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Analyse der Finanzmärkte zum Halbjahr – Überholer und Bremser

Überholer und Bremser

Das laufende Jahr hält wieder einige Überraschungen für uns bereit. Die Inflation lässt grüßen. Investoren, die auf steigende Kurse an den internationalen Kapitalmärkten gesetzt haben, können beruhigt in die Hände klatschen. Der Rubel rollt sprichwörtlich. Doch wie so oft im Leben lohnt auch hier ein Blick auf einzelne Segmente. Wo geht die Post richtig ab, was hinkt hinterher? Rohstoffe boomen, ebenso wie einzelne europäische Aktienmärkte. Schlusslichter sind, bis auf wenige Ausnahmen, die sich entwickelnden Staaten.

Halbzeit an den Finanzmärkten. Zeit, um in die Rückspiegel zu schauen und zugleich einen Blick nach vorne zu werfen. Zweifellos ist das Thema der inflationären Entwicklung rund um den Globus überall präsent. Der zu fühlende Preisanstieg liegt wie Mehltau über dem Geschehen. Dessen ungeachtet ist die bisherige Entwicklung des laufenden Jahres mehr als zufriedenstellend. Der Motor läuft rund. Aktienfonds haben im Durchschnitt seit Jahresbeginn ein Plus von 14 % (Stand: 01.07.) erwirtschaftet. Der deutsche Aktienindex schwankt zum Start in das 2. Halbjahr um die 15.600 Zähler – ein nachhaltiger Ausbruch nach oben Richtung 16.000 Punkte ist indes noch nicht geglückt. Dennoch, auch mit deutschen Aktien ließ sich 2021 einiges erreichen.

Natürlich bleibt die Inflation auch über einen beliebigen Stichtag hinweg das große Rahmenthema. Und es hängt stark vom Wirtschaftszweig ab, ob ein Unternehmen in Erwartung steigender Inflation auch einen guten Schnitt macht. In diesem Zusammenhang ist eine Analyse aus dem Hause HQ-Trust sehr ausschlussreich. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass zyklische Sektoren sich bei steigenden Inflationserwartungen besser entwickeln als defensive Sektoren, die ihren jeweiligen Mehrwert eher in Phasen fallender Erwartungen ausspielen können. Besonders gut schnitten in den vergangenen 20 Jahren bei steigenden Inflationserwartungen Aktien aus den Bereichen Halbleiter, Hardware und Automobile ab. Dagegen blieben vier Sektoren in Zeiten steigender Inflationserwartungen im Schnitt deutlich hinter dem Markt zurück – Immobilien, Telekom, Einzelhandel und Energie, so die Experten von HQ Trust.

Zu den Gewinnern des laufenden Jahres zählen unzweifelhaft Industriemetalle und Agrarrohstoffe. Deren Notierungen haben sich in 2021 kräftig

verteuert. Aluminium und Kupfer sind hier beispielhaft zu nennen. Das hat natürlich etwas mit der anziehenden Konjunktur in weiten Teilen der Welt zu tun. Der Rohstoffhunger ist, so etwa in China, groß und muss gestillt werden. Auch die Nachfrage nach sogenannten „soft commodities“ wie Weizen oder Baumwolle ist überdurchschnittlich vorhanden. Ein knappes Angebot führt dann zu höheren Preisen. Autofahrer merken es an der Tanksäule, aber das Energiesegment ist seit geraumer Zeit im Aufwind begriffen. Der Ölpreis, vor noch nicht allzu langer Zeit quasi abgeschrieben und auf niedrigem Niveau dümpelnd, kletterte nun unaufhörlich auf mehr als 75 US-Dollar je Barrel. Angebot und Nachfrage bestimmen eben den Preis und Corona, respektive die Lieferengpässe, haben ihren Teil dazu beigetragen. Daneben ist es auch immer sinn- und ertragreich, einen regionalen Blick auf die Märkte zu werfen. Viel wird derzeit über die „Rückkehr Europas“ gesprochen. Lange Zeit stand der Kontinent im Schatten der großen USA, die insbesondere durch die Technologieführerschaft einsam ihre Kreise an der Spitze zogen. Aktien der russischen Föderation haben durch ihre Energieschwergewichte in den zurückliegenden Monaten gut performt. Auch kleinere Werte aus Zentral- und Osteuropa konnten sich über überdurchschnittliche Wertzuwächse freuen. Entsprechende Fonds kommen seit Jahresbeginn auf ein Plus von 25 %. Der Aktienfonds-Durchschnittswert liegt bei beschriebenen 14 %. Auch die nordischen Länder (Norwegen, Schweden und mit Abstrichen Finnland) haben den Markt rückblickend geschlagen. Das reiche skandinavische Land Norwegen fußt seinen generellen Wohlstand in erster Linie auf seine umfangreichen Erdöl- und Gasvorkommen. Die zwei wichtigsten Exportprodukte Öl und Gas hatten allein im Jahr 2019 einen Anteil an den Gesamtexporten in Höhe von insgesamt rund 55 %. Der europäische Raum als Ganzes hat bis dato mittelmäßig abgeliefert. Französische Aktien wie auch italienische Werte liegen etwas über dem Durchschnitt, der Rest in etwa auf Augenhöhe oder eher niedriger. So auch deutsche Aktienfonds, deren Performance rund 11,9 % zum Stichtag beträgt.

Welche Branchen oder regionalen Schwerpunkten hatten das Nachsehen? Interessanterweise, aber das passt zur Argumentation der HQ-Trust-Analyse, standen Biotechnologie- und Gesundheitswerte im 1. Halbjahr 2021 eher im Schatten. Defensive Sektoren haben folglich Nachholbedarf – ihre Wertentwicklung bei steigender Wirtschaftsleistung ist eher mittelmäßig. Aber als Basis in einem breit diversifizierten Portfolio machen auch diese Aktien mittel- bis langfristig durchaus Sinn. Mit Blick auf die unteren Tabellenplätze fällt auf, dass viele Schwellenländer-Aktienfonds keinen rosigen Start in 2021 erlebten. Ob Hongkong, Japan, Thailand, Südafrika oder kleinere asiatische Märkte, vielen weisen (teils überraschenderweise) negative Vorzeichen in der Analyse auf. Indonesische Aktien stehen ebenfalls deutlich im roten Bereich. Die „rote Laterne“ haben türkische Aktienfonds. Nach belastenden Äußerungen von Präsident Erdogan stand die türkische Lira an einem kritischen Punkt und erlitt einen Wertverfall. Vor allem Titel aus Schwellenländern sind in vielen Depots unterrepräsentiert. Fairerweise muss erwähnt werden, dass sich diese Märkte im kurzen Betrachtungszeitraum von sechs Monaten negativ entwickelten. Auf 1-Jahresssicht sieht das schon anders aus. Mit Blick auf das 2. Halbjahr gibt es denn auch mehrere Gründe, die den Schwellenländern sozusagen in die Hände spielen könnten. Da sind zunächst die ökonomischen Rahmenbedingungen, denn die Emerging Markets erweisen sich als Lokomotive für die Weltkonjunktur. Viele der aufstrebenden Länder, allen voran China, sind jetzt wieder auf der Überholspur. Aus vermeintlichen Verlierern werden Gewinner. Und möglicherweise umgekehrt. (ah)

„We create value“

Rainer Lemm, Alfred Schölzel (v.l.n.r.)

