SUMO Ausgabe 35

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Fachmagazin des Bachelor Studiengangs Medienmanagement der FH St. PĂślten

Š Copyright: Ida Stabauer

Medien-Politik-Medien Ausgabe 35 - Oktober 2020 -


Medienmanagement studieren heißt die Zukunft der Medien mitgestalten. Wissen, was morgen zählt.

Medienmanagement · Bachelorstudium: 6 Semester · Vollzeit Schwerpunkte · Content Management · Marketing und Sales

© Martin Lifka Photography

· Strategisches Management

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Thema

fhstp.ac.at/bmm


» Editorial von Roland Steiner

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» Regionaljournalismus und -politik unter der Lupe von Christiane Fürst

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» Hintergrundgespräche: Verkündung von Staatsgeheimnissen? von David Pokes

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» Think Austria: des Kanzlers Denkstube von Lukas Pleyer

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» Open Data - nur die Spitze des Eisbergs? von Karin Pargfrieder

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» Medienpluralismus: Bedarf es politischer Regulierung? von Christiane Fürst

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» Pressefreiheitsgrenze - Wahrheit kann bestraft werden! von Ondrej Svatos

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» Mediales Alternativ-Bingo: Aufmerksamkeit um jeden Preis von Lukas Pleyer

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» Hate Speech und die Politik von Viktoria Strobl

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» Emotionalisierung und Dramatisierung um jeden Preis von Therese Sterniczky

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» Wenn lesen nicht selbstverständlich ist von Julia Allinger

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» Nicht nur Politiker spielen „Clash of Clans“ von Martin Möser

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» Pornografie - eine bzw. welche Gefahr für Kinder und Jugendliche? von Alexander Schuster

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» Zwischen Games und Gefahr von Julia Allinger

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» Deep Fakes: Fluch oder Fun? von Alexander Schuster

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» Digital Steuer: Endlich faire Steuern für alle? von David Pokes

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» „Zugriff verweigert“ - technischer und rechtlicher Schutz von Smart Home von Raphaela Hotarek

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» Upload-Filter: Eine Herausforderung für Türkis-Grün von Martin Möser

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» Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Viktoria Strobl

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» Der milliardenschwere Kampf um Sportübertragungsrechte von Michael Geltner

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» Sollen Programmkinos gefördert werden? von Ida Stabauer

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» Die (Ohn-) Macht des Presserates von Karin Pargfrieder

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» Wenn private Daten in den Medien landen von Christina Glatz

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» Wenn MANN den Journalistinnen Chancen verwehrt von Sophie Pratschner

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Inhalt

Inhalt

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Editorial

FH-Prof. Dr. Johanna Grüblbauer

FH-Prof. Mag. Roland Steiner Praxislaborleiter Print Chefredakteur SUMO

FH-Prof. Mag. Ewald Volk

Studiengangsleiter Bachelor Medienmanagement (bis 30.6.2020)

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Studiengangsleiterin Bachelor Medienmanagement

Copyright: Ulrike Wieser

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„Here we are now, entertain us“, nachfolgend jedoch: „I feel stupid and contagious“ – so Kurt Cobains Refrain. Was hat „Nirvana“ mit dem Rahmenthema dieser halbrunden SUMO-Ausgabe zu tun? Mediale Unterhaltung war und ist ein Bedürfnis (vermehrt) in Krisenzeiten, der Ansteckungsgrad via Streamingdienste wird höher und bei manchen die Reflexion einer Selbstscham betreffs dieses „Binge Viewings“. Während des Lockdowns manifestierten sich jedoch auch hohe Informationsbedürfnisse, und in Demokratien dürften wir uns nicht als „stupid“ – weil genug an Aufklärungsmaterial vorhanden – oder „contagious“ – weil seriöser Art – befriedigt fühlen. Dagegen aber standen bisweilen inflationäre Pressekonferenzen der Regierung, die teils ohne Fragemöglichkeit uns Direktiven transferiert haben, PR-Kampagnen derselben als indirekte Medienförderung, die Sonderförderung für die Reichweitenpotentaten, Verschleierung und Verweigerung im „Ibiza“-Ausschuss. Wenn wir den Bereich „Medienpolitik“ vor der Krise untersuchen, fällt dessen geringe Bedeutsamkeit auf: oft ging es um Boulevardsubventionen, weit weniger um Medienfreiheit und -pluralismus. Medien werden in unserer Wohlstandsdemokratie als Subsystem in gesellschaftlich „systemrelevanten“ Bereichen als irrelevant eingestuft. Volkswirtschaftlich hängen weit mehr Arbeitsleistungen daran als gedacht, jedoch müssen wir uns hierzulande meist auf Zahlen aus Deutschland beziehen, da zu Österreich fehlend. Betriebswirtschaftlich hüllen sich österreichische Medienunternehmen gerne im Nebel, in Deutschland sind etliche ob ihrer Rechtsform dazu verpflichtet. Umfragen wie Quoten ergaben eine hohe Nutzung der ORF-Nachrichten, die Akzeptanz für eine Co-Finanzierung durch die Rundfunkgebühr aber stieg nicht. Dasselbe geschah den Websites von „Die Presse“ und „Der Standard“, wo die Zahlbereitschaft nicht drastisch gestiegen ist.

