Wasserspezifische Therapie – Leseprobe

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Katharina Kastner

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WASSERSPEZIFISCHE ­THERAPIE

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Katharina Kastner

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Impressum Autorin

Katharina Kastner

Fotos

Jens von der Beeck

Hinweis

Die medizinische Entwicklung schreitet permanent fort. Neue Erkenntnisse, was Medikation und Behandlung angeht, sind die Folge. Autor und Verlag haben alle Texte mit großer Sorgfalt erarbeitet, um alle Angaben dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung anzupassen. Dennoch ist der Leser aufgefordert, ­Dosierungen und Kontraindikationen aller verwendeten Präparate und medizinischen ­Behandlungungsverfahren anhand etwaiger Beipackzettel und Bedienungsanleitungen eigenverantwortlich zu prüfen, um eventuelle Abweichungen festzustellen.

ISBN

978-3-7905-1065-2

Urheber- und Nutzungsrechte

© 2018 by Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG, Lazarettstraße 4, 80636 München

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Bearbeitung sonstiger Art sowie für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Dies gilt auch für die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwendung von Texten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Wir übernehmen auch keine Gewähr, dass die in diesem Buch enthaltenen Angaben frei von Patentrechten sind; durch diese Veröffentlichung wird weder stillschweigend noch sonst wie eine Lizenz auf etwa bestehende Patente gewährt.

Druck

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Bibliografische Information

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Sommer media GmbH & Co. KG, Feuchtwangen

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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INHALT Entstehung der ­Halliwick-Methode und der Wasserspezi­ fischen Therapie

Geleitwort 16 Vorwort und Danksagung 19 Hinweis 21

Ab Seite 22

Inhalt

1 1.1

Der Begründer der Halliwick-Methode

24

1.2

Entwicklung der ­Halliwick-Methode und Namensgebung

25

1.3

Die Austragung von Wettkämpfen und das Kanalschwimmen

29

1.4

Der erste Kontakt zwischen James McMillan und Johan Lambeck 30

1.5

Entwicklung der Wasserspezifischen Therapie auf Grundlage der Halliwick-Methode

32

1.6

Weiterentwicklung der Halliwick-Methode nach dem Tod von James McMillan

33

Halliwick-Philosophie Ab Seite 36

Jeder ist ein ­Schwimmer

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2.2

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2.1 Vorbemerkung

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Inhalt

2.3

Schwimmen soll Spaß machen

38

2.4

Es zählen die Fähig­keiten des Patienten

39

2.5

Schwimmen bedeutet Unabhängigkeit

39

2.6

Es werden keine Auftriebsmittel zur Unterstützung benutzt

39

2.7 Gruppenarbeit

41

2.8

Erst Stabilität und ­Balance erlangen, später Schwimmbe­wegungen erlernen

42

2.9

Der Therapeut ­befindet sich ebenfalls im Wasser

42

2.10 Eine Steigerung der Anforderungen ohne Druck auf den Patienten auszuüben

43

Rolle der ICF und Ziele in der Wasser­ spezifischen Therapie Ab Seite 44

3 46

3.2

Biopsychosoziales Modell der ICF

46

3.3

Relevanz ausgewählter Körperfunktionen in der ICF

48

3.4

Relevanz ausgewählter Aktivitäten in der ICF

50

3.5

Bestimmung von ­Therapiezielen

52

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3.1 Vorbemerkung

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Inhalt

Technische Voraus­ setzungen und organi­ satorische Maßnahmen Ab Seite 56

4 4.1 Vorbemerkung

58

4.2

Organisatorische Maßnahmen und ­zeitlicher Aufwand

58

4.3

Größe des ­Wasserbeckens

59

4.4 Wassertiefe

59

4.5 Wassertemperatur

60

4.6

Ein- und Ausstieg

61

4.7 Kleingeräte

62

Allgemeine physi­ kalische Eigenschaften von Wasser und ­festen Körpern Ab Seite 64

5.2 Physikalische Eigenschaften des Wassers 5.2.1 Kohäsion und Adhäsion 5.2.2 Viskosität 5.2.3 Dichte und Temperatur 5.2.4 Raumbeständigkeit, Volumenelastizität und Kompressibilität

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5.1 Vorbemerkung

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Inhalt

5.3 Physikalische ­Eigenschaften fester ­Körper 5.3.1 Masse, Gewicht und Dichte 5.3.2 Körperschwerpunkt 5.3.3 Volumenmittelpunkt

70 70 70 71

Hydromechanische Grundlagen Ab Seite 72

6 6.1 Vorbemerkung

74

6.2 Hydrostatik 6.2.1 Hydrostatischer Druck 6.2.2 Hydrostatischer Auftrieb 6.2.3 Schwebezustand eines festen Körpers im Wasser 6.2.4 Gleichgewichtslage eines schwimmenden Körpers und metazentrischer Effekt

