr Studium und blieb – einmal Feuer gefangen – der Nuss treu. Sie gründete die Walnussmeisterei, zog mit ihrem Mann nach Herzberg, einem 600-Einwohner-Dorf im Brandenburger Landkreis Ostprignitz-Ruppin und widmet sich hier der Beratung von Anbauwilligen, der Bestimmung von Walnusssorten; sie gibt Walnuss-Workshops, betreibt einen Walnuss-Hofladen und trifft damit offenbar den Nerv der Zeit.

Die Annahme liegt nahe, dass die wärmebedürftige Walnuss besser mit der zu erwartenden Klimaerwärmung zurechtkommt als manche andere Baumart und auch deshalb als ‚Gewinnerin des Klimawandels‘ erheblich an Bedeutung gewinnen dürfte.

Und bleibt hartnäckig. „Mit entsprechenden Bemühungen ist der Erwerbsanbau der Walnuss in Deutschland zukunftsfähig“, sagt sie und verweist einerseits auf die steigende Nachfrage nach Walnüssen und Walnussprodukten und andererseits auf die vielseitige Nutzbarkeit von Baum und Frucht.

Kulinarisch zum Beispiel. Sanft geröstet, sind Walnüsse extrem geschmacksintensiv und geben vielen Salaten den ultimativen Kick. Kandiert und kurz im Ofen gebacken, passen sie bestens zu vielen Käsesorten, Eiskreationen und Joghurtzubereitungen. Viele Köche sehen in ihr die ideale Partnerin der Birne, andere verweisen auf Walnussöl, Walnusssenf oder Walnusslikör, einige verarbeiten sogar die Blätter…

Vivian Böllersen verkauft nicht nur regionale Nüsse und Bäume und berät Menschen, die sie pflanzen wollen, sie hat auch einen Verein der deutschen Walnussbauern gegründet – Motto: Erfahrungsaustausch ist die billigste Investition.

Und sie betreibt selbst eine Walnussplantage – viereinhalb Hektar in der Nähe von Velten, auf denen sie vor fünf Jahren 200 Bäumchen gepflanzt hat. Dreißig Sorten. „Ich will damit auch herausfinden, welche Sorten sich unter diesen Bedingungen besonders bewähren.“

Rund ein Drittel ihrer Bäume in Velten sind übrigens Patenbäume – der von Manuela Schwartz gehört dazu. Die Professorin an der Hochschule Magdeburg/Stendal hat ihn selbst gepflanzt – ein Geburtstagsgeschenk für ihre Tochter. „Ein Lebensbaum“, sagt sie (siehe Bild Mitte).

DIE WALNUSSMEISTEREI

Im Eichholz 33 16835 Herzberg (Mark) Tel. 033926 72 99 93 www.walnussmeisterei.de

Ockerwitzer Lange

Milotai 10

Baumpaten: Prof. Dr. Manuela Schwartz aus Berlin...

...und Annegret und Heinz Bischof aus Thüringen.