Befunde für den Bedarf einer Umgestaltung der Medienpolitik und -förderung liegen in den jeweiligen Ministerien in der Schublade – in den jeweiligen, weil Medienpolitik analog zu „Medienbildung“ in Schulen stets „Querschnittsmaterie“ ist: also themenbezogen. Themenbezogen? Man müsse die Digitalisierung fördern (Kinder lernen mit Handys umzugehen, LehrerInnen mit Videochats, AltersheimbewohnerInnen mit sozialen Netzwerken), und überhaupt: Technik, Digger! Diese SUMO-Ausgabe hatte sich zum Wechselspiel zwischen den Systemen Medien und Politik Themen gesetzt, aber freilich hat auch uns COVID Barrieren auferlegt (u.a. dass alle Interviews telefonisch oder via Skype geführt wurden). Umso mehr gilt GRAZIE MILLE den beteiligten Studierenden des Praxislabors „Journalistisches Arbeiten“ (Print) und des Freifachs „SUMO“, die in allen Bereichen Enormes leisteten: Sie haben Artikel inklusive Interviews dennoch umgesetzt, die Selbstfinanzierung der Ausgabe via Anzeigen – in dieser Zeit! – mehr als geschafft, Distribution, Produktion (die erste Grafik als Cover in der SUMO-Geschichte!), Kommunikation usf. Sie halten die 35. Ausgabe des einzigen, durchgängig von Studierenden erstellten Medienfachmagazins in Österreich in den Händen. Dies ist in erster Linie ein Verdienst bedankter Studierenden und der Medieninhaberin FH St. Pölten. Vor allem jedoch gilt Ewald Volk Dank, der dieses Magazin rettete, förderte und vorantrieb, nunmehr bedingt durch Pensionierung (als Dozent, Betriebsrat der FH und Leiter des „Campus & City-Radio 94.4“ erhalten bleibend!) seine Leitung des Bachelor Studiengangs Medienmanagement abgab an Johanna Grüblbauer: Absolventin unseres Studiengangs, promovierte Kommunikationswissenschaftlerin, als Forscherin stv. Leiterin des Instituts für Medienwirtschaft, digital- wie print-affin. Herzlichen Dank & herzlich willkommen! Ihnen wünschen wir den besten Sommer & eine interessante SUMO-Lektüre,

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Liebe Leserin, lieber Leser!

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Editorial


Regionaljournalismus und -politik unter der Lupe Hintergrundgespräche am Stammtisch, fehlende Kritik, Freundschaft zählt mehr als Objektivität. All das wird dem Regionaljournalismus vorgeworfen. Doch inwieweit stimmen diese Vorwürfe? Auf der Suche nach Antworten diskutierte SUMO mit Christoph Reiterer und Sandra Frank, JournalistInnen der „Niederösterreichischen Nachrichten“ (NÖN), sowie PolitikerInnen.

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Eine laue Sommernacht. Da passt ein Heurigenbesuch unter FreundInnen ganz gut ins Programm. Natürlich darf ein guter Wein nicht fehlen. Und wie es oft so ist, bespricht man beim Heurigen auch Berufliches. So auch am Tisch neben dem großen Apfelbaum. Dort sitzen zwei Männer, der Körpersprache zufolge kennen sie sich seit Längerem und sind gut befreundet. Auf den ersten Blick also nichts Besonderes. Doch während an den restlichen Tischen FreundInnen von ihren Marketingtätigkeiten, ihrer LehrerInnenfortbildung oder dem anstehenden Personalworkshop erzählen, bespricht der Tisch beim Apfelbaum politische Vorhaben und deren publizistische Veröffentlichung. Denn an diesem Tisch sitzt der Bürgermeister gemeinsam mit dem Journalisten der Regionalzeitung. Szenarios wie diese assoziieren viele Menschen mit Regionaljournalismus, ob am Stammtisch, beim Dorffest oder in den eigenen vier Wänden. RegionaljournalistInnen und -politikerInnen sind stets im regen Austausch miteinander und gut befreundet. Dass man über eine/n gute/n FreundIn nicht kritisch berichtet, versteht sich von selbst. Deswegen ist die allgemeine Berichterstattung auch eher seicht und ohne kritische Untertöne. Soweit zumindest die öffentliche Auffassung. Studie klärt auf Dieser Thematik haben sich Arnold und Wagner in ihrer 2018 erschienenen empirischen Studie „Leistungen des Lokaljournalismus“, in der 103 Lokalausgaben von deutschen Tageszeitungen und deren Online-Auftritte analysiert wurden, angenommen. Laut den Ergebnissen der Studie konnten mit