74 74 76 76

6.3 Hydrodynamik 6.3.1 Laminare und turbulente Strömungen 6.3.2 Strömungswiderstand und Sogwirkung 6.3.3 Dynamischer Auftrieb und Abtrieb

80 80 81 82

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Inhalt

Der menschliche Körper Ab Seite 84

7 7.1 Vorbemerkung

86

7.2

Körperebenen und Körperachsen

86

7.3

Körperzusammen­setzung

88

7.4 Dichte

90

7.5

91

Körperbau und ­Körperform

7.6 Teilkörpermassen

92

7.7 Körperschwerpunkt

93

7.8 Volumenmittelpunkt

94

Wirkungen hydro­ mechanischer Effekte auf das Bewegungsverhalten menschlicher Körper Ab Seite 96

98

8.2

Möglichkeiten der ­Beeinflussung des statischen und hydrodynamischen Auftriebs

8.3

Metazentrische Effekte in Bezug auf den menschlichen Körper

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8.1 Vorbemerkung

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Inhalt

8.4

Auswirkungen von Körperasymmetrien auf die Gleichgewichtslage im Wasser

103

8.5

Turbulenzen und Sog

104

8.6

Bewegungen im ­Wasser und Vortrieb

106

8.7

Gleichgewichts­zustände im Wasser

107

Wirkungen des Wassers auf den menschlichen Organismus Ab Seite 112

9 114

9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3

Physiologische ­Wirkungen Wirkungen des hydrostatischen Drucks Wirkung der Wassertemperatur Wirkung des Auftriebs

114 114 117 119

9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5

Sinnesphysiologische Wirkung Wirkung auf das visuelle System Wirkung auf das akustische System Wirkung auf das propriozeptive System Wirkung auf das taktile System Wirkung auf das vestibuläre System

120 120 120 120 121 122

9.4

Wirkung auf die ­Nozizeption

122

9.5

Psychologische ­Wirkung

123

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9.1 Vorbemerkung

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Inhalt

Die drei Lernphasen in der Wasserspezifischen Therapie Ab Seite 126

10 10.1 Vorbemerkung

128

10.2 Psychische Anpassung

129

10.3

130

Gleichgewichts­kontrolle

10.4 Fortbewegung

132

Das Zehn-Punkte-­ Programm Ab Seite 134

11.2 Punkt 1: Psychische Anpassung und ­Loslösung

136

11.3 Punkt 2: Sagittale ­Rotationskontrolle

144

11.4 Punkt 3: Transversale Rotationskontrolle

154

11.5 Punkt 4: Longitudinale Rotationskontrolle

175

11.6 Punkt 5: Kombinierte Rotationskontrolle

188

11.7 Punkt 6: Auftrieb / ​­Geistige Umkehr

199 202

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11.8 Punkt 7: Gleich­gewicht in Ruhe

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11.1 Vorbemerkung

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Inhalt

11.9 Punkt 8: Gleiten auf Turbulenzen

208

11.10 Punkt 9: Elementare Fortbewegung

211

11.11 Punkt 10: Basis-­Schwimmstil

212

11.12 Schwimmen im ­Anschluss an das Zehn-Punkte-­Programm

214

Hinweise für Thera­ peuten bei der Anwendung der Wasserspezi­ fischen Therapie Ab Seite 216

12 12.1 Vorbemerkung

218

12.2 Hilfestellung und ­Unterstützung durch den Therapeuten

219

12.3 Methodische Prinzipien

220

12.4 Behandlungsaufbau in der Wasserspezifischen Therapie

222

12.5 Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

229

Wasserspezifische ­Befunderstellung Ab Seite 232

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13.2 Water Orientation Test ALYN (WOTA) 13.2.1 Water Orientation Test ALYN 1 (nach Ruth Tirosh) 13.2.2 Water Orientation Test ALYN 2 (nach Ruth Tirosh)

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13.1 Vorbemerkung

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240

13.4 Ausgewählte Assessments an Land

240

Inhalt

13.3 Halliwick-ICF-Befund (HICF)

Ein- und Ausstieg über den Beckenrand Ab Seite 246

14 14.1 Vorbemerkung

248

14.2 Praxis 14.2.1 Einstieg in das Wasser 14.2.2 Ausstieg aus dem Wasser

248 249 254

Übungsformen in der Gruppe Ab Seite 258

15.2 Praxis 15.2.1 Geistige Anpassung / ​Wassergewöhnung 15.2.2 Sagittale Rotationskontrolle 15.2.3 Transversale Rotationskontrolle 15.2.4 Longitudinale Rotationskontrolle 15.2.5 Kombinierte Rotationskontrolle 15.2.6 Auftrieb / ​Geistige Umkehr 15.2.7 Gleichgewicht

