Regenerationsstrategien – Leseprobe

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Regenerationsstrategien Neue Reserven durch systematische

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Thorsten Ribbecke

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Erholung und Monitoring


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Regenerations­ strategien Neue Reserven durch systematische Erholung und Monitoring

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Thorsten Ribbecke


Impressum Autoren

Thorsten Ribbecke Büttgasse 3 53332 Bornheim ribbecke@trainerakademie-koeln.de

Hinweis

Die medizinische Entwicklung schreitet permanent fort. Neue Erkenntnisse, was Medikation und Behandlung angeht, sind die Folge. Autor und Verlag haben alle Texte mit großer Sorgfalt erarbeitet, um alle Angaben dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung anzupassen. Dennoch ist der Leser aufgefordert, ­Dosierungen und Kontraindikationen aller verwendeten Präparate und medizinischen ­Behandlungungsverfahren anhand etwaiger Beipackzettel und Bedienungsanleitungen eigenverantwortlich zu prüfen, um eventuelle Abweichungen festzustellen.

ISBN

ISBN 978-3-7905-1059-1

Urheber- und Nutzungsrechte

© 2018 by Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG, Lazarettstraße 4, 80636 München

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Bearbeitung sonstiger Art sowie für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Dies gilt auch für die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwendung von Texten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Wir übernehmen auch keine Gewähr, dass die in diesem Buch enthaltenen Angaben frei von Patentrechten sind; durch diese Veröffentlichung wird weder stillschweigend noch sonst wie eine Lizenz auf etwa bestehende Patente gewährt. Sommer media GmbH & Co. KG, Feuchtwangen

Bibliografische Information

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


INHALT Danksagung 10 Vorwort Prof. Dr. Lutz Nordmann 11

Inhalt

EinfĂźhrung Ab Seite 15

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Belastungs- und Pausenmanagement Ab Seite 21

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2.1 Belastungs- und Pausenmanagement 2.1.1 Belastung 2.1.2 Art des Trainings 2.1.3 Belastungsintensität 2.1.4 Belastungsumfang 2.1.5 Belastungsdichte

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Inhalt

2.1.6 Beanspruchung 2.1.7 Anpassung 2.1.8 Erholung der Systeme 2.1.8.1 Belastungsfaktoren 2.1.8.2 (Vollständige) Regeneration/Refraktärzeiten 2.1.8.3 Resteffekte/Residualzeiten 2.1.9 Detraining 2.1.10 Übertraining Das Belastungs- und Pausenmanagement zur Entwicklung 2.1.11 der verschiedenen Energiesysteme 2.1.11.1 Das aerobe System 2.1.11.1.1 Die aerobe Leistungsfähigkeit 2.1.11.1.2 Die Kapazität des aeroben Stoffwechsels 2.1.11.1.3 Diagnostik des aeroben Systems 2.1.11.1.4 Belastungsparameter und Pausengestaltung zur Entwicklung des aeroben Systems 2.1.11.1.5 Konkurrierende Trainingsreize 2.1.11.2 Das anaerobe-laktazide System 2.1.11.2.1 Die anaerobe-laktazide Leistungsfähigkeit 2.1.11.2.2 Kapazität des anaeroben-laktaziden Systems 2.1.11.2.3 Diagnostik des anaerob-laktaziden Systems 2.1.11.2.4 Belastungsparameter und Pausengestaltung zur Entwicklung des anaeroben-laktaziden Systems 2.1.11.2.5 Konkurrierende Trainingsreize 2.1.11.3 Das alaktazide System 2.1.11.3.1 Die alaktazide Leistungsfähigkeit 2.1.11.3.2 Die alaktazide Kapazität 2.1.11.3.3 Diagnostik des alaktaziden Systems 2.1.11.3.4 Belastungsparameter und Pausengestaltung zur Entwicklung des alaktaziden Systems 2.1.11.3.5 Konkurrierende Trainingsreize