Verbesserungen bei der Themenvielfalt und der Unabhängigkeit bisherige Defizite ausgelotet werden. Im Zuge dieser Änderungen sind weniger „weiche“ Themen in der Lokalberichterstattung und mehr unterschiedliche Themen, in denen AkteurInnen diverser Bevölkerungsgruppen zu Wort kommen, gefunden worden. Jedoch gibt es weiterhin Problembereiche. Nach wie vor sind die Zeitungen relativ unkritisch und publizieren nur wenige kontroverse Artikel, hier fehlen kritische Kommentare über das politische Geschehen. Ebenso werden die Hintergründe nicht immer erläutert. Da meist nur Berichte und Meldungen veröffentlicht werden und sich in den Regionalzeitungen nur wenig unterhaltende Elemente wie Rätsel befinden, ist der Unterhaltungsfaktor textlich und grafisch eingeschränkt. So wird durch den fehlenden gestalterischen Aufbau die Anschlussfähigkeit – also das Ausmaß der Verständlichkeit für LeserInnen – nicht immer erfüllt. Die Partizipation kann vor allem wegen fehlenden Leserbriefen und Abstimmungsmöglichkeiten ebenfalls noch verbessert werden. Manche Defizite sind aber nicht nur auf die Professionalität der Redaktion zurückzuführen. Denn Metropolenzeitungen stehen in den Bereichen Relevanz, Themenvielfalt und Kritik besser da, was mit den Charakteristika des lokalen Kommunikationsraums zusammenhängt, weil die Metropole mehr relevante Themen als eine kleine ländliche Gemeinde hergibt. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser Da die in Studien erforschten Probleme nicht dieselben wie die in der Praxis er-

Regionaljournalismus und -politik unter der Lupe

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lebten sein müssen, hat SUMO das Gespräch mit RegionaljournalistInnen mit reichlich Erfahrung gesucht und nachgefragt, wie man den Balanceakt zwischen Objektivität und Freundschaft meistern kann. Fündig geworden ist man im niederösterreichischen Weinviertel. Mit dem Chef vom Dienst der NÖN Weinviertel Christoph Reiterer und Sandra Frank, stv. Redaktionsleiterin der Redaktionen Hollabrunn und Gänserndorf, konnte man auch 21 bzw. 14 Jahre Erfahrung mit vielen persönlichen Treffen, Einhaltung journalistischer Regeln und mehr oder weniger gesprächigen PolitikerInnen für ein Interview gewinnen. Laut Frank sei es wichtig, auch bei freundschaftlichen Beziehungen die journalistische Pflicht zu erfüllen und kritische Geschichten über die jeweilige Person zu schreiben. Für gute Beziehungen sei es vor allem anfangs schwierig, wenn ein/e gute/r Bekannte/r einem/r ins Gesicht lüge. Hier müsse man die Distanz haben und erkennen, dass PolitikerInnen auch nur ihren Job machen und in der Presse gut rüberkommen möchten. Sie habe auch schon erlebt, dass manche PolitikerInnen nach kritischen Berichten beleidigt waren. Das sei schwierig, weil man sich am selben oder darauffolgenden Tag öfter begegne und man dann keine oder nur wenige Antwort/en auf gestellte Fragen bekomme. Reiterer sieht es aus der Perspektive, dass PolitikerInnen durch die Berichte die Möglichkeit bekämen, sich auch zu verteidigen und die eigene Meinung zur Kritik der Opposition oder anderen abzugeben. Den LokalpolitikerInnen sei auch bewusst, dass sie eine große Angriffsfläche bieten und können deswegen Kritik auch gut einstecken, solange sie sich fair behandelt fühlen. Ferner müsse man auch als JournalistIn nicht nur austeilen, sondern auch einstecken können Beide erachten es für wichtig, trotz guter Beziehungen mit PolitikerInnen nicht „schleißig“ zu werden und die Aussagen deswegen weniger zu überprüfen. Hier könne laut Reiterer auch der Austausch in der Redaktion hilfreich sein, weil eine andere Person neue Informationen oder Erfahrungen teilen kann. Frank hält es für notwendig, Aussagen immer zu checken und auch bei freundschaftlichen Verhältnissen mehrmals nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehe. Das habe ihr beispielsweise bereits vor einer Wahl geholfen, um falsche Informationen eines Bürgermeisters für die LeserInnen klarzustellen. Ein einfacher Check der Landeshomepage habe gereicht, um die richtige Gesetzeslage herauszufinden, die sie dann im Bericht mit einer Infobox beigefügt habe.