Im schönen Siegburg hat die assella GmbH ihren Sitz. finanzwelt bot sich die Gelegenheit eines Interviews mit den beiden Geschäftsführern Alfred Schölzel und Rainer Lemm zum Geschäftsmodell und drängenden Fragen der Zeit.

finanzwelt: Herr Schölzel, können Sie uns die assella GmbH etwas näherbringen? Alfred Schölzel» Sehr gerne. Meine Wurzeln liegen im Wealth Management, worin ich jahrzehntelange Erfahrung mitbringe. Nach einigen beruflichen Stationen habe ich vor nunmehr fünf Jahren die assella und die SOIF gegründet. Angefangen mit kleiner Belegschaft haben wir zwischenzeitlich ein Team mit 10 Mitarbeitern in Siegburg aufgebaut, das vor Ort seinesgleichen sucht. Im Fokus ist die ganzheitliche Vermögensverwaltung und -beratung. Der Kunde und seine Bedürfnisse stehen bei uns ganz klar im Mittelpunkt. Herr Rainer Lemm ist als zweiter Geschäftsführer im vergangenen Jahr dazugestoßen und bringt unter anderem fundiertes Know-how aus dem Portfoliomanagement mit. Mit der Bestellung eines weiteren Geschäftsführungsmitglieds und der zusätzlichen Stärkung im Vertrieb ist die assella GmbH für die Zukunft optimal aufgestellt.

finanzwelt: Herr Lemm, was reizt Sie im Besonderen bei assella? Rainer Lemm» Herr Schölzel und ich kennen uns seit vielen Jahren. 2020 bot sich mir die Gelegenheit, hier in die Geschäftsführung einzusteigen und die Gesellschaft mit ihren Assets und ihrem Know-how weiter voranzubringen. Die Chemie stimmt im Team. Gute Qualität verbunden mit einem hohen Serviceanspruch werden bei der assella großgeschrieben. Sicherlich ein hervorstechendes Merkmal, auch im Vergleich zu Wettbewerbern. Mit unserem Fondsangebot und den Services rund um das verbundene Family Office SOIF bieten wir ein hervorragendes Dienstleistungsspektrum. „We create value“ lautet dabei unser gemeinsames Motto.

finanzwelt: Dieser Tage beherrscht ein Thema die Gazetten – die anziehende Inflation. Haben wir es mit einer

vorübergehenden Preissteigerung zu tun oder wird die Inflation uns langfristig beschäftigen? Lemm» Tatsächlich dominiert das Thema Inflation die Kapitalmärkte. Die extrem expansive Geld- und Fiskalpolitik seit Beginn der Pandemie hat dabei zu einer gewollten Reflationierung der Weltwirtschaft geführt, die sich auch in steigenden Preisen äußert. Basiseffekte wie die Einführung einer CO2-Steuer in Deutschland oder explosionsartig ge-

stiegene Rohstoffpreise treten hinzu. Der Anstieg der Inflationserwartungen könnte sich nach meiner Einschätzung in den kommenden Monaten fortsetzen, zumal Inflation eben auch politisch gewünscht ist (im Sinne von schleichender Entschuldung der Staatshaushalte). Darauf gilt es, produktseitig gute, attraktive Lösungen bereitzuhalten.

finanzwelt: Vor diesem Hintergrund bleiben Aktien weiterhin sozusagen „alternativlos“? Schölzel» Alternativlos ist an dieser Stelle etwas überzeichnet. Sachwerte, zu denen auch Aktien zählen, sind im vorherrschenden Umfeld sicherlich eine gute, unverzichtbare Wahl im Portfolio. Anleger, ob institutionelle oder eben private, lechzen doch nach auskömmlicher Rendite. Durch das quasi Nichtvorhandensein von Zinsen kann es natürlich zu einer Fehlallokation von Aktien in eigentlich risikoaversen Depots kommen. Tritt dann eine nachhaltige Marktkorrektur ein, wenden sich womöglich einige Investoren wieder vom Kapitalmarkt ab. Sie verharren am Spielfeldrand. Dennoch, die positiven Aspekte eines Aktienengagements überwiegen, zumal in einem breit diversifizierten Portfolio. Dem Bonmot „Aus Sparer werden Anleger“ ist grundsätzlich beizupflichten. Und schauen Sie sich die Performances rückblickend an. Alles in allem verzeichneten die Kapitalmärkte für das 1. Halbjahr 2021 positive, zweistellige Zugewinne. Die Aktienmärkte notierten teilweise auf Allzeithochs und legten dementsprechend weiter zu. Vergleicht man die Aktienbewertung mit den Zinsen, fällt auf, dass die Risikoprämie weiterhin attraktiv erscheint. Das sollten sich Investoren weiter vor Augen führen.

finanzwelt: Bei den Aktien-Stilen war Value längere Zeit in den Hintergrund getreten. Growth dominierte. Wird Value ein tragendes Thema (beispielsweise auch für 2022) bleiben? Lemm» Die enorme und lange Growth-Outperformance hat bereits Anfang dieses Jahres ihr Ende gefunden. Dennoch wäre ein Abgesang verfrüht. Betrachtet man die ganz langfristigen Zyklen an den Aktienmärkten, stellt man fest, dass über weite Strecken der Value-Faktor dominierend war. Im aktuellen Zyklus hat Value bis Ende vergangenen Jahres sehr unterdurchschnittlich performt. Nun wurde bereits viel vom ‚Value-Comeback‘ geschrieben. Fakt ist sicherlich, dass die klassischen Substanzwerte auch nach dem guten 1. Halbjahr erhebliches Nachholpotenzial haben, das sich insbesondere bei möglicherweise steigenden Zinsen manifestieren könnte. Folglich bleibt Value durchaus ein Thema, das auch künftig und insbesondere für dividendenorientierte Anleger mehr Fahrt aufnimmt. Auf was kommt es letztlich an? Wichtig und entscheidend sind die Chancen bei qualitativ gut positionierten Unternehmen, die langfristig einen Mehrwert erzielen und ein nachhaltiges Geschäftsmodell führen. Auf der anderen Seite ist die Wachstumsstory des Technologiesektors weiter intakt, wenngleich es auch zu Überbewertungen in diesem Bereich kommt.

finanzwelt: Neben dem Mischfonds Assella Value Invest haben Sie im Mai 2020 den Assella Alpha Family aufgelegt. Können Sie uns die Investmentphilosophie etwas darlegen? Lemm» Selbstverständlich. Wir sind überzeugte Value-Investoren und bevorzugen daher substanzstarke Unternehmen mit robusten Geschäftsmodellen, soliden Bilanzen, niedriger Bewertung, hoher Ertragskraft und überdurchschnittlichem Free Cashflow, der verlässliche Dividenden zulässt. Den letzten Aspekt möchte ich gerne unterstreichen. Denn Dividende ist nicht gleich Dividende. Der schiere Blick auf die Dividendenhöhe respektive -rendite verkennt oftmals das Wesentliche. Woraus speisen sich die Ausschüttungen? Wie viel investiert ein Unternehmen in F&E? Insofern spielt die Kontinuität/Nachhaltigkeit bei der Dividendenbetrachtung eine große Rolle. Wichtig ist uns ferner, dass die Positionen des Fonds tendenziell gleichgewichtet werden und regelmäßig eine Adjustierung erfolgt. In den ersten sechs Monaten 2021 haben wir mit unserem Ansatz mehr als 16 % eingefahren; auf 1-Jahressicht sind es gute 34 %. (ah)

Es regnet wieder – gottlob!