Inhalt

Periodisierung Ab Seite 53

3 3.1 Periodisierungsmodelle 3.1.1 Lineare Periodisierung Nichtlineare (wellenfรถrmige) Periodisierung 3.1.2 3.1.3 Blockperiodisierung Flexible oder komplexe Periodisierung 3.1.4

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Monitoring Ab Seite 61

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4.2 Stress

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Wie kann man Trainingsstress quantifizieren? Externer Trainingsload

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4.3 4.3.1

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4.1 Monitoring 4.1.1 Monitoring Verletzungsrisiko 4.1.2 Monitoring Krankheitsrisiko 4.1.3 Monitoring Trainingsbelastung 4.1.4 Monitoring Regeneration

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Inhalt

4.3.2 4.3.3

Interner Trainingsload 66 Verhältnis zwischen der aktuellen und chronischen Trainingsbelastung 68

4.4 Mess-Möglichkeiten im Monitoring Monitoring des neuromuskulären Systems 4.4.1 4.4.1.1 Vertikale Sprungtestung 4.4.1.2 Handkraft Herzfrequenzvariabilität (HRV) 4.4.1.3 4.4.1.4 Toe Touch 4.4.2 Monitoring des muskulären Systems 4.4.2.1 Kreatinkinase 4.4.2.2 Harnstoff 4.4.2.3 Abfrage des Muskelzustandes Monitoring des hormonellen Systems 4.4.3 4.4.3.1 Abfrage der Schlafqualität und Schlafdauer 4.4.3.2 Messung über Blut und Speichel

70 70 71 72 73 74 75 75 76 76 77 77 77

4.5 Psychometrie 78 4.5.1 Profile of Mood States (POMS) 78 Erholungs-Belastungs-Fragebogen für Sportler (EBF-Sport) 78 4.5.2 4.5.3 Total Quality Recovery (TQR) und Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS) 78 4.5.4 Akutmaß Erholung und Beanspruchung (AEB) 80 4.5.5 Kurzskala Erholung und Beanspruchung (KEB) 82 82

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4.6 Zusammenfassung


Inhalt

Regenerations­ strategien Ab Seite 85

5 Hierarchie der Regenerationsmassnahmen

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5.2 Schlaf 5.2.1 Auswirkung von Schlafmangel 5.2.2 Einflussfaktoren für den optimalen Schlaf 5.2.3 Schlafzyklen 5.2.4 Schlaf und Ernährung 5.2.5 Schlaf und Übertraining 5.2.6 Tipps für das Trainingslager/Napping 5.2.7 Chronotypen 5.2.8 Jetlag 5.2.9 Der ideale Tag

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5.3 Trinken 5.3.1 Symptome bei Flüssigkeitsmangel Wie kann man einen Flüssigkeitsmangel feststellen? 5.3.2 5.3.3 Wie sieht nun das optimale Sportgetränk aus? 5.3.3.1 Vor dem Training 5.3.3.2 Während des Trainings 5.3.3.3 Nach dem Training

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5.4 Ernährung / Essen 5.4.1 Organisation der Ernährung Individualität der Ernährung 5.4.2 5.4.3 Nahrungsmittelqualität 5.4.4 Nahrungsmittelquantität 5.4.5 Timing 5.4.6 Stoffwechsel / Energiequellen 5.4.6.1 ATP 5.4.6.2 Kreatinphosphat

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5.5 Nahrungsergänzungsmittel 5.5.1 Omega-3-Fettsäuren 5.5.2 Vitamin D 5.5.3 Brain Chain Amino Acids 5.5.4 Magnesium 5.5.5 Zink 5.5.6 Kreatin 5.5.7 Eisen

121 123 124 126 127 128 129 130

5.6 Atmung 5.6.1 Die Zwerchfellatmung 5.6.2 Atmung und Kohlendioxid 5.6.3 Wie atmet man optimal? 5.6.4 Nasenatmung 5.6.5 Atmungstests 5.6.6 Übungen zur Verbesserung der Atmung

