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Offene Immobilienfonds – Den Wandel nutzen

Den Wandel nutzen

Die Corona-Krise sorgt für so manche Verwirbelung am Immobilienmarkt, was sich auch in der Portfolioallokation Offener Immobilienfonds niederschlägt. Eine vermeintlich aussterbende Assetklasse wird dabei aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

Auch die Höhenjagd hat mal klein angefangen: Das im Jahr 1885 fertiggestellte Home Insurance Building in Chicago gilt aufgrund seiner damals einmaligen Höhe von 42 Metern als erstes, modernes Hochhaus. Zugleich war es der Startschuss für eine radikale Veränderung für das Aussehen vieler Großstädte rund um den Globus: In zehn der weltweit elf Gebäude mit einer Höhe von aktuell mehr als 500 Metern ist Büro eine der Nutzungsarten. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist, dass sich inzwischen ein großer Teil der Arbeit im Büro abspielt, bzw. abspielte: Durch die Corona-Pandemie befinden sich viele Bürobeschäftige seit mittlerweile einem Jahr mehr oder weniger freiwillig im Homeoffice – weshalb immer wieder die Frage aufkommt, ob in Zukunft möglicherweise der Bedarf an Bürofläche deutlich zurückgehen wird. Diese Frage ist auch für Offene Immobilienfonds relevant, in deren Portfolio oftmals einen großen Teil ausmachen. „Sicherlich wird es eine Veränderung im Bürobereich geben. Das zukünftige Büro wird stärker ein sozialer Treffpunkt von Mitarbeitern sein“, prognostiziert Peter Windmeißer. Für den Leiter Portfoliomanagement Real Estate der KGAL Investment Management GmbH & Co. KG wird das Büro deshalb eine wichtige Rolle auf dem Immobilienmarkt spielen: „Wir sind überzeugt, dass sich gut angebundene Bürostandorte mit hervorragender Infrastruktur auch zukünftig einer hohen Nachfrage erfreuen. Dies beweist auch unser bisheriges Büroinvestment, das während der gesamten Lockdown-Phasen kei-

Mario Schüttauf

Fondsmanager hausInvest Commerz Real AG

nen Mietausfall verzeichnen musste.“ Auch Mario Schüttauf hält die teilweise schon geäußerten Abgesänge auf das Büro für verfrüht: „Die Nachfrage von Unternehmen gerade nach den hochwertigen und modernen Büroflächen in Top-Lagen, auf die der hausInvest setzt, wird weiterhin und auch langfristig groß sein. Daran ändert auch das an Bedeutung gewonnene Homeoffice nichts, wie diverse Studien und Umfragen zeigen“, so der Fondsmanager des von Commerz Real aufgelegten hausInvest.

Das aktuell dritthöchste Gebäude der Welt in natura zu sehen ist eine Frage des Glaubens – im wahrsten Sinne des Wortes: Das 601 Meter hohe Mecca Royal Clock Tower Hotel wurde errichtet, um Pilger zu beherbergen, die jedes Jahr zu Millionen in die Heilige Stadt des Islam kommen, Nichtmuslimen ist der Zutritt nach Mekka hingegen verboten. Auch in Europa sind normalerweise Millionen von Menschen unterwegs – sei es aus touristischen oder aus geschäftlichen Gründen. Jedoch zeigt Corona hier deutliche Auswirkungen, was Folgen für die Assetklasse der Hotelimmobilien hat. Claus P. Thomas glaubt aber nicht, dass diese von langer Dauer sein werden. So erwartet der CEO von BNP Paribas REIM Germany, dass sich trotz der pandemiebedingten Unterbrechung der Wachstumskurs in der Hotel- und Tourismusbranche in der Post-Corona-Zeit fortsetzen wird. „Die aktuelle Situation bietet dabei Chancen für antizyklische Investments, die wir für das Portfolio auch proaktiv genutzt haben“, so Thomas weiter. Ähnlich bewertet Mario Schüttauf die Situation dieser Assetklasse: „Für die Hotelbranche erwarten wir, dass sich der Markt – insbesondere im Longstay- und Mixed-Bereich – bis 2022/2023 vollständig erholen sollte und damit mittel- und langfristig attraktive Anlagechancen bietet. Entsprechend wird der hausInvest auch künftig in solchen Hotels investiert bleiben.“

Peter Windmeißer

Leiter Portfoliomanagement Immobilien KG Allgemeine Leasing GmbH & Co. (KGAL)