262 262 263 264 264 265 265 266

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15.1 Vorbemerkung

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Inhalt

15.2.8 Gleiten auf Turbulenzen 15.2.9 Elementare Fortbewegung 15.2.10 Basis-Schwimmstil

268 268 268

Anwendung der ­Wasserspezifischen Therapie in der ­Sturzprophylaxe Ab Seite 270

16 16.1 Vorbemerkung

272

16.2 Rolle der koordinativen Fähigkeiten in der Sturzprophylaxe

273

16.3

276

Gleichgewichts­strategien

16.4 Gleichgewichts­training im Wasser

279

16.5 Übungsbeispiele für ein Gleichgewichtstraining im Wasser

281

Anhang

Ab Seite 292

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Literaturverzeichnis 294

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Die Autorin Water Orientation Test ALYN 1 (WOTA 1)

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Halliwick-ICF-Befund (HICF)

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Water Orientation Test ALYN 2 (WOTA 2)

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„ Knowledge must replace ignorance. Imagination must be challenged by fact.“ McMillan, Juni 1978

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Geleitwort

GELEITWORT Ziel der Rehabilitation ist eine möglichst rasche und umfassende Wiederherstellung der motorischen und kognitiven Fähigkeiten. Dabei sind das Erlangen bzw. Wiedererlangen der Mobilität und der größtmöglichen Selbstständigkeit primäre Therapieziele, mit dem Fokus auf der Eingliederung des Patienten in sein soziales Umfeld. Die Möglichkeiten der therapeutischen Ansätze sind dabei vielfältig. Eine der Optionen stellt die Wasserspezifische Therapie dar. Warum Therapie im Wasser? Das Wasser bietet spezielle Eigenschaften, die wir an Land nicht vorfinden. Es erlaubt bestimmte Bewegungsabläufe, Positionen oder Handfassungen, um individuelle Therapieziele zu erreichen. Dies erkannte der Hydromechaniker James McMillan und begann um 1950 in England, körperlich behinderte Mädchen im Schwimmen zu unterrichten. Er machte es sich zur Aufgabe, seinen Schülerinnen eine größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im Wasser zu vermitteln und ihnen das Schwimmen im Hinblick auf eine soziale Integration beizubringen. Es entstand die Halliwick-Methode (s. Kapitel 1). Um die Ziele, wie zum Beispiel Rumpfstabilität, Atemkontrolle, Gleichgewichtsfähigkeit und selbstständiges Fortbewegen zu erreichen, wurde ein Zehn-Punkte-Programm entwickelt. James McMillan erkannte schnell, dass die Halliwick-Methode nicht nur positive Auswirkungen auf das Bewegungsverhalten im Wasser hat, sondern auch eine positive Beeinflussung der Psyche und eine Verbesserung motorischer Funktionen an Land zeigt. Später entstand aus dem ursprünglichen Zehn-Punkte-Programm der Halliwick-Methode die Wasserspezifische Therapie (WST), welche als ein Wasserprogramm für therapeutische Zwecke zu verstehen ist. Die Wasserspezifische Therapie ist dabei als eine individuelle Behandlungsmöglichkeit im Wasser, vor allem für Patienten in den Bereichen der Orthopädie, Neurologie, Pädiatrie sowie der Rheumatologie und der Chirurgie, zu verstehen. Sie ist dabei gleichermaßen sowohl für Kinder als auch für Erwachsene geeignet. Kapitel 1 setzt sich zunächst mit der Entstehung der Halliwick-Methode und der daraus abgeleiteten Wasserspezifischen Therapie auseinander. Schrittweise entwickelte James McMillan die Halliwick-Philosophie, welche auf den Aspekten der Hydromechanik, Neuropsychologie, Psychologie, Pädagogik und Gruppendynamik basiert. Hierauf wird in Kapitel 2 genauer eingegangen.

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Die Zielsetzung innerhalb der Wasserspezifischen Therapie findet auf den Ebenen der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) statt. Genauere Angaben über die Rolle der ICF und Ziele in der Wasserspezifischen Therapie können in Kapitel 3 nachgelesen werden.

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Die wichtigsten Voraussetzungen, um überhaupt Wasserspezifische Therapie anbieten zu können, beschränken sich nicht nur auf Aneignung von Wissen und das Erlernen von Handfassungen. Vor allem auch die Schwimmbeckengröße, die Wassertem-

