The FIFA Weekly Ausgabe #30

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NR. 30/2015, 31. JULI 2015

DEUTSCHE AUSGABE

Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

TRANSFERS NACH 30

LETZTES ABENTEUER JAPAN KASHIMA ANTLERS WAGEN NEUSTART

SEPP BLATTER WM-ENDRUNDE MUSS EXKLUSIV BLEIBEN

FUSSBALLTRICKS WENN DAS SPIEL ZUM TANZ WIRD W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY


D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L

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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com

Letztes Abenteuer Ein Transfer über 30 will gut überlegt sein. Trotzdem kann ein letztes Abenteuer im Ausland einen Routinier beflügeln. Drei Autoren widmen sich älteren Spielern Europas, die es nochmal wissen wollen.

Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com

B ulgarien Viele Triumphe nach dem Aufstieg: Die Geschichte von Ludogorez Rasgrad mutet an wie ein Märchen.

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S epp Blatter Der FIFA-Präsident sagt in seiner Kolumne: “Wenn man sieht, wie konsequent, produktiv und erfolgreich das russische OK schon drei Jahre vor dem WM-Kickoff bei der Arbeit ist, lässt dies keinen Raum für Missverständnisse: Für Russland ist nur das Beste gut genug.”

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Turning Point Nationalheldin nach einem Kopfballtor: Die Isländerin Dagny Brynjarsdottir erzählt von einem Wendepunkt in ihrem Leben.

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Robert Pires Der Franzose mag mit 41 nicht ans Aufhören denken.

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Tricks Die besten Kabinettstückchen der Fussballgeschichte. (Im Bild: Ronaldinho)

Letztes Abenteuer Unser Titelbild zeigt den 30-jährigen Bastian Schweinsteiger. Das Bild ist im Jahr 2014 in Deutschland entstanden.

The-FIFA-Weekly-App The FIFA Weekly, das Magazin der FIFA, erscheint jeden Freitag in vier Sprachen und ist auch auf Smartphone und Tablet kostenlos verfügbar. http://de.fifa.com/mobile 2

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2015 CONCACAF-Gold-Cup-Final

U17-Weltmeisterschaft

Jamaika – Mexiko 1:3, 26. Juli 2015

17. Oktober – 8. November 2015, Chile

imago (3), Vipul Rege

Niko Schmid-Burgk @ Schierke Artists


D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L

Europa 54 Mitglieder www.uefa.com

Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com

Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com

Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com

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Japan Mit dem neuen Trainer siegen die Kashima Antlers wieder. (Im Bild: Gen Shoji)

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Russland 2018 Der Weg an die WM ist geebnet. Eine Einsch채tzung nach der Auslosung in St. Petersburg. (Im Bild: Patrick Kluivert)

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Š 2015 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.

# B E T H E D I F F E R E N C E


UNCOVERED

Schwanengesänge D

ie Lebensuhr tickt. Das gilt vor allem für die Fussballer, die – Balletttänzern ähnlich – spätestens nach ihrem 35. Geburtstag den Leistungsdruck im höchsten Niveau ihrer Profession sehr verschärft zu spüren bekommen. In diesem Alter beginnt man zwar in anderen Berufen, überhaupt erst zur Weltklasse aufzusteigen. Im Fussball aber gilt man für die Spitzenklubs als eher bald schon zu alt für den Job. Ein “alt gewordener” Weltklassespieler aber kann – solange er unverletzt bleibt und in der Ligazugehörigkeit seines neuen Klubs nicht äusserst wählerisch erscheinen möchte – ein unter Umständen sehr, sehr gut dotiertes “letztes Abenteuer” finden, seinen Schwanengesang anstimmen. Unsere ständigen Mitarbeiter Sven Goldmann (Berlin), David Winner (London) und Jordi Punti (Barcelona) erzählen ab Seite 6 vom womöglich letzten Kapitel in der Karriere Bastian Schweinsteigers, Xavis oder Frank Lampards. Å

Mario Wagner / 2Agenten

Perikles Monioudis

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ICH WILL’S NOCHMAL WISSEN Ein Transfer nach 30 will gut überlegt sein. Trotzdem kann ein letztes Abenteuer im Ausland einen älteren Spieler beflügeln.

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er spektakulärste Transfer dieses Sommers ging in England über die Bühne: Raheem Sterling, erst 20 Jahre alt, wechselte für über 60 Millionen Euro vom Liverpool FC zu Manchester City. Kurz vor Beginn der meisten europäischen Ligen aber legen wir unser Augenmerk auf die Transfers von routinierten Spielern, solchen, die es nochmals wissen wollen. Bastian Schweinsteiger, Iker Casillas, Andrea Pirlo. Worin liegt ihre Motivation? Wie wägen sie das Risiko ihres vielleicht letzten Wechsels ab? Welche Altstars hätten sich besser anders entschieden? Es berichten Sven Goldmann aus Deutschland, David Winner aus England und Jordi Punti aus Spanien.

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New York City FC / via AP Images / Keystone, Matthew Ashton / AMA, Jeff Mitchell / FIFA via Getty Images

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Weg von zu Hause Andrea Pirlo (l., New York City FC), Bastian Schweinsteiger (o., Manchester United) und Iker Casillas (FC Porto) spielen erstmals für einen Klub im Ausland.

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Mit dem Herzen

FC Arsenal und über Inter Mailand nach Istanbul zu Galatasaray verschlagen. Podolski ist Weltmeister, war Deutscher Meister und Pokalsieger, aber genauso wichtig wie Titel und Trophäen ist für ihn das Wohlbefinden. Den Wechsel nach Istanbul wertet er denn auch als “eine Bauch- und Herzensentscheidung”. Irgendwann will er nach Köln zurückkehren, am liebsten noch einmal für den FC spielen und dort seine Karriere ausklingen lassen.

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er Sommer 2011 ist einer, an den Miroslav Klose sich im Rückblick sehr gern erinnert. Alles richtig entschieden in der Karriereplanung, sie hat ihn spät noch zum Weltmeister gemacht und zum besten WM-Torschützen aller Zeiten. So klar war das damals nicht, im Sommer 2011. Klose hatte in der gesamten Bundesligasaison nur ein Tor für Bayern München geschossen und deshalb im Schatten von Thomas Müller, Mario Gómez und Arjen Robben keinen neuen Vertrag mehr bekommen. Er stand vor seinem 33. Geburtstag und vor der alles entscheidenden Frage: Wie geht es weiter? Ein Wechsel innerhalb der Bundesliga? Keine Option für einen, der vier Jahre für den Branchenprimus gestürmt hatte. Ein millionenschweres Engagement in der Wüste? Hätte ihn seinen Platz in der Nationalmannschaft gekostet. Also tat Klose, was so viele deutsche Profis vor ihm gemacht hatten: Er wechselte nach Italien. Italien geht in Deutschland immer. Die Serie A ­geniesst dort immer noch einen ausgezeichneten Ruf, späte Reminiszenz an die WM 1990, als die Hälfte der deutschen Weltmeisterelf für italienische Klubs kickte, angeführt vom Weltstar Lothar Matthäus. Im Umkehrschluss stehen auch deutsche Profis in Italien traditionell so hoch im Kurs, dass Lazio Rom kein grosses Risiko in der Verpflichtung Kloses sah. Es zahlte sich aus – für beide Seiten. Klose fand bei Lazio zurück zu alter Treffsicherheit. Er schoss in vier Jahren 47 Tore und hat seinen Vertrag gerade bis 2016 verlängert. Lazio wiederum qualifizierte sich dank den Toren des deutschen Veteranen für die Champions League. Klose sieht sich bestätigt in seiner Einschätzung: “Die Entscheidung für Lazio habe ich mit dem Herzen getroffen.”

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Riccardo De Luca / AP / Keystone, Claudio Giovannini / CGEFOTO, Bullent Doruk / AFP

Weg von Bayern München Den Weg des alten Kollegen hatte auch Mario Gómez vor Augen, als er sich vor zwei Jahren aus München verabschiedete und bei der AC Florenz anheuerte. Auch er war dem Konkurrenzdruck beim FC Bayern zum Opfer gefallen. Bei der Fiorentina wollte er sich für die WM in Brasilien warm schiessen, aber es kam anders. Gómez verletzte sich früh, fiel ein halbes Jahr aus, verletzte sich wieder und kam einfach nicht in Tritt. Am Ende reichte es nicht mehr für ein WM-Ticket. Auch im zweiten Jahr fremdelte der wuchtige Stürmer und kam nur auf vier Tore. Jetzt wechselt Gómez zu Beșiktaș Istanbul. Sein Ziel ist die Europameisterschaft 2016 in Frankreich. Das soll auch das letzte grosse Turnier für Lukas Podolski werden. Er hat noch mit Gómez und Klose für den FC Bayern gespielt. Mittlerweile hat es ihn von seinem Herzensklub, dem 1. FC Köln, über den

Rücktritt mit 29 Jahren Auch Marcell Jansen hat sein Herz an einen Klub verloren, was ihn in diesen Tagen zu einer ganz anderen Entscheidung verleitete. Als sein Vertrag beim Hamburger SV nicht verlängert wurde, gab der frühere Nationalspieler kurzerhand das Ende seiner Karriere bekannt. “Ich kann jetzt nicht plötzlich ein anderes Wappen küssen, ohne mir dabei falsch vorzukommen”, sagt der Verteidiger. “Deshalb halte ich es nur für konsequent, an dieser Stelle aufzuhören.” Marcell Jansen ist 29 Jahre alt, acht Jahre jünger als der ewige Miroslav Klose. Å Sven Goldmann, Berlin


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In der Ewigen Stadt Der 37-jährige Miroslav Klose hat bei Lazio Rom seinen Vertrag um ein Jahr verlängert.

Jung gebliebener Routinier Lukas Podolski (30) spielt nach Arsenal und Inter Mailand für Galatasaray Istanbul. EM als Ziel Mario Gómez (30) wechselt zu Beșiktaș Istanbul. T H E F I FA W E E K LY

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Neue Liebe mit Anfang 30

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ie Karriere eines Fussballers spiegelt das wahre Leben wider – allerdings im Schnelldurchgang. Der Durchbruch eines Youngsters, dem der Sprung in die ­1. Mannschaft gelingt, kann mit der Geburt gleichgesetzt werden. Die Jugend ist in wenigen kurzen Augenblicken vorbei. Die Reife hält nur einige wenige Spielzeiten an. Schon bald nach dem 30. Geburtstag verspürt selbst der stärkste Spieler erste Anzeichen nachlassender Leistungsstärke und erkennt, dass der Rücktritt unausweichlich näher kommt. Allerdings haben Spitzenspieler in den letzten Jahren verschiedene Optionen, von denen eine jede ihre guten und ihre schlechten Seiten hat. Die althergebrachte Lösung besteht darin, einfach dort zu bleiben, wo man ist. Doch das ist im modernen Fussballgeschäft alles andere als leicht. Spieler wie Ryan Giggs (24 Jahre bei Manchester United), Paolo Maldini (25 Jahre bei der AC Milan) oder der unverwüstliche Francesco Totti (mit 38 Jahren immer noch bei der AS Roma), die ihrem Klub ein ganzes Leben lang treu bleiben, scheinen vom Aussterben bedroht. Die Fans schimpfen auf “untreue Spieler” und “geldgierige Söldner”, doch da die meisten Klubs nicht besonders sentimental veranlagt sind, müssen die Spieler ihre eigenen Interessen eben selbst im Blick behalten. Robin van Persie ist ein typisches Beispiel. Vor drei Jahren schockierte der Kapitän von Arsenal die Fans mit seinem Wechsel zum Rivalen Manchester United. Eine durchaus sinnvolle Entscheidung. Van Persie kam kurz vor seinem 30. Geburtstag zu dem Schluss, dass sein Traum vom Gewinn der Premier League im Old Trafford unter Sir Alex Ferguson wohl eher wahr werden könnte. Arsenal fühlte sich zwar verraten, doch der Niederländer spielte in Manchester brillant und gewann den ersehnten Meistertitel. In diesem Sommer stand RVP, mittlerweile mit ergrauten Schläfen aber noch einigen guten Jahren in den Beinen, vor einem neuen Problem. Beim neuen Trainer Louis van Gaal war er nur 2. Wahl und hätte die letzten Jahre seiner Karriere wohl grösstenteils auf der Bank verbracht. Und so sorgte er erneut für eine Überraschung und wechselte kurzerhand in die Türkei. Bei Fenerbahçe mag es nicht so glamourös zugehen wie im Old Trafford, doch van Persie ist schon jetzt der neue Liebling der leidenschaftlichen Fans und er wird die Istanbuler Energie und Kultur ganz sicher lieben.