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Im Fall, dass sich hinter den Aussagen Falschinformationen verbergen frage sie auch immer bei der Person nach, warum es denn zu dieser gekommen ist. „Es ist dann immer lustig, zu sehen, wie sie sich rausreden möchten“, lacht Frank. Ebenfalls könne man Objektivität gewährleisten, indem man Geschichten über gute Bekannte oder Verwandte an eine/n Kollegin/en abgibt, die/der dann objektiver darüber berichten kann. Selbstzensur in jeglicher Form wird von beiden JournalistInnen vehement abgelehnt. Reiterer habe immer Erfolg damit gehabt, die Situation möglichst authentisch wiederzugeben. „Wenn sich die Person darin wiederfindet, hat man schon gewonnen“, erläutert er. Frank erklärt, dass sie bei manchen KollegInnen erlebt habe, dass sie kritische Artikel vermeiden oder verharmlosen, um ja nicht anzuecken – vor allem, wenn es Personen aus der eigenen Gemeinde betrifft. Laut Frank habe man sich dann aber für den falschen Beruf entschieden. Einig sind sich die KollegInnen auch dabei, dass man selbst bei unangenehmen Themen, „etwa bei schwerwiegenden Vorwürfen“ gegen PolitikerInnen, die man bereits lange kennt, alles hinterfragen müsse. In Bezug auf die inhaltliche Tiefe der Antworten merken beide JournalistInnen, dass Nationalratsabgeordnete Schulungen hinsichtlich politischer Kommunikation erhalten haben und deswegen eher in „Politsprech“, den man auch von Regierungsmitgliedern kennt, verfallen können. Ebenfalls sei es hier manchmal schwieriger, die eigene Meinung und nicht nur die Parteimeinung zur Thematik zu erfahren. Bei PolitikerInnen auf Landesebene bemerke man zwar die Tendenz, dass es politische Schulungen gegeben habe, aber falls die Person bereits vor ihrer Funktion auf Landes- auf Gemeindeebene aktiv war, ändere sich nicht allzu viel an der inhaltlichen Tiefe der Antworten. GemeinderätInnen allerdings seien entweder sehr gesprächig und beantworten die Fragen der JournalistInnen gerne ausführlich, oder haben Angst etwas Falsches zu sagen und geben lieber gar kein Interview. Reiterer verweist in puncto Bürokratie auf ein Statement des niederösterreichischen Gemeindebundes aus 2014: „Aufgrund der immer üppiger werdenden gesetzlichen Bestimmungen wächst die Gefahr, dass die Bürgermeister ‚mit einem Bein im Kriminal stehen‘.“ „Kaum Ausweichmöglichkeiten“ Nachdem die Einschätzungen der JournalistInnen geklärt sind, stellt sich die Frage wie ihre GesprächspartnerInnen die Situation empfinden. Damit diese

Regionaljournalismus und -politik unter der Lupe


Frage beantwortet werden kann, hat SUMO zwei PolitikerInnen befragt. Eine ehemalige Nationalratsabgeordnete (SPÖ) und ein Altbürgermeister (ÖVP) haben ihre Eindrücke geschildert. Nina* (Anm.: Name geändert) konnte besonders während ihrer Zeit im Nationalrat viel Erfahrung mit RegionaljournalistInnen sammeln. Schwierigkeiten habe sie selbst keine bemerkt, das könne daran liegen, dass sich andere Aspekte ihres Lebens wie der Kindergarten ihrer Kinder nicht mit denen der JournalistInnen überschnitten haben. Sie habe auch den Eindruck, dass die JournalistInnen immer das Handwerk besäßen, um die notwendige Distanz zu wahren. Einflüsse wie die Blattlinie führen laut Nina eher dazu, dass es teilweise schwieriger sei, ausführlichere Berichte zu bekommen oder gar auf der Titelseite zu erscheinen. Persönliche Beziehungen haben darauf weniger Einfluss. Ebenfalls findet sie es problematisch, wenn journalistisches Handwerk nicht richtig eingesetzt wird und sie beispielsweise falsch zitiert wird. Auch die Tatsache, dass auf regionaler Ebene weniger JournalistInnen tätig sind, sei teilweise schwierig. „Wenn das persönliche Verhältnis nicht stimmt, hat man kaum Ausweichmöglichkei-

ten, weil dann gibt es zwei bis drei regionale Blätter in der Region und wenn man sich mit einen oder zwei [JournalistInnen] nicht versteht, dann wird es schwierig“, führt Nina weiter aus. Die ehemalige Nationalrätin versuche auch immer, ausführliche Antworten zu geben, weil sie sich als Politikerin den LeserInnen gegenüber verpflichtet fühlt, die Gründe hinter den Entscheidungen zu kommunizieren. Allerdings sei es natürlich schwieriger, sehr ausführliche Antworten zu geben, wenn es Belange betrifft, in denen Nuancen die Entscheidung ausmachen. Dennoch könne sie von sich selbst behaupten, dass sie immer die Wahrheit gesagt habe. Ärger habe sie deswegen von ihrer Partei noch nie bekommen. Denn zu entscheiden, womit man wann an welchen Personenkreis hinausgeht, liege in der Eigenverantwortung jedes/r Politikers/in. Komplett andere Erfahrungen hat der Altbürgermeister Josef* (Anm.: Name geändert) gemacht. Ihm zufolge seien die Gründe hinter Entscheidungen in Berichten nicht genügend beleuchtet worden. In der Folge sei in den Medien die Kritik der Opposition als „Aufhänger“ verwendet worden, ohne die Grundlagen der Entscheidung zu erwähnen.