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Geleitwort

peratur und Wassertiefe sowie der organisatorische und zeitliche Aufwand müssen beachtet werden, um eine erfolgreiche Behandlung gewährleisten zu können. Kapitel 4 beschreibt hierzu kurz die wichtigsten organisatorischen Maßnahmen und technischen Voraussetzungen. In Kapitel 5 wird zunächst anhand einfacher geometrischer Körper ein Basiswissen über physikalische Grundlagen vermittelt. Es werden grundlegende Begriffe aus der Physik erläutert, welche für das Verständnis der folgenden Kapitel relevant sind. Darüber hinaus ist ein Grundverständnis über hydromechanische Gesetzmäßigkeiten notwendig, um die Herangehensweise in der Wasserspezifischen Therapie zu verstehen. Kapitel 6 befasst sich mit hydromechanischen Grundlagen, welche für die Beschreibung und Analyse von Bewegungsabläufen im Wasser und damit das richtige Einsetzen von therapeutischen Übungsanweisungen essentiell sind. Da der Mensch kein geometrischer Körper ist, wird in Kapitel 7 der menschliche Körper mit seinen Besonderheiten genauer analysiert. Er ist geprägt von unterschiedlichster Form, Dichte und Größe, was wiederum Auswirkungen auf das Bewegungsverhalten im Wasser hat. Kapitel 8 baut schließlich auf die vorangegangenen Kapitel 5 bis 7 auf. Es soll verdeutlichen, warum sich der menschliche Körper im Wasser nur in einer bestimmten Art und Weise bewegen kann, welche Kräfte dabei wirken und wie man diese für die Therapie beeinflussen bzw. nutzen kann. Der Aufenthalt im Wasser beeinflusst nicht nur das Bewegungsverhalten, sondern zeigt auch Wirkung auf den menschlichen Organismus. So können, wie in Kapitel 9 beschrieben, Effekte auf das Herz-Kreislauf-, Atmungs- und Lymphgefäßsystem sowie auf das Immunsystem festgestellt werden. Zudem werden die sinnesphysiologische Wirkung, der Einfluss auf die Nozizeption und die Psyche beschrieben.

Mit dem Kapitel 11 schließt sich der Praxis-Hauptteil und damit das Kernstück der Wasserspezifischen Therapie an, nämlich das Zehn-Punkte Programm. In diesem werden ausführlich Inhalt und Ziel jedes einzelnen Punktes beschrieben, sowie Bewegungsabläufe und therapeutische Handfassungen erläutert. Das Zehn-Punkte-Programm ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit mit einer Vielzahl unterschiedlichster Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Es wird therapeutisch genutzt, mit dem Ziel der Steigerung der Lebensqualität auf motorischer, kognitiver und psychischer Ebene und dem Erlernen der größtmöglichen Selbstständigkeit. Schwimmen ist dabei nur ein kleiner Teil des Programms.

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In Kapitel 12 werden wichtige Hinweise für Therapeuten in Bezug auf Methodik, Handfassungen, Therapeutenpositionen und Anmerkungen für die unterschiedlichen Patientenpositionen im Wasser gegeben. Zudem werden kurz die wichtigsten Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen in der Wasserspezifischen Therapie angezeigt.

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Innerhalb des Zehn-Punkte-Programms durchläuft der Übende die drei Lernphasen, wie in Kapitel 10 beschrieben: Geistige Anpassung, Gleichgewichtskontrolle und Fortbewegung.

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Geleitwort

Kapitel 13 befasst sich mit verschiedenen Assessments zur wasserspezifischen Befunderhebung. Es werden Assessments für den Aufenthalt im Wasser, wie die Water Orientation Tests ALYN 1 und 2 sowie ein Testbogen in Anlehnung an die ICF vorgestellt. Assessments zur Testung an Land werden ebenfalls kurz beschrieben. Tests an Land können in der Therapie im Wasser sinnvoll sein, um einen Vergleich vor und nach der Behandlung ziehen zu können. In Kapitel 14 werden unterschiedliche Möglichkeiten des Transfers beschrieben und mit praktischen Beispielen belegt. Der Transfer in und aus dem Wasser sollte nach dem Prinzip der größtmöglichen Selbstständigkeit erfolgen. Eine Therapie in der Gruppe bietet sich nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen zur Steigerung der Motivation, der Freude an der Bewegung und der Förderung der sozialen Integration an. Kapitel 15 befasst sich mit verschiedenen Übungsformen in der Gruppe, welche an das Zehn-Punkte-Programm angelehnt sind. Auch hier werden zu jedem Punkt Übungsbeispiele erläutert. Da das Wasser ideale Eigenschaften für ein Training zur Sturzprophylaxe aufweist, wird an dieser Stelle auf Kapitel 16 verwiesen. Hier werden verschiedene Formen der Schulung des Gleichgewichtes und der Stabilität des Körpers in ihrer praktischen Anwendung beschrieben. Zudem werden auf Gleichgewichtsstrategien, die Rolle der koordinativen Fähigkeiten in der Sturzprophylaxe und auf Methoden im Gleichgewichtstraining eingegangen.

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Heute gibt es Physio-, Ergo- und Sporttherapeuten aber auch Pädagogen, Schwimmlehrer und Übungsleiter auf der ganzen Welt, die mit der Wasserspezifischen Therapie erfolgreich mit Kindern und Erwachsenen arbeiten.