Osman Orsal / Reuters

Schweinsteiger und sein Mentor Während van Persie Manchester verliess, kam Bastian Schweinsteiger (30) gerade an – voller Vorfreude auf die Herausforderung, in England zu spielen, und dies auch noch unter van Gaal, der bei Bayern München sein Mentor gewesen war. Natürlich werden beide Spieler von ihren neuen Arbeitgebern auch stattlich entlohnt, ebenso wie die nicht mehr ganz taufrischen neuen Mittelfeldspieler vom

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New York City FC, Frank Lampard (37) und Andrea Pirlo (36). Doch daran ist nichts auszusetzen. Im Gegenteil: Ein oder zwei Gänge zurückzuschalten und die Karriere mit einem gut dotierten Vertrag ausklingen zu lassen, hat Tradition. Bereits in den 70er-Jahren folgten Lichtgestalten wie Pelé, Franz Beckenbauer und George Best dem Lockruf des Geldes und wechselten in die nordamerikanische Profiliga NASL. In den 90er-Jahren schlugen brasilianische Stars wie Zico und Dunga einen ähnlichen Weg in die aufblühende J. League in Japan ein. Und heute gibt es noch viele weitere Destinationen, denn der Fussball floriert rund um den Globus. Der italienische Weltmeister Alessandro Del Piero (40) spielte für den FC Sydney in Australien und schliesslich noch für die Delhi Dynamos in Indien. Weltenbummler Nicolas Anelka (37) ist mittlerweile Spielertrainer beim Mumbai City FC. Und auch alternde Spieler können grossartige Leistungen bringen. In den 1970er-Jahren baute Lawrie McMenemy in Southampton ein ganzes Team aus “Golden Oldies” wie Peter Osgood und Alan Ball auf. Ein perfektes Beispiel dafür ist auch Johan Cruyff, der 1979 nach seiner herausragenden Karriere bei Ajax Amsterdam und dem FC Barcelona zurücktrat und prompt sein gesamtes Vermögen bei einer missglückten Kapitalan­ lage verlor. Dadurch gezwungen, wieder zu spielen, ging er zunächst in die NASL, später dann wieder zurück zu Ajax, wo er eine weitere Spielergeneration zum “totalen Fussball” inspirierte. Vor seiner letzten Saison setzte Cruyff dann mit einem weiteren Wechsel noch einmal ein Ausrufezeichen: Nachdem man ihm bei Ajax gesagt hatte, er sei mit 36 zu alt, unterschrieb er kurzerhand beim Erzrivalen Feyenoord Rotterdam, bestritt dort eine seiner besten Saisons und gewann mit dem Klub die Meisterschaft und den Pokal. Doch Geld ist keineswegs der einzige Grund für einen Wechsel in die Fremde. David Beckham und Thierry Henry liessen ihre Karrieren bei LA Galaxy beziehungsweise den New York Red Bulls ausklingen und lernten dabei Amerika kennen und lieben. Beckham versucht nun, in Miami ein neues MLSFranchise aufzubauen, während Henry seine Liebe zum Big Apple mit Tattoos der Brooklyn Bridge und der Freiheitsstatue auf seinen Armen zeigt. Wie lang kann man es schaffen? Auch ein entspannteres Umfeld kann einen ergrauten Profi erfreuen. LA Galaxys neues Aushängeschild Steven Gerrard ist begeistert, weil er in Los Angeles herumlaufen kann, ohne erkannt zu werden – ein bescheidenes Vergnügen, das in Liverpool jedoch völlig unmöglich war. Und manchmal spielt Geld eine untergeordnete Rolle. So mancher Spieler will einfach nur zurück in die alte Heimat. Der 35-jährige Rio Ferdinand begnügte sich gern mit einem deutlich niedrigeren Gehalt, um seine letzte


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Saison bei den Queens Park Rangers bestreiten zu können, wo er als kleiner Junge trainiert hatte. Carlos Tévez (31), sein ehemaliger Teamkamerad bei Manchester United, der gerade erst mit Juventus Turin das Champions-League-Finale bestritten hat, freut sich, jetzt wieder bei seinem ersten Klub, den Boca Juniors, in Buenos Aires zu sein. Bleibt nur noch die Frage, wann man tatsächlich Schluss machen sollte. Dafür gibt es keine festen Regeln. Man kann auf dem Höhepunkt abtreten, wie Éric Cantona. Man kann weiter und weiter machen, wie Paul Gascoigne, der für die Spurs und für Lazio spielte und am Ende beim unterklassigen Klub Boston United kickte. Wie lang kann man es schaffen? Nun, vielleicht sogar länger als man denkt. Für Feldspieler ist normalerweise spätestens mit Ende 30 die Zeit gekommen (für Torhüter noch etwas später). Doch man sollte nicht Stanley Matthews vergessen, der seine Karriere in der alten englischen First Division 1932 begann und sie erst 1965 beendete. Als er schliesslich zurücktrat, war er 50 Jahre alt. Å David Winner, London

TEUERSTE TRANSFERS ENGL AND Raheem Sterling, 20 Jahre, von Liverpool zu Manchester City, 62,5 Millionen Euro Christian Benteke, 24 Jahre, von Aston Villa zu Liverpool, 46,5 Mio. Euro SPANIEN Jackson Mar tínez, 28 Jahre, von Porto zu Atlético Madrid, 35 Mio. Euro Arda Turan, 28 Jahre, von Atlético Madrid zu Barcelona, 34 Mio. Euro. ITALIEN Paulo Dybala, 21 Jahre, von Palermo zu Juventus, 32 Mio. Euro. Carlos Bacca, 28 Jahre, von FC Sevilla zur AC Milan, 30 Mio. Euro DEUTSCHL AND Ar turo Vidal, 28 Jahre, von Juventus zu Bayern München, 37 Mio. Euro Douglas Costa, 24 Jahre, von Schachtar Donezk zu Bayern München, 30 Mio. Euro Quelle: transfermarkt.de

Neuer Liebling Robin van Persie unterzeichnete mit 31 Jahren bei Fenerbahçe Istanbul. T H E F I FA W E E K LY

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Alles anders ohne Xavi und Casillas

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Auf den Spuren der Idole Dies gilt wohl auch für die Gründe ihrer Entscheidung, ihre Karrieren bei einem anderen Verein ausklingen zu lassen. Xavi kündigte bereits in der vergangenen Saison an, dass er eine Luftveränderung plane. Ihm lagen zahlreiche Angebote vor, doch der neue Trainer von Barça, Luis Enrique, überzeugte ihn, dass er immer noch ein wichtiger Spieler sein könne. Am Ende gewann er noch einmal alle Titel. Nun folgt Xavi wiederum den Spuren zweier seiner Idole, die zuvor im katarischen Fussball aktiv waren: Raúl González, der ebenfalls zwei Spielzeiten bei Al-Sadd bestritt, und vor allem Pep Guardiola, der als Aktiver zwei Jahre lang bei Al-Ahli spielte. Abgesehen davon, dass er grosszügig entlohnt werden dürfte, sieht Xavi in Guardiola wohl auch in anderer Hinsicht ein Vorbild: Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er eines Tages gerne als Trainer des FC Barcelona arbeiten möchte. Doch zuvor will er Abstand gewinnen, die englische Sprache lernen und sich menschlich weiter entwickeln. Sein Abschied vom FC Barcelona verlief tränenreich, es gab

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Nimmermüde Raúl stürmt mit 38 Jahren für New York Cosmos.

Mohamed Farag / AFP, Victor Fraile / Getty Images

ker und Xavi gehen, sind schon gegangen. Der spanische Fussball wird ohne sie nicht mehr derselbe sein. Der Clásico wird ohne sie nicht mehr derselbe sein. Gleichwohl wird ihre Geschichte noch ein letztes Kapitel beinhalten – eine Fussnote bei einem anderen Verein, der nicht ihr Herzensklub sein mag, aber dennoch ins jeweilige Bild passt. Vor einigen Wochen gaben wenige Tage nacheinander der Mittelfeldspieler des FC Barcelona und der Torwart von Real Madrid ihren Wechsel zu Al-Sadd in Katar beziehungsweise zum FC Porto in Portugal bekannt. Xavi und Casillas sind nicht nur Ikonen ihrer jeweiligen Klubs, sondern verkörpern auch die jüngsten Erfolge der spanischen Nationalmannschaft mit zwei EM-Siegen und einem Weltmeistertitel. Iker Casillas debütierte im September 1999 bei Real Madrid und spielte 16 Jahre lang für seinen Verein. Mit 152 Länderspielen ist der heute 34-Jährige der Rekordnationalspieler Spaniens. Xavi Hernández wiederum ist mit 35 Jahren der spanische Fussballer, der die meisten Titel gewonnen hat (28). Er wurde im Nachwuchszentrum Barças ausgebildet und gab im August 1998 unter Trainer Louis van Gaal sein Debüt in der 1. Mannschaft. Dort hielt er sich 17 Spielzeiten lang. In dieser Zeit avancierten beide Akteure zu Idolen und haben die guten Beziehungen zwischen den beiden Klubs aufrechterhalten, die eine so grosse Rivalität verbindet. Obgleich ihre Karrieren sehr ähnlich verliefen, konnten die Abschiede, die ihnen bereitet wurden, unterschiedlicher nicht sein.


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Mit 35 Jahren zu Al-Sadd Xavi verliess seinen Klub FC Barcelona nach 24 Jahren in Richtung Katar.