Das führte dazu, dass er sich dazu entschloss, den JournalistInnen keine oder nur sehr wenig Auskunft zu geben. Er fordert, dass sich die MedienvertreterInnen nicht nur auf die präsentierten Endergebnisse von Entscheidungen fokussieren sollten, sondern auch die Hintergründe der Entscheidung erfragen. „Vertrauen ist A und O“ In einem Punkt sind sich alle InterviewpartnerInnen einig: Im Regionaljournalismus ist Vertrauen das allerwichtigste. „Das Vertrauensverhältnis ist A und O, aber das ist auch keine Einbahnstraße, das muss auf beiden Seiten funktionieren“, erklärt Nina. Aus diesem Grund sei die journalistische Beziehung für Josef auch keine gute gewesen. Zu selten wären JournalistInnen auch außerhalb der Gemeinderatssitzungen vor Ort gewesen und so sei kein Vertrauen entstanden. Doch wenn eine solide Vertrauensbasis geschaffen wird, können sich für beide Seiten einige Vorteile entwickeln. Deswegen müsse Nina nicht daran zweifeln, dass Meinungen, die sie offrecord abgibt, am nächsten Tag als Schlagzeile zu lesen sind. Bei guter Vertrauensbasis melde sie sich auch direkt bei JournalistInnen, wenn es ein

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Regionaljournalismus und -politik

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neues Thema mit Nachrichtenwert gibt. Solche Vertrauensdienste bestätigt Frank, denn vertrauliche Informationen werden keineswegs vorzeitig in Artikeln untergebracht. Auch Informationen, die nach einigen Weingläsern und zwischen Privatunterhaltungen durchscheinen nutze sie nicht für ihre journalistische Arbeit aus. Als Gegenleistung bekomme man meistens exklusive Informationen oder weiß als erstes von konkreten Vorhaben. In der Folge erfahre man teilweise bereits vor dem Gemeinderat von bestimmten Vorhaben, schreibe aber eben erst darüber, wenn die Freigabe der jeweiligen Person kommt. Zum Teil könne das gute Verhältnis auch dazu genutzt werden, dass sich PolitikerInnen und JournalistInnen über die Zeit der Pressekonferenz absprechen, damit sowohl PolitikerInnen als auch JournalistInnen anwesend sein können, erzählt Reiterer. Besonders auf journalistischer Seite sei die Einhaltung solcher Abmachungen wichtig, weil man im Regionaljournalismus nur eine begrenzte Anzahl an Gemeinden hat, über die man berichten kann und diese daher möglichst gut abdecken möchte. Weitere Empfehlungen Im Rahmen seiner 2017 veröffentlichten Studie mit dem Namen „Politiker und Journalisten in Interaktion“ gibt Philipp Baugut Handlungsempfehlungen für RegionalpolitikerInnen und -journalistInnen, von denen einige sich mit den beschriebenen Maßnahmen aus der Praxis überschneiden. Zu diesen zählt die besondere Wichtigkeit der Diskretion bei Hintergrundgesprächen. Demnach sollen Medien Hinter-

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Sandra Frank / Copyright: Franz Enzmann

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Regionaljournalismus und -politik unter der Lupe

grundgespräche nicht für kurzfristige Wettbewerbsvorteile nutzen und stets die Hintergedanken der PolitikerInnen hinterfragen. Bei einem weiteren bereits angesprochenen Bereich – den Ratssitzungen – müssen BürgermeisterInnen dafür sorgen, dass diese von politischen AkteurInnen nicht als Bühne zur Selbstinszenierung verwendet werden. Damit die PolitikerInnen auch ohne diese Möglichkeit sich selbst profilieren können, sollen JournalistInnen ihnen außerhalb von Ratssitzungen ausreichend Raum dafür geben. In Hinblick auf Exklusivinformationen sollten PolitikerInnen nicht permanent ein Medi-um bevorzugen und die Relevanz der Informationen zu überprüfen, indem man die Perspektive der BürgerInnen einnimmt. Auf journalistischer Seite müsse immer hinterfragt werden, ob es für die LeserInnen besonders wichtig ist, ein Thema exklusiv zu veröffentlichen. MedienvertreterInnen sollte auch bewusst sein, dass die Darstellung von Politik durch ihre mediale Präsenz beeinflusst wird. Denn durch ihre Berichterstattung werden Anreize für politische Binnenkommunikation gegeben. Im Falle von bewusst provozierenden Artikeln sollten PolitikerInnen diese nicht persönlich nehmen, sondern mit ihrer politischen Tätigkeit in Verbindung setzen. Für JournalistInnen gilt: Wenn die Substanz der Politik beeinflusst werden soll, muss eine politische Kommunikationskultur, die besonders von Nähe, Konflikten und Nicht-Öffentlichkeit geprägt ist, angestrebt werden. von Christiane Fürst

Christoph Reiterer / Copyright: Erich Marschik


Hintergrundgespräche: Verkündung von Staatsgeheimnissen? Sebastian Kurz sorgte im Februar dieses Jahres für Aufsehen, als er in einem Hintergrundgespräch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft scharf kritisierte und in diesem Zusammenhang von „roten Netzwerken“ innerhalb dieser Organisation redete. SUMO sprach mit Florian Beißwanger, deutscher Journalist und Autor des Buches „Hintergrundgespräche: Konsensuales Geheimnis-Management im Mediensystem des digitalen Zeitalters“, sowie mit Gernot Bauer, Journalist bei der Wochenzeitung „Profil“, über die Sinnhaftigkeit von Hintergrundgesprächen, die Einhaltung von Regeln und Vertrauen.