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2010 nahm ich erstmals an einer Weiterbildung zum Thema Wassertherapie nach Halliwick bei Johan Lambeck teil. Das Therapiekonzept nach den Ideen von James McMillan überzeugte mich durch das breit gefächerte Anwendungsspektrum und die fundierte Begründung, basierend auf dem Wissen über die Hydromechanik. Ich war schon viele Jahre zuvor fest davon überzeugt, dass das Wasser als besonderes Medium einen höheren Stellenwert in der Therapie verdient hat, als dies bisher der Fall ist. Es ist ein einzigartiges Element, welches sowohl in der Rehabilitation als auch in der Prävention und Rekreation eingesetzt werden kann. Seine spezifischen Eigenschaften bieten viele Vorteile für ein individuelles Training zur Förderung geistiger und körperlicher Fähigkeiten.

Vorwort und Danksagung

VORWORT UND ­DANKSAGUNG

Im Jahr 2012 besuchte ich schließlich die Halliwick-Aufbaukurse „Core-Stabilität“ und „Gehen“. Es entstand die Idee, Entwicklungen, Hintergründe sowie Erkenntnisse und Praxiswissen über die Wasserspezifische Therapie nach Halliwick zusammenzutragen und für Therapeuten sowie Interessierte zugänglich zu machen. Ziel ist es, diese besondere Art der Wassertherapie und zugleich Methode, das Schwimmen zu lehren, weiter zu verbreiten und zu popularisieren. Das Ergebnis von drei Jahren Arbeit ist ein umfangreiches Praxisbuch basierend auf den Angaben bereits bestehender Literatur verschiedener Autoren sowie Arbeitsmaterialien von James McMillan und dem Wissen von Johan Lambeck. An dieser Stelle möchte ich meinen besonderen Dank an Johan Lambeck aussprechen, da ohne seine Begeisterungsfähigkeit für die Wasserspezifische Therapie, seine unermüdliche Unterstützung in fachlichen Fragen, seine Literaturhinweise und die persönlichen Gespräche über die Wasserspezifische Therapie dieses Buch wahrscheinlich nie entstanden wäre. Außerdem gilt mein Dank Jens von der Beeck, welcher mich bei der Erstellung der Fotos unterstützt hat, in computertechnischen Fragen geduldig zur Seite stand und viele hydromechanische Teilaspekte kritisch mit mir diskutiert hat.

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Dieses Buch stellt keinen Ersatz für einen Lehrgang über die Wasserspezifische Therapie nach der Halliwick-Methode dar. Es ist vielmehr als Ergänzungs- und Nachschlagewerk zur Erweiterung des Repertoires an Übungs-, Therapie- und Hilfsmöglichkeiten für den Patienten zu verstehen. Die Aneignung spezifischer praktischer Kenntnisse, das Erlernen der Handfassungen und das Handling in Bezug auf den Patienten kann jedoch nur in einem Praxiskurs vermittelt werden.

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Des Weiteren möchte ich mich bei Ruth Tirosh bedanken, welche mir die aktuelle Version des „Water Orientation Test ALYN“ zur Verfügung gestellt hat und immer ein offenes Ohr für Detailfragen zur Befunderstellung hatte.

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Vorwort und Danksagung

Die Wasserspezifische Therapie nach der Halliwick-Methode richtet sich dabei nicht nur an Physiotherapeuten und Krankengymnasten, sondern ebenfalls auch an Sportund Ergotherapeuten, an Trainer und Ăœbungsleiter, Schwimmlehrer sowie an Pädagogen und alle weiteren Interessierten.

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Hinweis

HINWEIS Um den Lesefluss zu erhalten, werden im gesamten Buch nur männliche Bezeichnungen verwendet, gemeint sind aber immer sowohl weibliche als auch männliche P ­ ersonen.

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Da Patienten auch immer Übende sind, ist diese Bezeichnung als Synonym zu ver­ stehen.

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Entstehung der ­Halliwick-Methode und der Wasser­ spezifischen Therapie

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1.1

DER BEGRÜNDER DER HALLIWICKMETHODE 24

1.2 ENTWICKLUNG DER HALLIWICKMETHODE UND NAMENSGEBUNG

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1.3 DIE AUSTRAGUNG VON WETTKÄMPFEN UND DAS KANALSCHWIMMEN

29

1.4 DER ERSTE KONTAKT ZWISCHEN JAMES MCMILLAN UND JOHAN LAMBECK

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1.5 ENTWICKLUNG DER WASSERSPEZIFISCHEN THERAPIE AUF GRUNDLAGE DER HALLIWICK-METHODE 32

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1.6 WEITERENTWICKLUNG DER HALLIWICKMETHODE NACH DEM TOD VON JAMES MCMILLAN 33

