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Umwandlungsverbot – Das rote Eigentor-Festival

Das rote Eigentor-Festival

Europa ist im EM-Fieber! Die Fans zittern mit ihren Teams, freuen sich über Führungen und bei fatalen Fehlpässen raufen sie sich die Haare. Das frustrierendste ist wohl ein Eigentor. Politisch gesehen hat die SPD schon vor Turnierstart den Ball ins eigene Netz gezimmert – mit dem „Umwandlungsverbot“ von Miet- in Eigentumswohnungen.

Genauer gesagt geht es nicht um ein komplettes Verbot, sondern um eine Bremse, die der Bundestag im Rahmen des Baulandmobilisierungsgesetzes am 7. Mai 2021 beschlossen hat. Doch die Liste der Fälle, in denen eine Genehmigung für eine Umwandlung erteilt werden müsste, ist lang. Gefühlt so lang wie die Liste der Italiener, die für ihre Schwalben- und Schauspielkunst einen Oscar verdient hätten. Also im Grunde ein Verbot mit ein paar Ausnahmen. Wenn der Bundesrat das Gesetz wie geplant am 28. Mai verabschiedet (stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest), tritt es in Kraft und gilt zunächst befristet bis zum 31.12.2025.

Entspricht nicht dem Feindbild

Die Umwandlungsbremse soll dann in allen Gebieten greifen, in denen der Wohnungsmarkt als angespannt gilt. Welche Gebiete das sind, sollen die Landesregierungen mit begründeten Rechtsverordnungen bestimmen dürfen. Mit diesem Instrument will die SPD die Verdrängung angestammter Mieter in Ballungsräumen stoppen. Die Sozialdemokraten argumentieren, dass sich die Mieter umgewandelter Wohnungen oftmals die hohen Kaufpreise nicht leisten können und somit ausziehen müssen. Viele CDU-Bundestagsabgeordnete lehnen die Umwandlungsbremse ab. Zu den engagiertesten Kritikern zählt der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dr. JanMarco Luczak. Aus seiner Sicht wird andersherum ein Schuh draus: Statt zu verhindern, dass mehr Eigentumswohnungen auf den Markt kämen, müsste

es auch Menschen mit mittlerem Einkommen erleichtert werden, Wohneigentum zu erwerben. Spannend, denn Luczak setzt sich als ausgewiesener Mietrechtsexperte der Christdemokraten gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit in diesem Bereich ein und hat die bundesweite Mietpreisbremse mitgestaltet. Ein typischer Feind der Mieter sieht anders aus.

Vielleicht argumentiert er einfach nur logisch. Eins steht jedenfalls so fest wie die Wände der Wohnungen, um die es hier geht: Wer besitzt, kann nicht verdrängt werden. Ein weiterer Vorteil von Immobilien: Sie eignen sich gut als Altersvorsorge. „Letztlich sollte es das Ziel des Staates sein, die Eigentumsquote für Immobilien und damit ein geeignetes Altersvorsorgeprodukt in diesem Land zu fördern, indem wir Steuerbelastungen für private Anleger reduzieren“, findet Sebastian Engel, Chief Sales Officer (CSO) von Alpha Real Estate. Für Engel liegen die Qualitäten von Immobilien als Renten-Absicherung gerade jetzt auf der Hand. Die Pandemie habe die deutsche Wirtschaft im letzten Jahr stark gebeutelt. „Laut des statistischen Bundesamtes ist sie im Jahr 2020 um knapp 5 % eingebrochen“, so der CSO von Alpha Real Estate. „Im Gegensatz dazu haben sich Wohnimmobilien in der Bundesrepublik innerhalb des Sachwertevermögens, wie in den vergangenen Jahren auch, erneut als Stabilitätsanker erwiesen.“ Dazu verweist er auf die von Ernst & Young publizierte Studie „Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2021“.

