14 minute read

KULTUR

MICHEL FRIEDMAN: FREMD

Leben im Nirgendwo

Advertisement

›› 12.10., Literaturhaus Frankfurt, 19.30 Uhr, literaturhaus-frankfurt.de

Wie mit Trauma und Grauen umgehen, für das es eigentlich keine Worte gibt? Für das es gleichzeitig viele Worte gibt, doch keines kann das Geschehene so wiedergeben, wie es sich anfühlt für die, die dabei gewesen sind. Michel Friedman schreibt in „Fremd“ eindrücklich darüber, wie es sich anfühlt, wenn die Angst der Lebensgefährte ist. Michel Friedman findet Worte für das Schreckliche, das seiner Familie widerfahren ist, für das transgenerationale Trauma, für das Überleben im Land der Mörder:innen, versehen mit einem staatenlosen Flüchtlingspass. Das er mit vielen teilt. Radikal und intensiv teilt er sein Innerstes mit den Leser:innen, seine persönliche Geschichte. In „Fremd“ – ein fast 200 Seiten langer Prosatext in Gedichtform, der fortlaufend Persönliches erzählt, offenbart und gleichzeitig den Einblick in die deutsche Gesellschaft gewährt – schreibt er darüber, weshalb er sich fremd fühlt: „Dies ist ein Buch über das Fremdsein. Das Fremde – das äußere und das innere. […] Wer wie ich Eltern hatte, die aus Polen stammten und die Shoah überlebt haben, in Paris aufgewachsen ist und als jüdisches Kind nach Deutschland Polen stammten und die Shoah überlebt haben, in Paris aufgewachsen ist und als jüdisches Kind nach Deutschland kam, lebt im Nirgendwo. Ist heimatlos.“ Shelly Kupferberg und Hadija Haruna-Oelker sprechen im Anschluss der Lesung mit dem Publizisten und promovierten Philosophen, der 2021 in einem Podcast anlässlich 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland sagte, dass der Judenhass der einzige sei, aus dem der Gehasste nicht entfliehen könne und von seiner Überzeugung, dass jede:r etwas tun könne, um gegen Menschenhass vorzugehen: „Wir sind jetzt die Zeitzeugen (Hanau, Halle, Chemnitz). Was tun wir und tun wir genug?“ Das Bundesministerium des Innern meldet für das Jahr 2021 insgesamt 3.027 antisemitische Straftaten – eine Steigerung um 29%! Friedmans Frage, ob wir genug tun, stellt sich leider immer wieder!

›› Text: Sohra Ndjibi

LESUNGEN IM OKTOBER

© Mardiana Sani

Dana Grigorcea

© Jörg Steinmetz

Rilke-Projekt

© Stephan Rabold

Ferdinand von Schirach

© Tunde Somoye

JJ Bola

9.10.

Deutscher Buchpreis: Shortlist

Wer gewinnt den Preis in diesem Jahr? Das wissen wir erst am 17. Oktober. Die Nominierten stellen ihre Bücher jetzt vor. ›› Schauspiel Frankfurt, 11 Uhr, 18/12 €

11.10.

Dana Grigorcea: Die nicht sterben

Ein politischer Schauerroman: Eine junge Bukarester Malerin kehrt aus Paris in die Kleinstadt B. in Transsilvanien zurück. Die Ceauşescu-Ära ist Vergangenheit, aber als auf dem Grab von „Dracula“ eine Leiche gefunden wird, sind alle Schrecken wieder da. ›› Romanfabrik, Frankfurt, 20 Uhr, 7/4 €

15.10.

Rilke-Projekt

Europas erfolgreichstes Poesie-Projekt feiert sein 20. Geburtstag: Angelica Fleer & Richard Schönherz sind mit ihrer Band und prominenten Sprecher*innen wieder auf Tour. Mit dabei sind u. a. Nina Hoger, Ralf Bauer und Dietmar Bär. ›› Alte Oper, Frankfurt, 20 Uhr, ab 50,50 €

16.10.

Ferdinand von Schirach

erzählen kann. Es sind leise Erzählungen von verregneten Nachmittagen und von schwarzen Nächten, von den Dingen, die unser Leben verändern. ›› Schauspiel Frankfurt, 18 Uhr, ab 18 €

25.10.

