20130622 Artikel in den Dolomiten zum FUEN Kongress

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- Samstag/Sonntag, 22./23. Juni 2013

Südtirol 19

Ab September sollen Unterschriften gesammelt werden BRIXEN. Die Europäische Bürgerinitiative der FUEV soll Anfang Juli registriert werden. Die EU-Kommission hat zwei Monate Zeit, sie zu prüfen. Ab September werden Unterschriften gesammelt – ein Jahr lang. Von

Vorteil für den Erfolg dürfte sein, dass mitten in dieser Zeitspanne, Ende Mai 2014 die Wahlen zum Europaparlament stattfinden. Den weiteren Weg der Initiative wird bereits die neue EU-Kommission bestimmen. ©

ZAHLEN UND DATEN Die Europäische Bürgerinitiative 1.000.000 Unterschriften sind zu sammeln, ein Bürgerausschuss aus 7 Personen muss die Initiative registrieren lassen, in 7 Staaten muss gesammelt werden, in jedem dieser Staaten muss eine Mindestzahl erreicht werden, in Italien sind mindestens 54.750 Stimmen zu sammeln, 1 Jahr lang wird gesammelt. ©

HINTERGRUND Das Bürgerkomitee

Eine bunte Botschaft für Brüssel BRIXEN. Der Wind stand günstig: Er blies die Luftballons nach Norden, Richtung Brüssel. Mit sich nahmen sie symbolisch die Botschaft, die Europäische Union möge endlich den nationalen Minderheiten die ihnen zustehende Aufmerksamkeit widmen. Mit einer bunten Feier brachte die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen ihre Europäische Bürgerinitiative „Du bist nicht allein. Eine Million Unterschriften für die Vielfalt in Europa“ auf den Weg. Im Bild (von links) FUEV-Präsident Hans Heinrich Hansen, Generalsekretär Jan Diedrichsen, Landeshauptmann Luis Durnwalder, der Präsident des Dachverbandes der Ungarn in Rumänien, Hunor Kelemen, FUEV-Vizepräsidentin Martha Stocker, dahinter SVPEuropaparlamentarier Herbert Dorfmann. ©

FUEV-PRÄSIDENT BRIXEN. Eine Europäische Bürgerinitiative darf nicht von politischen Parteien vorangetrieben werden, dazu muss ein Bürgerkomitee gebildet werden. Im Falle des „Minority Safe Pack“ der FUEV sind dies Landeshauptmann Luis Durnwalder (im Bild mit FUEV-Generalsekretär Jan Diedrichsen), Karl-Heinz Lambertz, der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Anke Spoorendonk, Ministerin für Justiz, Kultur und Europa in Schleswig-Holstein, Hunor Kelemen, der Präsident des Ungarn-Dachverbandes RMDSz in Rumänien, FUEVPräsident Hans Heinrich Hansen, Jannewietske De Vries, Ministerin der Provinz Westfriesland (Niederlande) und Valentin Inzko, Vorsitzender des Rates der Kärntner Slowenen und Beauftragter der Vereinten Nationen für Bosnien und Herzegowina. ©

Keine Bürgerinitiative zu Selbstbestimmung BRIXEN. Selbstbestimmung über eine Europäische Bürgerinitiative erreichen? Dies will ein Netzwerk europäischer Minderheitenbewegungen (ICEC), dem die Süd-Tiroler Freiheit angehört. Allerdings ist eine Bürgerinitiative über Selbstbestimmung nicht zulässig. Dies teilte die EU-Kommission der ICEC im Jänner mit, nach einer informellen Prüfung des zugesandten Inhaltes. ICEC hat allerdings bereits eine Unterschriftensammlung eingeleitet. „Jeder ist frei, irgendwas zu sammeln. Aber er sollte nicht so tun, als sei die Unterschriftensammlung Teil einer Europäischen Bürgerinitiative – auch wenn das so nicht gesagt wurde – und die Courage haben zu sagen, dass diese Bürgerinitiative im Jänner abgelehnt wurde“, sagte SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann beim FUEV-Kongress. Die Unterschriftensammlung für Selbstbestimmung sei eine Mogelpackung. ©

LANDESHAUPTMANN

UNGARN-PRÄSIDENT

FUEV-VIZE

EU-PARLAMENTARIER

Hans Heinrich Hansen

Luis Durnwalder

Hunor Kelemen

Martha Stocker

Herbert Dorfmann

BRIXEN (ih). Für FUEV-Präsident Hans Heinrich Hansen ist der entscheidende Punkt dieser Initiative ein „Minderheitenschutz von der obersten Ebene in Europa“, bei dem aber die Minderheiten bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzen. Im Detail werde das ganz unterschiedlich aussehen. „Wir etwa sind an einer territorialen Autonomie gar nicht interessiert“, erklärt Hansen für die deutsche Minderheit in Dänemark. Wichtig sei auch der Werbeeffekt der Initiative, „auch wenn wir keine Million Unterschriften zusammenbekommen sollten: den haben wir sicher.“ ©

BRIXEN (ih). Heute Unterschriften sammeln und morgen Autonomie für alle Minderheiten,so wird es nach Einschätzung von Landeshauptmann Luis Durnwalder natürlich nicht gehen. „Aber wir wollen, dass sich Europa um seine Minderheiten kümmert, das ist ein Beitrag zum Frieden“, betont Durnwalder. Zusammen werde man einfach besser gehört, allein dagegen als Paradiesvogel abgetan. „Wir sind gegen niemanden“, stellt er klar, „wir wollen nur unsere Sprache, unsere Eigenarten pflegen können – damit unser Europa der Viel© falt noch schöner wird“.

