Furios 27 - Körper

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FURIOS 27

Toxische Selbstliebe Speckrollen, Wachstumsstreifen und Problemzonen einfach lieben? Und dazu lächelnd ein Foto posten? Social-Media-Trends bestimmen Art, Weise und Tempo unserer Körperwahrnehmung. Ein Kommentar.

des eigenen Körpers stattfindet, ist ›Love yourself‹ begegnet uns als ein Privileg. Das ›SelbstliebepaHashtag, als plakativer Spruch in ket‹ kommt für diese Menschen Videos und in allen erdenklichen – zwanghaft positiv verpackt – Farbkombinationen auf Pinteper Expressversand. rest. Aber was, wenn der eigene Körper nicht geliebt werden Body positive zu sein, bedeutet kann oder zumindest nicht alles für viele Druck. Die Body-Neutralidaran? Wenn man wieder vor dem ty-Bewegung wählt daher einen anSpiegel steht und die vermeintlichen deren Ansatz. Ihr Fokus liegt darauf, Problemzonen hervorstechen, über den Selbstwert nicht von Äußerlichkeidie auch die bunten, positiven Sprüche ©Illustration: Laura von Welczeck ten abhängig zu machen. Wir alle haben nicht hinwegtrösten? Die Body-Positivieigene, individuelle Körperformen und werty-Bewegung lebt uns vor, dass es so einden nie so aussehen wie Influencer*innen und fach sei, seinen Körper zu lieben. Viele traModels – selbst wenn wir alle exakt denselben gen ihr scheinbar gestärktes Selbstbewusstsein Trainings- und Essensplan verfolgen würden. Und das wie eine neue, gut sitzende Jeans. Diese erzwungene ist völlig in Ordnung. Es scheint nicht nur leichter, sondern auch Selbstliebe kann genauso schnell ins Toxische umschlagen wie gänwichtiger, unseren Körper erst einmal anzunehmen. Gerade in einer gige Schönheitsideale. Gesellschaft, die uns stets vorlebt, dass man seine Röllchen am Bauch nicht – oder der Body-Positivity-Bewegung folgend ganz beSocial-Media-Posts, in denen Speckrollen gezeigt und gezielt in Szesonders – zu lieben hat. ne gesetzt werden, sollen empowern. Auf der Tagesordnung steht nicht mehr, den Bauch einzuziehen, sondern – im Gegenteil – ihn zu Body neutral zu sein, kann also helfen, unser Körpergefühl und unsezelebrieren, mit all seinen Fettpolstern. Diese Posts kommen oft von re Körperwahrnehmung zu verbessern. Natürlich geht es aber auch cis Frauen, die dem westlichen Schönheitsideal entsprechen und dehier wieder um die Herstellung eines Selbstbewusstseins, doch ren Problemzonen verschwinden, sobald sie wieder geradestehen. diesmal durch Akzeptanz. Unser Körper trägt uns durch die Welt, Im Grundgedanken will die Body-Positivity-Bewegung Raum und begleitet uns Tag für Tag, ist unser ganz persönliches SchneckenAkzeptanz für Körper schaffen, die nicht den westlichen Schönhaus. Am ehesten werden wir ihm gerecht, wenn wir ihn dankbar heitsidealen entsprechen. Dieses Konzept entstand aus dem fat hinnehmen. acceptance Movement der 60er-Jahre in den USA, wo auf eine systeSo wie sich die Bewegungen verändern, zu Trends werden – die matische Diskriminierung mehrgewichtiger Menschen aufmerksam wie Schlaghosen kommen und gehen –, so rapide verändern sich gemacht wurde: Personen, die bei Bewerbungen abgelehnt werden, Schönheitsideale. Es ist, soll und kann nicht unsere Aufgabe sein, keine passende Kleidergröße im Laden vorfinden und ihre mutmaßauf eine zwanghafte Weise mitzuhalten. Wir dürfen lernen, unseren lich minderwertigen Körper nicht lieben dürfen. An der Spitze dieKörper zu akzeptieren und ihn mit der Zeit vielleicht auch zu lieben. ser Bewegung standen vor allem Schwarze FLINTA*, während die In unserem eigenen Tempo und nicht, wie es Social-Media-Trends Posts auf Instagram heute von normschönen weißen Nutzer*innen vorgeben. kommen. Der Hashtag verliert somit die Essenz der Bewegung und marginalisierte Gruppen werden weiter in den Hintergrund gedrängt. Probleme mit der eigenen Körperwahrnehmung sollen weißen, schlanken und trainierten Menschen nicht abgesprochen werden. Aber viele, die an dieser Bewegung teilnehmen und sich bedenkenlos die positiven Sprüche an ihr Pinterest-Board pinnen, übersehen ihre privilegierte Position. Sich ausschließlich auf die eigene Körperwahrnehmung zu konzentrieren, obwohl keine gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen und keine systematische Diskriminierung

Lucie Schrage liebt ihren Körper an einigen Tagen und akzeptiert ihn an anderen.

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