Susan Arndt & Chantal Louis: Sex und Gender

Es geht um ein Thema, das die Gemüter bewegt. Arndt, Professorin für Englische Literaturwissenschaft, und Louis, Redakteurin bei der „Emma“, tauschen Überlegungen und Analysen zu den politischen Folgen der Definitionen von biologischem und sozialem Geschlecht aus. ›› Romanfabrik, Frankfurt, 20 Uhr, 10/7 € & kostenloser Livestream

26.10.

JJ Bola: weiter atmen

Die belletristische Ergänzung zu seinem Bestseller „Sei kein Mann!“: Michael Kabongo will einen radikalen Schlussstrich ziehen, unter den Job, die unglückliche Liebe, seine Depressionen, das Gefühl von Heimatlosigkeit, seine traumatischen FluchtErinnerungen. Er fliegt nach San Francisco und beschließt, nur so lange zu leben, bis sein Konto leer ist. ›› Hessisches Literaturforum, Frankfurt, 19.30 Uhr, 8/5 € Kristina Gorcheva-Newberry

Das Leben vor uns

C. H. Beck, 25 € Anja und Milka feiern das Leben, auch wenn die Partei letztendlich alles bestimmt. Anja wird die alte Groß-mutter, die resignierten Eltern und Groß-mutter, die resignierten Eltern und die Apfelbäume eines Tages verlassen. Sie geht in die USA. Milka hat weniger Glück. Ein Buch wie ein Traum, das uns seiner Schönheit zum Trotz viel erzählt über das Leben in einer Diktatur, ein ebenso poetisches wie politisches Porträt der Generation Perestroika.

Emily Segal

Rückläufiger Merkur

Matthes und Seitz, 22 € Willkommen bei diesem Trip in die New Economy. Künstlerin Emily lässt sich von einem Start-up unter Vertrag nehmen. Sie designt jetzt Kampagnen für Produkte, die signt jetzt Kampagnen für Produkte, die es nicht gibt. Zwischen Glaskuben, Baby-Camouflagen und Meditationsräumen performen entrückte Zeitgeist-Gespenster eine neue Form der Nicht-Individualität. Klingt anstrengend? Ist genial! Emily flippt langsam aus, beginnt zu schreiben und kauft sich eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern. Éliette Abécassis

Eine unwahrscheinliche Begegnung

Arche, 19 € Eine stille Geschichte, die berührt. Manchmal verändert ein Augenblick ein ganzes Leben: Ein Mann, ohne Koffer, Fahrkarte und Aufenthaltsohne Koffer, Fahrkarte und Aufenthaltsgenehmigung begegnet im Zug einer Frau, die Ihren Freund verlassen will. Es ist Sommer in Frankreich und wären die Umstände anders, würde der Fremde die Fremde beeindrucken und gewinnen wollen. Doch er weiß, dass die Polizei ihn am nächsten Bahnhof festnehmen wird ‥ Abécassis schreibt über Mut, Träume, Lebenswirklichkeiten und Parallelwelten. Der schmale Roman überrascht mit einem unerwarteten Ende.

Mely Kiyak

Werden sie uns mit FLIXBus transportieren?

Hanser, 22 € Mely Kiyaks gesammelte Theater-Kolumnen mit aktuellem Vor-und Nachwort sind so on point, sie betrachtet die wort sind so on point, sie betrachtet die Welt literarisch, ihre Bühne ist der Alltag, ihr künstlerischer Widerstand brillant und menschlich! Dass der Schwerter Bürgermeister (CDU) 2015 vorschlug, 21 Geflüchtete in einer Außenstelle des KZs Buchenwald unterzubringen – da 70 Jahre nach dem 2. Weltkrieg die Gebäude nicht tabu sein dürften – regte Kiyak zu der Idee an, die Schutzsuchenden doch einfach unter Tage, in stillgelegten Zechen oder in Leichenkellern von Krankenhäusern unterzubringen, „wer aus einem Kriegs-gebiet kommt, wird die Stille zu schätzen wissen“.