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Kapitel 1

1

1.1 DER BEGRÜNDER DER HALLIWICK-METHODE James McMillan (1913-1994) gilt als Begründer der Halliwick-Methode. Er legte mit seinen Ideen den Grundstein für die Bewegungstherapie im Wasser für körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen [38]. James McMillan wurde am 15. Oktober 1913 in St. Katharin, Ontario (Kanada) geboren. Als er sechs Jahre alt war, zog seine Mutter mit ihm und seinem Bruder nach England [38]. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in England, musste das Studium allerdings bedingt durch den II. Weltkrieg unterbrechen [58]. Als er 1946 aus dem Krieg zurückkehrte, arbeitete er als Fabrikarbeiter und begann, sich in der Abendschule im Londoner Northampton Engineer College zum Ingenieur ausbilden zu lassen [57], [82]. Er stieg in die Produktionsleitung und das Fabrikmanagement auf [58]. James McMillan war in seiner Freizeit ein begeisterter Schwimmer und Mitglied in einem Londoner Schwimmclub. Nach dem Krieg nahm er den Schwimmsport nicht mehr als Wettkampfschwimmer, sondern als Amateur-Trainer im lokalen Schwimmklub auf [56]. So begann er, jüngere Schwimmer zu trainieren. Er wurde zunächst ehrenamtlicher Trainer und Schwimmlehrer für gesunde Sportler. 1949 entstand die Idee, behinderten Mädchen der „Halliwick School for Crippled Girls“ das Schwimmen zu lernen. Er setzte sein Vorhaben um und arbeitete mit zwölf Mädchen im Alter von neun bis fünfzehn Jahren, die an zerebralparetischen Bewegungsstörungen litten [7], [57], [58], [59], [82]. 1959 wechselte James McMillan seine Arbeitsstelle und fungierte als Berater im Geschäftsmanagement [58].

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Prägend für James McMillan und die Entwicklung der Halliwick-Methode war die Einladung in die Schweiz im Jahre 1964 durch Dr. W. Zinn, den ärztlichen Direktor des Bad Ragazer Medizinischen Zentrums [57], [58]. Hier in Bad Ragaz sollte James McMillan seine Erfahrungen in die Rehabilitation einbringen und während eines fünftägigen Kurses interessierten Physiotherapeuten die Halliwick-Methode vermitteln [56], [57], [82]. Zu dieser Zeit befand sich auch die britische Physiotherapeutin Mary Quinton in der Schweiz [57]. Das Zusammentreffen mit ihr und Dr. Zinn war laut James McMillan der erste wichtige Kontakt für ihn mit der medizinischen Welt [38]. Ab diesem Zeitpunkt begann er, ein Mal jährlich für eine Woche Physiotherapeuten in Bad Ragaz auszubilden. Dieser Kurs wiederholte sich die folgenden zehn Jahre [56]. Es kamen Vortragsreihen in Skandinavien, Dänemark und Island hinzu [57]. James McMillan und seine Frau, Phyl McMillan, gaben Kurse für Trainer, Physiotherapeuten, Ärzte und Eltern [60].

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1967 arbeitete James McMillan als Unternehmensberater und gründete sein eigenes Unternehmen [58]. Sieben Jahre später gab er seine Geschäftsinteressen auf, um auf

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Bitten von Dr. W. Zinn nach Bad Ragaz zu gehen und seine Arbeit an einem Rehabilitations-Projekt im Wasser zu starten [46], [58]. Während James McMillan der Einladung in die Schweiz folgte, blieb seine Frau Phyl weiterhin in London wohnhaft. James McMillan sollte eine Projektgruppe in Bezug auf die Wassertherapie leiten, deren Ziel es war, Erwachsenen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern im orthopädischen, neurologischen und rheumatologischen Bereich therapeutisch zu helfen [46]. Somit wurde die Entwicklung der Halliwick-Methode in Richtung Therapiemethode vorangetrieben. Das Projekt entwickelte sich letztendlich zu einer Arbeit über vier Jahre [58].

Kapitel 1

1

1979 kündigte James McMillan diese Stellung und gab im Dezember 1980 seinen letzten Kurs im Medizinischen Zentrum in Bad Ragaz. Er begann, auf der ganzen Welt Kurse über die Halliwick-Methode zu halten [56]. Damit entschied er sich für eine berufliche Weiterentwicklung im Bereich der Wassertherapie und gab die Möglichkeit auf, wieder in das Industriegewerbe einzusteigen [38], [58]. James McMillan hatte mit seiner Frau zwei Töchter. Er verstarb am 03. April 1994 in Walenstadt. Seine Frau Phyl McMillan, die ihn in der Entwicklung und Verbreitung der Halliwick-Methode maßgebend unterstützte, verstarb am 07. 10. 2003 [38].

