der zweiten Lebenshälfte häufiger auf. Interessant ist dabei, dass vor allem Männer in akademischen Berufen öfters von Depressionen oder Burnout als Ursache betroffen sind als Männer in körperlich anstrengenden Berufen. Im Anfangsstadium dürfte das Risiko Psyche für die Versicherer schwer einzuschätzen sein. Wie also gehen sie damit um? Eva Kopp, Leiterin Service Leben der Dialog, sieht dies nicht als Problem: „Im Versicherungsantrag wird auch nach psychischen Erkrankungen gefragt. Detail-Informationen erhalten wir je nach Erkrankung oft über Fragebögen.“ Die psychischen Erkrankungen würden im Vergleich zu früher immer mehr an Schrecken verlieren, da die Erkrankungen immer genauer eingegrenzt werden könnten. Durch klar gestellte Diagnosen von Fachärzten sei es möglich, das Risiko zu benennen und individuell einzuschätzen. Auch Martin Gräfer, Vorstand der Bayerischen, zeigt sich selbstbewusst: „Für psychische Erkrankungen werden zwei internationale Klassifizierungssysteme verwendet: ICD-10 und DSM V. Mit Hilfe dieser Systeme ist es möglich, Erkrankungen eindeutig zu definieren und wichtige Aspekte und Risikofaktoren zu identifizieren.“ Die medizinischen Studien und Statistiken der letzten Jahre, die Auskunft zur Langzeitprognose von Krankheiten gäben, orientierten sich an diesen Klassifikationen. Zudem würden psychische Störungen in Formen mit leicht, mäßig und stark erhöhtem Risiko eingeteilt. Mithilfe von Fragebögen sei es möglich, eine Risikoeinschätzung zu treffen. Dr. Igor Radović, Direktor Produkt- und Vertriebsmanagement bei Canada Life Deutschland, verweist auf die übliche Risikoprüfung: „Wir behandeln dieses Risiko wie andere Erkrankungsbilder auch. In der Antragsprüfung fragen wir unsere BU-Interessenten, ob sie wegen Krankheiten oder Beschwerden der Psyche in den letzten fünf Jahren bei einem Arzt oder Psychotherapeuten zur Beratung, Behandlung, Untersuchung waren oder ob dies geplant ist.“ Als Beispiele führe man zur Verdeutlichung eine Angst-
Eva Kopp Leiterin Service Leben Dialog Lebensversicherungs-AG
Dr. Igor Radović Direktor Produkt- und Vertriebsmanagement Canada Life Deutschland
störung, Depression, Suizidversuche, eine Ess- oder psychosomatische Störung auf. Zudem frage man unter anderem auch, ob es Erschöpfungszustände im Sinne eines Burnouts gegeben habe. Man betrachte dabei jeden Fall individuell. Abhängig etwa von der Dauer und dem Schweregrad der jeweiligen Erkrankung, den Arbeitsunfähigkeitszeiten, der Behandlung oder auch dem Zeitraum seit den letzten Beschwerden, könne man in der Mehrzahl der Fälle den Interessenten Wege eröffnen, eine BU abzuschließen. Zum Beispiel bei Depressionen oder Neurosen, nach einem Suizidversuch oder abgeschlossenen Psychotherapien in der Krankenvorgeschichte. Hier erarbeite das Risikoprüfungs-Team eine individuelle Einschätzung. Im Ergebnis könne es zu einem Ausschluss der Psyche kommen, mitunter sei ein Risikozuschlag möglich. Günstigstenfalls seien aber auch normale Antragsannahmen denkbar. In einigen Fällen, bei Persönlichkeitsstörungen, Psychosen, ärztlich diagnostiziertem Burnout oder schweren Verlaufsformen anderer psychischer Erkrankungen sei leider die Ablehnung des BU Versicherungsschutzes notwendig.
urteilen, weil der jeweilige BU-Leistungsfall stets von den individuellen Einzelumständen abhängig ist. Man kann jedoch sagen, dass das Krankheitsstadium (leicht, mittelgradig oder schwer) Einfluss auf die Dauer der BU nimmt.“ Natürlich seien die Heilungschancen bei einer leichten depressiven Episode deutlich besser als bei vielen Krebserkrankungen oder bei einer fortgeschritten degenerativen Wirbelsäulenerkrankung. Es hänge also ganz konkret von der einzelnen Erkrankung ab. Auch eine Herausnahme aus einem potenziell konfliktbehafteten Umfeld bewirke zuweilen Wunder. An erster Stelle wäre hier das Burnout-Syndrom zu nennen. Auffallend sei aber, dass es bei psychischen Erkrankungen eine sehr hohe Rückfallquote gebe. Und wie sieht es mit Assistance-Leistungen aus? Kopp sagt: „Wir können unserem Kunden Assistance-Leistungen im Rahmen von Selfapy (www.selfapy.com) anbieten. Selfapy stellt Online-Therapien bei psychischen Belastungen zur Verfügung und wurde von der Charité durch wissenschaftliche Studien evaluiert und als wirksam befunden. Durch eine mit Technologie verbundene psychologische Beratung ermögliche man dem Kunden schnelle und flexible Hilfe. Laut Dr. Radović plant Canada Life noch einiges: „Wir sind noch immer ein relativ neuer Anbieter und fokussieren uns derzeit auf die umfassende interne Unterstützung im Leistungsfall. Assistance-Leistungen im klassischen Sinne bieten wir bei unserer BU noch nicht.“ Man beobachte jedoch den Markt und plane, sinnvolle Ökosysteme zu entwickeln, um die Unterstützung im Leistungsfall zu erweitern. Dazu würden dann auch Assistance-Leistungen gehören. (hdm)
Unterschiedliche Erfahrungen Wer allerdings denkt, dass die Dauer einer solchen BU tendenziell kürzer als bei anderen Erkrankungen ist, denkt falsch, wie Kopp erklärt: „Es ist zu beobachten, dass der durchschnittliche Leistungsbezug einer Berufsunfähigkeitsrente tendenziell länger ist als im Schnitt aller anderen Erkrankungen.“ Gräfer hat da andere Erfahrungen: „Dies lässt sich pauschal nicht be-
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