

Von der «Blackbox» zur preisgekrönten Arbeitgeberin
Schlechter Ruf, öffentliche Kritik und praktisch keine Bewerbungen: Von dieser ungünstigen Position aus startete die Finanzmarktaufsicht Liechtenstein ihre Offensive im Personalmarketing. Heute zählt sie zu den attraktivsten Arbeitgeberinnen. Geschäftsleitungsmitglied Martin Schädler erzählt, wie die Behörde das geschafft hat.
TEXT: VALESKA BLANK, BILD: DANIEL SCHWENDENEREs war im Mai 2021, als plötzlich das Schweizer Fernsehen anrief. Journalisten der Sendung «10 vor 10» waren auf der Suche nach einem Unternehmen, das über die Herausforderungen in der Arbeitswelt nach einem der vielen Corona-Lockdowns erzählen wollte – und die Finanzmarktaufsicht (FMA) Liechtenstein war eine mögliche Kandidatin für den Beitrag.
Martin Schädler war erst einmal baff. Er ist Geschäftsleitungsmitglied bei der FMA, seit 15 Jahren bei der Behörde tätig und damit quasi ein Urgestein in der Belegschaft. Noch heute ist ihm die Begeisterung anzusehen, wenn er sich an den Besuch der Fernsehleute erinnert. Nie und nimmer, habe er sich gesagt, reisen sie extra nach Vaduz. Doch die TV-Crew kam. Wenige Tage nach der telefonischen Anfrage standen die Journalisten vor der Tür. Und die FMA – «die kleine FMA aus Liechtenstein», wie Schädler sagt – schaffte es in eine der beliebtesten News-Sendungen der Schweiz.
«WIR
WOLLEN UNS EIN GESICHT ERSCHAFFEN»:
Öffentlichkeit
liess kein gutes Haar an der Behörde
Diese Erfolgsgeschichte ist exemplarisch für den Wandel, den die Aufsichtsbehörde seit der Finanzkrise durchlaufen hat. Sie steht im krassen Gegensatz zur Zeit Anfang der 2010erJahre, als die FMA öffentlich verrissen wurde. Geschäftsleitungsmitglied Schädler beschönigt nichts: «Unser Image war schlecht.»
Wegen des starken Personal- und Kostenwachstums liess ein Grossteil der Liechtensteiner Landtagsabgeordneten kein gutes Haar an der Behörde. Schädler klappt seinen Laptop auf und zeigt auf einen Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 2009. Die Schlagzeile: «Die FMA hat Mass und Ziel komplett verloren». Der Aufsichtsrat wurde in der Folge neu bestellt. Der Ruf war am Boden. Es brauchte einen Neuanfang.
«Wir haben im HR-Marketing so gut wie nichts gemacht» Damals hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass sich dereinst an
einer Wand im obersten Stock des Bürogebäudes an der Landstrasse in Vaduz eine gerahmte Auszeichnung an die andere reiht. Beim «Swiss Arbeitgeber Award 2020» schaffte es die FMA auf den zweiten Rang; beim Employer Branding Award DACH «Beste Arbeitgebermarke 2021 & 2022» holte sich die Behörde einen ersten und einen zweiten Platz. Von der Regierung wurde die FMA im Jahr 2021 als familienfreundlichstes Unternehmen ausgezeichnet.
Diese Preise hätte die FMA ohne den frisch aufgestellten Aufsichtsrat nicht erhalten. Nach der Unruhe Anfang der 2010er-Jahre liess das Gremium keinen Stein auf dem anderen. Bemängelt wurde von oberster Ebene unter anderem, dass im Personalbereich keine Kennzahlen und keine erkennbare Employer-Branding-Strategie vorhanden war – oder, wie es Schädler unverblümt sagt: «Wir haben im HRMarketing so gut wie nichts gemacht.»
Die Folge: Die FMA war als Arbeitgeberin praktisch unbekannt;
Martin Schädler, Geschäftsleitungsmitglied der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein.
potenzielle Bewerbende hatten kaum eine Vorstellung davon, was die Aufsichtsbehörde überhaupt macht. «Wir waren eine klassische Blackbox», so Schädler, der sich noch gut an den Zeitpunkt erinnert, als er sich selbst bei der Behörde bewarb: Auch er wusste nur sehr wenig darüber, was die Aufgaben überhaupt beinhalteten.