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Hintergrundgespräche gibt es seit vielen Jahren und sind aus dem heutigen Zusammenspiel zwischen Politik und Medien nicht mehr wegzudenken. Dabei sollen PolitikerInnen in vertrautem Rahmen bestimmte Einschätzungen und Standpunkte näher erläutern. KritikerInnen befürchten jedoch, dass in diesen Gesprächen vertrauliche Geheimnisse ausgetauscht werden. Strenge Regeln, die von allen beteiligten AkteurInnen einzuhalten sind existieren. Was geschieht jedoch, wenn aus einem als vertraulich gekennzeichneten Hintergrundgespräch trotzdem Informationen an die Öffentlichkeit gelangen? Ohne Vertrauen keine Hintergrundgespräche „Die wichtigste Grundlage in Hintergrundgesprächen ist das Vertrauen“, sind sich Florian Beißwanger und Gernot Bauer einig. Die TeilnehmerInnen sollten sich stets an die vereinbarten Regeln halten, denn wird gegen diese Regeln der Vertraulichkeit verstoßen, würde das „Instrument“ Hintergrundgespräch beschädigt werden, so Beißwanger. Es käme immer wieder vor, dass eigentlich vertrauliche Informationen aus Hintergrundgesprächen an die Öffentlichkeit gelangen, was dazu führe, dass es für JournalistInnen immer schwieriger würde, wirklich Interessantes in solchen vertraulichen Gesprächen zu erfahren, so Beißwanger weiter. Ähnlich sieht das Bauer, der die Vorteile von Hintergrundgesprächen nennt. Seine persönlichen Erfahrungen seien durchwegs positiv, da PolitikerInnen dadurch „ungezwungen und frisch von der Leber weg“ über bestimmte Themen sprechen könnten.

Sobald Notizen gemacht werden oder das Gespräch aufgezeichnet wird, würden sich die meisten PolitikerInnen verschließen. Keine Staatsgeheimnisse „Man muss sich davon lösen, dass Hintergrundgespräche streng geheime Treffen sind, bei denen über Staatsgeheimnisse geplaudert wird“, gibt Bauer zu bedenken. Vielmehr würde es um Einschätzungen und genauere Erklärungen zu bestimmten Sachthemen gehen. „Wirklich spannende Informationen erfährt man wenn, dann nur unter vier oder sechs Augen“ und diese Art der Informationsmitteilung sei meistens nicht geplant und würde in einem schnellen, spontanen Telefonat geschehen. Daher seien die meisten Hintergrundgespräche konstruktiv und ohne dass tatsächliche Staatsgeheimnisse ausgeplaudert werden würden. Bießwanger sagt, dass Neid und Missgunst unter KollegInnen in der Politik in der Politik oft stattfänden und ergänzt: „Gelegentlich lästern PolitikerInnen in Hintergrundgesprächen, was sie jedoch nicht tun sollten, da es ein schlechtes Licht auf sie wirft und es meist doch herauskommt.“ Laut Bauer würden Kritikäußerungen gegenüber anderen PolitikerInnen nicht oft vorkommen. Dass „ein/e PolitikerIn eine/n andere/n PolitikerIn so richtig vom Leder zieht, habe ich noch nie erlebt“, das sei eine absolute Ausnahme. Früher konnte es durchaus vorkommen, dass Gespräche zwischen PolitikerInnen und JournalistInnen bei Klausuren an der Bar stattfanden, bei denen es zu Unmutsäußerungen kam. Wobei dann eher über die eigenen „ParteifreundInnen“ geschimpft

Hintergrundgespräche: Verkündung von Staatsgeheimnissen?

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wurde, und selbst das sei schon lange her. Mittlerweile seien alle PolitikerInnen professionell und würden wissen, worüber sie zu sprechen haben und worüber besser nicht, berichtet Bauer.

für welches Hintergrundgespräch gilt. So bald Notizen gemacht werden oder Notizblöcke vor Ort aufliegen, sei es nicht mehr wirklich ein Hintergrundgespräch, sondern „semioffiziell“.

Spielregeln festlegen Um späteren Missverständnissen vorzubeugen, sei es wichtig, die Spielregeln im Vorhinein klar festzulegen, erzählt Bauer. Dabei gelten in Deutschland folgende drei Regeln, wie Beißwanger erklärt: „Unter eins“ heißt, dass der/die Journalist/in über den genannten Inhalt des Gesprächs berichten und auch die Quelle nennen dürfe. Bei der Regel „Unter zwei“ darf die Quelle nicht genannt, sondern lediglich umschrieben werden, wobei der Inhalt des Gesprächs sehr wohl veröffentlicht werden dürfe. Ein Beispiel: Sebastian Kurz äußert sich negativ über seinen grünen Koalitionspartner, da er mit der Regierungsarbeit der grünen MinisterInnen unzufrieden ist. JournalistInnen dürften dann etwa so darüber schreiben: „Aus ÖVP-Regierungskreisen ist zu vernehmen, dass man derzeit nicht sonderlich zufrieden über die Arbeit der grünen MinisterInnen im Kabinett ist.“ Damit ist der/die QuellengeberIn geschützt, der Informationsinhalt erscheint jedoch in den Medien. Die Regelung „Unter drei“ besagt, dass über die besprochenen Inhalte nicht berichtet werden dürfe. Diese Informationen würden lediglich dem näheren Verständnis der JournalistInnen dienen. Laut Bauer sei im Einzelfall festzulegen, welche Regel

