FRIZZ Das Magazin Kassel März 2017

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Im Schwitzkasten... mit Dr. Kai Füldner Mit frischen Ideen hat er das Naturkundemuseum und zuletzt das Stadtmuseum zu Publikumsmagneten geformt. Zeit zum Entspannen? Fehlanzeige. Der habilitierte Forstwissenschaftler, der seit Jahren Vorlesungen an der Uni Kassel hält, hat schon die nächsten Sonderausstellungen im Visier. FRIZZ hat Dr. Kai Füldner in der KurhessenTherme getroffen. Herr Füldner, Sie haben in Göttingen Forstwissenschaften studiert, jetzt leiten Sie in Kassel zwei Museen – wie passt das zusammen? Forstwissenschaften – irgendwie war mir früh klar, dass ich das einmal machen möchte. Mein Opa war bereits Förster. Während meines Studiums hat sich das Berufsbild aber drastisch verändert, da im wiedervereinigten Deutschland die Hälfte aller Forstverwaltungen eingedampft wurden. Also bin ich zunächst an der Hochschule geblieben, habe promoviert und als Hochschulassistent im Institut für Forstzoologie und Waldschutz unter anderem die zoologische Sammlung betreut. Und das ist dann schon sehr verwandt mit meiner jetzigen Tätigkeit im Naturkundemuseum. Das Stadtmuseum ist aber wieder eine andere Geschichte. Sie haben das Naturkundemuseum über viele Jahre sehr erfolgreich geführt, so dass die Stadt Kassel Ihnen zusätzlich das Stadtmuseum anvertraut hat. Habe ich die Geschichte richtig zusammengefasst? In etwa. 2015 musste in kurzer Zeit das Stadtmuseum an den Markt gebracht werden. Das Museum war bereits lange geschlossen und die neue Ausstellung sollte, auch um bewilligte Landesmittel nicht zu gefährden, vorangetrieben werden. Nur war die Planung noch nicht so weit, um die Mittel in konkrete Ausstellungsarchitektur zu übersetzen. Die Stadt ist mit der Bitte auf mich zugekommen, mich darum zu kümmern. Dagegen wollte ich mich nicht verwehren. Ein Scheitern des Stadtmuseums hätte einen gewaltigen Imageschaden bedeutet, von dem auch alle anderen Kultureinrichtungen betroffen gewesen wären. Und jetzt lernen Sie fleißig Stadtgeschichte? Ich war schon immer an Geschichte interessiert. Wenngleich ich die Kasseler Stadtgeschichte natürlich nicht bis in jedes Detail kenne. Inzwischen führe ich auch Besucher durchs Stadtmuseum. An

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Jahreszahlen klebe ich dabei aber nicht. Überhaupt bin ich davon überzeugt, dass man nicht in jedem Detail ein Experte sein muss. Schließlich bin ich nicht allein, sondern Teil eines Teams – sowohl im Stadtmuseum als auch im Naturkundemuseum. Welcher Teil der Stadtgeschichte interessiert Sie besonders? Die Technikgeschichte. Die ist in Kassel leider museal etwas unterrepräsentiert und wird zumeist von engagierten Laien gezeigt. Aber auch die Sammlungsgeschichte der Stadt interessiert mich sehr. Wo haben wir diese spannenden Sammlungen her? Es waren letztlich nur fünf Landgrafen, die sich hier hervorgetan haben. Und erst die Preußen haben viele unter den Kurfürsten vernachlässigte Schätze wieder gehoben. Sie haben im Naturkundemuseum mit innovativen, interessant gestalteten Sonderausstellungen neue Maßstäbe gesetzt. Lässt sich das auch auf das Stadtmuseum übertragen? Ich denke schon. Wir wollen künftig für Ausstellungen vermehrt auf unser umfangreiches Depot zurückgreifen. Wichtig ist mir dabei, dass die Ausstellungen nicht eindimensional sind und zum Beispiel nur Bilder zeigen. Erst in der Verknüpfung verschiedener Darstellungsformen entsteht ein umfassendes Bild. Wir wollen ein Fenster in die jeweilige Zeit öffnen, konkrete Personen vorstellen, ihre Stadtteile und natürlich auch Bezüge herstellen zu historischen Ereignissen. Sonderausstellungen sind teuer. Der Etat für Museen ist dagegen überschaubar. Glauben Sie, dass sich das unter einem neuen Bürgermeister

ändert? Das wird man sehen, ich hoffe es zumindest. Noch ist ja nicht klar, wer für Kultur zuständig sein wird. Der Etat fürs Naturkundemuseum hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verringert. Außerdem können wir erst ab einer gewissen Erfolgsquote Eintrittserlöse etwa in Sonderausstellungen investieren. Wir brauchen also viele Besucher, um Sonderausstellungen weiterhin realisieren zu können. Das wird auf Dauer so sicher nicht weitergehen. Wie meinen Sie das? Die Besucherzahlen sind gut. Mein Vorgänger hatte beispielsweise ein Drittel unserer Besucherzahlen. Ich gehe dennoch davon aus, dass sich dieser Trend irgendwann rückläufig entwickeln wird. Es gibt schon heute eine Reihe junger Menschen ohne Museumstradition. Deren Anteil wird künftig eher wachsen. Zum Schluss noch ein kleiner Ausblick: Welche Ausstellungen stehen in diesem Jahr noch an? Die Sonderausstellungsfläche im Stadtmuseum ist bis zum Herbst für die Documenta reserviert. Im Naturkundemuseum werden wir wieder eine Saurierschau zeigen. Diesmal aber keine Dinosaurier, sondern Flieger und Wassersaurier. Und wir werden mehr die Sackgassen der Entwicklung zeigen, Arten, die sich nicht durchgesetzt haben. Da wird es viel zu sehen geben, viele anschauliche Szenarien und originale Fundstücke. Dr. Kai Füldner, 51 Jahre, leitet seit 2005 das Naturkundemuseum Kassel, zudem seit zwei Jahren das Stadtmuseum. Der Vater von drei erwachsenen Kindern habilitierte vor zwei Jahren und hält regelmäßig Vorlesungen an der Universität Kassel. In seiner Freizeit schraubt er an alten Autos, aktuell an einem 30 Jahre alten 3er BMW Cabrio.

www.frizz-kassel.de

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