Trends werden verstärkt

Vom rückständigen Bauernstaat zur wirtschaftlichen Großmacht: In den vergangenen 40 Jahren hat China eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung hingelegt. Dieses ist auch an zahlreichen Orten wortwörtlich sichtbar: Gleich sieben Gebäude, die mehr als einen halben Kilometer in den Himmel ragen, befinden sich in der Volksrepublik. Das höchste Gebäude Chinas und das zweithöchste der Welt ist der Shanghai Tower, in dem sich u. a. auch ein Einkaufszentrum befindet. In Deutschland ist für Einkaufszentren der Blick hingegen eher nach unten denn nach oben gerichtet. Anders hingegen ein anderer Teil des Einzelhandels: Peter Windmeißer sieht den Nahversorgungssektor als Stabilitätsanker und Gewinner de Corona-Krise an, was auch positive Folgen für den von KGAL aufgelegten OIF ImmoSubstanz hatte. So hätten sich laut dem Fondsmanager in dieser Assetklasse Investitionsentscheidungen als krisensicher erwiesen. Die Veränderungen im Einzelhandel werden auch für die künftige Portfolioallokation des hausInvest eine Rolle spielen: „Der Anteil von Non-Food-Retail (derzeit 18 %) wird zwar perspektivisch tendenziell sinken, dafür werden aber die Quoten für Nahversorgung und Waren des täglichen Bedarfs (derzeit 9 %) sowie für Gesundheits- und medizinische Nutzungen (derzeit 3 %) ausgebaut“, erläutert Mario Schüttauf, demzufolge aber weniger Corona, als vielmehr langfristige Trends im Konsumverhalten und der Lebensweise der Menschen Treiber der Entwicklungen sind. Auch Claus P. Thomas sieht die Pandemie weniger als Auslöser der Veränderungen, sondern eher als Trendbeschleuniger. So hat der stationäre Non Food-Einzelhandel schon seit vielen Jahren mit der Konkurrenz durch den Online-Handel zu kämpfen und verlor durch die coronabedingten Schließungen von Geschäften des nichttäglichen Bedarfs weiter an Boden. Zu den Profiteuren des sich weiter verstärkenden Online-Handels gehört die Assetklasse Logistikimmobilien, in der es laut Peter Windmeißer aufgrund der hohen Nachfrage bereits erste Preisübertreibungen gibt. „Aus diesem Grund werden die bisher erfolgreiche und krisenfeste Investitionsstrategie konsequent fortführen“, so der KGAL-Manager, demzufolge auch die Assetklasse Wohnen derzeit stark nachgefragt ist. Möglicherweise gibt die Corona-Pandemie ja auch den Startschuss für ähnlich revolutionäre Veränderungen wie der Bau eines Gebäudes Ende des 19. Jahrhunderts. (ahu)

Claus P. Thomas

CEO BNP Paribas REIM Germany GmbH

Trends werden verstärkt

Die Corona-Krise hat sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Wirtschaft. Das hat auch Folgen für den Private Equity-Markt, wo nun Branchen noch mehr in den Fokus rücken, die bereits zuvor eine wichtige Rolle gespielt hatten.