Die wichtigste Ressource: Die Mitarbeitenden
Und so begann im Jahr 2014 die Reise, der Sprung ins kalte Wasser. Das Ziel: Eine Personalstrategie, die die FMA als attraktive Arbeitgeberin positioniert. Warum gerade das so entscheidend für die Zukunft war, ist naheliegend: Die Behörde verkauft kein Produkt. Die wichtigste Ressource sind demnach die Mitarbeitenden. Auf deren Know-how ist die FMA angewiesen.
Gestartet ist die Erarbeitung der Personalstrategie quasi auf Feld null. Im Prinzip sei es erst einmal um eine
grundlegende Frage gegangen, erklärt Schädler: «Welche Anstellungs- und Rahmenbedingungen müssen wir bieten? Was wünschen sich die Belegschaft und die Bewerbenden? Ermöglichen wir flexible Arbeitszeiten, Teilzeit, Homeoffice?» Thematisiert wurden also Voraussetzungen, die heute – und vor allem nach der Coronapandemie – für viele Arbeitnehmende als selbstverständlich gelten. Damals waren sie es noch nicht. «Vor allem, als ich in unserer Arbeitsgruppe die Möglichkeit von Homeoffice erwähnte, haben mich alle zuerst einmal mit grossen Augen angeschaut», lacht Schädler.

Früheres Image: Langweilig, konservativ, verstaubt
Ein Jahr später, im Jahr 2015, war die Personalstrategie fertig erarbeitet, der Aufsichtsrat gab seinen Segen. Nun ging es um die praktische Umsetzung –und vor allem darum, aktiv gegen Vorurteile anzukämpfen, die sich
Nichts versprechen, was man nicht halten kann.
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hartnäckig hielten. Eine Umfrage bescheinigte der Arbeit bei der Behörde sowie deren Image wenig Schmeichelhaftes. Schädler zeigt auf seinem Laptop eine Folie aus einer Präsentation von dieser Zeit. Zu sehen sind verschiedene Wörter unterschiedlicher Grösse und Farbe – eine «Wordcloud» mit Stichworten wie «bürokratisch», «langweilig», «konservativ», «verstaubt».
Nun ging es darum, diese Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Eine erste Gelegenheit bot sich am FinanceKarrieretag der Universität Liechtenstein im Dezember 2015. Eine Einladung, am Event mitzumachen, nahm die FMA spontan an – ohne konkret zu wissen, wie man sich eigentlich präsentieren wollte. Klar war nur: Eine Präsentation mit langweiligen Folien sollte es nicht werden. Schliesslich wollte sich die

Behörde mit einem aufgefrischten Bild auf dem Arbeitsmarkt positionieren.
Die Chefetage packt mit an Schädler lacht, als er von der Idee erzählt, die letztlich umgesetzt wurde: «Ich fuhr in einen nahegelegenen Elektrofachmarkt, kaufte eine günstige Videokamera – und dann haben wir begonnen zu drehen.» Das Ergebnis waren kurze Erfahrungsberichte, in denen verschiedene Mitarbeitende von ihrer Arbeit bei der FMA erzählten. Transportiert werden sollte die Botschaft: Wir arbeiten bei einer seriösen Arbeitgeberin mit wichtigen Aufgaben, wo die Arbeit Spass macht.
Ein Kollege aus der Geschäftsleitung schnitt das Material am Wochenende zusammen – und am Karrieretag war die Aufsichtsbehörde die einzige Arbeitgeberin, die Bewegtbilder
Eine Zeit lang hatten wir null Bewerbungen.
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präsentieren konnte. Von der Idee bis zum Auftritt am Karrieretag vergingen nur drei Wochen.