WANN STARTEN EUROPAS LIGEN? Premier League, England: 8. August 2015 Bundesliga, Deutschland: 14. August 2015 Primera División, Spanien: 23. August 2015 Ligue 1, Frankreich: 7. August 2015 Serie A, Italien: 23. August 2015 Liga NOS, Por tugal: 16. August 2015 Eredivisie, Niederlande: 7. August 2015 Süper Lig, Türkei: 16. August 2015 Super League, Griechenland: 23. August 2015 Jupiler League, Belgien: Läuft seit 24. Juli 2015 Premier Liga, Russland: Läuft seit 17. Juli 2015 Premiership, Schottland: 1. August 2015 Super League, Schweiz: Läuft seit 18. Juli 2015 Bundesliga, Österreich: Läuft seit 25. Juli 2015 Superliga, Dänemark: Läuft seit 17. Juli 2015 SuperLiga, Serbien: Läuft seit 17. Juli 2015 1. HNL, Kroatien: Läuft seit 10. Juli 2015

eine Ansprache und Ovationen von seinen Teamkameraden. Dennoch war es ein nicht ganz so trauriges Ereignis, weil die Fans wissen, dass er eines Tages zurückkehren wird. Die Lebensdauer eines Torhüters ist länger, und zweifellos ist Iker Casillas immer noch ein wichtiger Spieler. Die Fans von Real Madrid haben ihm in den letzten Wochen ihre Achtung gezollt, doch es war ein traumatischer Abschied vom Klub seines Herzens. In Wahrheit nahm das Schicksal von Casillas vor drei Jahren unter Trainer José Mourinho seinen Lauf. Der Kapitän Reals missbilligte gelegentlich dessen Methoden und wurde daraufhin in Frage gestellt. Nach einer langwierigen Verletzung und der darauffolgenden Verpflichtung von Diego López verlor er seinen Stammplatz, den er erst nach der Ankunft von Carlo Ancelotti wiedererlangte. Obgleich er weiterhin auf hohem Niveau agierte, wurde Casillas stellvertretend für das Team zunehmend zur Zielscheibe der Kritik. Sein Wechsel zu Porto scheint mehr eine Frage des Stolzes als eine des Geldes zu sein. In einem Team aus einer zwar schwächeren Liga, das gleichwohl in der Champions League vertreten ist, kann er in unmittelbarer Nähe zu Spanien seinen Kritikern beweisen, dass sie sich geirrt haben. Nach seinem emotionalen Abschied von Real Madrid meldete sich sein Freund Xavi mit einem öffentlichen Brief in der Tageszeitung “La Vanguardia” zu Wort. In diesem würdigte er Casillas als “den wichtigsten Torhüter der Geschichte” und beschwerte sich bitterlich über die Behandlung, die dieser in den Medien erfahren musste: “Ich sehe Buffon, der 37 Jahre alt ist, und ich sehe, dass er im Tor Spass hat. Ich sehe Iker und habe den Eindruck, dass er in letzter Zeit unter Druck agierte, als ob er in jedem Spiel beweisen müsse, was für ein grossartiger Torhüter er ist – ohne diese Freude, mit der er immer spielte. Jetzt geht er nach Porto, und ich bin mir sicher, dass er wie ein Held empfangen werden wird. Er wird begeistert sein. Im Ausland wird man ihn höher schätzen.” Die Karriere vergolden Casillas und Xavi sind indes nicht die einzigen, die sich den Herbst ihrer Karriere in anderen Ligen vergolden lassen. Die meisten entschieden sich für die Petrodollars. So wird Sergio García (32 Jahre, bisher Espanyol Barcelona) nun für Al Rayyan in Katar die Fussballschuhe schnüren, Larrivey (30 Jahre, Celta de Vigo) für Bani Yas in Abu Dhabi und David Barral (32 Jahre, Levante) für Al Dhafra in den Vereinigten Arabischen Emiraten Tore schiessen. Die klangvollste Verpflichtung ist aber vielleicht die des Verteidigers Iraola von Athletic Bilbao, der im Alter von 33 Jahren nach New York City wechselt, um an der Seite von David Villa und Andrea Pirlo zu spielen. Å Jordi Punti, Barcelona

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GRASSROOTS

FIFA inspiring girls and boys to play football FIFA’s Grassroots programme is the core foundation of our development mission, aimed at encouraging girls and boys around the world to play and enjoy football without restrictions. Grassroots focuses on the enjoyment of the game through small-sided team games, and teaching basic football technique, exercise and fair play. For more information visit FIFA.com


BLICK IN DIE LIGEN

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Kolumbien: Categoría Primera A

Me i s te r S a nt a Fe s i e g t m it G l ü c k Sven Goldmann ist Fussballexperte beim “Tagesspiegel” in Berlin.

Santa Fe CD

Eigentlich war es ein Derby, aber davon war nicht weiter die Rede, als der Spitzenreiter nach Tunja kam. Der dort residierende Club wurde ursprünglich in Bogotá gegründet und nannte sich Deportivo Bogotá Chicó FC, benannt nach dem Stadtviertel El Chicó. Als dann aber 2003 der Aufstieg in die 1. Liga gelang, kam eine Einladung von der Regierung der Provinz Boyacá. Also zog der Verein in die Provinzhauptstadt Tunja um. Er spielt seitdem auf 2800 m ü. M. und nennt sich Boyacá Chicó Fútbol Club. Im Exil wuchs eine bemerkenswerte Kraft heran. 2008 gewann Chicó sogar das Torneo Apertura und repräsentierte Kolumbien in der Copa Libertadores, wie übrigens auch im Jahr darauf.

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Am dritten Spieltag der Clausura in der Categoría Primera A ging es gegen die berühmte Mannschaft aus der alten Heimat. Der Club Independiente Santa Fe reiste aus Bogotá an und gastierte im Estadio La Independencia. Der erste Meister der kolumbianischen Profigeschichte ist auch aktuell wieder eine grosse Nummer. Im vergangenen Dezember sicherte sich Santa Fe die achte Meisterschaft der Vereinsgeschichte, und in die jetzt aktuelle Clausura ist die Mannschaft mit bemerkenswerten 9:0 Toren aus den ersten beiden Spielen gestartet. In Tunja aber tat sich der grosse Favorit überraschend schwer. Lange Zeit hielt Chicó das Spiel offen, aber dann war da doch ein einziger und verhängnisvoller Moment der Unaufmerksamkeit. Vom Mittelkreis passte der Argentinier Omar Pérez den Ball zu Wilson Morelo. Der kleine Stürmer schüttelte geschickt zwei Gegenspieler ab und schob den Ball mit einer geschickten Bewegung des rechten Fusses durch die Beine von Chicós Torhüter José Huber Escobar. Das geschah eine

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Viertelstunde vor Schluss und bescherte Santa Fe einen glücklichen, aber nicht unverdienten 1:0-Sieg. Für Morelo war es das dritte Tor im dritten Saisonspiel. Auch bei den hohen Auftaktsiegen gegen den Club Deportivo La Equidad (4:0) und den Cúcuta Deportivo FC (5:0) hatte er getroffen. Das bedeutet früh in der Saison Platz 1 in der Torschützenliste. Trainer Gerardo Pelusso war trotz des diesmal eher bescheidenen Elans seiner Mannschaft im Angriff durchaus zufrieden. “Für mich ist es immer wichtig, dass hinten die Null steht, und irgendwann schiessen wir dann schon ein Tor”, sprach der Uruguayer. Pelusso hat schon in Chile, Peru, Paraguay und Uruguay gearbeitet und den Job bei Santa Fe im Mai übernommen – als Nachfolger des Argentiniers Gustavo Costas. Der hatte Santa Fe zwar im Dezember zur Meisterschaft geführt, aber als dann in der Copa Libertadores schon im Viertelfinale das Aus gegen die Brasilianer vom SC Internacional aus Porto Alegre folgte, trat er von seinem Amt zurück. Å

Torjäger Santa Fes Wilson Morelo (m.) trifft zum 1:0-Sieg gegen Chicó. T H E F I FA W E E K LY

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Bulgarien: A Grupa

M ä r c h e n h a f te E r fo l g s s e r i e Annette Braun ist Redakteurin bei The FIFA Weekly.

Es mutet an wie ein Märchen, die Geschichte von Ludogorez Rasgrad. In der Saison 2009/2010 spielte der Verein aus dem Nordosten des Landes noch in der 3. Liga, zwei Jahre später feierte die Mannschaft neben dem Gewinn der A-Grupa-Meisterschaft auch den Sieg im Pokal und im Supercup. Das Triple direkt nach dem Aufstieg war wiederum nur der Auftakt zu einer wahrlich sagenhaften Erfolgsserie, die drei Meistertitel sowie einen erneuten Dreifach-Triumph in der Saison 2013/2014 umfasste.

Erhält das Märchen von Ludogorez Rasgrad damit sein nächstes Kapitel? Für die aktuelle Saison verpflichtete der Verein mit dem 39-jährigen Portugiesen Bruno Ribeiro einen neuen Chefcoach, dazu führt der Brasilianer Cicinho vom FC Santos die Liste der fünf getätigten Sommertransfers an. Er soll Júnior Caiçara ersetzen, der zum Bundesligisten FC Schalke 04 wechselte. Viele neue Gesichter, dennoch der gewohnte Erfolg? Der Saisonstart lief für Ludogorez nicht optimal. Auf dem Weg in die Champions League schied man gegen den moldawischen Klub FC Milsami Orhei aus; sowohl das Hinspiel (0:1) als auch das Rückspiel (1:2) gingen verloren. Und das, obwohl die Erwartungen nach der vergangenen Spielzeit gestiegen waren. In einer Gruppe mit Liverpool, 16

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Entschlossen im Zweikampf Ludogorez-Neuzugang Cicinho (l.) setzt sich gegen Warnas Andreas Vasev durch.

Basel und Real Madrid setzte Ludogorez in der CL-Saison 2014/2015 mit einem Heimsieg gegen den Schweizer Meister und einem Remis gegen den englischen Traditionsklub von der Anfield Road ein Ausrufezeichen. Die positiven Ergebnisse erhalten nach der Qualifikationsrunden-Niederlage in diesem Sommer nun aber keine Fortsetzung. Auf das internationale Parkett muss Ludogorez erst einmal verzichten. Auch in der heimischen Liga, der A Grupa, ging das Auftaktmatch am 18. Juli gegen Litex Lowetsch 2:0 verloren. Im zweiten Spiel eine Woche später gegen Tscherno More Warna konnte sich die Mannschaft jedoch 3:2 durchsetzen. In der 89. Minute sorgte ein Eigentor von Stefan Stanchev für die Entscheidung und für vorübergehendes Durchatmen im Team des Titelverteidigers. Spitzenreiter der Tabelle ist nach zwei Spieltagen Slawia Sofia mit voller Punkteausbeute. Zuletzt gewann der Hauptstadtklub 3:0 bei Pirin Blagoewgrad. Der Verein, als einziger seit Bestehen der Liga dabei, strebt nach

seinem ersten Titel seit fast 20 Jahren. Einen guten Start erwischten ausserdem der PFK Montana und Litex Lowetsch, die mit vier Punkten Abstand im Moment Verfolger Nummer eins sind. Am 3. August kommt es sodann zu einem Topspiel: Montana ist in Lowetsch zu Gast. Der Verein aus Rasgrad wird zum fünften Meistertitel in Folge also keine freie Fahrt haben. Das Team will nun erst einmal seinen Aufwärtstrend – diesmal vor eigenem Publikum gegen Lewski Sofia – bestätigen. Dann soll wieder Talisman Fortuna, ein Adler, über das Stadion fliegen, der Mannschaft Glück bringen und ein gutes Omen für die Fortsetzung der märchenhafte Reise darstellen. Å

PFC Ludogorets Razgrad

Wenn es um die Vorherrschaft im bulgarischen Fussball geht, dann führt also kein Weg an Ludogorez vorbei. Das Team entwickelte in den letzten Jahren gar eine solche Dominanz, dass die Konkurrenten den Anschluss zu verlieren drohen. In der vergangenen Spielzeit boten zwar unter anderem Rekordchampion ZSKA Sofia sowie Lokomotive Sofia Paroli und schlossen die Saison am Ende auf Platz 5 resp. Platz 3 ab; in der gerade gestarteten 2015/2016er-Runde sucht man ihre Namen auf dem 10er-Tableau aber vergebens. Beide Klubs hatten vom bulgarischen Verband aufgrund finanzieller Defizite keine Lizenz für die höchste Liga bekommen und mussten absteigen.