Rote Eigentore

Gerade vor diesem Hintergrund findet es Andreas Schrobback erschreckend, auf welch niedrigem Niveau sich die Wohneigentumsquote in Deutschland befindet, nämlich nur rund 50 %. Die Bundesrepublik liege somit am untersten europäischen Rand, weit hinter Ländern wie Italien und Portugal mit mehr als 70 %, vergleicht der Gründer und CEO der AS Unternehmensgruppe. Die neue Regelung verschlimmere die Lage nur noch. „Das Aufteilungs- und Umwandlungsverbot wird zur weiteren Verknappung von entsprechenden Angeboten führen und dementsprechend zu einem nächsten Preistreiber werden“, so der Immobilienunternehmer. Also ein klassisches Eigentor der Sozialdemokraten. Wir erinnern uns nämlich: Gerade weil sich die Mieter umgewandelter Wohnungen die Kaufpreise oft schon jetzt nicht mehr leisten können, hat die SPD ja die Umwandlungsbremse eingebracht. Leider nicht der erste Schuss der vermeintlichen Arbeiterpartei, der nach hinten losgegangen ist. In diese Kategorie fällt auch der vor kurzem gekippte Berliner Mietendeckel. Statt den Mietern zu helfen hat der Deckel vor allem eines bewirkt: Rechtsunsicherheit und in vielen Fällen Mietnachzahlungen, die unzählige Haushalte in finanzielle Schieflage gebracht haben.

Sebastian Engel

Chief Sales Officer (CSO) Alpha Real Estate Group

Ein bizarres Bild

Im Zusammenhang mit der Umwandlungsbremse gewinnt eine Beobachtung besonders an Brisanz: in Berlin stieg die Zahl der Umwandlungen laut Gutachtenausschuss Grundstückswerte Berlin von rund 12.700 in 2019 sprunghaft auf 18.800 in 2020 – dem Jahr des Mietendeckels. Rekordhoch! Für den Tagesspiegel liegt dieser explosionsartige Anstieg u. a. daran, dass Vermieter die Mietdeckelung umgehen wollten. Es ergibt sich also folgendes Bild: Der Mietendeckel, die Herzensangelegenheit der SPD, führte offenbar zu einem Rekordhoch an Umwandlungen, die laut SPD-Logik die Verdrängung von angestammten Mietern zur Folge hat. Das wiederum soll durch die Umwandlungsbremse der SPD gestoppt werden, die laut Experten wie Schrobback allerdings zu noch höheren Kaufpreisen führen wird. Letztlich können es sich also noch weniger Mieter leisten, mit Immobilien Altersvorsorge zu betreiben und sich durch Besitz vor Verdrängung zu schützen.

Zusammengefasst führt ein sozialdemokratischer Eingriff in den Markt zum nächsten – immer mit dem Gegenteil des gewünschten Effekts als Resultat. Für Schrobback hat diese Art von Politik nichts mit Lösungsorientiertheit zu tun, sondern sie sei vor allem wahl- und ideologiegetrieben. „Das nun beschlossene Umwandlungsverbot verbaut den Weg ins Eigentum und ist ein rein populistisches und kurzsichtiges Regelwerk“, resümiert der Chef der AS Unternehmensgruppe. In Richtung Berliner Senat findet er drastische Worte: „Von der aktuellen Regierung in Berlin werden, aus klientel- und wählerpolitischen Gründen, Angst- und Feindbilder gerade zu befeuert, die – nachweislich – schlichtweg unwahr sind und statistisch in keiner Weise belegt werden können.“ Wer mit dem Umwandlungsverbot die großen Immobilienkonzerne treffen möchte, der schadet vor allem Menschen aus der Mittelschicht. Schrobback, dessen Unternehmen genau im ideologisch aufgeheizten Berlin seinen Hauptsitz hat, verrät uns, wer in der Bundeshauptstadt umgewandelte Wohnungen von ihm kauft: „Wir haben fast ausschließlich Kleinanleger und Käufer aus der Mittelschicht. Für sie ist das Umwandlungsverbot ein Schlag ins Gesicht.“ Und für die Sozialdemokraten ist es mal wieder ein ideologisches Eigentor. Wie für den Berliner Immobilien-Unternehmer eine tatsächlich wirksame Lösung aussieht? „Nur durch mehr Wohnungsbau würde sich die Lage entspannen und Themen wie Gentrifizierung und steigende Mieten wären obsolet.“ (sh)

Andreas Schrobback

Geschäftsführer AS Unternehmensgruppe GmbH

NEWS

Rekordjahr – auch dank BioNTech

Für die MIG AG war das Jahr 2020 das erfolgreichste der bisherigen Unternehmensgeschichte. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war die Beteilung des VC-Investors an BioNTech: Die Anleger mehrerer MIG-Fonds, die in das Biotechunternehmen investieren, erhielten aufgrund von Aktienverkäufen eine Rekordausschüttung von insgesamt 600 Mio. Euro. Insgesamt haben die MIG Fonds bislang ca. 900 Mio. Euro an ihre Anleger ausgeschüttet. Zum Jahresende investierten die MIG Fonds mit knapp 600 Mio. Euro in mehr als 40 vielversprechende Unternehmen. Im Jahr 2020 kamen vier neue Beteiligungen hinzu.