Galerie Heike Strelow

Die Arbeiten von Starsky Brines und Hendrik Zimmer treten in der Ausstellung in einen Dialog. Der Fokus liegt nicht nur auf der formalen Unterschiedlichkeit der Werke der beiden Künstler, sondern auch auf ihrer künstlerischen Nähe. Brines expressive Malerei bewegt sich zwischen Figuration und Abstraktion, während Zimmers neueste Serie cleane, abstrakte und eher reduzierte Farbholzschnitte auf Leinwänden umfasst. ›› Bis 22.10.2022, Lange Str. 3, Mi-F r 14-18+Sa 12-15 Uhr, galerieheikestrelow.de

Institut für Stadtgeschichte

Was geschah bei dem Septemberaufstand 1848, der als als zen-trales Ereignis und Wende- punkt der Revolution gilt? Damals wurden zwei Abge-ordnete ermordet. Die Schau „Auf die Barrikaden! Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49 in Frankfurt“ klärt darüber auf und nimmt die Frankfurter Ereignisse, Protagonist:innen und Orte in den Blick. ›› Bis 18.9. 2023, Mo-So 11-18 Uhr, Münzgasse 9, Mo-So 11-18 Uhr, stadtgeschichte-ffm.de

Museum für Kommunikation

Fluchen tun wir alle! Die Schau „Potz! Blitz! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech“ widmet sich dieser „Ausdrucksform“ und schlägt einen Bogen von Verfluchungen in Keilschrift über internationale Beschimpfungen bis zu Internet-Trollen, Hate Speech, Tabubrüche, um Männer- und Frauenschmähungen und Ausrasten im Fußball. Historische Objekte und Medienstationen verdeutlichen dass Fluchen und Schimpfen lebendige Elemente der menschlichen Kommunikation sind. ›› Bis 29.1.2023, Schaumainkai 53, Di-So 10-18+Mi 10-20 Uhr, mfk-frankfurt.de

Dommuseum

Hans Leistikow entwarf nicht nur Innenraum und Fenster der Frankfurter WestendeSynagoge, die Glasfenster des Frankfurter Doms und die Fenster vieler weiterer Kirchen – er war auch Maler, Gestalter, Bühnenbildner, Gebrauchsgraphiker, Autor und Lehrer, unterrichtete an der Werkakademie Kassel und der Frankfurter Kunstschule. „Zurück in die Moderne“ zeigt das Werk des Multi-Talents. Die Fotos der US-amerikanische Künstlerin Laura J. Padgett sind ebenfalls in der Schau zu sehen. ›› 14.10.-2022-15.1.2023, Domplatz 1, Mi/Do/Fr 10-17/Sa+So 11-17 Uhr, dommuseum-frankfurt.de ›› Bis 15.10.2022, DZ Bank Kunststiftung, Di-Sa 11-19 Uhr, kunststiftungdzbank.de

nnnn n

Veränderungen, Transformationen von einem Zustand in einen anderen – unser Leben ist davon geprägt. Sei es auf persönlicher Ebene, politisch oder gesellschaftlich. Passagen, das sind keine plötzlichen Ereignisse, sondern längere Phasen der Wandlung. In Filmen, Installationen und Fotografien beschäftigen sich die Künstler:innen auf ganz unterschiedliche Weise mit solchen Prozessen. Sven Johne begibt sich in „47 Faults between Calais and Idomemi“ auf eine Reise durch Europa, während er Bombenkrater, verlassene Baracken oder das Kopfsteinpflaster von Theresienstadt fotografiert. Alles als Detailaufnahmen voll von Rissen und Löchern in Böden und Steinen, die von der Geschichte erzählen. Andere Arbeiten wiederum lassen erst durch die ausliegenden Texte erkennen, worum es sich handelt. Françoise und Daniel Cartier etwa experimentieren mit ihrem Material. Sie hängen verschiedene Fotopapier-Blätter aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert an die Wand, unbelichtet, und lassen das Licht der Ausstellungsräume darauf seine Wirkung entfalten. So entsteht ein ganz unvorhersehbares Werk, das sich noch im Moment des Betrachtens weiter verändert. Ann Wente-Jaeger