Japan: J. League

Re k o r d m e i s te r wagt Neu sta r t Alan Schweingruber ist Redakteur bei The FIFA Weekly.

Man hatte sich das ein bisschen anders vorgestellt bei Kashima Antlers, dem Rekordmeister der japanischen J. League. Auch weil seit sechs Jahren keine Meisterschaft mehr gewonnen werden konnte, war die Vorgabe beim Saisonstart Anfang März klar: In der Vorrunde schon sollte ein Spitzenplatz erreicht werden, am besten Rang 1, der für das Finalturnier am Schluss der Saison berechtigt. Dort wird dann im Herbst der neue japanische Champion erkoren. Aber bei den Antlers lief von Beginn weg ziemlich wenig nach Plan diese Saison. Der brasilianische Trainer Toninho Cerezo kam mit seinem Team nie in die Gänge und schloss Ende Juni auf dem durchschnittlichen 8. Platz ab. 19 Punkte Rückstand auf die Urawa Reds an der Tabellenspitze – das sagte genug aus über ein deutlich verpasstes Ziel. Natürlich wurde auch Toninho Cerezo kritisiert. Aber er blieb vorerst im Amt. Das hatte vielleicht auch den Grund, weil der Brasilianer in Japan viel Kredit geniesst. Cerezo war es nämlich, der dem Klub die erfolgreichste Saison überhaupt bescherte: Im Jahr 2000 gewannen die Antlers alle nationalen Wettbewerbe in Japan – dies ist seither keinem Klub mehr gelungen. Im darauf folgenden Jahr konnte der Meistertitel verteidigt w ­ erden. Kein schlechtes Zeugnis für einen Trainer.

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Gen Shoji Der Verteidiger konnte mit den Kashima Antlers gegen Tokyo einen 2:1-Sieg einfahren.

Cerezos zweites Engagement beim japanischen Verein begann vor zwei Jahren und endete nun doch noch vorzeitig: Nachdem Kashima Antlers die Rückrunde mit ebenso wenig Elan begonnen hatte, zog die Vereinsführung die Notbremse: Sie entliess seinen prominenten Mann, der einst für Brasilien an zwei Weltmeisterschaften im defensiven Mittelfeld schuftete. Der Neue, es ist Assistenzcoach Masatada Ishii, gewann nun gleich das erste Spiel nach der Ära Cerezo 2:1 gegen den FC Tokyo. Wichtige Punkte, in Anbetracht dessen, dass die

Antlers im Dezember ihren achten Meistertitel feiern wollen. Die intensive Bindung zwischen Japan und Brasilien ist bekannt. Im grössten Land Südamerikas leben 1,5 Millionen Japaner – so viele wie in keinem anderen Land ausserhalb Japans. Und in der J. League stehen beinahe in jedem Klub Brasilianer

unter Vertrag. Bei den Kashima Antlers sind es nach Cerezos Abgang immer noch deren drei. Der erste war übrigens kein Geringerer als Zico. Erst spielte er für die Antlers im Mittelfeld (1993), danach übernahm er im Klub das Amt des Technischen Direktors. Später führte Zico sogar Japans Nationalteam als Coach an die WM 2006 nach Deutschland. Å T H E F I FA W E E K LY

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DAS INTERVIEW

“Deschamps weiss genau, was er tut” Robert Pires ist 41 Jahre alt und mag nicht ans Aufhören denken. “Solange ich Spass habe und gesund bin, werde ich spielen.” Ein Interview mit dem ehemaligen Arsenal-Star.

Robert Pires, Sie sind der einzige Weltmeister von 1998, der noch nicht seinen Rücktritt verkündet hat... Robert Pires: (lacht) Ja, tatsächlich. Momentan warte ich noch auf die Entscheidung, ob ich wie im vergangenen Jahr ein letztes Abenteuer in Indien starten kann. Wie vor einem Jahr befinde ich mich in einer gewissen Warteposition. Ich trainiere, um bereit zum Aufbruch zu sein, wenn ich gerufen werde.

Wie ist Ihr Fitnesszustand? Ich fühle mich in Form. Ich bin recht zufrieden, denn vor einigen Tagen war ich beim Trainingsauftakt von Arsenal dabei. Ich kann nicht verheimlichen, dass ich ein wenig gelitten habe, denn mit 41 ist das nicht mehr das Gleiche wie früher. Aber man kann sagen, dass der Körper mitmacht, der Geist immer noch bereit ist und dass mir die Anstrengungen keine Probleme bereiten. Mein Überblick und meine Technik bleiben, obwohl man auch daran immer arbeiten muss, ob mit 20 oder mit 40 Jahren.

Warum ist es so schwer, aufzuhören, selbst wenn man eine Karriere wie Sie erlebt hat? Ich kann mich nicht beschweren. Ich habe 19 Saisons lang auf höchstem Niveau gespielt. Ich bin mir bewusst, dass ich eine sehr schöne Karriere gehabt habe. Heute treibt mich vor allem meine Liebe zum Fussball an. Dann gibt es natürlich immer Neider, die mich kritisieren und sagen, dass es mir ums Geld gehe. Aber ich kenne keinen Beruf, den man gratis macht. Die Inder haben mich kontaktiert, um meinen Namen und mein Image zu nutzen, und es ist normal, dass ich dafür bezahlt werde. Aber ich wiederhole: Ich liebe den Fussball. Ich lebe in London, und sobald ich ein Fünf-gegen-Fünf mit meinen Freunden spielen kann, gehe ich hin. Denn es ist meine Leidenschaft.

Wie gefällt Ihnen Indien? Sehr gut. Ich habe viel gelernt. Ich bin mit der Armut konfrontiert worden, die sehr, sehr hart ist. Eines ist gewiss: Ich habe keinen 18

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Grund mehr, mich zu beklagen. In jedem Fall habe ich ein schönes Land mit fabelhaften und sehr gastfreundlichen Menschen und eine gute Gastronomie kennengelernt.

Lässt die Lust aufs Weitermachen möglicherweise eine gewisse Frustration bezüglich Ihrer Karriere erkennen? Ich bin nicht frustriert. Es stimmt natürlich auch, dass mir das Aufhören schwer fällt. Aber solange ich noch Spass am Spielen habe, werde ich nicht zögern, das zu tun. Und ich bin gesundheitlich dazu in der Lage, das ist das Wichtigste. Und dann sagen die Ehemaligen immer wieder zu mir: “Robert, du hast Recht. Solange du spielen und rennen kannst, solange du noch Lust auf die Mühen hast, mach weiter!” Sie würden das nie zugeben, aber es gibt einige Ehemalige, die es bedauern, zu früh aufgehört zu haben. Wenn also heute die Neider und Verbitterten denken, dass Fussballer zu viel Geld verdienen, nur indem sie einem Ball hinterherlaufen – kein Problem, ich akzeptiere alle Kritiken. Doch ich bin überzeugt, dass sie an meiner Stelle das Gleiche tun würden.

Sie waren mit 24 Weltmeister und mit 26 Europameister – wie bewerten Sie diesen frühen Ruhm im Rückblick? Man hat mir das Vertrauen ausgesprochen, ganz einfach. Der erste war Aimé Jacquet, weil er an mich geglaubt und gesehen hat, dass ich über die Qualitäten verfügte, um der französischen Nationalmannschaft zu helfen. Vor allem aber bin ich in eine sehr gute Generation geraten.

Als an jenem Abend des 2. Juli 2000 der französische Weltmeister auch dank ihrer berühmten Schnelligkeit auf der linken Seite auch den EM-Titel holte, dachten Sie noch, dass dies für Les Bleus und Sie erst der Anfang sei? Ich wollte, dass es noch so lange wie möglich weitergeht. Ich habe 1996 in der A-Nationalmannschaft angefangen und 2004 aufgehört. Ich denke, ich habe mein Bestes gegeben. Es war mir eine Ehre, und ich habe mit grossem Stolz mein Land vertreten.

Dann folgte noch der Gewinn des FIFA Konföderationen-Pokals 2001, bei dem Sie zum besten Spieler gewählt wurden. Wie haben Sie sich damals gefühlt? Arsène Wenger hat damals zu mir gesagt: “Ich weiss nicht, was momentan los ist, Robert, aber ich habe den Eindruck, dass du fliegst!” (lacht). Und es stimmt, dass alles, was ich gemacht habe, funktionierte – alle Dribblings, alle Schüsse. Es gibt solche Momente, in denen alles gelingt, als ob man begnadet ist. Ich will mich nicht beschweren, es war einfach meine beste Zeit. Wie es im Fussball häufig geschieht, folgte 2002 dann diese Verletzung. Für mich war das nicht so schlimm, es war Teil des Spiels.

Frankreich befindet sich momentan im Umbruch. Es gab einige enttäuschende Ergebnisse. Beunruhigt Sie das ein Jahr vor der Europameisterschaft? Ich glaube immer noch an die französische Nationalmannschaft. Ich bin nicht beunruhigt, weil ich glaube, dass Didier Deschamps Herr der Lage ist. Er weiss genau, was er tut und wie er mit den Spielern umgehen muss. Ich fand das gut, dass er nach dem Spiel gegen Albanien mal richtig Dampf abgelassen hat. Das wird allen ganz gut tun. Ich werde die Nationalmannschaft für die Niederlagen gegen Belgien und Albanien nicht verurteilen, weil wir das alle schon durchgemacht haben. Das sind Spiele, die in einem schlechten Moment passieren können.

Was waren die Gründe? Es hat sich eine gewisse Müdigkeit eingestellt, weil die Saison lang war. Vor allem ist es eine Zeit, in der man nur an eines denkt: endlich in Urlaub fahren und sich erholen, denn die kommende Saison wird noch länger. Wie gesagt: Ich bin nicht beunruhigt, und man darf nicht zu sehr auf die Spieler schimpfen. Sie haben zwei Spiele vermasselt, es gab zwei Niederlagen, doch das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist das erste Spiel bei der EM, und da werden sie ihre Stärke zeigen. Å Mit Robert Pires sprach Julien Sebbah


Name Robert Pires Geburtsdatum, Geburtsort 29. Oktober 1973, Reims, Frankreich Position Mittelfeld Stationen als Spieler 1991–1992 Stade Reims 1992–1998 FC Metz 1998–2000 Olympique Marseille 2000–2006 FC Arsenal 2006–2010 FC Villarreal 2010–2011 Aston Villa 2014 FC Goa Nationalteam Frankreich

Allot Warren / Presse Sports / L’Equipe

79 Einsätze, 14 Tore

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First Love Or t: KukĂŤs, Albanien Datum: 25. April 2009 U hrzeit: 18.15 Uhr Fotog ra f: Ch r istoph Busse

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FOOTBALL FOR HOPE

Football for Hope ist unser weltweites Bekenntnis, mithilfe des Fussballs eine bessere Zukunft zu gestalten. Bislang haben wir über 550 lokale Projekte unterstützt, die sich mit dem Fussball verantwortungsvoll für soziale Anliegen einsetzen und so Jugendlichen und ihrem Umfeld ein besseres Leben und neue Perspektiven eröffnen.