Das Nähe-Distanz-Problem Dass es bei derart vertraulichen Gesprächen vor allem in kleinerem Rahmen zu einer Annäherung zwischen PolitikerIn und JournalistIn kommt, ist unumgänglich. Laut Florian Beißwanger sollte es zumindest in Deutschland so sein, dass „jede/r PolitikerIn ungefähr sieben so genannte ‚VertrauensjournalistInnen‘ hat, mit denen er/sie in einem engen Austausch steckt.“ Dieses Verhältnis sei wichtig, damit er/sie diese dementsprechend „bedienen“, also mit Informationen versorgen kann. Man könne, wenn man die Medien näher beobachtet, sehr gut erkennen, welche/r JournalistIn über welche/n PolitikerIn berichtet. Ganz anders sieht das Gernot Bauer. „Die Zeit der großen Nähe ist vorbei und ‚‚Verhaberung‘ im Ausmaß wie früher gibt es nicht mehr.“ Nicht einmal bei JournalistInnen, die bereits lange in der Medienbranche tätig sind. Beide Seiten wären in den letzten Jahren professioneller geworden und hielten mehr Distanz, so Bauer und erläutert weiter: „Vertrauen ist keine Sache der ‚‚Verhaberung‘. Vertrauen entsteht durch Erfahrung.“ Amsterdamer Frühstücksaffäre Das wohl berühmteste Beispiel, bei denen Informationen eines Hintergrund-

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Florian Beißwanger / Copyright: Privat

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Hintergrundgespräche: Verkündung von Staatsgeheimnissen?

gespräches veröffentlicht wurden, war die „Amsterdamer Frühstücksaffäre“ mit dem ehemaligen Außenminister Wolfgang Schüssel. Dabei bezeichnete Schüssel den damaligen deutschen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer bei einem Hintergrundgespräch mit österreichischen JournalistInnen in Amsterdam als „richtige Sau“. „Was genau Schüssel mit dieser Aussage meinte, ist immer noch unklar“, sagt Bauer. Dabei handelte es sich laut ihm um ein tatsächliches Hintergrundgespräch, bei dem Schüssel seine persönliche Sicht der Dinge offenbarte. Über Umwege seien diese Informationen schließlich an die Öffentlichkeit gelangt. Hintergrundcharakter gehr verloren Auf die weitere Entwicklung von Hintergrundgesprächen angesprochen, erzählt Bauer, dass sie „in der jetzigen institutionalisierten und formalisierten Form“ weiter bestehen werden. Womöglich wird der Hintergrundcharakter verlorengehen und mehr in Richtung einer Pressekonferenz wandern. Wie sich Hintergrundgespräche in Zukunft entwickeln, würde aber auch an den politischen AkteurInnen selbst liegen. Ob diese Art von Gesprächen dann überhaupt von MedienvertreterInnen angenommen wird, sei eine andere Frage, gibt Bauer an, der sich ebenso gut vorstellen könnte, dass in Zukunft auch BloggerInnen zu Hintergrundgesprächen eingeladen werden. von David Pokes

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Think Austria: des Kanzlers Denkstube Think Tank: ein Begriff, der in den letzten Jahren durch die mediale Berichterstattung häufig zu hören war. Neben der „Agenda Austria“ und Straches gescheiterten Projekt „Denk zukunftsreich“ wurde ebenfalls über die Stabstelle „Think Austria“ berichtet. Nur, was versteht man unter einem Think Tank und warum sollte man diese kritisch hinterfragen? SUMO sprach darüber mit Bruno Rossmann, dem ehemaligen Nationalratsabgeordneten und Klubobmann der Liste Jetzt, und Edward Strasser, Mitgründer & CEO des Innovation in Politics Institute.