Gauri Gill. Acts Of Resistance And Repair

›› 13.10.2022-8.1.2023, Schirn, Di/Fr-So 10-19/Mi+Do 10-22 Uhr, schirn.de

VORANKÜNDIGUNG

Die indische Künstlerin Gauri Gill richtet in ihren Fotografien den Blick auf die kaum wahrgenommenen Randbereiche der indischen Gesellschaft, jenseits der pulsierenden urbanen Zentren. Ihre stillen und berührenden Bilder setzen sich mit Themen wie Selbstbehauptung, Überleben, Identität, Zugehörigkeit, und Fragen nach Erinnerung auseinander. Und beschäftigen sich mit indischen Identitätsmerkmalen wie Kaste, Klasse, Gemeinschaft, die einen Einfluss auf Mobilität und Sozialverhalten haben. Gill arbeitet kollaborativ mit zum Teil unbe-kannten Künstler:innen aus länd-lichen Regionen. In der Serie Acts of Appearance (2014) bezieht sie die Masken der Pappmaché-Künstler:innen der Kokna-Gemeinschaft in Jawhar, Maharashtra, in improvisierte Alltagsszenen ein und kreiert damit einen Dialog zwischen Wirklichkeit und Fiktion. In ihrem archivarischen Langzeitprojekt Notes from the Desert widmet sich Gill seit 1999 den marginalisierten Gemeinschaften Rajasthans im westindischen Grenzgebiet. Ihr Credo, „dass künstlerische Kooperation und langfristige Freundschaften die Beteiligten resilienter machen und ermächtigend wirken – insbesondere was ausgegrenzte Frauen und Mädchen betrifft“ (schirn.mag.de) zeigt sich hier ganz besonders. Gauri Gills Arbeiten waren unter anderem auf der documenta14, auf der 58. Biennale in Venedig und im MoMA PS1 zu sehen.

© Gauri Gill

Sohra Nadjibi

Michael Müller. Der geschenkte Tag – Kastor & Polydeukes

›› 14.10.2022-19.2.2023, Städel, Di/Mi/Fr/Sa/ So 10-18+Do 10-21 Uhr, staedelmuseum.de

VORANKÜNDIGUNG

Kann ein abstraktes Kunstwerk eine Geschichte erzählen? Dieser Frage geht der deutsch-britische Künstler Michael Anthony Müller in seinem raumfüllenden Gemälde, das aus 24 großformatigen Leinwänden zusammengesetzt ist und insgesamt 6 x 65 Meter misst, nach. Müller, der sich in seinen Arbeiten mit der Übertragung seiner Gedankenprozesse in eine sinnliche, ästhetische Erfahrbarkeit auseinandersetzt, wählt dafür diverse Medien: Malerei, Zeichnung, Installation und Skulptur. Seine monumentale Arbeit „Der geschenkte Tag“ (2022) leitet sich von dem antiken griechischen Mythos der Dioskuren, den Zwillingen Kastor und Polydeukes, ab. Das unzertrennliche Bruderpaar wird im Kampf entzweit. Der unsterbliche Polydeukes fleht seinen Vater Zeus an, er ist gewillt, seine eigene Unsterblichkeit aufzugeben. Zeus gewährt daraufhin beiden Brüdern ein gemeinsames Leben – ein Leben zwischen den Welten: je einen Tag im Hades, dem Reich der Toten, und einen Tag im Olymp unter den Göttinnen und Göttern. Gemeinsam mit Arbeiten der Sammlung des Städels leiten im Prolog zur Schau Zeichnungen und eine Skulptur des Künstlers in den Mythos ein. Außerdem nimmt Michael Müller die Besucher:innen wortwörtlich mit in die „Unterwelt“: mit der Werkgruppe Hades (2022), die in den Gartenhallen gezeigt wird. Sohra Nadjibi

›› 14./15./21./22.10., Freies Schauspiel Ensemble, Frankfurt, 20 Uhr 18 €, erm. 10 €, Frankfurt-Pass: 5 € Infos & Tickets: (069) 71 91 30 20, freiesschauspiel.de