132 132 134 135 136 136 138

Aktive Regenerationsmassnahmen 5.7 5.7.1 Aktive Regeneration 5.7.2 Myofasziale Entspannungstechnik Progressive Muskelrelaxation 5.7.3 5.7.4 Stretching 5.7.5 Meditation 5.7.6 Yoga

140 140 142 147 148 152 153

5.8 Passive Massnahmen 5.8.1 Debriefing 5.8.2 Massage Akupunktur und Akupressur 5.8.3 5.8.4 Regeneration durch Kälteapplikation 5.8.4.1 Kälteweste 5.8.4.2 Kaltwasser 5.8.4.3 Kontrastmethode 5.8.4.4 Kältekammer (Whole-Body Cryotherapy) 5.8.5 Sauna 5.8.5.1 Das kardiovaskuläre System

157 157 158 160 161 162 163 164 165 167 167

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Inhalt

5.4.6.3 Kohlenhydrate / Glykogen 5.4.6.4 Fette 5.4.7 Die Baustoffe 5.4.7.1 Eiweiß 5.4.7.2 Vegane und vegetarische Kost im Sport 5.4.8 Mikronährstoffe 5.4.9 Timing über den Tag 5.4.10 Timing zum Wettkampf hin


168 168 169 170 170 171 172 173

Inhalt

5.8.5.2 Das Immunsystem 5.8.5.3 Das (neuro-)muskuläre System 5.8.6 Kompression/Flossing/Kaatsu 5.8.6.1 Kompressionskleidung zur Leistungssteigerung 5.8.6.2 Kompressionskleidung als Regenerationsstrategie 5.8.6.3 Flossing 5.8.6.4 Okklusion 5.8.6.5 Binaurale Beats

Anhang

Ab Seite 177

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Der Autor

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Bildnachweise 179 Literaturverzeichnis 180

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Sachregister 227

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Danksagung

DANKSAGUNG Einen riesen Dank an meine Familie, vor allem an meine liebe Ma für die Geduld, Rücksicht und Hilfe. Einen großen Händedruck an meinen Chef der Trainerakademie Köln des DOSB, Prof. Dr. Lutz Nordmann, und an die lieben Kollegen Bettina, Chris, Dennis, Frank, Markus und Ute für das Vertrauen und die Unterstützung. Riesen Danke an Addi (Stefan Adler) für den wahnsinnigen Support bei der Athletiktrainerausbildung des DOSB und dem Buch.

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Dank an Gerrit Keferstein („Pushing to the Limits“), Manuel Ruep (mein persönlicher Reich-Ranicki des Sportbuches), Daniel Müller (mein Core- und Atmungsgott), Martin Zawieja (der Kraftmythos), Willi Meurer (bester Trainer der Welt), Peter Kurowski und alle ehemaligen Trainingspartner (insbesondere Stefan, Alex, Henning, Jan, Sven und natürlich Marcel, Frank, Olli, CC und Helge), Kai Wandschneider und Jasko (beste Handballtrainer der Welt), Pierre Houben (es lebe die Mitochondrie!), Dominik Suslik, David Gröger und alle Referenten, Teilnehmer und Freunde der Athletiktrainerausbildung des DOSB, und den weiteren Aus- und Fortbildungen an der Trainerakademie Köln für eure Begeisterung, Kritik, Inspiration und Hilfe. Zu guter Letzt natürlich einen großen Dank an den Pflaum Verlag mit Christian Wittmann und Lektorin Susanne Wiedl für die Ermutigungen und den super Job!