Mit der Pandemie wurde der Rotstift bei den Dividenden angesetzt. Doch mit der allmählichen Erstarkung der Wirtschaft kehrt die Freude bei Aktionären und Unternehmen zurück. Die Hochs beim deutschen Aktienindex begeistern viele Investoren. Denn diese profitieren wiederum von ordentlichen Ausschüttungen. Dividenden liefern auskömmliche Einkommensströme. Damit können Sie im Gespräch punkten.

„US-Banken im Dividendenrausch“. So machte das Manager Magazin Ende Juni eine Meldung auf. Analysten gehen sogar davon aus, dass sich in den kommenden vier Quartalen die Summe der Ausschüttungen führender USFinanzinstitute jenseits der 100 Mrd. US-Dollar bewegen könnte. Astronomische Summen. Auch hierzulande und europaweit überwinden die Konzerne peu à peu die Rezession bzw. den Abschwung des vergangenen Jahres. Dividenden, seit sehr langem schon so etwas wie der neue Zins, sind ein Pfund. Damit fällt die Argumentation für Sie als Berater im Gespräch einfacher. Es ist der psychologische Aspekt der „Gutschrift“. Denn vermeintlich Sicheres, wenigstens für den Moment, lässt sich eben gut verkaufen. Da die Deutschen erwiesenermaßen eher risikoavers sind und den Gang an den Kapitalmarkt oft

Nikolas Kreuz Geschäftsführer INVIOS GmbH

Jane Shoemake Client Portfolio Manager Janus Henderson Investors

scheuen, ist der wiederkehrende Ertrag neben dem ausgeprägten Sicherheitsgedanken ein wichtiges Kriterium bei einer Investition. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld forciert entsprechend die Nachfrage nach Dividendenfonds. Doch ist das alles so einfach? Welche wesentlichen Aspekte entscheiden letztlich über die „richtige“ Dividendenstrategie? Ist es ausschließlich die Höhe der Ausschüttung? Erträge müssen natürlich auf ihre Nachhaltigkeit untersucht werden, denn nur in diesem Fall ist dieses Argument dauerhaft stimmig und überzeugend. Willkommen in der breit aufgestellten Welt der Dividendenzahler.

Dividendenhöhe ist nicht alles

„2020 zeigte, wie wichtig die Diversifizierung für Dividendenanleger ist, sowohl geografisch als auch nach Sektoren. Ein globaler, diversifizierter, aktiver Investmentansatz war im Jahr 2020 unumgänglich, um die Bereiche zu vermeiden, die am stärksten von Dividendenaussetzungen und -kürzungen betroffen waren“, bemerkt Jane Shoemake, Client Portfolio Manager im Global Equity Income Team bei Janus Henderson Investors. Mit Blick nach vorne kommentiert Rolf Kieckebusch, Vorstand KIRIX Vermögensverwaltung AG, dass das aktuelle Marktumfeld für ausschüttungsaffine Anleger eine besondere Herausforderung darstelle und spielt in diesem Zusammenhang auf die spendierfreudigen Notenbanken, hoch verschuldeten öffentlichen Haushalte und tolerierten inflationären Tendenzen ab. „Ein breit diversifiziertes, sinnvoll strukturiertes Dividendenportfolio mit qualitativ hochwertigen und krisenfesten Einzeltiteln kann bei entsprechender Risikoneigung Kompensation leisten und einem möglichen Kaufkraftverlust entgegenwirken“, so der Experte. Aktionäre dürfen, so diverse Marktmeinungen, rund 5 % mehr Dividenden als im Vorjahr erwarten. Fest steht, dass Sie generell gut beraten sind, neben der Ausschüttungshöhe auch andere Parameter in die Betrachtung mit einzubeziehen. So etwa die Dividendenrendite – also die Höhe der Gewinnausschüttungen in Relation zum Aktienkurs. Denn im Vergleich mit anderen Aktien weisen Dividendentitel im Schnitt eine geringere Volatilität auf. Die durchschnittlichen Dividendenrenditen der internationalen Indizes bewegen sich aktuell zwischen 2 % und 3,5 %. Das ist verglichen mit der Vergangenheit kein besonders hohes Niveau, aber in Anbetracht der Alternativen, wie festverzinsliche Papiere, ist das immer noch sehr ordentlich. In diesem Jahr zahlen insgesamt 21 von 30 DAX-Konzernen ihren Aktionären mehr Dividende als im Vorjahr aus. Lediglich Adidas, Continental und HeidelbergCement kürzen ihre Ausschüttungen. E.ON, BASF, Allianz, Munich Re und Bayer führen den Reigen der Dividendenrendite-Könige mit jeweils mehr als 4 % an. Defensive Sektoren stehen demnach oben in der Liste. „Wir glauben, dass sich die europäischen Märkte im Sweet Spot befinden, da sie dank der erfolgreichen Impfkampagne die Corona-Krise überwunden haben und gleichzeitig von den fiskalischen Maßnahmen in den Jahren 2021 und 2022 profitieren. Die Bewertungen bleiben attraktiv, insbesondere im Vergleich zum eher wachstumsorientierten US-Aktienmarkt. Innerhalb der Sektoren bieten die Banken der Eurozone ein erhebliches Potenzial für Dividendenwachstum im Jahr 2021, da die Bilanzen solide sind, die Kapitalquoten stark und die Banken die Krise mit einer guten Kostenkontrolle und steigenden Beiträgen aus dem Gebührengeschäft im Zuge der Konjunkturerholung gut gemeistert haben. Die Banken der Eurozone unterliegen noch bis Ende September 2021 der EZB-Dividendenbegrenzung. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr hoch, dass sie im 4. Quartal 2021 mehr an die Aktionäre ausschütten (Dividenden & Aktienrückkäufe)“, führt Nicolas Simar, Senior Portfolio Manager Euro & European High Dividend bei NN Investment Partners, aus. Dem aktuellen Janus Henderson Global Dividend Index (Mai 2021) ist zu entnehmen, dass die Dividendenausschüttungen im 1. Quartal so langsam wie seit einem Jahr nicht mehr zurückgingen. Insgesamt um 2,9 % auf 275,8 Mrd. US-Dollar, was einem Rückgang von nur 1,7 % entspräche (bereinigt um Sonderdividenden u. a.), so die Autoren. Der internationale Blick verrät, dass insbesondere Europa und Großbritannien prozentual im vergangenen Jahr überdurchschnittlich hoch von Dividendenkürzungen betroffen waren. Doch der Ausblick, speziell auf den europäischen Kontinent, verspricht eine satte Erholung.