Wie Sie neue Gewohnheiten etablieren und weiterentwickeln können, erfahren Sie in diesem Video.

DVAG ist Champion

Die Deutsche Vermögensberatung hat in einer repräsentativen Online-Befragung des F.A.Z.-Instituts, der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) und des 2HMforums die höchste FanQuote erzielt und zählt damit zu „Deutschlands Kundenchampions“. Dabei konnte der Frankfurter Finanzvertrieb in allen untersuchten Bereichen Bestwerte erzielen und belegt im Vergleich zu ähnlich großen Unternehmen über alle Branchen hinweg die Spitzenposition. Als „Fans“ werden solche Kunden bezeichnet, die sich mit dem Unternehmen emotional verbunden fühlen und deshalb dessen Produkte ehrlich weiterempfehlen.

Sales-Tipp

Neue Gewohnheiten für mehr Vertriebserfolg – Business geht heute anders

Nichts lässt sich schwerer ändern als lieb gewonnene Gewohnheiten. Gewohnheiten geben uns Sicherheit, Orientierung und sorgen für Schnelligkeit.

Doch: Wer macht, was er immer macht, wird auch immer das bekommen, was er schon immer bekommen hat. Wenn Sie immer dasselbe machen, gibt es kein Wachstum. Wenn Sie Wachstum wollen, müssen Sie Ihre Gewohnheiten überprüfen und verändern.

Es geht nicht darum, Muster und Routinen um ihrer selbst willen zu brechen. Es geht darum, den eigenen Erfolg, den Erfolg der Vertriebsorganisation und damit des Unternehmens zu sichern. Manchmal genügt es, das Vorhandene neu zu denken. Denn es gibt die bewährten Strategien und Methoden, die zu den gesetzten Vertriebszielen führen.

Doch in Zeiten, in denen die Krise das einzig Beständige zu sein scheint, sollten sie Altbewährtes überprüfen und möglicherweise auf den Kopf stellen. Zukunftsgestaltung im Vertrieb beginnt bei Ihnen: mit Ihrem Willen zur ständigen Reflexion aller Prozesse, Maßnahmen und Gewohnheiten.

Andreas Buhr Unternehmer, Redner und Autor www.andreas-buhr.com

Ex-HDI-Chef tödlich verunglückt

Ende April ist Christian Hinsch bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Er kam im Jahr 1984 zur HDI und hatte dort seit 1996 mehrere Vorstandspositionen inne. So war er zwischen 2000 und 2010 Vorstandsvorsitzender der HDI International Holding AG. Zwischen 2009 und 2019 war er stellvertretender Vorstandsvorsitzender und im HDI V.a.G. für den Geschäftsbereich Industrieversicherung weltweit verantwortlich.

Christian Hinsch

Volz-Abschied bei Commerz Real

Gabriele Volz Nach nicht einmal fünf Monaten an der Unternehmensspitze hat Gabriele Volz „aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Führung und die künftige Ausrichtung“ Commerz Real Ende April wieder verlassen. Ihr Nachfolger wurde Hennig Koch, der ein Jahr zuvor im Unternehmensvorstand die Verantwortung für Transactions und Asset Management übernommen hatte.

Jungmakler-Award geht auf Zielgerade

Bis zum 30. Juni haben junge Makler noch die Möglichkeit, sich für den Jungmakler Award anzumelden, der in diesem Jahr zum elften Mal vergeben wird. Den Gewinnern winken Geldpreise in Höhe von insgesamt 18.000 Euro sowie Bildungsgutscheine von der Deutschen Makler Akademie, dem CAMPUS INSTITUT und dem Institut Ritter.

Bewerbungen sind unter folgendem QR-Code möglich.

Termin für MMM-Messe steht

Vorausgesetzt die Corona-Auflagen lassen es zu, wird am 7. Oktober die MMM-Messe stattfinden. Auf eine kurzfristige digitale Ausrichtung ihrer Hausmesse, wie im vergangenen Jahr geschehen, wird die Fonds Finanz verzichten. Auch die im Herbst traditionell vom Münchner Maklerpool veranstaltete Hauptstadtmesse wird es in diesem Jahr nicht geben.

