Filmpodium Programmheft November/Dezember 2019 // Programme issue November/December 2019

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Lettisches Filmwochenende Anlässlich der Kulturtage «Terra Baltica» greift das Film­podium eines der drei baltischen Länder heraus und präsentiert mit 24 Filmen das bis jetzt umfangreichste lettische Filmprogramm in Zürich. Das Ange­bot umfasst Perlen aus der Zeit zwischen 1966 und 2019 und präsentiert neben Spiel- und Dokumentarfilmen auch Animationsfilme für Kinder und Erwachsene. Wie viele Völker Europas lebten die Letten und Lettinnen vor sehr langer Zeit hauptsächlich von der Jagd und der Fischerei. Aber sie jagen noch heute. Die Filmschaffenden Lettlands «jagen» nach Antworten auf die grossen Fragen des Lebens, und zwar mit dem Medium Film. Und das macht das Filmschaffen aus dem nordischen Land so spannend und universell. Das lettische Kino ist nicht nur schwermütig und ernst – es gibt daneben auch Spiel, Spass und grotesken Humor. Die Balten sind durch die Klimabedingungen nicht nur «zwangsläufig» Melancholiker. Ihre Emotionen können auch kochen, bis es nicht mehr weitergeht, wie in Jānis Nords’ Schaum vor dem Mund. Aktuelle Tendenzen im Spielfilm seit den 1960er-Jahren Der Regisseur Rolands Kalniņš (*1922) vertrat im Film der 1960er-Jahre die Tendenz, möglichst direkt und persönlich über den Einfluss der politischen Spannungsfelder auf das Schicksal der Menschen zu reden. Er reagierte damit auf den durch Stalins Regime geforderten klischeehaften Stil und dessen Auslegung der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Sein Film Vier weisse Hemden (1967) ist ein schlagendes Beispiel für den Modernismus in Lettland. Der dem sozialistischen Kanon nicht entsprechende Stil und die Blossstellung der damaligen Zensur wurden dem Film zum Verhängnis. Er wurde verboten und erlebte seine Premiere erst 1986. Die aktuellen Handschriften im heutigen lettischen Filmschaffen werden durch drei Spielfilme von Laila Pakalniņa (*1962), Jānis Nords (*1983) und Viesturs Kairišs (*1971) repräsentiert. Wie andere ihrer Generation konnten Kairišs und Nords ihre Ausbildung ausserhalb Lettlands machen. Im Gegensatz dazu steht die Generation von Pakalniņa, die nur in Moskau oder Leningrad Film studieren konnte, da Lettland bis 1991 keine Filmhochschule haben durfte. Laila Pakalniņa, die auch eine grosse Meisterin des Dokumentarfilms ist, erweckt in Dawn mit einem traurig-grotesken und humorvollen Erzählstil den verbotenen und weitgehend vernichteten Film Die BeshinWiese von Sergej Eisenstein zum Leben, unterstützt durch die starke Arbeit des mehrfach ausgezeichneten polnischen Kameramanns Wojciech Staron. Melanies Chronik ist ein filmisches Epos über das Schicksal Tausender Men-


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