Der moderne Leistungssport zeichnet sich in besonderem Maße durch dynamische Entwicklungen der sportlichen Leistungsfähigkeit in allen Sportarten und Disziplinen aus. Die entscheidende Voraussetzung dafür bildet die wissenschaftlich fundierte, sichere trainingsmethodische Beherrschung der notwendigen Belastungs- und Erholungsprozesse in der Trainings- und Wettkampftätigkeit. Standen in tradierten Auffassungen zur progressiven sportlichen Leistungsentwicklung in besonderem Maße eher Fragen der Belastungsgestaltung im Vordergrund, so setzt sich unter unseren Trainerinnen und Trainern zunehmend die Erkenntnis durch, Fragen der Trainingsbelastung stets im Zusammenhang mit den gleichsam entscheidenden Wiederherstellungsprozessen trainingsmethodisch sauber zu planen und zu gestalten. Fragen der Wiederherstellung erfahren nicht zuletzt infolge enorm angewachsener Belastungen eine zunehmende Beachtung. So gesehen stellt die Regeneration ein echtes Leistungspotenzial im modernen Leistungssport dar. Die damit verbundenen Fragen haben auch deshalb verstärkt Berücksichtigung in den Aus- und Fortbildungsprogrammen der Trainerakademie gefunden.

Vorwort Prof. Dr. Lutz Nordmann

VORWORT PROF. DR. LUTZ NORDMANN

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Prof. Dr. Lutz Nordmann Direktor der Trainerakademie Köln des DOSB Köln, im Februar 2018

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Das Buch ist Trainer-Generalisten ebenso zu empfehlen wie spezialisierten Athletik-Trainern, unabhängig davon, ob sie schon lange „im Geschäft“ sind oder ob sie noch am Anfang einer langjährigen erfolgreichen Trainerlaufbahn stehen. Nicht zuletzt dürften aus der Lektüre wertvolle und interessante Impulse für die Trainerausbildung erwachsen.

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Herausgeber sowie Verfasser ist dafür zu danken, insbesondere Trainerinnen und Trainern das „Leistungspotenzial Regeneration und Monitoring“ verständlich und strukturiert zugänglich zu machen. Das Thema wird aus den speziellen Bedürfnissen der Trainerinnen und Trainer heraus entwickelt. Sie sind offensichtlich in besonderer Weise an der wissenschaftlich fundierten Aufbereitung der außerordentlich komplexen Materie interessiert, die konsequent auf trainingsmethodische Lösungen ausgerichtet ist. Das vorliegende Buch „Leistungspotenzial Regeneration und Monitoring“ folgt diesem Ansatz konsequent, indem bewährte Erkenntnisse und innovative Ansätze hervorragend illustriert im Kontext fundierter Erfahrungen von Trainern und Trainerausbildern dargestellt werden. Der Verfasser greift sowohl auf eine Fülle von Quellenmaterial zurück, als auch auf seine Erfahrungen in der Konzipierung und Umsetzung spezieller Trainer-Ausbildungsprogramme, die seit geraumer Zeit an der Trainerakademie realisiert werden und die sehr stark nachgefragt sind. Die Art und Weise, wie der Autor im vorliegenden Buch den Gegenstand aufbereitet, ist u. a. auch auf sein besonderes Gespür für das, was Trainerinnen und Trainer wirklich brauchen, zurückzuführen.

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Einführung

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Kapitel 1

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Bevor man sich der Regeneration widmet, gilt es eine grundsätzliche Frage zu beantworten: Welche Faktoren sind wichtig, um eine sportliche Leistung zu erbringen? Unzählige Autoren haben schon versucht, dieses komplexe System zu durchdringen und in eine Systematik einzubetten. Eines der Ergebnisse hiervon ist z. B. das holistische Modell von Bangsbo 2015: Im Fokus solcher Modelle stehen Energiesysteme, Trainingsformen oder technische bzw. taktische Faktoren als wichtige Zulieferer für eine sportliche Leistung.

PSYCHOLOGICAL SOCIAL TACTICAL INTERNAL FACTORS - sex - age - maturity - antropometry - genetic ENDURANCE PERFORMANCE

PHYSICAL COORDINATION FLEXIBILITY SENSORY-MOTOR HIGH INTENSITY EXERCISE PERFORMANCE

AEROBIC PERFORMANCE - maximum aerobic power - aerobic capacity - oxygen kinetics

INTERNAL FACTORS - sex - age - maturity - antropometry - genetic Arteries Veins Capillaries Myoglobia

SPRINT PERFORMANCE

ANAEROBIC PERFORMANCE - maximum anaerobic power - anaerobic capacity - rate of anaerobic energy production