Deutlich weniger Elementarschäden als prognostiziert

Wie aus dem Naturgefahrenreport des GDV hervorgeht, schlugen Sturm, Hagel und Co. bei Deutschlands Elementarschadensversichern im vergangenen Jahr mit 1,95 Mrd. Euro zu Buche, deutlich weniger als die zuvor prognostizierten 3,8 Mrd. Euro. Pro 1.000 Sachversicherungsverträgen gab es im Bundesdurchschnitt 22 Schadensmeldungen. Den relativ höchsten Anteil hatte das Saarland mit 54,9 Meldungen pro 1.000 Verträge, den niedrigsten Berlin mit 3,4 Meldungen.

Übertrieben optimistisch?

Ufuk Boydak, Vorstandsvorsitzender Fondsmanagement LOYS AG Peer Reichelt, Vorstand Netfonds AG Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege Fidelity International

Ufuk Boydak Erinnern wir uns. Vor einem Jahr wurde der Corona-Crash im rasanten Tempo ausgebügelt. Entsprechend hoch stehen die Bewertungen an den Aktienmärkten. Der deutsche Aktienindex hat seit Jahresbeginn deutlich zugelegt, notiert um die 15.500 Punkte. Gleichzeitig mangelt es offensichtlich weiter an Alternativen. Das spräche für weiter steigende Kurse. Doch wie groß ist die Euphorie für das 2. Halbjahr? Welche regionalen und sektoralen Schwerpunkte sollten Ihre Kunden im Blick haben? Damit befasste sich eine finanzweltExpertenrunde Anfang Mai 2021.

finanzwelt: Meine Herren, welche Erwartungen hegen Sie für die Entwicklung der internationalen Aktienmärkte in den kommenden Monaten? Carsten Roemheld» Nach einer sehr positiven Phase für die Aktienmärkte wird die Luft inzwischen merklich dünner. Das wird auch daran deutlich, dass Aktien, die die Gewinnprognosen deutlich übertreffen, nicht mehr mit Kursgewinnen belohnt werden, wie jüngst in den USA zu beobachten war. Auch in Europa findet das in kleinerem Umfang statt. Viele Sentiment-Indikatoren sind an oder nahe euphorischen Levels. Das erschwert weitere deutliche Kursanstiege. Peer Reichelt» Ich bin ausgesprochen optimistisch, was die 2. Jahreshälfte angeht. Es ist davon auszugehen, dass COVID-19 ab dem Sommer mehr und mehr in den Hintergrund treten wird, begleitet von einem kräftigen Konjunkturaufschwung. Zusätzlich für eine positive Entwicklung an den Märkten vor allem hierzulande spricht, dass die Deutschen im vergangenen Jahr

» Wir erleben ja derzeit eine Art Neu-Definition von Value-Aktien, die im Grunde den Gedanken von Werthaltigkeit verwässert. Viele Titel erfüllen derzeit noch die breiten oder unspezifizierten Value-Kriterien von niedrigen Multiplikatoren. 2021 ist wie gesagt ein Turnaround Jahr, dass zunächst viele zurückgebliebene Aktien an der Börse begünstigt. «

nun tatsächlich endlich die Aktie für sich entdeckt zu haben scheinen und viele neue, auch junge Trader unterwegs sind. Und etwa die Zykliker, für die Europa eher steht, 2021 doch schon recht gut aus der Hüfte gekommen sind. Und selbst in Bereichen wie den US-Technologiewerten, von denen es heißt, sie seien zu hoch bewertet oder bereits heiß gelaufen, gilt: Das sind Plattformen mit ungeheurem Wachstumspotenzial. Natürlich gilt das nicht für alle Assetklassen.