Weitere Informationen finden Sie unter der Rubrik Nachhaltigkeit auf FIFA.com.


MEDIZIN

PRESIDENTIAL NOTE

Weniger Verletzungen im Nachwuchsbereich In Kanada startet das Aufwärmprogramm FIFA 11+. Von der Initiative werden Juniorinnen und Junioren im ganzen Land profitieren.

Nur das Beste gut genug

M Aufwärmen Ein wichtiges Prozedere vor jedem Fussballspiel.

kevin C. Cox / FIFA via Getty Images

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enige Wochen nach der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2015™ geben der Weltfussballverband, der kanadische Fussballverband und das kanadische Gesundheitsamt den Start des Aufwärmprogramms FIFA 11+ zur Prävention von Fussballverletzungen in Kanada bekannt. Die Initiative ist ein Vermächtnis der WM 2015, von dem Juniorinnen und Junioren im ganzen Land noch lange profitieren werden. Das Programm wurde für Spieler ab 14 Jahren entwickelt und kann die Verletzungsrate nachweislich um bis zu 50 Prozent senken, wenn es regelmässig absolviert wird. Es ist bereits in mehreren ­FIFA-Mitgliedsverbänden erfolgreich angelaufen, so auch in den Ländern der letzten beiden Weltmeister, Deutschland und Spanien, sowie in Japan. In Kanada wird FIFA 11+ im Rahmen des Sporterziehungsprogramms “Movement Preparation” der Organisation Canadian Sport for Life umgesetzt, das ähnliche Übungen beinhaltet, aber auf 7- bis 13-jährige Fussballspielerinnen und -spieler ausgerichtet ist. Das kanadische Gesundheitsamt und die FIFA investieren über vier Jahre je CAD 1 Million. FIFA-Chefarzt Prof. Jiří Dvořák sagt: “Ich freue mich sehr, dass das Programm in Kanada dank staatlicher Unterstützung eingeführt wird, was zeigt, dass ein solches Programm wesentlich zur öffentlichen Gesundheit beitragen kann. Dank dem Programm wird die gesamte Fussballgemeinschaft in Kanada noch lange von der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft profitieren.” Å tfw

it der Auslosung der Qualifikationsgruppen zur WM 2018 wurde am vergangenen Samstag in St. Petersburg eine neue Zeitrechnung gestartet – und der Countdown zur 21. FIFA-Endrunde ausgelöst. Wenn das Turnier am 14. Juni 2018 im renovierten Luschniki-Stadion von Moskau beginnt, wird das Heimteam aus Russland seinen ersten grossen Auftritt haben. Für den Grossteil der Fussballgemeinde bleibt dann aber nur die Zuschauerrolle. Denn von den ursprünglich gemeldeten 209 Verbänden werden nur 32 einen Platz im Endrundentableau erhalten. Dies definiert den Wert der Ausscheidungskampagne. Allein in der europäischen Konföderation wird ab September 2016 das eine oder andere Drama geschrieben. Für 52 Kandidaten gibt es nur 13 Startplätze. Ungleich einfacher ist der Weg an die Euro 2016. Von den 54 UEFA-Verbänden schaffen es 24 an die Endrunde nächstes Jahr in Frankreich – also fast 45 Prozent. Ähnlich verhält es sich in Südamerika. Während vor der Kontinentalmeisterschaft (Copa América) keine Qualifikation stattfindet, gibt es an der WM für die zehn Teams in der Ausscheidung nur vier garantierte Plätze. Der fünfte Teilnehmer wird in den interkontinentalen Playoffs gegen eine Mannschaft aus Ozeanien ausgespielt. Die Faszination der Weltmeisterschaft darf nicht nur auf die Endrunde reduziert werden. Die Basis bleibt die Qualifikationsphase mit 851 Spielen, die allen Nationalverbänden eine Bewährungschance bietet und im Alltag Spektakel, Unterhaltung und eine ausgeprägte Leistungskultur garantiert. Schliesslich muss die Endrunde das exklusive Treffen der Weltelite bleiben. Ich persönlich freue mich schon jetzt auf einen packenden Wettbewerb, bei dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Denn wenn man sieht, wie konsequent, produktiv und erfolgreich das russische OK schon drei Jahre vor dem WMKickoff bei der Arbeit ist, lässt dies keinen Raum für Missverständnisse: Für Russland ist nur das Beste gut genug.

Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY

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Cruyff-Turn Eben hat Schwedens Jan Olsson noch alles im Griff (in blau), doch dann zieht Johan Cruyff an ihm vorbei.

TRICKKISTE Finten, Dribblings und Körpertäuschungen – wenn sich Spielwitz und Kreativität mit technischer Brillanz vereinen, wird Fussball zum Tanz, erzählt Sarah Steiner.

Screenshots YouTube (12)

Zidane-Roulette Kaum einer vermochte den französischen Ausnahmekönner zu stoppen.

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r scheint zu schweben, zu tanzen. Die Berührung des Balles gleicht einer Liebkosung. Ein Streicheln hier, ein Tätscheln da. Man kann die Augen nicht von ihm lassen und will gleichzeitig dieses Zusammenspiel, das so natürlich, so gegeben erscheint, nicht stören, fürchtet sich vor dem Moment, da dieser Augenblick der fussballerischen Perfektion vorbei sein wird. Ein Meister, ein Zauberer, ein Künstler. Viele Wörter, und doch ver-


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mag kaum eines adäquat zu beschreiben, was man sieht, was man denkt, wenn man ihn spielen sieht. Zinédine Zidane. Sein Spiel sucht seinesgleichen. Auch heute noch. Dribblings und Schusstechniken, Tricks und Kniffe: Er hatte sie fast alle drauf. Und doch ist einer so typisch für sein Spiel, oder besser war. Viele Namen hat der Trick: Der Mare-Turn, der 360, der Marseille-Turn oder eben die Zidane-Roulette. Es war der liebste Trick des französischen Ausnahmekönners. Im Wesentlichen besteht er aus drei Schritten: Vorlage, Körperdrehung, Weiterführung. Ein kurzes Stoppen des Spielgerätes, eine minimale Bewegung nach hinten. Im gleichen Moment die Drehung des Körpers und das Weiterführen des Balles in die eigene Richtung. Der Spieler hat sich da um 180 Grad gedreht. Darauf folgt die vervollständigte Drehung. Das Standbein berührt wieder den Boden, das andere zieht den Ball weiter in Laufrichtung. Zidane wollte sich vom Ball nicht trennen. Und deswegen ging er denjenigen, die sich ihm in den Lauf stellten, aus dem Weg. In seiner unnachahmlichen Art drehte er sich in seiner Roulette durch die gegnerische Verteidigung. Die Geburt des Puskas-Moves Zidane ist nicht der einzige Namensgeber berühmter Tricks. Schon weit vor seiner Zeit hat einer den Fussball mit seiner Spielweise revolutioniert: Ferenc Puskas. 1953 spielte er mit der ungarischen Nationalmannschaft gegen England. Im Wembley-Stadion traf er im sogenannten Spiel des Jahrhunderts gegen die bis dato auf heimischem Grund unbezwungenen Engländer zwei Mal. Ungarn gewann 6:3 und zeigte Offensivfussball von einem anderen Stern. Und Puskas’

“Der Ball ist in den Winkel gegangen, aber ich hätte nie gedacht, dass er dort landen würde.” Ricardo Infante über seinen Rabona-Treffer

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sehenswertes Tor zum 4:1 ging in die Geschichtsbücher ein. Mit einer geschickten Täuschung, bei der er ähnlich wie ein Torero vor einem heranstürmenden Stier einen Schritt zur Seite machte, liess der ungarische Kapitän seinen Gegenspieler Wright ins Leere grätschen. “Bei neun von zehn solcher Tacklings hätte ich den Ball erobert. Doch diesmal war mein Gegenspieler der unvergleichliche Puskas, und ich hatte das Nachsehen”, erinnert sich der englische Verteidiger. Der Puskas-Move war geboren. Heute gilt er als eine der gängigsten Finten im Spiel und als eines der effektivsten Mittel, sich den Gegenspieler vom Leib zu halten.

Der erste Cruyff-Turn Doch man muss kein Brasilianer sein, um die spektakulärsten Tricks des Fussballs zu beherrschen. 1974 war es ein Niederländer, der genau dies an der Weltmeisterschaft bewies: Johan Cruyff. Er war einer an der Goldenen Generation beteiligten und wurde zum Symbol des Totaalvoetbal. Es lief die 23. Minute des WM-Gruppenspiels Niederlande gegen Schweden im Westfalenstadion in Dortmund, als der Ball zu Cruyff kam. Er nahm mit rechts an, und für einen kurzen Augenblick sah es aus, als würde er die Kontrolle über den Ball verlieren. Cruyff aber führte den Ball nach hinten und drehte sich gleichzeitig 26

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Rabona-Flanke Von Ricardo Infante über Diego Maradona bis Alex Song (im Bild): Die Scherenflanke ist unter Fussballern beliebt.

“Ich habe damals nicht verstanden, was da genau passiert ist.” Jan Olsson über den Cruyff-Turn Marc Atkins / Offside

Brasilianische Leichtigkeit Richtungswechsel, Schnelligkeit und Agilität sind aus dem modernen Fussball nicht mehr wegzudenken. Vorreiter auf diesem Gebiet war vor allem der brasilianische Fussball. Und mit ihm viele seiner Stars – Rivelino, Romário, Ronaldinho. Letzterer hat einen bestimmten Trick perfektioniert: den Elastico. Ronaldinho hat damit schon manchen Gegenspieler stehen lassen. Und dies aus vollem Lauf, und obwohl sein Gegenüber genau wusste, was geschehen würde. Eine blitzschnelle Bewegung zur Seite, die glauben lässt, er würde rechts vorbeilaufen, doch dann zieht er den Ball mit dem Fuss auf die linke Seite und zieht vorbei. Ronaldinho sagte einst: “Samba und Fussball – das ist mein Leben”. Die Parallelen sind unverkennbar. Dem Brasilianer beim Spielen zuzuschauen, war atemberaubend. Die unbändige Spielfreude war in jeder seiner Bewegungen zu sehen – die Liebe zum Fussball, die Sehnsucht nach dem Tor, die Faszination für das runde Leder. Seine Technik suchte ihresgleichen, und als wären seine Tricks nicht schon faszinierend genug gewesen, vollführte er sie auch noch in einem unglaublichen Tempo. Seine Karriere krönte er 2002 mit dem Weltmeistertitel. 2004 und 2005 wurde er FIFA Weltfussballer des Jahres. Joga Bonito, das schöne Spiel – kaum einer nach Pelé hat es in einer solchen Vollkommenheit beherrscht wie Ronaldinho.