nnnnn

„Finsternis“ ist ein rund einstündiger Monolog: Ein junger Mann versucht, seine Erfahrungen mit Flüchtlingen, die auf der süditalienischen Insel Lampedusa an Land kommen, zu verarbeiten. Er erzählt von ihren physischen und psychischen Verletzungen, von spektakulären Rettungsaktionen und dem Sterben auf den Schlauchbooten, mit denen die Menschen versuchen, nach Europa zu kommen. Außerdem geht es um die Beziehung zu seinem Vater, die zunächst vor allem durch das Schweigen des Vaters geprägt ist. Und dann ist da noch der Onkel des jungen Mannes, der Bruder des Vaters, der lebensbedrohlich an Krebs erkrankt ist, aber immer gut gelaunt zu sein scheint. So gibt es bei aller Schwere auch humorvolle, sogar witzige Momente. Moritz Buch spielt die Rolle im Ein-Personen-Stück des italienischen Autors Davide Enia (*1974) mit großer Authentizität und manchmal fast schmerzhafter Intensität (Regie: Reinhard Hinzpeter). Meist blickt er in die Kamera des Laptops, das vor ihm auf dem Tisch steht, auf der Leinwand hinter ihm ist sein Gesicht stark vergrößert im „Livestream“ zu sehen. Was er erzählt, verstört und rüttelt auf. Die eigenen Probleme erscheinen vor all diesem Leid belanglos. Zwischen Januar und August 2022 sollen laut Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR mehr als 900 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken oder vermisst sein. Die wichtigste Botschaft des Stücks: Die vom Tod Bedrohten zu retten, ist ein Gebot der Menschlichkeit. Antje Kroll

Die Tanzstunde

›› bis 23.10. (außer Mo), Fritz Rémond Theater, 20 Uhr, sonntags 18 Uhr 19–30 € Infos & Tickets: (069) 43 51 66, fritzremond.de

nnnnn

© Helmut Seiffert

Das Leben von Ever (Ralf Stech), Professor für Geowissenschaften und Autist, besteht aus trockenen Daten und Fakten. Alles nimmt er wörtlich und Körperkontakt ist für ihn ein Albtraum. Aber er bekommt einen Preis und muss auf dieser Gala Hände schütteln und mindestens einmal tanzen. Auf Empfehlung bittet er seine Nachbarin Senga (Madeleine Niesche), ihm etwas beizubringen. Die Broadway-Tänzerin, deren Bein bei einem Unfall schwer verletzt wurde, ist deshalb gerade gar nicht gut drauf, erliegt aber seiner Hartnäckigkeit. Trotz vieler Missverständnisse kommt sich das ungewöhnliche Duo bald näher. Das Zweipersonenstück des Amerikaners Mark St. Germain ist das erste der neuen Saison im Theater am Zoo (Regie: Heinz Kreidl). Und die fängt gut an! Die Chemie zwischen der Hauptdarstellerin und dem Hauptdarsteller, die beide überzeugen, stimmt. Rationalität und Emotionen prallen aufeinander, witzige Dialoge wechseln sich mit berührenden Momenten ab. Und ganz nebenbei lernen die Zuschauer:innen dieser charmanten Komödie etwas über das Asperger-Syndrom. Mit Cohens „Dance me to the end of love“ klingt der Abend aus – eine Empfehlung! Franziska Jentsch

Werwolfkommandos

›› 20./23.10., 3.11., Landungsbrücken Frankfurt, 20 Uhr, 22.10., 19 Uhr Solidarisches Preissystem: 5-20 € Infos & Tickets: (069) 25 62 77 44

VORANKÜNDIGUNG

Mit welcher Sprache kann auf der Bühne rechten Positionen künstlerisch begegnet werden? Das ist eine der zentralen Fragestellungen der Inszenierung „Werwolfkommandos“ von Marie Schwesinger (Künstlerische Leitung, Regie, Konzept, Recherche), Julia Just, Fabiola Eidloth (beide: Konzeption, Recherche, Dramaturgie) und ihrem Team. Mehr als ein Jahr haben sie recherchiert, Gerichtsprozesse gegen rechte Straftäter besucht, protokolliert und mit Expert:innen, Journalist:innen, Jurist:innen und Betroffenen gesprochen. Ausgehend von dieser Recherche stellt „Werwolfkommandos” eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Sprache im Gerichtssaal dar. Das Theaterteam legt den Fokus auf zwei in Frankfurt am Main verhandelte Gerichtsprozesse: den Prozess um den Mord an Walter Lübcke und den Angriff auf Ahmed I. sowie den Prozess gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. Die Inszenierung thematisiert dabei Fragen wie diese: In welchen Prozessen erhalten Betroffene eine Stimme? Wann wird gesprochen und wann geschwiegen? Wer beansprucht welche Begriffe für sich? Wer hat die Deutungshoheit über die Diskurse? Die formale Umsetzung beschreibt die Theatergruppe so: „(…) die Sprache geht in Rauschen über, das Rauschen in Klang, der Klang in einen Rhythmus, der Rhythmus gibt den Impuls für eine neue Textfläche. Dann eine Unterbrechung und Stille. Aus der Stille heraus ein erneuter Impuls, der uns wieder einen Schritt weiterführt in der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung, Rechtsextremismus zu begegnen“.