finanzwelt: Herr Boydak, Volatilität war in der Vergangenheit nicht so ein großes Thema. Werden wir im laufenden Jahr und angesichts der Kursstände wieder Phasen erhöhter Volatilität erleben? Ufuk Boydak» Ja, das wird mit Sicherheit so sein. Die Normalisierung ist paradoxerweise gefährlich. Die starke geldpolitische Unterstützung schlägt jetzt voll auf Konjunktur- und Unternehmensdaten durch. Das ist einerseits gut, weil wir damit wieder Wachstumsperspektiven schaffen. Andererseits lassen sich die jetzt außergewöhnlich hohen prozentualen Zuwächse nächstes Jahr kaum wiederholen. Insofern verfolge ich die laufende Erholung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Der Aktienmarkt hat sich an die hohe Liquiditätsversorgung der Notenbanken gewöhnt. Wenn sich diese Situation mal ändert, dann wird es sicher wieder volatiler. Reichelt» Dem stimme ich grundsätzlich zu. Aber egal ob fortgesetztes Niedrigzinsregime, Rückschläge im Kampf gegen COVID-19 oder geopolitische Risiken: Diese Szenarien können

» Da ist an allererster Stelle das Thema ESG zu nennen, das seit Jahresbeginn noch einmal merklich Fahrt aufgenommen hat. Immer mehr Anleger verlangen von sich aus nach Produkten, die neben der finanziellen Rendite auch einen Mehrwert in ökologischer oder sozialer Form erwirtschaften. «

die Märkte vielleicht kurzfristig verschrecken und in Korrekturen zwingen, insgesamt dürfte der Trend aber intakt bleiben. Zunehmend positive Nachrichten über Erfolge im Kampf gegen COVID-19 im Jahresverlauf könnten da sogar stützend wirken. Die größte Gefahr für Schockwellen an den Märkten geht für mich eher von geopolitischen Risiken aus, wie eine erneute Eskalation in der Ukraine oder zwischen China und Taiwan mit den USA als Schutzmacht. Immerhin ist mit Joe Biden dort nun wieder jemand im Weißen Haus, der professionelle Außenpolitik betreibt.

finanzwelt: Herr Roemheld, mit Blick auf das weltweite Geschehen – sehen Sie ein asiatisches Jahrzehnt im Kommen mit China als zentralem Player? Roemheld» Wenn man die globale Wachstumsdynamik und die demografischen Trends genauer analysiert, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass die kommende Dekade wesentlich von der Entwicklung in Asien geprägt sein wird. Über einen hohen Anteil am weltweiten Konsum und einer immer größer werdenden, sehr vermögenden Mittelschicht verlagern sich die Gewichte langsam vom Westen in den Osten. China ist dabei der bestimmende Faktor und sorgt über regionale Handelsbeziehungen für eine immer stärker werdenden Unabhängigkeit Asiens gegenüber dem Westen. In vielen Indizes ist diese Entwicklung noch nicht reflektiert, daher plädiere ich stark für einen höheren Portfolioanteil asiatischer Papiere.

finanzwelt: Lange Zeit machten ausschließlich Wachstumsaktien (Growth) die Pace; Value stand im Abseits. Nun ist Value wieder verstärkt in den Fokus der Anleger gerückt. Bleibt es ein tragendes Thema? Boydak» Wir erleben ja derzeit eine Art Neu-Definition von Value-Aktien, die im Grunde den Gedanken von Werthaltigkeit verwässert. Viele Titel erfüllen derzeit noch die breiten oder unspezifizierten Value-Kriterien von niedrigen Multiplikatoren. 2021 ist wie gesagt ein Turnaround-Jahr, dass zunächst viele zurückgebliebene Aktien an der Börse begünstigt. Aber damit stellen sich auch sogenannte Value-Fallen bei Unternehmen, deren Geschäftsmodelle strukturell nicht tragen können. Daher wird im laufenden Aufschwung das Stockpicking zunehmend wichtiger. Aber grundsätzlich sehe ich nach sehr schwierigen Jahren eine Normalisierung, die dem wertorientierten Investieren zu einer Renaissance verhilft. Roemheld» Betrachtet man die ganz langfristigen Zyklen an den Aktienmärkten, stellt man fest, dass über weite Strecken der ‚Value‘-Faktor dominiert hat. Das war insbesondere in Pha

» Wenn man die globale Wachstumsdynamik und die demografischen Trends genauer analysiert, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass die kommende Dekade wesentlich von der Entwicklung in Asien geprägt sein wird. «