Und nun haben Sie die Qual der Wahl des Investierens. Denn Dividendenfonds gibt es reichlich am Markt. Hoch im Kurs in der Beliebtheit ist beispielsweise der DWS Top Dividende, der es auf ein Fondsvolumen von knapp 18 Mrd. Euro bringt. Dabei handelt es sich um einen global anlegenden Dividendenfonds. Der Fidelity Global Dividend und der DJE – Dividende & Substanz sind neben anderen Fonds ebenfalls prominent vertreten. Wichtig ist tatsächlich ein Argument, das Nikolas Kreuz, Geschäftsführer INVIOS GmbH, bringt: „Die Regelmäßigkeit der Dividenden und ihr stetiges Wachstum sagen viel über die Qualität eines Unternehmens aus.“ In anderen Worten: Nicht allein die Höhe und die Dividendenrendite sind bei der Abwägung die entscheidenden Parameter; es treten vielmehr weitere (beispielsweise Nachhaltigkeit, Wachstum) hinzu. (ah)

Nicolas Simar

Senior Portfolio Manager NN Investment Partners

Rolf Kieckebusch

Vorstand KIRIX Vermögensverwaltung AG

Mediolanum International Funds Fondsboutiquen vs. Investment-Schwergewichte: Warum Boutiquen oft mit innovativen Ansätzen punkten

Diversifikation ist in der Kapitalanlage das große Schlagwort. Diversifiziert wird klassischerweise in unterschiedlichen Anlageklassen, Assets, Branchen und Regionen. Eine Diversifikationsebene wird dabei oft vergessen: das Fondsmanagement. Ein europäischer Asset-Manager, der diesen Ansatz seit 25 Jahren bis zur Perfektion verfeinert hat, ist Mediolanum International Funds Ltd. Ein Fonds ist nur so gut, wie sein Management – sagt Furio Pietribiasi, CEO von Mediolanum.

Der Multi-Manager-Ansatz des Investmenthauses setzt entweder auf Mandate an ausgesuchte Manager oder Dachfonds. Die unterschiedlichen Fähigkeiten der verschiedenen Manager werden in einem Fonds so kombiniert, dass sich die diversen Strategien je nach Marktphase untereinander ausgleichen. Mit diesem Ansatz werden alle Diversifikationsebenen genutzt, um in jeder Marktphase beste Ergebnisse zu erzielen. Die Auswahl des Fondsmanagements erfolgt dabei bei großen Fondsgesellschaften genauso, wie bei innovativen Investment-Boutiquen – nicht nur der Track-Record ist entscheidend. Fondsboutiquen bieten im Vergleich zu großen Investmenthäusern einige Vorteile:

1. Qualität der Anlageperformance:

Investmentboutiquen punkten oft mit erstklassiger

Performance und schlagen im 20-Jahres-Vergleich sowohl Nicht-Boutiquen als auch Indizes. Sie können zum Beispiel flexibler agieren und Kapazitäten und Liquidität besser managen als größere Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Fondsmanager oft auch Eigentümer der Firma sind und auch eigenes

Geld investieren. Damit decken sich die Interessen der Portfoliomanager und die der Kunden praktisch vollständig.

2. Kostenmanagement:

Durch die Partnerschaft mit Boutiquen besteht die

Möglichkeit, bereits frühzeitig in neue Anlagestrategien zu investieren und sich als „Early Bird“ so günstigere Konditionen zu sichern.

3. Stärkere Produktcharakterisierung:

Neue, noch relativ unbekannte Manager verfolgen oft innovative Ansätze, so dass Anleger frühzeitig von neuen Investment-Trends wie Technologie, Demografie oder Künstlicher Intelligenz profitieren können. Ein weiterer Vorteil von Boutiquen: Mit einem verwalteten Vermögen von rund 50 Mrd. Euro hat Mediolanum dort einen anderen Stand als bei großen Investmenthäusern. „Bei Unternehmen, die Billionen verwalten und zahlreiche Retail- wie institutionelle Kunden betreuen, heben wir uns kaum von anderen Klienten ab. Wichtig ist uns zudem, wettbewerbsfähige Konditionen auszuhandeln – was bei Boutiquen möglich ist“, sagt Pietribiasi.

Keine Überraschung also, dass sich ein Großteil des 45-köpfigen Investmentteams von Mediolanum damit beschäftigt, neue Fondsmanager zu identifizieren, die das eigene Portfolio ergänzen. Zum Beispiel die Boutiquen Cadence Investment Partners und Atlas Infrastructure. Cadence ist spezialisiert auf Investments im asiatischen Raum, während Atlas in börsennotierte, nachhaltige Infrastrukturunternehmen investiert. Pietribiasi: „Beide Firmen sind ausgesprochene Spezialisten mit einer beeindruckenden Erfolgsbilanz. Die Kooperationen sind das Ergebnis der umfangreichen Arbeit unseres Research-Teams. So sind wir in der Lage, unseren Kunden Zugang zu neuen Investmentkompetenzen und -strategien zu bieten, auf die sie sonst womöglich keinen Zugriff gehabt hätten.“

Perlentauchen: Von der Kunst, die richtigen Fondsmanager zu finden Bei der Auswahl verfolgt Mediolanum konsequent zwei Wege: den der Wissenschaft und den der Kunst. „Als Wissenschaft bezeichnen wir den quantitativen Ansatz. Die Kunst gilt bei

Furio Pietribiasi, CEO von Mediolanum

uns als der qualitative Ansatz“, erläutert Pietribiasi. „Folgt man allein der Wissenschaft, dann kauft man die Manager mit der besten Performance einer Kategorie. Damit landen aber alle Investoren in denselben Fonds. Das lässt sich bei Verkaufsschlagern gut beobachten. Wir wollen aber auch junge, unentdeckte Talente finden.“

Quantitative Analysephase In der quantitativen Phase analysiert Mediolanum die Investitionsentscheidungen von Managern, um ihre Anlagekompetenzen einzuschätzen. Diese Daten erlauben es dem Investmentteam, schnell erfolgreiche Strategien und vielversprechende Boutiquen zu identifizieren. Durch die datenbasierte Analyse kann zudem beurteilt werden, ob eine gute Performance tatsächlich auf die Investment-Expertise zurückzuführen ist oder ob auch eine gute Portion Glück im Spiel war. Darüber hinaus ermöglichen es die Daten, die Strategien mit denen von anderen Fondshäusern zu vergleichen. So kann Mediolanum die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale identifizieren. Durch die genaue Analyse wird sichergestellt, dass die betreffende Boutique die bestehende Multi-Manager-Palette des Unternehmens sinnvoll ergänzt.