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um 180 Grad. Der schwedische Verteidiger Jan Olsson stand da genau hinter ihm, und Cruyff deutete in der Fortführung der Drehung an zu schiessen. Doch stattdessen schloss er die Drehung ab und liess den verdutzten Olsson stehen. Diese Körpertäuschung gehört heute zum Standardrepertoire eines guten Technikers und wird immer wieder als effektive Finte angewendet. Doch damals war sie einzigartig, und dementsprechend verwundert war dann auch Olsson über den Trick: “Ehrlich gesagt habe ich nicht verstanden, was da genau passiert ist. Ich dachte, ich hätte jetzt gleich den Ball, und im nächsten Moment realisierte ich, dass es nicht so war. Ich hatte vorher noch nie so etwas gesehen.” Sogar ein gewisser Stolz hallt in seinen Worten nach. Olsson sagt: “Er hätte dies mit jedem Spieler tun können, aber ich bin glücklich, dass es mich traf. Ich bin dankbar, den grossen Johan Cruyff getroffen und gegen ihn gespielt zu haben.”

Presse Sports / freshfocus

Puskas-Move Im Trikot der Königlichen von Real Madrid perfektionierte Ferenc Puskas (l.) seinen Trick.

Unbeachteter Erstling Ein weiteres Kabinettsstück in der Liste der spektakulärsten Fussballtricks ist die Rabona-Flanke. Der Spieler befindet sich dabei in einer Situation, in der er eigentlich mit seinem schwächeren Fuss schiessen müsste, sich aber stattdessen entschliesst, seinen starken Fuss hinter dem Standbein gegen den Ball zu bewegen. Er schiesst also im Grunde mit überkreuzten Beinen. Deshalb wird der Schuss auch Scherenflanke genannt. Jonathan Calleri von den Boca Juniors hat kürzlich so den Siegtreffer für sein Team gegen Quilmes erzielt. Sogar Diego Maradona riss dieses Tor in der La Bombonera vom Sitz. Kein Wunder, hat er sich doch diese Technik in seiner Aktivzeit für perfekte Hereingaben zu Nutze gemacht. Der Name Rabona geht auf einen Tag im September 1948 zurück. Damals erschien nach einem von Ricardo Infante für Estudiantes La Plata erzielten Treffer in einer argentinischen Sportzeitschrift ein Artikel mit folgender Überschrift: “Un Infante que se hizo la rabona”. In Argentinien bezieht sich der Ausdruck “hacerse la rabona” auf Schüler, die gegen ihre Eltern rebellieren, und die Schule schwänzen. Da “Infante” ausserdem ein Synonym für “Kind” ist, wurde in diesem Artikel perfekt zum Ausdruck gebracht, wie der damals 24-jährige Nachwuchsfussballer mit einem “Akt der Rebellion” eine Situation gelöst hat, bei der er eigentlich mit seinem weniger starken Fuss hätte schiessen müssen. “Er ist in den Winkel gegangen, aber ich hätte nie gedacht, dass er dort landen würde”, erklärte Infante 1998 zum 50. Jahrestag seines Rabona. “Dieser Treffer hat nicht die Beachtung gefunden, die er verdient gehabt hätte. Es gab damals noch kein Fernsehen, und die Printmedien deckten nicht alle Spiele ab”, so der sechstbeste Torjäger in der Geschichte des argentinischen Ligafussballs. Å T H E F I FA W E E K LY

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RU S SL AND 2018

Heisse Duelle, grosse Hoffnungen Nach der Auslosung der Qualifikationsgruppen für die Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ ist für die Verbände der Weg zum Endturnier geebnet. Annette Braun mit einer Einschätzung der Ausgangslage in allen sechs Konföderationen.

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ach dem Spiel ist vor dem Spiel. Das wusste schon Sepp Herberger, deutscher Weltmeistertrainer von 1954. Während die WM in Brasilien nun über ein Jahr zurückliegt und in der Zwischenzeit bereits neue Asien-, Afrika-, Südamerika- sowie Nord- und Mittelamerikameister gekürt wurden, verschiebt sich der Blickwinkel seit dem 25. Juli verstärkt in Richtung Russland. Wer wird – neben dem Gastgeber – an der WM 2018 teilnehmen? Auf welche Höhepunkte dürfen wir uns bei den kommenden Qualifikationspartien freuen? “Die Lücke zwischen den grösseren und kleineren Teams hat sich in den vergangenen Jahren geschlossen”, so Samuel Eto’o am Rande 28

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der Veranstaltung in St. Petersburg. Die Selbstverständlichkeit des Siegens sei selbst für regelmässige WM-Fahrer nicht mehr unbedingt gegeben, fasst Kameruns Aushängeschild die Ausgangssituation auf dem afrikanischen Kontinent zusammen. Die erste Aufgabe der Elfenbeinküste dürfte für den amtierenden Afrikameister dennoch kein Problem darstellen. Das Team des israelischen Trainers Avram Grant trifft auf den Gewinner der Ausscheidung zwischen Liberia und Guinea-Bissau. Klare Favoriten sind auch Algerien (gegen Tansania oder Malawi) und Ghana (gegen die Komoren oder Lesotho). Erst nach den K.-o.-Spielen werden in einer Gruppenphase die WM-Teilnehmer ermittelt.

imago

Namhaftes Duell David Silva (r.) setzt sich im EM-Finale 2012 mit der spanischen Nationalelf 4:0 gegen Italien durch und kürt sich zum Europameister.


RU S SL AND 2018

In Ozeanien findet zunächst ein Ausscheidungsturnier statt, in dem die in der Weltrangliste weiter hinten platzierten Teams wie Samoa und Tonga antreten. Erst dann greift Topfavorit Neuseeland in den Wettbewerb ein. Nach dem Wechsel Australiens in die asiatische Gruppe konnte sich der Inselstaat sowohl 2010 als auch 2014 als Ozeanien-Sieger behaupten. Im Vorfeld der WM in Südafrika siegten die All Whites gar in der Entscheidung gegen Bahrain und nahmen am Endturnier teil. Erstmals fuhren damit zwei Teams aus Ozeanien zu einer Weltmeisterschaft, da sich auch Australien innerhalb der AFC durchsetzte. Im Falle eines erwarteten Ozeanien-Triumphs trifft Neuseeland im Entscheidungsspiel dieses Zyklus’ auf den Fünftplatzierten der südamerikanischen Konföderation – eine Mammutaufgabe für das traditionelle Rugbyland. Patrick Kluivert Als Coach von Curaçao will der ehemalige niederländische Nationalspieler Erfolge feiern.

Bianca Litscher, Shaun Botterill / Getty Images,imago

Auslosung Die europäischen Qualifikationsgruppen versprechen spannende Partien.

Amtierender Weltmeister mit Losglück In der im September 2016 startenden europäischen WM-Qualifikation erwarten Deutschland machbare Aufgaben. In die Partien gegen Tschechien, Nordirland, Norwegen, Aserbaidschan und San Marino geht der amtierende Weltmeister als Favorit und darf das Ticket nach Russland fast schon einplanen. Zufrieden zeigte sich Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff: “Ich freue mich, dass wir nicht gegen Italien oder Frankreich spielen.” Die Niederlande und Spanien hatten dagegen weniger Losglück und treffen auf die Topteams aus Topf 2. Während sich Oranje in Gruppe A nicht nur mit der Équipe Tricolore, sondern auch mit Schweden einen heissen Kampf um die direkte Qualifikation liefern wird, kommt es ausserdem zur Neuauflage des EM-Finales von 2012 sowie des Halb­fi nales des Konföderationen-Pokals 2013. Italien und Spanien werden sich prestigeträchtige Duelle liefern und gelten in Gruppe G mit Albanien, Israel, Mazedonien und Liechtenstein als Anwärter auf die vorderen zwei Plätze. “Auf Grundlage dessen, was wir bei den letzten Turnieren gesehen haben, wird dies eine der am härtesten umkämpften Vorausscheidungen der letzten Zeit werden”, schätzt Ronaldo die Lage in Südamerika ein. Durch die Rückkehr Brasiliens in die Qualifikation wird der Kampf um die 4,5 Plätze noch enger. Neben dem Gastgeber der WM 2014 gelten Argentinien und der frisch gekürte Copa-América-Sieger Chile als Gradmesser. Darüber hinaus rechnen sich nicht nur Uruguay und Kolumbien Chancen aus, sondern auch Paraguay und Peru möchten ihre guten Leistungen der Copa América bestätigen. Bereits am ersten Spieltag der Qualifikation trifft die Seleção auf Chile, während in der dritten Runde Dauerrivale Argentinien wartet. Der WM-Finalist von 2014 hat mit Gerardo Martino seit Sommer 2014 einen neuen Trainer. Damit vertrauen sechs der zehn CONMEBOL-Mannschaften auf einen Argentinier an der Seitenlinie. Ein bekanntes Gesicht auf der Trainerbank kann auch der Karibikstaat Curaçao vorweisen. Der ehemalige niederländische Nati-

onalspieler Patrick Kluivert ist seit diesem Jahr Coach des Teams. Mit dem Einzug in die dritte Qualifikationsrunde der CONCACAF schaffte er einen Achtungserfolg. Nun wartet mit El Salvador eine weitere Herausforderung. Mit viel Rückenwind wird Jamaika, Finalist des diesjährigen Gold Cups, in das Ausscheidungsmatch gegen Nicaragua gehen. Erst dann folgt die entscheidende Gruppenphase – mit den WM-Fahrern 2014 Mexiko, Costa Rica und USA als jeweilige Gruppenköpfe. Favoritensiege und Überraschungen In St. Petersburg fehlten die asiatischen Vertreter, denn ihre Qualifikation läuft bereits auf Hochtouren. Zu den üblichen Verdächtigen gehören im Kampf um die WM-Plätze Iran, Japan, Australien und Südkorea. Während die beiden letztgenannten Teams ihre Auftaktpartien gewinnen konnten, spielten Iran und Japan nur remis. Für eine Überraschung sorgte derweil das Team Guams, das zum ersten Mal nach 15 Jahren wieder im Rennen um ein WM-Ticket ist und im Moment die Gruppe D anführt. Å

W M- Qualif ik a t ion 2018 Welche Nationalmannschaft trifft im Kampf um die 31 Startplätze der WM 2018 auf wen? Wie sieht der Fahrplan aller Konföderationen auf dem Weg nach Russland aus? Alle Informationen zur Qualifikationsauslosung in St. Petersburg sowie die Ergebnisse der einzelnen Gruppen in der Übersicht finden Sie unter http://tinyurl.com/yf4jn94

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FIFA PARTNER


FREE KICK

SPOTLIGHT ON

ALLGEMEINE INFORMATIONEN Land: Australien FIFA-Kürzel: AUS Kontinent: Australien Hauptstadt: Canberra

Zurück zu den Wurzeln Sarah Steiner

Mario Wagner / 2Agenten

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er Sheffield FC. Ohne ihn würde es den modernen Fussball wohl nicht geben. Zumindest war er sein Wegbereiter. Gegründet am 24. Oktober 1857, ist der englische Amateurverein der älteste noch existierende Fussballklub der Welt. Die erste Partie wurde auf dem Olive Grove gespielt, und mit den Sheffield Rules schuf er das erste moderne Regelwerk. Heute, fast 160 Jahre später, hat sich der Verein ein grosses Ziel gesetzt: Er will zurück dahin, wo alles begann – Olive Grove, wo der illustre Nachbar Sheffield Wednesday sein erstes Pflichtspiel gegen die Blackburn Rovers am 12. September 1887 absolvierte. Nun, Teil der Northern Premier League Division One South, der 8. englischen Liga, trägt der Sheffield FC im Vorort Dronfield im Coach and Horses Stadium seine Heimspiele aus. Aber das könnte sich bald ändern. Die Stadt Sheffield hat sich bereit erklärt, dem SFC die Wiese des Olive Grove zur Verfügung zu stellen. Doch bis darauf Spiele stattfinden können, muss noch eine Menge passieren. Das abschüssige Grün muss eingeebnet, eine kleine Tribüne gebaut werden. Und weil der Verein als Stiftung organisiert ist und sich zu 100 Prozent seiner Amateur-Philosophie verschrieben hat, ruft er die Fussballfans auf der ganzen Welt dazu auf, dieses Projekt zu unterstützen. Mit einer Crowdfunding-Kampagne unter dem Motto “Your one Pound for the home of football” freuen sich die Initiatoren über jede Spende.