Carsten Roemheld

sen der Fall, die von steigenden Zinsen begleitet waren. In diesem aktuellen Zyklus jedenfalls hat ‚Value‘ sehr unterdurchschnittlich performt. Selbst in der jüngsten Erholungsphase haben zyklische Titel das Geschehen klar dominiert und sowohl ‚Growth‘ als auch ‚Value‘ in den Schatten gestellt. Die klassischen Substanzwerte haben hier erhebliches Nachholpotenzial, das sich insbesondere bei steigenden Zinsen manifestieren wird, daher bleibt Value durchaus ein Thema, das mehr Fahrt aufnehmen könnte.

finanzwelt: Viel wird über Megatrends thematisiert. Welche Investmentlösungen sind derzeit sehr nachgefragt? Reichelt» Da ist an allererster Stelle das Thema ESG zu nennen, das seit Jahresbeginn noch einmal merklich Fahrt aufgenommen hat. Immer mehr Anleger verlangen von sich aus nach Produkten, die neben der finanziellen Rendite auch einen Mehrwert in ökologischer oder sozialer Form erwirtschaften. Außerdem gefragt sind selbstverständlich attraktive Geldparkplätze, die im Niedrigzinsumfeld Renditen über Geldmarkt bei hoher Sicherheit und Stabilität bieten wie der Rücklagenfonds von BPM. Roemheld» Wir sehen ein deutliches Interesse an Lösungen, die asiatische Anlagen betreffen. Im Unterschied zu vorherigen Krisen haben einige Schwellenländer die Pandemie schneller und effektiver bekämpft als die USA und Europa, obwohl dort insgesamt weniger fiskalpolitische Unterstützung erfolgt als in den USA oder Europa. Thematisch geprägte Investments, sei es im Bereich Technologie, Innovation, Klimawandel oder Nachhaltigkeit, spielen weiterhin eine große Rolle für unsere Kunden. Im Anleihebereich sucht man nach Ersatz für Staatsanleihen der entwickelten Regionen, um sowohl Stabilität im Portfolio zu erhalten als auch die erwartete Rendite nach oben zu bringen. Ein Ersatz für Cash ist nach wie vor ebenfalls von großem Interesse. Weiterhin werden immer stärker Anlagen mit nachhaltigem Investmentansatz nachgefragt. Hier spielen die regulatorischen Vorgaben eine wesentliche Rolle. Boydak» Aus meiner Beobachtung heraus würde ich sagen, es gibt geradezu eine obsessive Fokussierung; soll heißen, es werden immer stärker spezialisierte Fonds nachgefragt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den ‚Most recent Winners‘, also Aktien aus Technologienischen. Das widerspricht völlig dem eigentlichen Fondsgedanken der Diversifikation. Anleger richten ihren Tunnelblick hier nur auf die mögliche Rendite. Ich gebe zu bedenken, dass eine Trendumkehr erfahrungsgemäß unter hoher Volatilität stattfindet. Es macht für den langfristigen Vermögensaufbau mehr Sinn, auf Streuung und stetige Wertsteigerung zu setzen.

finanzwelt: Bei diesen Kursständen fragen sich Anleger natürlich auch, ob aktives Management zwecks Renditeerzielung erfolgversprechender ist. Zu Recht? Boydak» Es könnte sogar sein, dass gerade 2021 aktives Management entscheidend wird. In den großen Leitindizes beobachten wir eine Gewichtskonzentration auf immer weniger Titel. Wer sich hauptsächlich an der Zusammensetzung führender Börsenindizes orientiert, verzichtet also zunehmend auf Diversifikation. Hinzu kommt, dass die Bewertung dieser Indexschwergewichte bereits auf Rekordständen ist. Das macht es unwahrscheinlicher, hier noch überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir in diesem Jahr mit aktivem Stockpicking erfolgreicher sein werden. Roemheld» Die Pandemie hat zu einem noch nie dagewesenen Aufgebot an geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen geführt, die den Abwärtssog an den Kapitalmärkten in Rekordgeschwindigkeit durchbrochen haben. Die Liquiditätsflut hat dann alle Anlageklassen beflügelt. In der ersten Phase haben besonders die Sektoren profitiert, die dem Motto ‚Stay-at-Home‘ am besten entsprochen haben; seit der Ankündigung der Impfstoffe im November sind es eher die ‚Wiedereröffnungs-Aktien‘. Nach meinem Dafürhalten werden sich im Laufe der nächsten Monate die besten Renditen eher mit einer gezielten Einzelwertauswahl erzielen lassen als mit einem reinen Index-Engagement. Von mir also ein klares Votum für eine aktive Anlagestrategie. (ah)