Qualitative Analysephase Dabei geht es darum, die Erfolgshistorie eines Managers zu verifizieren. Dafür setzt sich Mediolanum intensiv mit den Managern auseinander, um ihre Geschichte zu verstehen und ihre Stärken und Kompetenzen zu beurteilen. Die Basis für den direkten Austausch sind die zuvor im quantitativen Prozess gewonnenen Informationen. Die Analyse stellt sicher, dass im Gespräch die richtigen Fragen gestellt und ausschlaggebende Fakten geprüft werden, um die Integrität und Qualität des betreffenden Boutique-Managers zu verifizieren.

Das Ziel von Mediolanum: Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll mindestens ein Drittel des gesamten extern verwalteten Vermögens an Boutiquen-Manager vergeben werden, um neue Strategien zu entwickeln und in bestehende zu investieren. „Unsere Flexibilität und solide Infrastruktur haben sich in der Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen Partnern bewährt, vom dynamischen, aus einem kleinen Team hervorgegangenen Start-up bis zur etablierten, wachstumsorientierten Organisation, die diverse leistungsstarke Investmentteams umfasst. Damit vermeiden wir eine Kommodifizierung, bei der sich immer mehr Lösungen im Markt auf Flaggschiffstrategien von großen Anbietern konzentrieren“, erläutert Pietribiasi. Diversifizierung ist das Thema über allem – auch und besonders beim Fondsmanagement.

Kontakt

Patriarch Multi-Manager GmbH Grüneburgweg 18 60322 Frankfurt am Main Tel. 069 / 715 89 900 info@patriarch-fonds.de

Raus aus der EU – sorry, Krise?!

Großbritannien hat zweifelsohne schwere Zeiten hinter sich. Vor etwas mehr als fünf Jahren kam es zur Kampfabstimmung über den Verbleib in der Europäischen Union. Eine knappe Mehrheit votierte für den Ausstieg. In der Folge stand die britische Wirtschaft immens unter Druck. Speziell der Finanzsektor und die City of London waren ein Garant für die Briten. Jüngst gab es wieder vereinzelt positive Anzeichen. Nachholbedarf besteht gegenüber britischen Aktien. Und vielleicht lassen diese für eine positive Überraschung im Depot sorgen. Ähnlich wie die Fußballspieler bei der diesjährigen Europameisterschaft. Die Insel hat so einiges in der letzten Zeit wegstecken müssen. In einem für den Außenstehenden ewigwährenden Gezänk zwischen EU und Großbritannien ist das ausgehandelte Handels- und Kooperationsabkommen letztlich zum 01.05.2021 in Kraft getreten. Eine weitreichende Entscheidung, die wohl, sehr emotional getrieben, den Briten mehr Nachteile einbringen wird als den Europäern. Aber „der Sturkopf“ hat auf der Insel Tradition. So liegt es auf der Hand, dass die Nachwehen des nun beschlossenen EU-Austritts für die Wirtschaftsbeziehungen weiterhin sehr spürbar sind. Laut ersten amtlichen Zahlen der britischen Statistikbehörde sind die britischen Exporte in die EU im Zeitraum von Dezember bis Januar um circa 40 %, die Importe um mehr als ein Viertel eingebrochen. Ein Fehlbetrag von mehreren Mrd. Pfund.

Brexit und COVID – zu viel für die Wirtschaft

Richard Colwell, Leiter britische Aktien bei Columbia Threadneedle, stellt in einer Analyse fest: „Investieren im Vereinigten Königreich kam einem im Jahr 2020 manchmal ein bisschen wie das Fußballerlebnis

Richard Colwell Leiter britische Aktien Columbia Threadneedle Investments

Kasper Elmgreen Leiter Bereich Aktien Amundi Asset Management

im vergangenen Jahr vor: Ohne Zuschauer war es wirklich ein einsames Spiel! Im März letzten Jahres gab die Pandemie der Lebensfreude, die die sich hinziehenden Brexit-Verhandlungen und die daraus resultierende Unsicherheit ohnehin bereits gedämpft hatten, den Rest. Die Anleger nahmen Reißaus und preisten wenig Hoffnung in die Aktienkurse ein. Nach dem Motto ‚Jetzt handeln, später fragen‘, dachten sie gar nicht daran, dass diese Unternehmen überleben könnten. So brachen britische Aktien um rund 20 % ein.“ Kasper Elmgreen, Leiter des Bereichs Aktien bei Amundi, fasst es folgendermaßen zusammen: „Die britische Wirtschaft erlitt eine stärkere wirtschaftliche Kontraktion als die meisten anderen, da sie infolge von COVID relativ starke Lockdown-Restriktionen hatte und die Wirtschaft stark auf Dienstleistungen und nicht auf die Produktion ausgerichtet ist. Dazu kommen noch die Störungen durch den Brexit.“ Tatsächlich peitschte der britischen Wirtschaft der Wind arg entgegen. Der Brexit ist die eine Sache; das verhaltene, teilweise unlogische und verharmlosende Handeln der Regierenden im Zuge der Pandemie ein anderer Aspekt. Spät reagierte Premier Johnson, verhing einen dritten Lockdown und initiierte die Impfkampagne noch vor der Jahreswende 2021. Mit Erfolg. Von einem Abstiegsrang gelang es Großbritannien, das Infektionsgeschehen (vorübergehend) stärker unter Kontrolle zu bekommen als auf dem alten Kontinent.

Gavin Launder Senior Fund Manager Legal & General Investment Management

Positive Signale – auch für den Aktienmarkt

Mit dem positiven Momentum zeichnete sich im Frühsommer eine vermeintliche Trendwende ab. Die Bank of England hob Anfang Mai 2021 ihre Prognose für das diesjährige Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) deutlich auf 7,25 % an. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für das laufenden Jahr mit einer kräftigen Erholung. Allerdings sollte man im Blick haben, dass die britische Wirtschaft, beispielsweise im Vergleich zur deutschen, zuvor fast doppelt so stark abgestürzt war. Die leichte Höhenluft könnte auch dem britischen Aktienmarkt neues Leben einhauchen. „Für britische Aktien besteht eindeutig Nachholbedarf – sie sind relativ attraktiv bewertet und insbesondere britische, binnenorientierte Aktien, die der Wiedereröffnung ausgesetzt sind, sind attraktiv“, so Amundi-Aktienexperte Elmgreen. Gavin Launder, Senior Fund Manager of the Legal & General Growth Trust and the Legal & General UK Select Equity Fund, verweist in diesem Kontext auf den Abschlag der britischen Aktien, mit denen diese im Vergleich zu europäischen und US-amerikanischen Titeln gehandelt werden. „Der FTSE 100 wird weitgehend bestimmt durch Großkonzerne der ‚alten Wirtschaft’. Das unterscheidet ihn beispielsweise zum technologielastigen, wenngleich auch teuren NASDAQIndex”, ergänzt LGIM-Seniorportfoliomanager Launder und erwähnt in diesem Zusammenhang die Chancen, die den britischen Mid Caps-Aktien zuzurechnen sind. Auch das britische Pfund hat infolge der fortschreitenden Impfkampagne gegenüber den Leitwährungen US-Dollar und dem Euro an Wert gewonnen. So stieg die britische Währung beispielsweise zur EU-Gemeinschaftswährung seit Jahresbeginn um 4,5 %. Noch vor knapp einem Jahr, mit der Angst eines harten Brexits im Nacken, geriet das Pfund ordentlich in den Abwärtsstrudel und wertete gegenüber dem Euro deutlich ab. Nun sind die Vorzeichen wieder besser; das dürfte auch der britischen Wirtschaft zugutekommen. „Der britische Aktienmarkt ist nach wie vor eine reichhaltige Fundgrube. In einigen besonders unter Druck geratenen Bereichen hat er sich kräftig erholt, doch unseres Erachtens gibt es immer noch ein großes Aufwärtspotenzial. Für uns als aktive Manager geht es nicht nur um die Erholung der Substanztitel oder die Inflationsgefahr, sondern um eine breitere Neubewertung von am britischen Aktienmarkt notierten britischen Unternehmen“, bilanziert CTIExperte Colwell. (ah)

