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Weiteres Standortbeben in der Schweiz durch Investorenklage gegen FINMA

Nach dem spektakulär anmutenden Scheitern der Credit Suisse und deren Flüchten in den – so schien es zumindest bisher – sicheren Hafen aus UBS und Unterstützung der Regierung sowie Aufsicht scheint weitere Bewegung in die Causa der gefallenen Bank zu kommen.

Zwar waren Beobachter und der Markt zunächst davon ausgegangen, dass die staatlich orchestrierte und mit Liquiditätshilfe der Schweizerischen Nationalbank SNB und des Bundes ausgestattete Übernahme durch den Konkurrenten UBS für Beruhigung sorgen würde. Gleichwohl kämpft die Credit Suisse mit einem anhaltenden Kundenschwund, dem Abfluss von Kundengeldern und weiteren Problemen. Zusätzlich zu diesen Komplikationen haben nun Investoren angekündigt, die Eidgenössische Finanzaufsicht FINMA wegen deren Vorgehen bei der Rettung der einstigen Vorzeigebank zu verklagen. Hintergrund ist die Entscheidung der Schweizer Finanzaufsicht. Die Aufsicht hatte zwar die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS genehmigt, diese jedoch von Bedingungen abhängig gemacht. So hatte die FINMA dazu entschieden, die Additional-Tier-1-Anleihen im Zuge der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS auf null abzuschreiben. Diese Abschreibungen hatten einen Umfang von rund 16 Mrd. Franken und sollten damit eine Steigerung des Kernkapitals auslösen.

Unter den Klägern befinden sich Berichten zufolge namhafte Unternehmen wie die Allianz-Tochter Pimco und der US-Vermögensverwalter Invesco, die signifikante Positionen in Nachranganleihen der Credit Suisse gehalten hatten. Ein Standortbeben für den Finanzplatz Schweiz hat die Übernahme mit der Realisierung, nunmehr nur noch eine Großbank von internationaler Statur zu haben, bereits ausgelöst. Nun stellt sich damit die Frage, inwieweit durch eine potenziell erfolgreiche Klage gegen die Finanzaufsicht weitere staatliche Strukturen gravierend in Mitleidenschaft gezogen und eine intensivierte Vertrauenskrise geschaffen werden.

Situation in Deutschland

Auch in der Bundesrepublik stellen sich seit Jahrzenten ähnliche Überlegungen. Hier hat sich in den späten 70er Jahren aus einer Kombination von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in den Fällen der „Wetterstein-Fonds“ und der Herstatt Bank sowie Nachjustierungen des Gesetzgebers ergeben, dass die Vorgängerbehörde der Finanzaufsicht BaFin den Kapitalmarkt nur im öffentlichen Interesse beaufsichtige und der einzelne Anleger keine Individualschutz ableiten könne. Dass die Sicherung individueller Ansprüche bei der Wahrnehmung der Kapitalmarktaufsicht nicht Aufgabe des Staates sei, hat dabei oftmals massiven Widerstand nach sich gezogen. Dieser Widerstand hat sich dabei häufig in erfolglosen Klagen gegen die Aufsicht entladen. So wurden im Rahmen von Rechtsstreiten nach der Insolvenz der Containerfirma P&R Anlegeransprüche durch das OLG Frankfurt verneint. Auch im Zuge der Wirecard-Affäre und dem schwierigen Agieren durch staatliche Behörden wurden zum einen wieder Rufe nach einer Modernisierung der Haftungssituation laut. Zum anderen sah sich die Bundesanstalt mit konkreten Klagen konfrontiert. Auch hier haben Gerichte gleichwohl wieder zugunsten staatlicher Stellen entschieden: Sowohl das Landgericht Frankfurt als auch das Oberlandesgericht Frankfurt verneinten Schadensersatzansprüche geschädigter Wirecard-Anleger.

Die Argumentation der Exekutive wie der Judikative ist dabei immer wieder dieselbe: Die Schutzrichtung staatlicher Aufsicht könne sich nur auf den Markt als Ganzes beziehen, Ansprüche privater Individuen und einzelner Firmen würden die Ausgangslage verkomplizieren. Ebenso kann man immer wieder lesen, dass in Anlegerschutzprozessen gegen die Aufsicht ein besseres Ergebnis bei rechtzeitigem Einschreiten gerade nicht nachgewiesen werden könne. Ausgeblendet wird dabei jedoch stets der Punkt, dass auch der Finanzmarkt – gerade die moderne, digitalisierte Form – auch nur eine Summe seiner Teile ist. Systemstabilität, Anlegerschutz sowie die Verhinderung von Marktversagen werden dabei auch durch Einzelne geltend gemacht. Ebenso bliebe es etwa dem Gesetzgeber unbenommen, eine von vielen als verfehlt wahrgenommene Rechtsprechung und Gesetzeslage zu korrigieren und entsprechende Änderungen in den das BaFin-Handeln regelnden Gesetzen durchzuführen. So könnte etwa debattiert werden, in besonders evidenten Fällen von nachlässigem Behördenverhalten die Anspruchsvoraussetzungen zu senken. Ebenso könnte die grundsätzlich zutreffende Aufgabenwahrnehmung im öffentlichen Interesse um Ausnahmetatbestände ergänzt werden, um verlorenes Vertrauen in den Staat zurückzugewinnen.

Es geht dabei nicht darum, einen weiteren Sündenbock oder möglichst lohnende Ziele für marodierende Anlegerschutzanwälte zu schaffen. Staatliche Aufsicht muss sich agil, mutig und ohne überzogene Angst vor Litigation-Repressalien bewegen können. Es geht vielmehr um die Incentivierung eines angemessenen Aufsichtsverhaltens durch die den Staat verkörpernden Beamten, das Fehlverhalten frühzeitig unterbindet aber gleichwohl einem modernen Kapitalmarkt durch eine Atmosphäre des konstruktiven Möglichmachens den Weg bereitet. Finanzaufseher müssen sich als Teil des Finanzmarktes verstehen, der eine wesentliche Grundlage für den Wohlstand des Landes, in dem auch sie leben, bildet. Eine so gedachte und gelebte moderne Auffassung von Aufsicht kann den Finanzstandort Deutschland auf einen Schlag wettbewerbsfähiger machen als alle staatlichen Finanzspritzen zusammen. Zu oft kam es in der Vergangenheit auf der einen Seite zu einem Mangel an Hartnäckigkeit gegenüber systemischen Fehlverhaltens, gleichzeitig aber der Gängelung von Unternehmen mit modernen Ansätzen auf der anderen Seite.

Inwieweit dabei die Auffassung, eine BaFin-Haftung käme quasi nie in Frage, in Zeiten stetiger Veränderung im Kapitalmarkt noch tragfähig ist, kann dahingestellt bleiben. Staatliche Stellen in der Bundesrepublik sind jedenfalls gut beraten, im sich zusammenbrauenden Sturm aus weiterer geopolitischer Volatilität und stetiger Verselbstständigung digitaler Sachverhalte derartige Entscheidungen gut abzusichern und die Auswirkungen auf einzelne Anleger intensiv zu bedenken.

Hagen Weiss Counsel Dentons Europe LLP

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