BRIXEN (ih). Für den Präsidenten des Dachverbandes der Ungarn in Rumänien, Hunor Kelemen, ist die Bürgerinitiative der Minderheiten eine „sehr große Sache“. Denn damit werde die europäische Union gezwungen, sich mit den autochthonen Minderheiten zu beschäftigen. Und es gehe um sehr viele Minderheiten. Die öffentliche Diskussion und der öffentliche Druck spielten in diesem Zusammenhang eine sehr große Rolle: „Die Kommission muss spüren, dass die Minderheiten dahinter stehen und etwas erreichen © möchten“.

BRIXEN (ih). „Wir wollen mit der Initiative klar zum Ausdruck bringen: Europa, du musst mehr auf deine Volksgruppen schauen, sie verdienen es, in ihren Rechten gestärkt zu werden“, sagt FUEVVize-Präsidentin Martha Stocker. Konkret wolle man ein Vertretungsrecht für Minderheiten und mehr Sichtbarkeit in den Medien erreichen. „Wir können aber nicht erwarten, dass Europa über seinen Kompetenzrahmen hinaus geht. Daher richtet sich unsere Initiative auch an die einzelnen Staaten: Die könnten, müssten mehr für ihre Minderheiten tun“, so Stocker.

BRIXEN (ih). „Unser Anliegen war es, einen Text vorzuschlagen, der auf europäischer Ebene einen Sinn ergibt, weil er Bereiche anspricht, in denen die Europäische Union tätig werden kann“, erklärt EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann die beschränkten Inhalte des „Minority Safe Pack“. Es habe wenig Sinn, „Dinge zu behaupten, welche die EU leisten könnte, die sie rechtlich gar nicht leisten kann“. Vielmehr müsse die EU nun gesetzgeberisch tätig werden, um gewisse Mindeststandards im Minderheitenschutz © zu setzen.

„Verlorenes Jahrzehnt für Minderheitenschutz“ BÜRGERINITIATIVE: EU soll Schutzmacht der Volksgruppen werden BRIXEN (sch). „Das vergangene Jahrzehnt war ein verlorenes für den Minderheitenschutz, denn er verliert immer mehr an Bedeutung“: FUEV-Präsident Hans Heinrich Hansen nahm sich am Freitag in seiner Grundsatzrede vor dem FUEV-Kongress kein Blatt vor den Mund. „Die Entfremdung der Bürger von Europa und den EU-Institutionen ist ein Warnsignal“, sagte Hansen. Sie sei ein Signal gegenüber Entscheidungsprozessen, an denen die Bürger nicht beteiligt sind. Direkte Bürgerbeteiligung müsse ermöglicht und gefördert werden. Die Finanzkrise habe dazu beigetragen, dass die Bürger immer mehr genug hätten von Europa, meinte Hansen. Die europäischen Volksgruppen träfe eine Rückkehr zu den Nationalstaaten aber besonders.

Die FUEV trete mit aller Kraft dafür ein, dass europäische Werte wie Vielfalt und Solidarität mit Schwächeren nicht vom Nationalismus zerrieben werden, sagte Hansen. Er beklagte eine europäische Doppelmoral: Die neuen EUMitglieder hätten mit den Kopenhagener Kriterien von 1993 strenge Auflagen in Sachen Minderheitenschutz auferlegt bekommen, während die alten Mitglieder zum Teil sogar die Existenz nationaler Minderheiten auf ihrem Staatsgebiet verleugneten. Und weil es keinen Kontrollmechanismus für die Kopenhagener Kriterien gebe, rückten auch viele neue EU-Mitglieder wieder von den eingegangenen Verpflichtungen ab. Hansen forderte daher einen Kurswechsel. Die FUEV erwarte

von der EU eine Rolle als Schutzmacht der Minderheiten, in Kooperation mit dem Europarat. Aber nicht nur die EU trage Verantwortung für die nationalen Minderheiten, sondern auch die Regionen und die Gemeinden. Die EU brauche neue Impulse aus den Regionen; diese müssten gestärkt werden. „Die Menschen sind in der Region verwurzelt; dies ist die Grundlage für Ausgleich und friedliches Miteinander“, sagte Hansen. Die FUEV wolle Vorreiterin sein für mehr Bürgerbeteiligung: „Europa soll unser Europa werden, ein Europa der Menschen“, sagte Hansen. Die Bürgerinitiative „Du bist nicht allein“ richte sich formal an die EU, wolle aber in ganz Europa für eine solidarische Bürgerbeteiligung werben. © Alle Rechte vorbehalten

FUEV-Präsident Hans Heinrich Hansen: „Du bist nicht allein“.

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HINTERGRUND Die Ziele der Initiative BRIXEN. Eine Europäische Bürgerinitiative ist nur für Themen zulässig, die in die Kompetenz der EU und in jene der EU-Kommission fallen. Es gibt daher genaue Beschränkungen. Das „Minority Safe Pack“ zählt folgende Themen auf: Bildung und Kultur, Regionalpolitik, Partizipation (Vertretung der Minderheiten im EU-Parlament), Gleichberechtigung, För-

derung konkreter Maßnahmen zum Schutz der Minderheiten, Stärkung der Regionen, Errichtung eines Beirates für Minderheiten beim EU-Parlament, Erweiterung der Antidiskriminierungsnorm auf Religionsfreiheit, Unterstützung für Medien in Minderheitensprachen. © @ www.fuen.org


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