Fazit

Es sind unzweifelhaft harte Brocken, die Großbritannien zu verarbeiten hat. Der Brexit und die Pandemie setzen der Insel zu. Da britische Aktien in der jüngeren Vergangenheit überdurchschnittlich abgestraft wurden, könnten sie nun selektiv auf die Gewinnerstraße zurückkehren. Ein langer Atem und viel Tee sind jedoch verpflichtend.

„Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt verstärken sich gar gegenseitig“

Biodiversität ist wichtig. Oftmals wird sie synonym zur Artenvielfalt verwendet. Zu Recht? finanzwelt bot sich die Gelegenheit eines Exklusivinterviews mit Kennern der Materie. Verena Kienel und Mathias Pianowski, beide stellvertretende Abteilungsleiter des Nachhaltigkeitsresearch bei ÖKOWORLD.

finanzwelt: Wir möchten heute über Biodiversität reden. Zunächst zur Einordnung – was lässt sich unter diesem Begriff subsumieren? Mathias Pianowski» Da treffen Sie einen wichtigen Punkt. Biodiversität wird nämlich oft mit Artenvielfalt gleichgesetzt. Doch das greift zu kurz. Die Millionen existierender Arten sind zweifelsohne wichtig, gleichwohl sind sie nur ein Teil der biologischen Vielfalt. Unter Biodiversität versteht man zu-

Verena Kienel dem auch die genetische Vielfalt innerhalb von Arten sowie die Vielfalt der Ökosysteme. Biodiversität ist unsere Lebensgrundlage. Wir können ohne diese Vielfalt des Lebens nicht existieren.

finanzwelt: Einverstanden. Und Sie würden sagen, dass es um die Biodiversität weltweit nicht gut bestellt ist? Pianowski» Absolut. Die Schäden an der Biosphäre gehören zu den planetaren Grenzen, bei denen wir schon längst im hohen Risiko sind. Wir haben die meisten der so genannten Aichi-Ziele zum internationalen Schutz der Biodiversität für die Jahre 2010-2020 weit verfehlt. Das letzte Jahrzehnt haben wir also wieder einmal verloren. Seit den 1970er Jahren haben wir die Wildtiere in Biomasse gesehen um zwei Drittel reduziert. Von allen Säugetieren, die heute an Land leben, sind nur noch 4 % Wildtiere. Das soll gut gehen? Auch um die Ökosysteme steht es nicht besser. Wir haben nur noch 34 wertvolle Hotspots auf der Welt. Da geht es auch um die Landfläche, auf der die Hälfte aller Pflanzenarten und drei Viertel aller Landwirkbeltierarten leben. 86 % dieser extrem wertvollen Orte haben wir bereits vernichtet. Auch für Deutschland stellt das Bundesamt für Naturschutz fest, dass drei Viertel aller Biotope gefährdet oder nicht mehr intakt sind.

finanzwelt: Welche Rolle messen Sie dabei dem Klimawandel bei? Pianowski» Klimawandel und Biodiversität bedingen sich wechselseitig. Ein Fünftel unserer Lunge der Erde, des Amazonas, haben wir bereits vernichtet, meist für Flächen zum Anbau von Futtermitteln. Durch diesen Verlust von Ökosystemen werden weniger Klimagase gebunden. Andersherum führt der Klimawandel dazu, dass die Meere wärmer werden und saurer. Wertvolle Korallenriffe bleichen aus und sterben ab. Das Great Barrier Reef beispielsweise trägt seine Ökosystemleistung schon im Namen. Zudem beherbergt es tausende seltene Arten. Das dürfen wir nicht verlieren. Während es beim Klimawandel um die Frage geht, wie wir in Zukunft leben, geht es bei der biologischen Vielfalt vielleicht bereits darum, ob wir noch leben werden. Die Öffentlichkeit muss das endlich wahrnehmen. Verena Kienel» Ganz genau – der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt verstärken sich gar gegenseitig. Zusätzlich zu den Auswirkungen des menschlichen

Mathias Pianowski

Eingreifens in die Natur, beispielsweise durch Abholzung, Intensivlandwirtschaft, Monokulturen, Übernutzung und Überfischung, Umweltzerstörung, Flächenversiegelung und weitere, ist die durch uns herbeigeführte Klimaerwärmung ganz klar ein weiterer fataler Faktor für die Biodiversität.

finanzwelt: Wie ist nun der konkrete Bezug zur Finanzwirtschaft? Kienel» Biodiversität ist fundamental und ein nicht zu unterschätzendes Risiko auch für die Welt- und Finanzwirtschaft. Anders gesagt – die Finanzmarktinstabilität steigt infolge des verschlechterten Zustandes der Biodiversität. Das ist mittlerweile, glaube ich, bei einigen wenigen Akteuren auch bereits angekommen, jedoch wird das Thema noch viel zu wenig in der Öffentlichkeit und Finanzwirtschaft diskutiert und vor allem noch nicht dementsprechend agiert. In diesem Kontext sind natürlich verschiedene Akteure wichtig. Zum einen die Unternehmen, die ihrerseits einen nennenswerten Beitrag dazu leisten können, dass entlang der Lieferkette die Ökosysteme geschützt werden. Dies ist natürlich umso wichtiger, wenn Unternehmen auf pflanzliche Rohstoffe angewiesen sind. Ferner die Finanzbranche an sich, die Projekte finanziert. Zu guter Letzt natürlich auch die Investoren, die durch ihre Investitionen und ihr Tun darlegen können, was ihnen wirklich wichtig ist, beispielsweise durch Investitionen in Unternehmen, die den Klimaschutz als auch den Schutz der Biodiversität vorantreiben. Hier spielen zum Beispiel auch Ausschlusskriterien und aktives Engagement mit Unternehmen eine Rolle. Wer ohne Bewusstsein und Gewissen mit seiner Geldanlage zum Schaden der genetischen und biologischen Artenvielfalt investiert, sägt auf dem Ast, auf dem wir alle sitzen.