Mindestens 150 000 Pfund braucht der Sheffield FC, um seinen Traum zu verwirklichen. Und für die Fans gibt’s für jede Spende eine Belohnung. Für 1 Pfund bekommt man beispielsweise ein persönliches Zertifikat – von Klub-Präsident Richard Tims unterschrieben. Für 15 Pfund wird man mit einem Schal belohnt, für 30 mit einer Klub-Mitgliedschaft. Wer ein bisschen tiefer in die Tasche greift, darf ein Wochenende in Sheffield verbringen – Heimspiel und Elfmeterschiessen gegen den Heimtorwart nach der Partie sind für 250 Pfund inklusive. Wem dies noch immer nicht genügt, der erhält für 1000 Pfund sogar die Möglichkeit, eine Halbzeit lang zu spielen. In einem offiziellen Spiel! Oder, je nach Fähigkeiten und Alter des Spenders, in einer speziell dafür organisierten Partie. Wo diese Begegnung stattfinden wird, hängt vom Erfolg der Kampagne ab. Erreicht der Sheffield FC sein Ziel, dann wird wieder auf dem Olive Grove gekickt. Å

GEOGR APHISCHE INFORMATIONEN Landesfläche: 7 692 024 km² Höchster Punkt: Mount Kosciuszko 2228 m ü. M. Nachbarmeere und -ozeane: Indischer Ozean, Pazifik

FUSSBALL MÄNNER FIFA-Ranking: 59. Rang Weltmeisterschaften: 4 Teilnahmen 1974, 2006, 2010, 2014 Bestes Ergebnis: Achtelfinale, 2006

FUSSBALL FR AUEN FIFA-Ranking: 9. Rang Weltmeisterschaften: 6 Teilnahmen 1995, 1999, 2003, 2007, 2011, 2015 Bestes Ergebnis: Viertelfinale 2007, 2011, 2015

LET Z TE RESULTATE Männer: Kirgistan – Australien 1:2 16. Juni 2015 Frauen: Australien – Japan 0:1 27. Juni 2015

FIFA-INVES TITIONEN Die wöchentliche Kolumne aus der The-FIFA-Weekly-Redaktion

Seit 2011: USD 3 100 000 T H E F I FA W E E K LY

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ZEITSPIEGEL

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South Benfleet, England

1935

H. Allen / Tropical Press Agency / Getty Images

Jährliches Fussballertreffen im Schlamm.

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ZEITSPIEGEL

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St. Petersburg, Russland

2015

Olga Malteseva / AFP

Cup of Russia im Moor.

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THE ART OF FOOTBALL

Die Schichten des Spiels Ronald Düker

Z I TAT E DER WOC HE

“Ich habe das meiner Frau versprochen. Wir haben nicht mehr viele Jahre miteinander. Das ist der Grund. Es kommt die Zeit, das Leben und die Beziehung zu geniessen.” Trainer Louis van Gaal hat angekündigt, dass er mit dem Ablauf seines Vertrages im Jahr 2017 seine Karriere beenden werde.

“Für mich bedeutet dieser 2. Platz nicht die Silbermedaille, für mich ist er Gold wert. Jamaika sollte sehr stolz auf diese Mannschaft sein. Ich bin es jedenfalls.” Jamaikas Coach Winfried Schäfer nach dem verlorenen Finale des CONCACAF-Gold-Cup gegen Mexiko

Harun Farocki

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s gibt Fussballspiele, an die man sich vor allem wegen eines einzelnen Moments erinnert. Zu ihnen gehört das WM-Finale von 2006, als sich Frankreich und Italien gegenüberstanden und der Franzose Zinédine Zidane sein Team gegen Ende des Spiels durch eine Tätlichkeit womöglich auf die Verliererstrasse brachte. Sein Kopfstoss gegen den Italiener Marco Materazzi hat sich als Tragödie ins Gedächtnis der Zuschauer eingebrannt. Was an diesem Sommerabend im Berliner Olympiastadion sonst noch geschah, wurde vom subjektiven Filter der menschlichen Erinnerung wohl grösstenteils gelöscht. Technische Medien aber haben das Spiel für alle Zeiten aufgezeichnet und bewahrt. Wie viele Schichten ein solches Spiel hat, aus wie vielen Winkeln es betrachtet, ausgewertet und analysiert werden kann, das hat exemplarisch gerade an diesem Finale der erst jüngst verstorbene Berliner Videokünstler Harun Farocki vorgeführt. “Deep Play” hiess seine Videoinstallation, die ein Jahr nach der Weltmeisterschaft an der internationalen Kunstausstellung Documenta in Kassel zu sehen war. Auf zwölf Monitoren wurde das komplette Endspiel noch einmal in voller Länge abgespielt, wobei es jeder einzelne Bildschirm unter einem völlig anderen Aspekt zeigte. Da wäre zum Beispiel der Clean Feed, also das noch unbearbeitete und unkommentierte Bildmaterial, das aus dem Stadion an die 250 Fernsehsender geschickt wurde, die es zu einer Liveübertragung überhaupt erst zusammensetzten.

Oder die parallel geschalteten Observierungen der beiden Spieler Patrick Vieira und Fabio Cannavaro. Ein weiterer Monitor zeigte nichts als die Mimik und Körpersprache des italienischen Trainers. Dann konnten die Zuschauer sehen, was 50 Überwachungskameras am Berliner Olympiastadion zur selben Zeit jenseits des Fussballfeldes aufgenommen hatten. Und wie zwei- und dreidimensionale Animationen das Geschehen auf dem Platz in Grafiken und Simulationen übersetzten: Passfolgen, Spielzüge, Bewegungsabläufe der Fussballer – all das wurde in Echtzeit abstrahiert und in neuen visuellen Zusammenhängen lesbar gemacht. Der Titel dieser Arbeit, “Deep Play”, macht klar, worum es Harun Farocki ging: Der flüchtige Ablauf eines einzelnen Fußßballspiels zeigt sich so, wie ihn der Zuschauer wahrnimmt, nur in einer bestimmten, ganz subjektiv gefärbten Facette. Einzelne, emotional aufgeladene Ausschnitte überlagern andere, bestimmte Beobachtungen machen anderes unsichtbar. Das schönste Ballspiel der Welt ist aber, als Ganzes betrachtet, eine unendlich komplexe Angelegenheit: Wer in die Tiefe schaut und wie ein Archäologe Schicht für Schicht jenes freilegt, was zur selben Zeit und während eines einzigen Spiels alles passiert – für den sind die 90 Minuten zwischen An- und Abpfiff eine viel zu kurze Zeit, um auch nur annähernd einen Überblick zu bekommen. Wer das will, kann sich nahezu unendlich lang mit einem einzigen Fussballspiel beschäftigen. Å

“Wer in der Liga oder in der Champions League spielt ist nicht meine Entscheidung, sondern die des Trainers. Ich werde hart daran arbeiten, in allen Wettbewerben zu spielen. Meine Entscheidung, früher als geplant wieder zur Mannschaft zu stossen, ist die richtige gewesen.” Marc-André ter Stegen nachdem er seinen Urlaub um elf Tage verkürzt hatte, um früher im Trainingslager des FC Barcelona zu sein

“Wir dürfen nicht den Fehler machen wie nach 1990. Damals sind wir Weltmeister geworden, Ostdeutschland wurde geöffnet, wir haben tolle Spieler dazu bekommen und Franz Beckenbauer hat gesagt, wir seien auf Jahre hinweg unschlagbar. Das haben wir zehn Jahre lang geglaubt, dann sind wir aufgewacht und haben gemerkt, dass viele andere vorbeigezogen sind.” Oliver Bierhoff über die deutsche Nationalmannschaft T H E F I FA W E E K LY

35



TURNING POINT

“Das ganze Land hat Feuer gefangen” Bei der EM 2013 wurde Dagny Brynjarsdottir (23) zu einer Nationalheldin auf Island. Mit ihrem Kopfballtor schoss sie ihr Nationalteam ins Viertelfinale.

Martin Hangen

D

er 17.Juli 2013 ist ein ganz besonderes Datum für mich. Denn an jenem Tag habe ich das Tor geschossen, das mich berühmt gemacht hat. Eine Zeitung in Florida, wo ich zu jener Zeit Sportmarketing studiert und für das dortige College-Team der Florida Seminoles gespielt habe, schrieb sogar, ich sei durch diesen Treffer zu einer isländische Nationalheldin geworden. Mein Tor zum 1:0-Sieg über die Niederlande bei der Europameisterschaft in Schweden hat historischen Wert in der Geschichte unserer Nationalmannschaft bekommen: Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir ein Viertelfinale an einer EM erreicht. Die Flanke kam von links, und ich bin hoch gestiegen, habe mich durchgesetzt und getroffen. Wie wichtig dieses Kopfballtor werden würde, war zu dem Zeitpunkt natürlich noch nicht abzusehen. Vorerst war es nur die Führung in diesem Spiel, die mich hat jubeln lassen. Nach dem Schlusspfiff war die Freude natürlich grenzenlos. Wir haben gefeiert und getanzt, und ich bin zur Tribüne gelaufen, weil dort meine Eltern und mein Freund zugeschaut haben. Da das Fernsehen dieses Spiel live übertragen hat, wurde ich mit diesem Sieg über Nacht berühmt. Die Partie hat unter den 320 000 Einwohnern Islands ein riesiges Frauenfussballfieber entfacht. Das ganze Land hatte Feuer gefangen. Seitdem werde ich oft auf der Strasse erkannt oder beim Einkaufen angesprochen. Das erfüllt mich mit Stolz. Dabei sah es zunächst gar nicht danach aus, als sollte ich es in die Startelf schaffen. In den Trainings vor dem ersten EM-Spiel hatte ich kein gutes Gefühl. Erst beim Abschlusstraining konnte ich überzeugen und diese Leistung

dann auch in den Gruppenspielen bestätigen. Trotz der Rückennummer 14 gehörte ich zur Startformation. Ich glaube, es lag an meinen Kämpferqualitäten. Schon als kleines Mädchen hatte ich mich beim Kicken mit den Jungs immer körperlich durchsetzen müssen, sodass ich sehr robust geworden bin. Ich bin in Hella aufgewachsen, einer Ortschaft mit 700 Einwohnern, südöstlich von Reykjavik gelegen. Als ich 2007 zum grossen Klub Valur Reykjavik wechselte, stand ich das erste Mal auf eigenen Füssen. Erst haben meine Eltern mich immer hin- und hergefahren, zum Training und zu den Spielen. Irgendwann aber haben sie beschlossen, dass ich umziehen sollte. Vom kleinen Dorf, gut behütet im Elternhaus, alleine mit 16 Jahren in die grosse Stadt – das hat meiner Entwicklung gut getan, sodass ich auch den späteren Wechsel nach Florida gut verkraftet habe. Es hat mich erwachsen werden lassen. Å Aufgezeichnet von Rainer Hennies