Veränderte Konsummuster

Asiatische kleine und mittelgroße Unternehmen bieten hohe Wachstumschancen. Davon ist Raymond Wong, Fondsmanager des UBS Equity Asian Smaller Companies Fund, überzeugt. Im finanzwelt-Interview verweist er auf die Gründe für den unaufhaltsamen Aufstieg Asiens im globalen Kontext und geht auf die Investmentphilosophie des Fonds ein.

finanzwelt: Inwiefern ist Asien, auch nach der Krise, mehr denn je zuvor das Kraftzentrum des globalen Wachstums? Raymond Wong» Asien ist gut durch die COVID-19 Pandemie gekommen und wird 2021 und 2022 stärker wachsen als die USA und die EU. Laut Internationalem Währungsfonds ist der Anteil Asiens an der globalen Wirtschaftsleistung von 2000 bis 2021 von 31 % auf 44,6 % gestiegen und soll 2025 bei 47 % liegen. Die Region verfügt über fundamentale Merkmale, die für die kommenden Jahre bessere Wachstumsperspektiven als in den entwickelten Teilen der Welt versprechen. Dazu zählt erstens eine schneller wachsende Erwerbsbevölkerung als in den USA und der EU. Zweitens sind zunehmend Innovationen aus Asien zu erwarten. Drittens bilden geschätzte 2,7 Milliarden Internetnutzer eine sehr große Kundenbasis für E-CommerceFirmen, aber auch ein enormes Testgebiet für neue Konzepte und Geschäftsmodelle. Viertens verschieben sich mit steigenden Einkommen die Nachfragetrends. Bain & Company prognostiziert, dass Asien bis 2025 seinen Anteil an den globalen Ausgaben für Luxusgüter auf 63 bis 69 % ausbaut.

finanzwelt: Viele bringen den asiatischen Kontinent und speziell China in Verbindung mit den Mega-Playern der Plattformökonomie. Ihr Fokus sind jedoch kleine und mittelgroße Unternehmen. Sind diese das Rückgrat des Wachstums? Wong» Große Konzerne wie Alibaba und Tencent erhalten zu Recht viel Aufmerksamkeit. Für Chinas Wachstum sind aber vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) verantwortlich. Auch in der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) sind KMU die Wachstums- und Innovationslokomotiven. Sie stellen 97 % der Unternehmen und beschäftigen mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen. Ihr Anteil am BIP liegt in den meisten APEC-Volkswirtschaften zwischen 40 und 60 %.

finanzwelt: Können Sie uns Ihre Investmentphilosophie darlegen? Wong» Wir investieren in Unternehmen überdurchschnittlicher Qualität mit gutem Wachstumspotenzial und attraktiver Bewertung. Unser researchgetriebener Bottom-up Investmentprozess verfolgt keinen speziellen Anlagestil. Wir investieren ausschließlich in Unternehmen, deren Geschäftsmodelle wir verstehen und deren Management wir vertrauen. Management, Qualität, Integrität und Transparenz sind genauso wichtig wie die Zahlen. Zudem müssen die Geschäftsmodelle finanziell nachhaltig sein.

finanzwelt: Eine erstarkende Mittelschicht konsumiert mehr. Finden Sie somit speziell im Konsumbereich viele attraktiv bewertete Titel? Wong» Die sich verändernden Konsummuster sind einer der vorherrschenden Trends in der Region. Mit zunehmendem Wohlstand verschiebt sich das Interesse, weg von Gütern des täglichen Bedarfs, hin zu langlebigeren Gütern und Dienstleistungen. Zudem sehen wir eine Nachfrageverlagerung zu hochwertigeren Marken, sowohl im Nahrungsmittel- und Körperpflegebereich als auch bei preisintensiveren Produktkategorien wie Autos und Bildung.

finanzwelt: Wie ist es um die Volatilität des Fonds bestellt? Wong» Der Nebenwerte-Index MSCI Asia ex Japan SMID weist im langfristigen Rückblick ein geringeres Risiko auf als der MSCI Asia ex Japan, der vor allem große Firmen umfasst. Unser Asian Smaller Companies Fonds wies bislang ein geringeres Risiko und gleichzeitig höhere Erträge als beide Indizes auf. Wir führen dies auf unseren Fokus auf Qualitätsunternehmen zurück. (ah)

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