finanzwelt: Und das führt uns zur Investmentphilosophie von ÖKOWORLD… Kienel» Einfach gesagt käme es uns nie in den Sinn, in Unternehmen zu investieren, die die Biodiversität sozusagen so degenerieren lassen und unvermindert Raubbau an der Natur und ihrer Ökosysteme betreiben. Seit mehr als vier Jahrzehnten bleibt ÖKOWORLD seinem Verständnis von globaler Verantwortung und Investieren treu. Ein Gremium unabhängiger Experten, der sogenannte Anlageausschuss, entscheidet für unseren bereits im Jahr 1996 aufgelegten ÖKOWORLD ÖKOVISION CLASSIC, welche der vom Fondsmanagement vorgeschlagenen und Research geprüften Zielunternehmen in das Anlageuniversum aufgenommen werden. Auch für unsere anderen Fonds wie ÖKOWORLD KLIMA, wenden wir einen strikt getrennten Investmentprozess an, so dass es keine Interessenskonflikte zwischen finanziellen und nachhaltigkeitsrelevanten Aspekten bei uns gibt. Nur aus dem durch vorherige Nachhaltigkeitsanalyse gefilterten Anlageuniversum darf das Fondsmanagement dann einzelne Unternehmen für ein Investment auswählen. Wir machen da keine Kompromisse. Stattdessen haben wir bei uns Unternehmen im Anlageuniversum, die pflanzliche Ernährungsprodukte herstellen oder sich durch eine ökologische und artgerechte Bewirtschaftung auszeichnen, wie beispielsweise die schweizerische Emmi AG. Auch die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern, die unter anderem den Schutz der Biodiversität und Artenvielfalt umfasst, spielt eine Rolle bei uns. Lobenswerte Beispiele sind die schwedische Svenska Cellulosa AB oder das brasilianische Unternehmen Duratex. Auch Unternehmen aus dem Immobilienbereich werden bei uns danach selektiert, ob sie den Erhalt der Ökosysteme bei ihren Projekten berücksichtigen.

finanzwelt: Mit Blick auf die „Biodiversitäts-Uhr” ist es… Pianowski» Schlag zwölf. Zeit, die richtigen Dinge zu tun. (ah)

Info

Das komplette Interview mit Fragen zur möglichen Umkehrbarkeit der abnehmenden Biodiversität und zum ökologischen Gleichgewicht lesen Sie online unter www.finanzwelt.de

Wirksamer Schutz vor Inflationsanstieg

Das Inflationsgespenst zieht seine Kreise. Ein vielschichtiges Thema, das für lange Zeit nahezu verschwunden schien. Die Preisspirale könnte sich nun, ausgelöst auch durch die Maßnahmen der Notenbanken rund um den Globus zur Eindämmung der Pandemie, weiterdrehen. Mit Nachwirkungen insbesondere für die Rentenmärkte. Inflationsindexierte Anleihen bieten einen geeigneten Schutz gegen die Inflation.

Schlagzeilen wie „Steigende Inflation muss sorgsam beobachtet werden“ oder auch „Kommt eine neue Ära der Inflation?“ geben in der Presselandschaft den Ton an. Kaum ein anderes Thema ist derart präsent. Und treibt die Gemüter um. Inflationsraten/Preissteigerungsraten jenseits der 2 % p. a. werden prognostiziert. Mehr noch. Einer Umfrage der Bank of America zufolge haben sich die Risikowahrnehmungen von Vermögensverwaltern auf dem Globus deutlich verändert. Nicht mehr das abklingende Corona-Virus wird sozusagen als Hauptbedrohung mit dem größten Risikopotenzial für die Finanzmärkte wahrgenommen, vielmehr wird die Inflation und deren künftiger Verlauf als Marktrisiko Nummer eins angesehen. Dabei schien die Preissteigerung doch nahezu besiegt – zumindest seit den 2000er Jahren. In den vergangenen zehn Jahren hat die Preissteigerung hierzulande nicht ein einziges Mal die Marke von 2 % überwunden. Insofern ist es fast schon verblüffend, dass es unterschwellig eine Angst gibt, die wenig bis nichts mit der Welt zu tun hat(te), in der wir bis dato lebten. „Die Hauptsorge der Märkte ist gegenwärtig, dass dieses Inflationsrisiko nicht nur vorübergehend besteht, sondern ein größeres strukturelles Problem beinhaltet. Daher ist der Wunsch nach strategischem ‚Inflationsschutz‘ gerade für Anleger, deren Verpflichtungsseite stark mit der Inflationsseite schwankt, von fundamentaler Bedeutung. Inflationsindexierte Anleihen bieten als einzige Vermögensanlage (auf lange Sicht) eine fast perfekte, direkte Absicherung gegen Inflation“, bemerkt Werner Krämer, Geschäftsführer & Economic Analyst bei Lazard Asset Management Deutschland. Sehr interessante Aspekte sind in diesem Kontext die Frage nach der Multikausalität und des Zeitfaktors. Alles nur vorübergehend? Fakt ist, die Weltgemeinschaft musste noch nie so massiv gegen einen volkswirtschaftlichen Absturz ankämpfen, wie in den vergangenen 15 Monaten. Die Zentralbanken haben innerhalb von wenigen Monaten Billionen US-Dollar in den Kapitalmarkt und die Realwirtschaft gepumpt. Zum einen steigen die Preise von Vermögensverwerten auf neue Rekordstände, zum anderen steigen die Lebenshaltungskosten. Zudem gibt es Sondereffekte wie die CO2-Abgabe und die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung. Nicht zu vernachlässigen wirken Anstiege der Rohstoffpreise. So notiert der Ölpreis gegenwärtig bei 75 USDollar.

Bremsspuren an den Rentenmärkten

Höhere Inflationserwartungen hinterlassen signifikante Spuren an den Rentenmärkten. Kursrückgänge sind zu befürchten. Auch die Erwartungshaltung vieler Marktteilnehmer, dass die Notenbanken mittelfristig die Liquidität aus den Märkten abzieht, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu vermeiden, kommt für die Rentenmärkte erschwerend hinzu. Investoren, die ihre Anlagen entsprechend inflationssicher machen wollen, stehen demzufolge vor keiner leichten Aufgabe. Was gilt es zu tun für Anleiheinvestoren? Das Thema Inflationsschutz sollte wieder mehr in

