FINANCIAL PLANNING Magazin III-2020

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Anlegen in Zeiten von Corona Von D R . M A R T I N L Ü C K

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ie Coronakrise ist – jedenfalls in ihren Auswirkungen auf die westliche Welt – erst rund sechs Monate alt, aber bereits jetzt ist klar, dass sie die Welt verändert. Ebenso wie künftig bessere Pandemievorbereitungen in gut aufgestellten Gesundheitssystemen für Gesellschaften überlebenswichtig sein können und Verhaltensänderungen beim Arbeiten, Reisen und Konsumieren unseren zukünftigen Alltag verändern dürften, so sicher ist es, dass die Erfahrungen aus der Coronakrise zu einem veränderten Blick auf das Investieren führen werden. Dies betrifft die Gewichtung einzelner Assetklassen in einem Portfolio, aber es betrifft auch die Zusammensetzung der jeweiligen Assetklassen selbst. Drei der stärksten Veränderungen seien im Folgenden erläutert.

Zweitens: Wo ist der Ausweg? Obwohl das Phänomen sinkender Fixed-Income-Renditen spätestens seit der Finanzkrise 2008/2009 (eigentlich schon wesentlich länger) bekannt ist, hat die Coronakrise die Herausforderungen für die Portfoliokonstruktion noch einmal merklich verschärft. Der Grund besteht darin, dass die Renditen am bei Weitem liquidesten Anleihenmarkt der Welt, dem Markt für USTreasury-Bonds, sich seit den koordinierten Antikrisenmaßnahmen von US-Schatzamt und -Zentralbank derart deutlich nach unten bewegt haben, dass die Suche nach Alternativen unausweichlich geworden ist. Fündig werden Investoren genau hier: bei „Alternatives“. Der zunehmende Strom an Zuflüssen in nichtklassische Anlageformen wie Private Markets (Private Equity und D R . M A R T I N L Ü C K , Managing DiPrivate Debt), illiquide Assetklassen wie Erstens: Eine der deutlichsten Konsequenrector, Chief Investment Strategist für Immobilien oder Infrastruktur sowie die zen aus dem pandemiebedingten ökonoDeutschland, Österreich, Schweiz und gern als „Liquid Alternatives“ bezeichmischen Schock und der dadurch ausgeOsteuropa, BlackRock neten Hedgefonds zeigt, dass Investoren lösten Reaktion der Wirtschaftspolitik ist danach streben, einerseits ihre Portfolios die Rolle von Fixed Income. So haben inzwischen nahezu alle zu diversifizieren und andererseits die Einkommensströme, bedeutenden Zentralbanken der industrialisierten Welt ihre die früher zuverlässig aus dem Fixed-Income-Teil kamen, zu Zinsen Richtung null oder sogar darunter gesenkt. Beispielloersetzen. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren noch se, in der Wirtschaftsgeschichte nie da gewesene Ankaufproverstärken, weshalb wir glauben, dass der Markt für alternatigramme sorgen zudem dafür, dass trotz massiv gestiegener ve Anlageprodukte, getrieben von sowohl Nachfrage als auch Staatsausgaben und entsprechender Emissionsvolumina die Angebot, weiter stark wachsen wird. Verzinsungen länger laufender Anleihen sehr niedrig bleiben. Welche Funktionen aber, so ist an dieser Stelle zu fragen, soll Drittens: Die Coronakrise, die völlig unerwartet über die Welt eine Anleihe in einem gemischten Portfolio überhaupt erfüllen? hereingebrochen ist, erinnert auf drastische Weise an die NotwenSie soll vermutlich erstens das Durchschnittsrisiko des Portfolios digkeit, Portfolios widerstandsfähiger zu machen. Hier kann die reduzieren, wofür sich der Investor im Gegenzug mit einer im Orientierung der Asset-Zusammensetzung nach ESG-Kriterien Vergleich zu anderen Assetklassen niedrigen Rendite begnügt. eine wichtige Orientierung sein. Immer deutlicher tritt zutage, Diese Rendite ist nun in vielen Fällen negativ – oder anders dass ESG-konforme Anlagen ihren nichtkonformen Pendants in ausgedrückt: Um auf diesen risikoarmen Teil des Portfolios noch risikoadjustierter Betrachtung überlegen sind. Anders ausgeeine positive Rendite zu erzielen, muss der Anleger mehr Risiko drückt: Selbst wenn ESG-konformes Anlegen den Investor auf in Kauf nehmen. Dies schwächt die Attraktivität von Anleihen. den ersten Blick in Form entgangener Rendite Geld kostet, dann Zweitens aber, und das ist in der aktuellen Konstellation entwendet sich das Blatt bei Einbeziehung des Risikos. Zu dieser scheidend, stellen Renditen nahe der absoluten Untergrenze die nüchternen Abwägung der relativen Vorteilhaftigkeit kommt Ausgleichsfähigkeit von Anleihen im Falle eines Risk-off-Erdie Tatsache, dass über die kommenden Jahrzehnte durch eignisses infrage. In der Vergangenheit sorgte etwa meist ein den Generationenwechsel immer mehr Geld von Millennials Aktiencrash für eine quasi automatische Flucht in sichere Häfen, angelegt werden wird, die per saldo eine höhere Affinität zu traditionell US-Staatsanleihen, deutsche Bundesanleihen und Nachhaltigkeit haben. Dies gilt ebenso für Frauen, deren Anteil weitere Anleihen mit gutem Rating, sodass deren Kurse stieunter den Investoren ebenfalls zunehmen wird. Zu einem gut gen und dadurch den Verlust bei der Aktienposition zum Teil aufgestellten Portfolio gehört in der Postcoronawelt also nicht kompensieren konnten. Um aber im Kurs steigen zu können, nur ein angemessener Anteil an nichtkonventionellen Anlagen, müssen die Anleiherenditen sinken können. Dies wiederum ist also ‚,Alternatives“, sondern auch eine risikobewusstere und unmöglich, wenn sie sich bereits an der Untergrenze befinden. damit an Nachhaltigkeitskriterien orientierte Allokation. ❚ Die Konsequenz ist, dass Anleihen ihre Ballastfunktion für den Fall von Aktienkurseinbrüchen verlieren.

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FINANCIAL PLANNING 03.2020


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