CARDIOVASCULAR SYSTEM RESPIRATION SYSTEM

Oxidative enzymes e.g. CS SDH HAD PDH

Anaerobic enzymes e.g. CK PFK LDH

FORCE DEVELOPMENT

MUSCLE STRENGTH - concentric - eccentric - isometric - rate of force development (RFD)

MUSCLE CHARACTERISTICS

Transportproteins e.g - Na+/K+-pumps -K+-channels - Lactate-H+ transporters - Na+-H+ exchange - SR Ca1+ real./upt.

Fibertypedistribution

MUSCLE STRUCTURE - muscle type - fiber pennationsangle - tendons - connective tissue

NERVOUS SYSTEM

Growth factors e.g. - IGF-1 - m Tor

Motor unit Recruitment Firing frequenca Inhibition

AEROBIC TRAINING

MUSCLE STRENGTH TRAINING

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Abb. 1

ANAEROBIC TRAINING

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Blood volume Hemoglobia

TACTICAL

PERFORMANCE


Bezogen auf die Regeneration tauchen jedoch nur Teilaspekte auf, wie z. B. Ernährung und Hydration. Dies deckt sich mit der Erfahrung aus der Praxis: Trainer und Sportler diskutieren sehr oft das Thema Belastung. Dabei geht es um Trainingsmethoden wie das High Intensity Training (HIT) im Ausdauertraining oder „Time under Tension“ (Spannung) im Krafttraining. In Bezug auf die Regeneration werden dann bestenfalls die Pause nach jeder Übung oder die Serienpause besprochen. Doch was geschieht in der Zeit zwischen den Trainingseinheiten? Bei einer insgesamt zur Verfügung stehenden Trainingszeit von 168 Stunden pro Woche sind ca. zwölf Stunden durch die fünf Trainingseinheiten sowie einen Wettkampf belegt. Ist es da nicht von großer Bedeutung, was in den restlichen 156 Stunden der Woche passiert?

Kapitel 1

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Rushall und Pyke ordneten bereits im Jahr 1990 die Regeneration und Wiederherstellung den fünf Prinzipien der sportlichen Entwicklung zu [7]:

• Überschwelliger Reiz (Overload) • Spezifizität (Specificity) • Individualität (Individuality) • Regeneration (Recovery) • Wiederherstellung (Reversibility)

Gerrit Keferstein entwickelte zusammen mit Stefan Adler und seinem ALLOUT–Team für die Athletiktrainerausbildung des Deutschen Olympischen Sport Bundes (DOSB) die W.I.N.–Pyramide. Diese verdeutlicht, dass die Komplexität der athletischen Leistungsentwicklung eine nachvollziehbare Struktur und ein Ordnungssystem für alle Gedanken und Ideen bietet [1].

