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Das neue Normal?

Baufinanzierungen bleiben auch 2023 ein schwieriges Thema. Von niedrigen Zinsen musste man sich unlängst verabschieden, Werte von 1 % wie im Januar 2022 sind jetzt unvorstellbar. Wer heute eine Immobilie finanzieren möchte, muss sich auf ein neues Zinsniveau einstellen – und zwar langfristig. Eine individuelle Beratung zum Thema ist und bleibt wichtiger denn je.

Nach einer regelrechten Achterbahnfahrt seit Beginn des letzten Jahres haben die Bauzinsen die 3 %-Marke konstant überschritten und scheinen bei Werten zwischen 3 bis 4 % zum Stehen zu kommen. Im Januar 2023 lag der repräsentative Bestzins laut Dr. Klein Privatkunden AG bei 3,44 %. Im März waren die Bauzinsen CHECK24 zufolge im Schnitt auf 3,31 % gesunken, nur um bis Ende

April in die nächste Runde zu starten und wieder auf Top-Werte zwischen 3,64 und 3,96 % (Dr. Klein) zu sausen. Die Dynamik bleibt hoch. Ob die Bauzinsen sich schon auf die nächste Fahrt einstellen oder doch bereit für eine Pause sind, ist nicht ganz klar. Robert Annabrunner, Leiter Drittvertrieb Deutschland, Privatkundenbank Deutschland, Deutsche Bank, ist sicher:

„Nach dem steilen Anstieg der Hypothekenzinsen im vergangenen Jahr wird Baugeld kaum noch teurer. Im Februar waren für Darlehen mit fünf- bis zehnjähriger Zinsbindung durchschnittlich 3,6 % zu zahlen, ein Plus von 0,1 Prozentpunkten gegenüber November. Wir erwarten, dass die Zinsen bis zum Jahresende ungefähr auf diesem Niveau bleiben werden.“ Dahingegen schließt Ines Schmidt, Spezialistin für Baufinanzierung bei Dr. Klein in Dresden, noch höhere Bauzinsen im Jahr 2023 nicht aus: „Ich erwarte einen leichten Anstieg der Baufinanzierungszinsen, begleitet von einer hohen Volatilität. Die Inflationsrate, insbesondere die Kerninflation, bleibt trotz bereits erfolgter Zinsanhebungen weiterhin deutlich zu hoch. Meiner Meinung nach ist noch nicht alles im aktuellen Zinsniveau vollständig eingepreist.“

Die anhaltend hohe Inflation, die Zinsschritte der EZB und die Entwicklungen der Bundesanleihen wirken sich neben den Zinsen auch auf die Immobilienpreise aus. „Der historische Zinsschock, den wir aktuell sehen, hat den Boom bei Immobilienpreisen beendet. Aber er hat nicht zu einem Einbruch der Preise geführt, sondern nur zu einer Preisdelle. Wir glauben deshalb, dass bei weiter hoher Inflationsrate auch die Immobilienpreise und die Mieten weiter steigen werden“, so Annabrunner. Er rechne langfristig mit attraktiven Renditen bei Immobilieninvestments. Allerdings hielten sich viele potenzielle Käufer in der aktuellen Situation immer noch zurück, weiß Schmidt. Viele warteten auf eine Stabilisierung des Zinsmarktes. „Das führt zu einem größeren Angebot, und Verkäufer sind vermehrt zu Preisverhandlungen bereit. Beim Neubau halten die immer noch hohen Bau- und Materialkosten sowie hohe Bodenwerte die Preise auf einem stabilen Niveau“, erläutert die Expertin. Laut CHECK24 lassen sich höhere monatliche Belastungen im Vergleich zur Niedrigzinsphase durch Preisrabatte sogar ausgleichen. In einer Beispielrechnung bedeutete ein Preisnachlass von mindestens 16 % beim Immobilienkauf eine identische Monatsrate bei einer Finanzierung zu aktuellen Konditionen im Vergleich zu einer Niedrigzins-Finanzierung im Vorjahr. Der Grund: Durch den geringeren Kaufpreis sank die Höhe des benötigten Darlehens.

Tilgung sinkt, Ausfälle sind nicht zu befürchten

Das neue Niveau der Bauzinsen wirkt sich insgesamt auch auf die Struktur von Baufinanzierungen aus. Seit dem Zinshoch im Oktober 2022 sank die durchschnittliche Tilgungsrate laut Dr. Klein. Vor Oktober 2022 lag sie durchschnittlich bei 2 % oder mehr, im März 2023 bei durchschnittlich 1,89 %. Mit dieser Entwicklung spiegeln die Standardraten die Dynamik der Zinsen wider. Darlehensnehmer versuchen so, monatliche Kosten zu senken. Aus dem gleichen Grund sind auch die Darlehenssummen geschrumpft. Ende März 2023 liegen sie im Schnitt unter 300.000 Euro. Weiterhin stabil bleibt allein der Beleihungsauslauf, denn lange Laufzeiten und Zinsbindungen wirken sich positiv auf die angebotenen Zinsen aus. Ines Schmidt erklärt: „Die Wahl der Zinsbindung hängt von individuellen Faktoren ab und wird sorgfältig mit den Kunden abgewogen. Lange Zinsbindungen eignen sich besonders für Sicherheitsorientierte.“ Annabrunner empfiehlt ganz klar eine Laufzeit von mindestens zehn Jahren. „Für sicherheitsorientierte Kunden dürfen es auch gerne 15 Jahre sein – zumal der Abstand bei den Konditionen aktuell zwischen zehn und 15 Jahren gering ist.“

Die meisten Darlehensnehmer warten aktuell auch bei der Anschlussfinanzierung lieber ab. So fiel ihr Anteil im März 2023 auf ein Rekordtief von 3,06 %. Annabrunner rät: „Es ist richtig und auch wichtig, sich frühzeitig vor Auslaufen des Darlehens zu informieren. Wie hoch sind die aktuellen Zinssätze? Wie sehen die Zinsprognosen der Fachleute aus? Lohnt sich der Abschluss eines Forward-Darlehens? Auch wenn die Prolongation erst in zwei oder drei Jahren ansteht, sollte man bereits verschiedene Angebote für die Anschlussfinanzierung einholen und in Ruhe vergleichen. Aber auch hier gilt: Die regelmäßige Information verbessert die Entscheidungsgrundlage. Ob man schon drei Jahre vorher ein Ablösedarlehen abschließt oder erst wenige Monate vor dem Auslaufen des Darlehens, ist von der Einschätzung der Zinsentwicklung und auch ein wenig von der persönlichen Risikobereitschaft abhängig.“ Trotz der Zurückhaltung sieht Schmidt auch kein systemisches Risiko im Zinsniveau und geht nicht davon aus, dass Menschen, die gerade vor einer Anschlussfinanzierung stehen, in Bedrängnis geraten werden. „Die Banken haben bei Vertragsabschluss eine höhere fiktive Annuität oder einen ‚Stresszins‘ berücksichtigt, um die Tragbarkeit der Finanzierung über die gesamte Laufzeit zu gewährleisten“, so die Dr. Klein-Spezialistin. Neues Zinsniveau, geringere Darlehenssummen bei mehr Eigenkapitaleinsatz, kleinere Tilgungsraten und lange Laufzeiten – das sind Baufinanzierungen 2023. Um dabei die beste Lösung zu finden, kommt es auf eine individuelle und bedarfsgerechte Beratung an. (lb)

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