36 SÉLECTION LUMIÈRE
LA FAMIGLIA VON ETTORE SCOLA Ausgewählt von den Mitgliedern des Filmpo-
kriegen berichtet. Das Leben in stetem
dium-Fördervereins Lumière ist La famiglia
Fluss, zwischen Abebben und Wiederaufflu-
eine Familienchronik, die sich über 80 Jahre
ten: die Gezeiten des Menschseins.
erstreckt und die italienische Zeitgeschichte
Vor allem aber macht der Film das alles
spiegelt. Nach zehnjähriger Pause reali-
unerbittlich im Innenraum ein und derselben
sierte Ettore Scola, geboren 1931, im vergan-
Wohnung in den Prati beim Castel Sant An-
genen Jahr eine Hommage an seinen Freund
gelo mit dem langen, tiefen, düsteren Flur,
und Kollegen Fellini, Che strano chiamarsi
auf den sich viele Türen öffnen und schlies-
Federico, seinen bisher letzten Film.
sen; mit diesen verschachtelten, weit nach hinten und um mehrere Ecken herum gestaf-
«80 Jahre im Dasein eines Clans mit Fi-
felten Gemächern; mit ihrem periodisch auf-
guren, die nicht bloss auf- und abtreten,
gefrischten Antlitz, denn ein ‹Äusseres› kann
sondern gehen und wieder kommen, mitei-
sie nicht haben, sie ist pures Interieur bis in
nander leben oder auch ohne einander, jede
die Fensterdurchblicke auf die Strasse hi-
ein wenig mit dem Schicksal jeder anderen.
naus, wo eine Jahreszeit brütet oder klirrt,
Die Familie: ein lebendiges Ganzes und Ge-
und auch noch die Treppe hinunter bis zum
flecht von Individuen, das mehr ist als die
Eingang, wo die grösseren Ankünfte und
Summe seiner Teile. Der Film führt die
Weggänge stattfinden. Selten bleibt in Fil-
Chronik und erzählt die Geschichte: ver-
men der Ort der Handlung so unverrückbar
zeichnet Geburten, Hochzeiten, Studien
fest wie hier Träger des Wandels.» (Pierre
abschlüsse, Firmengründungen, Pleiten,
Lachat, Filmbulletin 155, Aug./Sept. 1987)
Krankheiten, Todesfälle, Geburten – immer bevor er noch von den Wechselfällen des
H am Mo, 10. März, 20.45 Uhr: Einführung
Zeitgeschehens, den Kriegen und Zwischen-
von Martin Walder
LA FAMIGLIA / Italien/Frankreich 1987 128 Min / Farbe / 35 mm / I/d/f // REGIE Ettore Scola // DREHBUCH Ruggero Maccari, Furio Scarpelli, Ettore Scola // KAMERA Ricardo Aronovich // MUSIK Armando Trovajoli // SCHNITT Francesco Malvestito // MIT Vittorio Gassman (Carlo/der Grossvater), Fanny Ardant (Adriana), Stefania Sandrelli (Beatrice), Andrea Occhipinti (der junge Carlo), Massimo Dapporto (Giulio), Philippe Noiret (Jean-Luc), Ottavia Piccolo (Adelina, das Dienstmädchen), Ricky Tognazzi (Paolino), Athina Cenci (Tante Margherita).