Es braucht Mut für Neues
Diese Anekdote zeigt: Es braucht nicht immer ein bis ins letzte Detail ausgeklügeltes Konzept, um im Personalmarketing auf sich aufmerksam zu machen. Was es aber braucht: Den Mut, etwas Neues auszuprobieren und es dann auch zu realisieren. Genauso unkompliziert wie die Videos am Karrieretag fiel im Jahr 2016 die Entscheidung, einen Instagram-Kanal aufzubauen. Wieder schmunzelt Schädler: «Ein paar Kollegen aus der Geschäftsleitung kannten Instagram damals nur vom Hörensagen.» Doch die Chefs gaben ihr Okay. Heute besteht der InstagramAuftritt der FMA aus einem bunten Mix an Inhalten: Fotos und Selfies von Mitarbeitenden auf internationalen Geschäftsreisen und Events werden ebenso gepostet wie kurze Clips mit Inhalten über den Finanzplatz oder das Bild eines mit Glacen gefüllten Kühlschranks, wo sich die Mitarbeitenden im vergangenen Hitzesommer eine Erfrischung holen konnten. Auch auf Instagram ist der Ansatz an sich simpel: Es soll so viel wie möglich von der FMA gezeigt werden – oder, wie Schädler es umschreibt: «Wir wollen uns ein Gesicht verschaffen, damit die Leute eine Idee bekommen, wer wir sind und was wir tun.»
Authentizität und Ehrlichkeit sind das A und O Mit Instagram verbunden und in ähnlichem Stil gehalten ist die Karriere-Webseite der Behörde. Auch dort wimmelt es von Testimonials, Videos, News-Artikeln und Fotos der Belegschaft. Die Aussagen der Mitarbeitenden sind äusserst positiv – doch Show oder blosse Schönfärberei sei das nicht: «Alles, was wir kommunizieren, ist authentisch und entspricht der Wahrheit. Das ist das A und O – auch oder gerade, wenn’s ums Image geht.»
So lautet Schädlers Tipp fürs Personalmarketing denn auch: Nichts versprechen, was man nicht halten kann.
Neben den Fotos und Videos sind natürlich auch die offenen Stellen auf der Karriere-Webseite aufgeschaltet. Es sind aktuell nur eine Handvoll Jobs,
die zu besetzen sind. In Zeiten, in denen die meisten Arbeitgeber über Personalmangel klagen, ist das keine Selbstverständlichkeit und für Schädler ein klares Resultat der Imagepflege der letzten Jahre. Davor habe es Zeiten gegeben, erinnert er sich, da sei auf eine Stellenausschreibung lange Zeit keine Bewerbung eingegangen. «Und ich meine nicht unpassende Bewerbungen, sondern wirklich: null.»
«Teilzeit nicht nur für Mütter»
In den Stellenausschreibungen immer mit dabei ist der Hinweis auf flexible Arbeitszeitmodelle. Das Angebot, Teilzeit zu arbeiten, gehört bei der Behörde mittlerweile zur Normalität – «und zwar nicht nur für Mütter», wie Schädler betont. Auch wenn eine Führungsperson das Pensum reduzieren will, sei das «absolut kein Thema». So arbeiten beispielsweise ein Abteilungsleiter und ein stellvertretendes Geschäftsleitungsmitglied in Teilzeit. Das Signal, dass «Teilzeitler» willkommen sind, kommt also auch von ganz oben.
Unterm Strich ist die FMA in Sachen Personalmarketing auf neun digitalen Kanälen präsent – neben Instagram und der Karriere-Webseite werden unter anderem Linkedin und Youtube mit Inhalten bespielt. In einem Podcast gibt Geschäftsleitungsmitglied Schädler eine akustische Tour durch die Behörde, ein Karriere-Reiseblog präsentiert das Land Liechtenstein als attraktiven Arbeitsort.
Die Zahlen sprechen für sich Diese starke Präsenz fällt nicht in die Kategorie «Nice to have»: Die Erfolge des Personalmarketings sind auch in Zahlen messbar. Die Qualität der Bewerbungen hat sich in den vergangenen Jahren gesteigert und sie treffen in viel grösserer Zahl ein. Ausserdem ist die Zeit, in der eine offene Position wieder besetzt werden kann, um rund einen Monat gesunken.
Unterm Strich fliesst bei der FMA viel Energie und Herzblut ins Personalmarketing – und trotzdem sind Aufwand und Kosten sehr gering. Hauptverantwortlich für die digitalen Inhalte sind die Kommunikations- und Personalabteilung. Aber auch die Chefetage macht gerne mit. «Das zeigt: Mit wenig Aufwand lässt sich viel erreichen.»
Mit wenig Aufwand lässt sich viel erreichen.
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