Dr. Sönke J. Siemßen

Head of Client Portfolio Management Nomura Asset Management Europe

Werner Krämer

Geschäftsführer & Economic Analyst Lazard Asset Management Deutschland

den Fokus der Analyse treten. „Inflationsindexierten Anleihen liegt das Ziel zugrunde, die Kaufkraft der Anleihen durch eine direkte Kopplung der Erträge an die Inflation während der gesamten Laufzeit zu sichern. Linker beinhalten daher zwei Formen der Vergütung: den zu Beginn der Laufzeit fixierten Realzins und zusätzlich einen Ausgleich für den Kaufkraftschwund, der sowohl die Kuponzahlungen als auch den Nominalbetrag der Anleihe schützt“, erläutert Geschäftsführer Krämer. Auch aus Performanceaspekten sind „Inflation Linked Bonds“ einen Blick wert, wie ihre Wertentwicklung insbesondere in den vergangenen Monaten belegt. Dr. Sönke J. Siemßen, Head of Client Portfolio Management bei Nomura Asset Management Europe, analysierte jüngst das Segment und zeigt sich auch für die Zukunft positiv gestimmt. „Inflationsindexierte Anleihen (ILB – Inflation Linked Bonds) haben sich seit Jahresanfang deutlich besser entwickelt als ihre nominalen Pendants. Der Welt-Index von Bloomberg Barclays erzielte (Stand 31.05.2021) einen Wertzuwachs von +0,8 %, während die Staatsanleihen von Deutschland und den USA 3,2 bzw. 3,5 % verlieren. Selbst die von Spreadeinengungen profitierenden Unternehmensanleihen bleiben dahinter zurück. Damit konnten Anleger mit einer Investition in den globalen ILB-Markt sowohl gegenüber den globalen nominal gehandelten Rentenmärkten als auch gegenüber den nominalen Anleihen einzelner Staaten einen deutlichen Mehrertrag erzielen“, so der Experte. Natürlich wachsen auch bei inflationsindexierten Anleihen die Erträge nicht in den Himmel. Das gibt das Umfeld gar nicht her. Inflation Linked Bonds sind aber in Zeiten sich beschleunigenden Wachstums und steigender Inflationsraten gegenüber normalen Staatsanleihen eindeutig zu präferieren. Die sogenannte Break-Even-Inflation gibt übrigens die Inflationsrate wieder, die über die Laufzeit eines Linkers verglichen mit einer Nominalanleihe gleicher Laufzeit im Durchschnitt auftreten muss, damit der Nominalertrag der beiden Anleihen am Ende gleich hoch ist. Insofern lässt sich sagen, dass ein Schutz gegen Preissteigerungen im Rentenbereich durchaus sinnvoll und möglich ist. (ah)

3,0 US breakeven inflation rates Per cent

Die Break-Even-Inflationsraten im US-Markt für unterschiedlichen Laufzeiten

3,0

2,5

2,0 2,5

2,0

1,5

1,0

0,5 1,5

1,0

0,5

0,0

2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 0,0

5 year, last 2,46 10 year, last 2,34 30 year, last 2,29

Kontinuität der Dividenden ist entscheidend

Nachdem im vergangenen Jahr Dividendenkürzungen die Szenerie beherrschten, geht es nun mit der zunehmenden Wirtschaftskraft bei den Ausschüttungen wieder aufwärts. Doch die schiere Fixierung auf die Dividendenhöhe sagt wenig aus, schildert Thomas Meier, Portfoliomanager des MainFirst – Global Dividend Stars und des MainFirst Euro Value Stars, im Redaktionsgespräch.

finanzwelt: Herr Meier, welche Lehren können Investoren aus 2020 hinsichtlich eines Dividenden-Investments ableiten? Thomas Meier» 2020 wird als das Jahr der Extreme in die Kapitalmarktgeschichte eingehen. Dem größten Rückgang seit Jahrzehnten, gefolgt von der stärksten und schnellsten wirtschaftlichen Erholung dank umfangreicher monetärer und fiskalischer Maßnahmen. Da die Unternehmensgewinne unter Druck gerieten, sahen sich viele Unternehmen gezwungen, ihre Ausschüttungen im Jahr 2020 zu kürzen, zu vertagen oder gar zu streichen. Die Quintessenz für die Anleger lautet, die Krise möglichst zu durchschauen und sich eben auf jene Dividendenwerte zu konzentrieren, die weniger oder nicht ins Schlingern geraten und per se wirtschaftlich gut aufgestellt sind. Diese Unternehmen trotzen dann auch stürmischen Börsenzeiten.

finanzwelt: Dividenden sind also wieder ein Thema? Meier» Ich glaube, dass Dividenden tendenziell unterschätzt werden. Gerade in Zeiten, in denen Festverzinsliche nahezu keine Zinsen bringen, sind Dividendentitel eine sehr gute Alternative zu Unternehmens- und Staatsanleihen. Unternehmen, die Dividenden ausschütten, haben meist eine gesunde Bilanz, viel Eigenkapital und generieren stabile Cashflows. Mit den positiven Zukunftsaussichten in Bezug auf attraktive, nachhaltige Dividendenwachstumsraten kann eine Dividendenstrategie als Basisinvestment sehr sinnstiftend sein.

finanzwelt: Anleger denken beim Thema Dividende oftmals und zuallererst an Aktien mit hohen Dividendenrenditen. Ein Trugschluss? Meier» Dieser Aspekt ist wichtig, reicht aber nicht aus. Allein auf hohe Renditen zu schielen, greift zu kurz und kann sogar kontraproduktiv sein. Mitunter sogar ein Warnzeichen. Investoren sollten auf die Nachhaltigkeit bzw. Kontinuität der Dividenden prüfen. Investieren die Unternehmen nicht ausreichend in neue Produkte oder Dienstleistungen können die Gewinn- und Dividendenaussichten darunter leiden.

finanzwelt: Welche Strategie verfolgen Sie beim MainFirst – Global Dividend Stars? Meier» Einerseits investieren wir in Mega- und Large-Caps, die aufgrund ihrer Wettbewerbsposition und stetiger Cashflows nachhaltige Dividendenzahlungen versprechen. Das ist sozusagen die Basis. Andererseits lenken wir unseren Fokus auch auf Small- und Mid-Caps, deren Wachstumsaussichten wir als überdurchschnittlich einstufen. Insofern macht‘s der Mix aus beiden Ansätzen, der uns auch von manchen Wettbewerbern im Markt unterscheidet.

finanzwelt: Dabei haben Sie besonders familiengeführte Unternehmen im Auge? Meier» In der Tat versprühen diese mittelständischen Unternehmen ihren besonderen Charme. Viele denken nicht in Quartalen, sondern planen für Generationen. Ziel ist, das Unternehmen gut aufgestellt an die nächste Generation zu übertragen und langfristig erfolgreich zu bleiben.

finanzwelt: Welche Beispiele fallen Ihnen hierzu ad hoc ein? Meier» Sixt ist hierzulande ein gutes Beispiel. Das Geschäftsmodell und die Wachstumsstory sind intakt. Auch das italienische Unternehmen Carel Industries überzeugt uns.

finanzwelt: Wie hat sich Ihr Fonds in den vergangenen Monaten geschlagen? Meier» Auf 1-Jahressicht liegen wir zum Stichtag 30.06. bei etwa 36 %. Die annualisierte Wertentwicklung seit Fondsauflage vor sechs Jahren beträgt knapp 8,3 %. Das kann sich durchaus sehen lassen. (ah)

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