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James McMillan lebte im Norden von London, wo sich eine Schule für körperlich beeinträchtigte Mädchen, die „Halliwick School for Crippled Girls“, befand [7], [57]. Viele lokale Organisationen, einschließlich Schwimm-Clubs, organisierten Wettbewerbe, um Geld für die Unterstützung dieser Schule zu sammeln [7]. James McMillan waren solche Aktionen nicht ausreichend für eine Verbesserung der Lebensqualität der behinderten Mädchen, da sie selbst keinen Anschluss in der Gesellschaft hatten. 1949 gab es erneut eine Benefizveranstaltung für die „Halliwick School for Crippled Girls“, welche der Southgate Seals Swimming Club in London als Schwimmsportfest veranstaltete. James McMillan war der Vereinstrainer und organisierte diese Wohltätigkeitsveranstaltung [21], [60]. Es wurden sechs behinderte Mädchen eingeladen, welche von Phyl McMillan, der Frau von James McMillan, betreut wurden [60]. Nach der Veranstaltung wollte James McMillan von seiner Frau wissen, wie es den Mädchen gefallen habe. Als Antwort bekam er, dass sich offensichtlich zwei der Mädchen zu Tode gelangweilt hätten und sich fragten, was diese Veranstaltung mit ihnen zu tun hätte, während die anderen Mädchen darauf brannten, selbst in das Wasser zu springen [21], [60]. So keimte die Idee, diesen körperlich beeinträchtigten Mädchen das Schwimmen zu lernen [60].

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1.2 ENTWICKLUNG DER ­HALLIWICK-METHODE UND NAMENSGEBUNG

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Kapitel 1

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James und Phyl McMillan hatten selbst zwei Kinder und konnten den Bewegungsdrang und die Begeisterung für Wasser der Mädchen gut nachvollziehen. Bei einer Vereinssitzung des Schwimmclubs machte James McMillan den Vorschlag, dass die Mädchen der lokalen Halliwick-Schule für Behinderte zusammen mit nichtbehinderten Kindern im Schwimmclub schwimmen lernen sollten [7], [56]. In seinen Augen sollte dies zur sozialen Integration beitragen [56]. Für Kinder und Jugendliche ohne körperliche und geistige Beeinträchtigungen gab es Trainer und Übungsleiter im Überfluss, doch niemand hatte sich zuvor damit auseinandergesetzt, körperlich beeinträchtigte Kinder im Schwimmsport anzuleiten. Zunächst erntete er nur Gelächter und Skepsis der Vorstandsmitglieder. Sie waren der Meinung, dass niemand mit diesen schwerstbehinderten Mädchen in das Wasser gehen konnte, noch nicht einmal professionelle Mediziner würden dies tun [7]. James McMillan kontaktierte die Oberschwester der Schule, Kathleen Alford, mit seiner Idee, welche schließlich den Honorarchirurgen Oliver J. Vaughan-Jackson F. R. C.S., der zu diesem Zeitpunkt Senior Orthopaedic Consultant des Londoner Hospitals war, zu einem Projektversuch gewinnen konnte [56], [60]. Zusammen mit ihnen und der Schulphysiotherapeutin D. M. Pieroe, konnte James McMillan seine Idee weiterentwickeln und in die Tat umsetzen. Obwohl es ein absolutes Novum war, mit behinderten Menschen im Wasser zu arbeiten, begann McMillan 1949 unter großer Skepsis der Mitmenschen, zwölf körperlich beeinträchtigte Mädchen im Alter von neun bis fünfzehn Jahren Schwimmunterricht zu erteilen [7], [57], [58], [59], [82]. Diese Möglichkeit, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen das Schwimmen lernen und von der Bewegung im Wasser profitieren können, gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

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Die Zeit, in der James McMillan lebte, war geprägt von zwei Weltkriegen, die zahlreiche Menschen mit bleibenden Behinderungen hinterließen. Außerdem gab es vor allem in Europa während der Kriegs- und Nachkriegszeit viele Erkrankungsfälle mit Poliomyelitis [66]. Unter der Bevölkerung herrschte große Angst, da die Erkrankung mit einer bleibenden Behinderung und körperlichen Folgeschäden einhergehen oder zum Tod führen konnte [59]. Betroffen waren überwiegend Kinder. Behinderte Menschen wurden zur damaligen Zeit mit einem gewissen Abstand behandelt und meist wurden sie von der Öffentlichkeit eher ferngehalten. Nur Familien mit Behinderten wussten, was eine Spastik ist und welche Probleme eine bleibende Behinderung mit sich bringt [56]. Es gab zwar Einrichtungen für die Betroffenen, wie zum Beispiel Schulen, dennoch hatten Behinderte weder die nötigen Rechte noch Möglichkeiten, am sozialen Leben teilzunehmen. Eine Einbindung in das Alltagsleben von Nichtbehinderten war nicht gegeben. Ein generelles Management zu Pflege und zur Behandlung solcher Patienten, so wie wir es heute kennen, gab es zu dieser Zeit noch nicht [38]. Die Arbeit des heute bekannten Ehepaares Karel und Bertha Bobath befand sich noch in den Anfängen und die Entwicklung geeigneter Therapiemaßnahmen bei Erkrankungen mit schweren körperlichen und geistigen Schäden war noch eher dürftig.