Das Gesundheitssystem ist längst an seine Belastungsgrenze gelangt, in manchen Kliniken liegen sogar Patienten auf den Fluren: Das sind keine Szenen aus den Corona-Jahren 2020/21, sondern aus dem Winter 1969/70, als die Hongkong-Grippe in Deutschland grassierte und für schätzungsweise 40.000 Todesfälle alleine in Deutschland sorgte. Doch im Gegensatz zu jetzt fand das öffentliche Leben weiter statt – auch weil man sich einen Lockdown nicht leisten konnte: In prädigitaler Zeit waren sowohl Homeoffice als auch Homeschooling undenkbar und auch eine großflächige Schließung von Freizeitinstitutionen hätte in einer Zeit, in der es weder Internet noch ein mit dem heutigen Umfang vergleichbares Fernsehprogramm gab, wohl zu sozialem Unfrieden geführt. Anders hingegen bei der Corona-Pandemie, bei der durch Lockdowns zahlreiche Bereiche schwer in Mitleidenschaft gezogen werden: „Unternehmen im Konsumgüter- bzw. Freizeitsektor sind weiterhin zum Teil erheblich von den Einschränkungen im alltäglichen Leben und daraus resultierend negativen wirtschaftlichen Entwicklungen betroffen“, erläutert Dr. Werner Bauer. Dem Geschäftsführer der BVT-Kapitalverwaltungsgesellschaft derigo zufolge treffen die Corona-Probleme aber nicht alle Wirtschaftssektoren in gleichem Maße: „Dagegen konnten Unternehmen des Technologiesektors von dem in 2020 deutlich vorangetriebenen Wandel zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen sogar profitieren.“ Diese Veränderungen haben auch Folgen für die Private EquityInvestitionen im Hause BVT. „Unsere Private Equity-Fonds investieren als Dachfonds in institutionelle Zielfonds. Diese sind noch in der Investitionsphase. Bei künftigen Investitionsentscheidungen werden natürlich auch die Entwicklungen der Unternehmen während der gegenwärtigen CoronaPandemie einfließen. Der Technologiesektor rückt dabei fast automatisch noch stärker in den Fokus“, erläutert Dr. Bauer. Auch im Hause RWB gibt es aufgrund der aktuellen Umstände eine Verschiebung bezüglich der Branchenauswahl: „Technologie und Healthcare sind stark in den Fokus gerückt. Günstige Einstiegschancen bieten sich hingegen vor allem in Branchen, die in der Pandemie gelitten haben“, erläutert Norman Lemke, Vorstand der RWB Private Capital Emissionshaus AG. Weniger Umstellungen erfordern die aktuellen Umstände bei der MIG AG. „Die MIG-Fonds investieren seit vielen Jahren in Biotechnologie, digitale Gesundheit, künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Digitalisierung & IoT sowie Automatisierung & Robotik. Es handelt sich ausschließlich um Zukunftstechnologien und -branchen, die von einer Viruspandemie weitgehend unberührt bleiben. Es gibt daher keinen Anlass, unsere Portfoliostrategie zu ändern. Im Gegenteil: Wir sehen deutliche Anzeichen dafür, dass diese Branchen durch die enormen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in Zukunft noch viel wichtiger werden“, erklärt Dr. Matthias

Dr. Werner Bauer

Geschäftsführender Gesellschafter derigo GmbH & Co. KG

Norman Lemke

Vorstand RWB PrivateCapital Emissionshaus AG Dr. Matthias Kromayer Vorstand MIG Verwaltungs AG

Kromayer. Laut dem General Manager der MIG AG könnte das Venture Capital-Unternehmen sogar von der aktuellen Situation profitieren. „Das bestärkt uns in der Überzeugung, auch weiterhin auf nachhaltig bedeutende, oft dis-ruptive Technologien zu setzen. Unsere Portfoliounternehmen KONUX, IQM und andere werden sogar dazu beitragen, die Welt krisensicherer zu machen.“

Schon vorher ein Thema

Dass das Thema Digitalisierung in der Private Equity-Branche nicht nur durch Corona einen deutlichen Schub erfahren hat, macht ein Blick auf den Private Equity Outlooks von Roland Berger deutlich: Beim Report für das Jahr 2020 gaben 90 % der befragten Investoren an, dass sie für die Branche Technologie, Medien & Software einen hohen Anstieg erwarten würden – ein Sprung um 20 Prozentpunkte gegenüber der Vorjahresumfrage. Die Umfrage für den 2020er-Report wurde im Dezember 2019 durchgeführt – und vor dem Ausbruch der Pandemie. Auch der Bedeutungszuwachs im Bereich Pharma & Gesundheit ist nicht allein coronabedingt: Ende 2019 erwarteten 81 % der Studienteilnehmer einen hohen Anteil an PE-Transaktionen in diesem Bereich, ein Anstieg um neun Prozentpunkte gegenüber der Vorjahresbefragung. Während der Bereich Pharma & Gesundheit im Jahr 2021 mit 83,3 % leicht in der Investorenerwartung zulegen konnte, verlor der Bereich Digitalisierung leicht um 1,2 Prozentpunkte. Für Norman Lemke sind aktuelle Entwicklungen ohnehin nur ein Erfolgsfaktor für PE-Fonds. „Unabhängig vom Industriesektor liegt unser Augenmerk seit einigen Jahren auf operativ starken Private-Equity-Fondsmanagern. Sie sind mit ihrer Expertise und ihrem Know-how in der Lage, konjunkturelle und strukturelle Verwerfungen zu meistern und Geschäftsmodelle nachhaltig auf Erfolg auszurichten.“ (ahu)

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