Taktik Technik Kraftentfaltung Energiesysteme Bewegungseffizienz

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Abb. 2

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Emotion

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Stressreservoir

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Kapitel 1

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W.I.N. steht für “What’s Important Now?” Welche der Ebenen ist in diesem Moment die wichtigste, um eine Leistung zu erbringen? Je nach Sportart sind die verschiedenen Bereiche stärker oder schwächer ausgeprägt. Ein Marathonläufer wird den Kraftbereich bei weitem nicht so ausbauen wie ein Kugelstoßer. Ein Handballspieler muss taktisch mit den Spielsystemen seiner Mannschaft vertraut sein. Dies spielt für den Bogenschützen jedoch keine Rolle. Eines gilt jedoch für alle Sportarten: Fehlen dem Sportler Wille und damit Motivation, ist er im Bereich der Emotion und der Wahrnehmung schlecht aufgestellt. Geht er zu spät schlafen oder ernährt sich nicht sportgerecht, besitzt er Defizite im Bereich des Stressreservoirs. Wie an der Pyramide gut zu sehen ist, sind die Bereiche Emotion, Wahrnehmung und Stressreservoir fundamentale Voraussetzungen für die Entwicklung von Effizienz oder Qualität der Bewegung, der Energiesysteme, der Kraftentfaltung oder der sportartspezifischen Fertigkeiten im technischen und taktischen Bereich. Spielt der Athlet zum Beispiel bis drei Uhr nachts an der Playstation und kommt dann morgens um neun Uhr ohne Frühstück zum Training, ist es überflüssigüberflüssig für den Trainer, sich mit ihm über Trainingsprogramme zu unterhalten. In diesem Fall bin ist er verpflichtet, ihn auf einen sportgerechten Lebensstil hinzuweisen. Oft stehen diese Bereiche in Wechselbeziehung zueinander. Wäre der Sportler motiviert, würde er versuchen, die Ebene des Stressreservoirs und damit die Regeneration zu optimieren. Diese Systematik ist nicht nur auf den Sport anwendbar, sondern kann auch auf das Berufsleben übertragen werden. Auch hier spielen Einstellung und gesunder Lebensstil eine vorrangige Rolle. Daher gelten die ersten vier Ebenen der W.I.N.–Pyramide auch für den Menschen im Allgemeinen. Zu den Bereichen Emotion, Wahrnehmung und Stressreservoir gesellt sich noch die Bewegungseffizienz. Diese spiegelt die grundsätzliche Qualität der Bewegung wider. Welche Voraussetzungen hinsichtlich der Grundbewegungsmuster bringt der Sportler mit? Diese Ebene wird mit Tools, wie dem Functional Movement Screen (FMS), dem Pre Injury Screen (PRIS) dem Selective Functional Movement Assessement (SFMA) und verschiedenen sportorthopädischen Untersuchungen getestet. Mit der Bewegungseffizienz beginnt auch der Bereich der Physis bzw. des Sports, unabhängig von der jeweiligen Sportart oder Disziplin. Steigen Umfang oder Intensität von Training oder Wettkampf, spielt die Regeneration eine immer bedeutendere Rolle [5,11]. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn Niklas Dietrich, der Athletiktrainer von RB Leipzig und der Deutschen Nationalmannschaft, erklärt, dass er sich bei der Betreuung der Mannschaft mehr mit der Regeneration als mit dem Training beschäftigt [10].

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In den letzten Jahren wurde der Fokus verstärkt auf die Pause zwischen den Trainingseinheiten gelegt. Verschiedene Regenerationsstrategien wurden dabei herangezogen, um die trainingsfreie Zeit maximal für die Erholung zu nutzen. Vorrangig werden dazu drei Ziele verfolgt [4, 11]:


1. Optimierte Anpassung an einen Trainingsreiz, um den maximalen Benefit eines Trainings zu generieren. Dies hat den Vorteil, in jeder Trainingseinheit eine maximale Qualität abrufen zu können 2. Erhöhung der Leistungsfähigkeit durch Konstanz und Wiederholbarkeit eines qualitativ hochwertigen Trainings 3. Vermeidung von Übertraining, Verletzungen oder Burnout-Problemen durch ungünstige Reize im Training

Kapitel 1

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Nicht alle Regenerationsstrategien haben jedoch einen positiven Einfluss auf die Erholung. Wie mit allen Interventionen ist auch bei ihrem Einsatz auf die richtige Dosierung zur richtigen Zeit zu achten [6].

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In den folgenden Kapiteln wird der Zusammenhang zwischen Belastung und Erholung dargestellt. Auch die Frage, ab wann ein Sportler wieder belastbar ist, wird beantwortet. Die verschiedensten Strategien der Regeneration mit ihren Vor- und Nachteilen werden verdeutlicht. Klare Handlungsempfehlungen sollen helfen, einen ersten Einstieg in die Regenerationsstrategien zu finden, ohne dabei die individuelle Reaktion jedes Sportlers zu vernachlässigen.