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James McMillan nutzte als erster hydromechanische Prinzipien und Trägheitsmomente, um die Balance im Wasser zu üben und unerwünschte Bewegungen zu kontrollieren. Außerdem wurden gezielt taktile Reize eingesetzt, um Körperbewegungen zu fördern. Bereits hier wollte er die Bewegungsfreiheit im Wasser fördern und verzichtete von Anfang an auf zusätzliche Auftriebskörper [7], [56]. Die Mädchen lern-

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ten von James McMillan und seinen Helfern ebenso wie er von ihnen. James und seine Frau führten ein Tagebuch, um akribisch alle Beobachtungen zu notieren und daraus Schlussfolgerungen für das Lehren des Schwimmens zu ziehen. Diese Aufzeichnungen waren sehr wichtig, da es Aussagen der Mädchen dokumentierte, wie zum Beispiel, dass sie alleine gehen konnten, ohne Hilfe etwas tun konnten oder keine Hilfsmittel mehr bräuchten [60].

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Da die Halliwick-Schule ein Internat war, mussten die Mädchen in regelmäßigen Abständen in ihre Heimatorte in ganz England zurückkehren und ihr Schwimmtraining unterbrechen [56]. Als James McMillan erfahren musste, dass diesen Mädchen in ihren Heimatorten der Eintritt in die öffentlichen Schwimmbäder nicht erlaubt wurde, begann er, ein Programm zur öffentlichen Schulung, startete einen Aufruf zur Formierung von Schwimmvereinen für Behinderte und lehrte Interessierten die Techniken im Handling und Schwimmtraining mit körperlich und geistig Beeinträchtigten [56]. Zunächst blieben viele Versuche, Therapeuten von der Hydrotherapie zu begeistern, von geringem Erfolg. Das größte Problem war das fehlende Verständnis bzw. Wissen darüber, inwieweit sich der menschliche Organismus im Wasser anpasst oder verändert, welchen Einfluss die Eigenschaften des Wassers auf die Bewegungen des Patienten haben und welche Wirkungen hervorgerufen werden. Die unkonventionelle Situation, mit körperlich und geistig Beeinträchtigten im Wasser zu arbeiten, konnte nicht mit gewöhnlichen Antworten gerechtfertigt werden. Dennoch war deutlich, dass der Kern der neuartigen Unterrichtsmethoden sich aus den Eigenschaften des Mediums Wasser ableitete [56]. James McMillan erkannte, dass sich die Probleme hauptsächlich in der Asymmetrie der Körper der beeinträchtigten Mädchen zeigten.

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Er begann daraufhin, die physikalischen Aspekte der Trainingsmethoden zu erfassen. Der neurophysiologischen und psychologischen Betrachtungsweise schenkte er dabei zunächst weniger Aufmerksamkeit [56]. Auch die Heil- und Krankengymnastin Bertha Bobath besuchte James McMillan, um seine Lehrweisen, sein Wissen und seine Erfahrungen mit den behinderten Mädchen kennenzulernen [60]. Sie war anfangs

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Es zeigten sich anfänglich Schwierigkeiten beim Unterrichten des Schwimmens und in organisatorischen Dingen, wie der Transport zum und vom Schwimmbad, das Anund Auskleiden sowie das Handling der Mädchen im Bad. Es gab keinerlei Informationen oder Hinweise zum Nachlesen, alles musste von Anfang an selbst erarbeitet werden [56]. Obwohl James McMillan von Anfang an die Absicht hatte, die Mädchen in den Southgate Seals Swimming Club zu integrieren, wurde ihm dies zunächst mit der Information untersagt, dass man Behinderte nicht mit normalen Kindern zusammen schwimmen lassen könne. Lediglich durch einen Fehler durch die lokale Behörde wurde einem gemeinsamen Training einige Jahre später stattgegeben [60]. Ein großes Problem stellte auch die zwischenzeitliche Schließung des Schwimmbades durch die lokale Behörde dar, da der allgemeine Verdacht bestand, dass sich das Polio-Virus über das Wasser ausbreiten würde. Nur unter sehr starkem und anhaltendem Protest wurde das Bad wieder geöffnet, allerdings nur für die behinderten Mädchen. Damit war der Kontakt zu nichtbehinderten Kindern unterbunden und somit der Effekt und das Ziel der Integration versagt [56].

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Auf Grundlage der Hydromechanik hat sich aus der ursprünglichen Halliwick-Methode mit dem Zehn-PunkteProgramm von James McMillan die Wasserspezifische Therapie entwickelt. Sie wird heute weltweit nicht nur im Kinder- und Jugendbereich, sondern auch bei Erwachsenen mit verschiedensten Behinderungen und Erkrankungen angewandt. Mit zahlreichen Abbildungen werden die Wirkmechanismen im Wasser veranschaulicht. Es wird umfassend erläutert, wie bestimmte Bewegungen im Wasser unter welchen Voraussetzungen stattfinden. Dabei werden der Unterschied zu den Übungen an Land dargestellt und die Vorteile der Wasserspezifischen Therapie aufgezeigt.

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Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen werden mit zahlreichen Abbildungen praktische Übungsbeispiele aufgeführt.

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