Nichts als die Wahrheit

Eine Theater-Performance mit dem Ensemble MONSTRA für alle ab sechs Jahren, die schon mal gelogen haben. Und wer hat das nicht? Anhand von philosophischen Fragen und ernsten Worten bringt die Inszenierung die Macht des Wortes, den Spaß am Erfinden und die Brisanz einer Lüge nahe. Dabei geht es immer um ein genaues Hinhören, um Miss- und Vertrauen und um den Reiz, selber ein bisschen besser dazustehen. ›› 2.10. (Premiere), 3.10., Löwenhof, 16 Uhr, 4./5./7.10., 10 Uhr, 6.10., 10 und 15 Uhr, 5-10 €, Infos & Tickets: (069) 29 98 61 0, theaterhaus-frankfurt.de

Dea Ex Machina

Als Alchemist:innen der Zukunft hacken die Performer:innen des feministischen Kollek- tivs Swoosh Lieu in ihrem technisch komplex-verspielten Manifest-Fest „Dea Ex Machina“ das Theater! Die jahrhundertealte, randständige Hexen-Figur wir zur Hoffnungsträgerin gegen hegemoniale Männlichkeit. Es gilt, Lebensformen jenseits biologischer Abstammung und binärer Geschlech-terrollen zu erproben, Körperbilder, Erzählweisen, bühnentechnische Systeme zu decodieren und queer-feministische Verwandtschaftskonzepte zu entwerfen. Ab 16 Jahren. ›› 1.10., Frankfurt LAB, 18 Uhr, 2.10., 16 Uhr, anschließend Publikumsgespräch, 3.10., 20 Uhr, 19, erm. 8 €, (069) 40 58 95 20, mousonturm.de

ÜBER_LEBENS_ MITTEL

Auch im zweiten Teil von ÜBER_LEBENS_ MITTEL bringt „Daedalus and friends“ verschiedene Frankfurter Communitys mit Performer*innen zusammen. Der inhaltliche Fokus liegt auf Teilhabe. Ausgangspunkt für den zweiten Teil ist das künstlerischen Material des ersten Teils, des performativen Parcours, der am 30. September und 1. Oktober, jeweils 15 bis 20 Uhr, im stadtRaumfrankfurt, Amt für multikulturelle Angelegenheiten zum Mitmachen einlädt (Anmeldung: daedaluscompany@ gmx.de). ›› 13.10. (Premiere), 14./15.10., 20 Uhr, Gallus Theater, Frankfurt, 15, erm. 8, (069) 7 58 60 00, gallustheater.de

Trash-Fashion-Show und Travestieshow Burlesque

Vanessa P. und ihre Girls Lady Hush und Flora Soft treten beim Fransenflohmarkt mit einer spektakulären Trash-Fashion-Show auf. Ab 19 Uhr wird „Anita – Tänze des Lasters“ gezeigt, Rosa von Praunheims Film über die Tänzerin Anita Berber, die in den 1920er-Jahren große Erfolge feierte. Am 29.10 steht die „Travestieshow Burlesque“ mit den Showgirls Frankfurt auf dem Programm. Auf der Bühne: Vanessa P., Lady Hush und Christy Moon. ›› 23.10., Kulturhaus Frankfurt, ab 11 Uhr: Flohmarkt, Eintritt frei; 19 Uhr: Filmvorführung, 12, erm. 10 €, ›› 29.10., 20 Uhr: Travestieshow Burlesque, 25 €, (069) 94 41 23 60, kulturhaus-frankfurt.de