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Belastungs- und Pausenmanagement

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2.1 BELASTUNGS- UND PAUSENMANAGEMENT


Kapitel 2

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2.1 BELASTUNGS- UND PAUSENMANAGEMENT Die Wechselwirkung zwischen Belastung und Erholung ist zu jedem Zeitpunkt eines Trainingsprozesses gegeben. Belastungen können jedoch sehr unterschiedlicher Natur sein und unterliegen vielfältigen Einflüssen. Neben der Art der Übung, Intensität, Umfang oder Geschwindigkeit, können auch klimatische oder soziale Parameter Auswirkungen haben. Die durch Belastung erzeugte Beanspruchung führt im Optimalfall zu einer Anpassung und danach zu einer Leistungssteigerung. Dieser beschriebene Prozess hat schließlich auch Folgen für die Regeneration.

2.1.1

Belastung

Ziel einer jeden Trainingsmaßnahme ist die Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Dabei gehen die Trainingsinterventionen aufgrund der Belastung stets mit physiologischem Stress einher, mit der Folge, dass das biologische Gleichgewicht (Homöostase) des Körpers gestört wird. Eine Trainingseinheit hat somit immer eine abbauende (katabole) Wirkung auf die beteiligten Systeme. In die Gesamtbelastung fließen auch Bedingungen wie Höhenlage, Klima, Geländeprofil, Ernährungs- und Schlafstatus, Sorgen, Ärger, Stress durch Schule, Ausbildung oder Beruf ein. Sie beeinflussen auch die Gesamtbelastung und müssen daher Berücksichtigung finden [104]. Um eine Leistungssteigerung durch ein Training zu erreichen, ist es wichtig, einen klaren Einblick in Belastungsformen, wie Art des Trainings, Intensität, Umfang und Dichte der Belastung und der daraus resultierenden Beanspruchung zu haben. Erst dann ist es möglich, in Abstimmung mit den Regenerationszeiten oder -strategien eine optimale Anpassung zu erreichen und ein Über- oder Detraining zu vermeiden. Dabei gilt es, individuelle Belastungsfaktoren zu berücksichtigen, die weit über den eigentlichen Trainingsprozess hinausgehen. Diese Punkte werden in den folgenden Kapiteln dargestellt und erklärt.

2.1.2 Art des Trainings

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Unterschiedliche Übungen im Training ziehen unterschiedliche Trainingsbelastungen und damit Beanspruchungen nach sich. Koordinativ sehr anspruchsvolle Übungen, wie z. B. im Techniktraining, haben neben der körperlichen Belastung auch einen hohen Reiz auf die Psyche. Phasen hoher Konzentration, in denen in Ausnahmefällen, z. B. im Geräteturnen, Ski- oder Turmspringen, auch Gefahrenmomente überstanden werden müssen, können Sportler auch mental stark belasten.

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In einem Maximalkrafttraining muss der Athlet ebenfalls neben der sehr hohen körperlichen Belastung eine hohe Motivation und Willensstärke aufbringen. Wille und Leidensfähigkeit sind auch in hoch intensiven Intervalltrainingseinheiten gefordert.


2.1.3 Belastungsintensität Zwei grundlegende Merkmale kennzeichnen die Belastungsintensität: Zum einen der Krafteinsatz und zum anderen Geschwindigkeit, Bewegungsfrequenz oder Spieltempo [104].

Kapitel 2

2

2.1.4 Belastungsumfang Der Belastungsumfang innerhalb einer Trainingseinheit wird über externe Parameter (siehe Monitoring), wie zurückgelegte Meter, Kilometer, bewegte Kilogramm oder Tonnen, aber auch Anzahl der Wiederholungen definiert. Auch die Zeit des Trainings wird in Minuten oder Stunden dem Belastungsumfang zugeteilt. Das Zeitmaß ist allerdings recht ungenau. Besonders bei einem hochintensiven Schnelligkeitstraining ist die reine Zeit, in der sich der Athlet bewegt, sehr gering, die Pausen sind jedoch sehr groß. Hier zeigt sich die Interaktion aller Belastungsfaktoren, wie Art des Trainings, Belastungsintensität und -dichte, bis hin zur Beanspruchung und der abschließenden Anpassung.