Name Dagny Brynjarsdottir Geburtsdatum, Geburtsort 10. August 1991, Hella, Island Position Mittelfeld Stationen als Spielerin 2007–2013 Valur Reykjavik 2014 UMF Selfoss 2015 FC Bayern München 2015 UMF Selfoss Grösste Erfolge 2007–2010 Isländische Meisterin (Valur Reykjavik) 2009–2011 Isländische Pokalsiegerin (Valur Reykjavik) 2015 Deutsche Meisterin (FC Bayern München) Nationalteam Island 53 Einsätze, 11 Tore

Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. T H E F I FA W E E K LY

37


W E LT R A N G L I S T E D E R M Ä N N E R

Argentinien (plus 2) Rumänien (8. plus 4), England (9. plus 6), Wales (10. plus 12) Spanien (12. minus 2), Uruguay (13. minus 5), Frankreich (22. minus 13) 213 Argentinien, Chile, Mexiko, Paraguay, Peru (je 7 Spiele) Wales (plus 226 Punkte) Belize (plus 37 Ränge) Deutschland (minus 364 Punkte) Zentralafrikanische Republik (minus 29 Ränge)

Spitzenreiter Aufsteiger in die Top 10 Absteiger aus den Top 10 Spiele insgesamt Teams mit den meisten Spielen Grösster Aufsteiger nach Punkten Grösster Aufsteiger nach Rängen Grösster Verlierer nach Punkten Grösster Verlierer nach Rängen Rang Team

+/- Punkte

Rang Team

+/- Punkte

Rang Team

1 Argentinien

2 1473

55 Ägypten

0

606

108 Aserbaidschan

2 Deutschland

-1 1411

56 Paraguay

29

603

3 Belgien

-1 1244

57 Nigeria

-14

4 Kolumbien

0 1217

58 Guinea

-13

5 Niederlande

1 1204

59 Australien

6 Brasilien

-1 1186

60 DR Kongo

Letzte Aktualisierung: 10. Juli 2015

+/- Punkte

Rang Team

+/- Punkte

7

302

163 Suriname

110 Litauen

-14

301

164 Indonesien

601

111 Sierra Leone

-28

300

165 Osttimor

591

112 Simbabwe

7

290

166 Bhutan

4

559

113 Bahrain

-7

282

167 Neukaledonien

2

118

-4

555

114 Namibia

-9

276

168 Malaysia

-6

117

-3

115

7 Portugal

0 1177

61 Mali

-9

550

115 St. Vincent und die Grenadinen

-3

268

169 Bangladesch

8 Rumänien

4 1166

62 Panama

-8

549

116 Kenia

7

263

170 Zentralafrikanische Republik

9 England

6 1157

63 Äquatorial-Guinea

-13

546

117 Syrien

4

262

-13

141

-9

134

-19

130

-7

128

-29

111

171 Jemen

-6

104

10 Wales

12 1155

64 Trinidad und Tobago

3

543

118 Belize

37

257

172 Pakistan

-2

101

11 Chile

8 1129

65 Gabun

-6

524

119 Palästina

-1

255

173 Tschad

-1

100

12 Spanien

-2 1110

66 Bolivien

23

511

120 St. Kitts und Nevis

-6

254

174 Dominica

-6

98

13 Uruguay

-5 1036

67 Norwegen

-3

495

120 Botsuana

-9

254

175 Amerikanische Jungferninseln

-4

97

14 Kroatien

4 1023

68 Bulgarien

-6

489

122 Madagaskar

-9

250

176 Malediven

2

87

15 Slowakei

2 1016

69 Vereinigte Arabische Emirate

4

487

123 Kuwait

2

242

177 Laos

-2

86

15 Österreich

5 1016

70 Südafrika

-1

483

124 Philippinen

13

236

178 Montserrat

3

74

17 Italien

-4 1001

71 Sambia

-3

482

124 Moldawien

0

236

179 Chinese Taipei

-1

72

18 Schweiz

-7

997

72 Burkina Faso

-6

481

126 Dominikanische Republik

-10

227

180 Mauritius

-4

71

19 Algerien

2

941

73 Uganda

-2

467

127 St. Lucia

9

225

181 Kambodscha

-3

66

20 Tschechische Republik

-4

933

74 Färöer

28

456

128 Mauretanien

21

224

181 Macau

4

66

21 Elfenbeinküste

3

917

75 Usbekistan

-1

453

129 DVR Korea

17

222

183 Sri Lanka

3

62

22 Frankreich

-13

882

76 Jamaika

-11

437

130 Libanon

5

218

184 Brunei Darussalam

0

61

23 Island

14

877

77 VR China

2

436

131 Burundi

3

217

185 Nepal

-2

60

24 Dänemark

5

876

78 Ruanda

16

433

131 Lesotho

-9

217

186 Seychellen

1

52

25 Ghana

9

827

79 Haiti

-3

428

133 Guinea-Bissau

22

213

187 Komoren

3

51

26 Bosnien und Herzegowina

6

819

80 Honduras

-5

427

134 Afghanistan

17

212

188 Tahiti

-6

50

27 Ukraine

8

791

81 Montenegro

-11

423

135 Aruba

16

211

189 São Tomé und Príncipe

-1

48

28 Russland

-2

782

82 Estland

9

420

136 Bermuda

-10

209

189 Cayman-Inseln

0

48

29 Schottland

-1

774

83 Togo

-6

415

136 Neuseeland

2

209

191 Salomon-Inseln

-1

44

30 Polen

2

769

84 Marokko

8

394

138 Swasiland

24

206

192 San Marino

0

40

31 Ungarn

11

763

85 Zypern

2

391

139 Tansania

-12

200

193 Turks- und Caicos-Inseln

0

33

32 Tunesien

-3

758

86 Irak

0

382

140 Thailand

-11

199

194 Britische Jungferninseln

0

27

33 Schweden

6

752

87 Lettland

-5

377

141 Barbados

-9

198

195 Südsudan

2

24

34 USA

-7

748

88 El Salvador

1

374

142 Kasachstan

-9

193

196 Samoa

2

19

35 Ecuador

-4

738

89 Armenien

-5

373

143 Gambia

17

188

197 Vanuatu

3

17

36 Albanien

15

722

90 Sudan

18

371

143 Nicaragua

8

188

197 Tonga

3

17

7

721

90 Finnland

-12

371

143 Vietnam

-16

188

199 Fidschi

-4

16

38 Iran

3

716

92 Angola

-4

355

146 Luxemburg

-15

187

200 Bahamas

-4

13

39 Senegal

-3

715

92 Jordanien

11

355

147 Liechtenstein

-18

182

201 Amerikanisch-Samoa

2

12

40 Mexiko

-17

697

92 Saudiarabien

6

355

148 Tadschikistan

-9

181

202 Papua-Neuguinea

0

9

41 Costa Rica

-27

695

95 Mosambik

-14

354

149 Curaçao

-5

174

202 Andorra

2

9

42 Kamerun

7

672

96 Benin

14

345

150 Puerto Rico

17

169

204 Eritrea

0

8

43 Serbien

2

662

96 Libyen

23

345

150 Singapur

4

169

205 Mongolei

-6

6

37 Nordirland

44 Griechenland

-19

661

96 Niger

21

345

152 Turkmenistan

21

167

205 Somalia

1

6

45 Venezuela

27

643

96 Katar

1

345

153 Georgien

-14

165

207 Dschibuti

0

4

46 Peru

15

635

100 Belarus

-20

341

154 Hongkong

10

163

207 Cook-Inseln

0

4

47 Kongo

0

630

101 Äthiopien

-2

333

154 Guam

20

163

209 Anguilla

0

0

48 Türkei

9

627

102 Oman

-1

329

156 Indien

-15

161

49 Slowenien

-1

626

103 Kanada

6

328

157 Kirgisistan

20

160

50 Japan

2

621

104 Kuba

3

313

158 Malta

-13

157

51 Israel

-11

620

105 Guatemala

-12

311

159 Guyana

-1

155

52 Kap Verde

0

153

-14

608

105 EJR Mazedonien

-5

311

160 Grenada

52 Republik Irland

8

608

107 Antigua und Barbuda

-3

303

161 Liberia

-13

152

52 Republik Korea

6

608

108 Malawi

-13

302

162 Myanmar

-19

145

38

T H E F I FA W E E K LY

http://de.fifa.com/worldranking/index.html


PUZZLE

Ziel beim Sudoku-Lösen ist es, die leeren Zellen des Spielfeldes mit den Ziffern 1 bis 9 so auszufüllen, dass in jeder Zeile und in jeder Spalte sowie in jedem 3x3-Teilquadranten jede dieser Ziffern genau ein Mal steht.

Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

Präsident Joseph S. Blatter

1

9

LEICHT

3

9

6

Generalsekretär Jérôme Valcke

2

Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Nicolas Maingot (a. i.)

1 5

1

9 4

7

Chefredakteur Perikles Monioudis

5 2

Redaktion Alan Schweingruber (Stv. Chefredakteur), Annette Braun, Sarah Steiner

5

7

6

8

7 7

4

9

4 6

8

Art Direction Catharina Clajus Bildredaktion Peggy Knotz, Andreas Wilhelm (Stv.) Layout Richie Krönert (Leitung), Tobias Benz, Susanne Egli

9

2

7 8

Mitarbeit an dieser Ausgabe Rainer Hennies, Julien Sebbah Redaktionsassistenz Alissa Rosskopf

3

2

9

7

6

5

5 1

6

3

6

5

8

4 2

3

6 3

4

Projektmanagement Bernd Fisa, Christian Schaub

8

9 7

1

4

SCHWER

4

Kontakt feedback-theweekly@fifa.org

8 9

7

1

4

Internet www.fifa.com/theweekly

Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA.

7 6

5

Produktion Hans-Peter Frei

Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2015) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt.

8

3

2

Ständige Mitarbeitende Ronald Düker, Luigi Garlando, Sven Goldmann, Andreas Jaros, Jordi Punti, Thomas Renggli, David Winner, Roland Zorn

Druck Zofinger Tagblatt AG

5

MIT TEL

Korrektorat Nena Morf (Leitung), Martin Beran, Kristina Rotach

Übersetzung www.sportstranslations.com

3

1

8

3

8

6 3 1

7 1

3

4 9

5 5 2

6 5

8

7 7 1

3

7

4

7

1 3

T H E F I FA W E E K LY

Puzzles courtesy: opensky.ca/sudoku

Herausgeberin FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Telefon +41-(0)43-222 7777, Fax +41-(0)43-222 7878

39


Football breaks down barriers Football builds bridges. It has a unique power to inspire friendship, respect and equality. FIFA’s Say No To Racism campaign is part of our commitment to tackle all forms of discrimination in football. Everyone should have the right to play and enjoy football without fear of discrimination. Say no to racism. For more information visit FIFA.com


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