2.1.5 Belastungsdichte Die Pausen spielen auch in der Belastungsdichte eine große Rolle. Das Verhältnis Belastungszeit/Pause kennzeichnet die Belastungsdichte und stellt ein wichtiges Instrument der Trainingssteuerung dar. Ein Beispiel: Innerhalb eines Krafttrainings kann bei gleichem Intensitätsgrad bei langer Pause die Trainingswirkung in Richtung Verbesserung der Schnellkraft, bei kurzen Pausen jedoch Richtung Kraftausdauer gelenkt werden. Im Intervalltraining wird ebenfalls die Trainingswirkung hauptsächlich nach Belastungszeit (fast gleichzusetzen mit der Intensität) und der Pausendauer gesteuert. Diese Parameter gelten für eine Trainingseinheit. Für einen Trainingszyklus stellt die Belastungsdichte die Verteilung der Gesamtbelastung dar. Hierzu können alle Trainingseinheiten in einen Mikrozyklus gehören (siehe Periodisierung) [104].

2.1.6 Beanspruchung Die Beanspruchung ist das Ergebnis (Reaktion) der Art des Trainings und dessen unterschiedlicher Belastungen. Eine Beanspruchung ist stark abhängig von den Leistungsvoraussetzungen des Sportlers und seines momentanen Stresslevels. Eine optimale Trainingsbelastung ist entscheidend für eine optimale Beanspruchung und damit einer optimalen Leistungsentwicklung. Ist der Reiz (Belastung) zu niedrig oder zu hoch, droht die Gefahr von zu starker Erschöpfung und damit auch Verletzungen oder Infekte (s. Tabelle 1).

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Die physiologische Anpassung erfolgt stufenweise und geht direkt mit dem Beginn einer Belastung einher. Das Ausmaß der Adaptationsprozesse spiegelt das Ergebnis wider, das von der Art des Trainings, der Belastungsintensität, dem Belastungsumfang, Belastungsdichte, Beanspruchung, der Regeneration sowie vom Trainingszustand des Athleten abhängt. Die Anpassungsfähigkeit des Sportlers wird auch als Trainierbarkeit

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2.1.7 Anpassung

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Dieses Buch beantwortet all diese Fragen. Es beschreibt die Zusammenhänge ­zwischen Belastung und Regeneration und erklärt, welche Systeme von Stress ­betroffen sind. Es bietet praxisnahe Anleitungen für die aktuellsten Regenerationsstrategien und deren positive Effekte. Des Weiteren werden Möglichkeiten und Auswirkung des Monitorings ­beschrieben. Durch ein gutes Monitoring können Trainer und Athlet Angaben über den aktuellen körperlichen und mentalen Z ­ ustand erhalten und natürlich auch darüber, welche Trainingsform aktuell passend ist. Dadurch wird ein Übertraining vermieden und eine optimale ­Trainingsbelastung ausgewählt.

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Doch auch der Nicht-Sportler erhält mit diesem Buch Impulse und eine ­Anleitung, wie er seinen Alltag leistungsfähiger bewältigen kann.

Regenerationsstrategien Neue Reserven durch systematische Erholung und Monitoring

Thorsten Ribbecke

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pflaum.de

Thorsten Ribbecke Regenerationsstrategien

Mit welchen Periodisierungsmodellen kann eine sportliche ­Leistung erhöht werden? Welche Chancen und welche Schwächen weisen diese Modelle auf? Wie sieht nach einer Belastung die ­optimale Pause aus? Mit welchen Regenerationsstrategien kann der Wiederherstellungsprozess unterstützt werden? Welche Rolle spielen dabei Ernährung, Schlaf oder Atmung? Welche Möglichkeiten gibt es durch ein ­Monitoring festzustellen, wann der Sportler wieder in der Lage ist, zu trainieren?

9 783790 510591

2018_04_LL-Buchcover_Regenerationsstrategien_Ribbecke_BUCHRÜCKEN_1,4_RZ_DRUCK.indd 1

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