Think Austria II – auf ein Neues Mit der Verabschiedung durch die Kanzlerin war es aber nicht vorbei. Im Rahmen der Evaluierung und Neuorganisation wurde dem Projekt „Think Austria“ der Stecker gezogen, während andere Stabstellen des Bundeskanzleramts überlebten. Am 21. Jänner wurde durch den „Standard“ bekannt, dass es damit nicht erledigt war: Bundeskanzler Kurz schickt „Think Austria“ in die zweite Runde. Am 7. April, glücklicherweise vor dem Interview mit Bruno Rossmann, veröffentlichte „Der Standard“ eine weitere Meldung, die indirekt mit dem Projekt zusammenhängt: „Kurz-Beraterin Antonella Mei-Pochtler wird mit 13. April als Mitglied des Aufsichtsrats der ProSiebenSat.1 Media SE bestellt.“ Ehrenamtliche Leiterin von „Think Austria“ und nun Aufsichtsrätin eines privaten deutschen Medienkonzerns, kann dies zu Interessenskonflikten führen? „Selbstverständlich!“, so Rossmann im Gespräch mit SUMO. „Das war ja damals auch so. Frau Mei-Pochtler agiert nicht wertefrei irgendwo im Raum, sondern sie geht ebenfalls einer beruflichen Tätigkeit nach und das hat Ein-

fluss auf ihre Geschäftstätigkeit. Daher entstehen schon Interessenskonflikte. Entweder mache ich das eine oder das andere, aber eine Mischung aus beiden ist politisch ungesund“, erläutert der einstige Klubchef weiter. Laut dem Bundeskanzler und Mei-Pochtler dient die Stabstelle dem Entwickeln von mittel- bis langfristigen Analysen und Konzepten für Österreich. Themenfelder wie „Neue Wettbewerbsfähigkeit“, „Neue Leistung und Verantwortung“ und „Neue Identität“ wurden hierfür gewählt. Auch der Weltraum war beim ersten Anlauf ein wichtiges Thema. Laut dem Kanzler ist das Einrichten so einer Stabstelle mittlerweile üblich. Edward Strasser, Leiter des Innovations in Politics Institute, stimmt dem zu. Sein Institut arbeite häufig mit solchen Stabstellen zusammen, um gemeinsam politische, zukunftsorientierte, prodemokratische und proeuropäische Lösungen zu erarbeiten. „Die Politik versinkt in der Tagesarbeit“, fährt der Institutsgründer fort: „Somit stellt sich die Frage, wo man die Programme, seien es Arbeitsmarkt- oder Sozialprogramme, langfristig so umstellen und verbessern muss, damit diese wirksamer werden. Für diese Fragen ist in der Alltagsarbeit keine Zeit mehr.“ Auch Rossmann sieht die Grundidee einer solchen Stabstelle, die direkt im Bundeskanzleramt eingerichtet ist, grundsätzlich als sinnvoll an. Damit könne man sehr gute strategisch politische Entscheidungen vorbereiten, und dagegen sei nichts einzuwenden. Think Tank oder nicht? Nicht nur die Pläne der Regierung konnten ob der „Ibiza-Affäre“ und deren Folgen nicht umgesetzt werden, sondern auch die geplanten Publikationen von „Think Austria“. Durch die Auflösung fiel ebenfalls das geplante Zusammentreffen des Sounding Boards am 18. Juni 2019 flach. Im Zuge dessen hätte ein erster Zwischenstand der geplanten Publikationen intern evaluiert werden

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7. April 2020: Lockdown Österreich. Homeoffice im Pyjama und schnell gekochte Pasta. Ein Alltag, den meist nur StudentInnen kennen, gilt nun für sehr viele in Österreich. Um weiterarbeiten zu können, wäre ein Kaffee ganz gut. Gesagt getan, aufgegossen und vorsichtig daran geschlürft. Just in dem Moment klingelt das Handy: Bruno Rossmann – der erhoffte Rückruf. Warum? Parlamentarische Anfragen: insgesamt drei wurden zum KanzlerProjekt „Think Austria“ eingereicht. Zwei von Claudia Gamon (NEOS) unter Türkis-Blau, die dritte und letzte von Bruno Rossmann (Liste Jetzt) in Zeiten der Expertenregierung. Der Grund: Kanzlerin Bierlein machte kurzen Prozess und löste am 11. Juni 2019 das Projekt „Think Austria“ auf.

Think Austria: des Kanzlers Denkstube

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sollen. Darf man sich durch den erneuten Anlauf der Stabstelle etwas aus der Vergangenheit erwarten? Rossmann trocken dazu: „Nein, da kommt sicher nichts mehr. Das ist ad acta gelegt.“ Und von der wieder eingesetzten Stabstelle? „Von der neuen erwarte ich mir ein klares Konzept: Was wollen wir machen? Da erwarte ich mir eine gewisse Öffentlichkeit und eine Offenlegung der Ergebnisse. Wenn das wieder nur in der Reisetätigkeit von Frau Mei-Pochtler und dem Herrn Bundeskanzler besteht, dann ist mir das zu wenig. Gerade nach dem Lockdown als Folge von Covid-19 und den damit verbundenen vielfältigen Folgen erwarte ich mir systemische Lösungsansätze. Klare Vorgaben, klare Aufgabengebiete und dann eine möglichst transparente Darlegung der Ergebnisse“. Rossmann unterstreicht im Interview klar und deutlich seine Skepsis an dem Kanzler‘schen „Think Tank“-Projekt. Dieses wurde von Medien wie dem „Standard“ oder der „Presse“ als Think Tank bezeichnet. Der Kanzler selbst allerdings hat „Think Austria“ in seinen parlamentarischen Antworten, sowie auf der Website des Projekts, nie als Think Tank bezeichnet. Auch Rossmann sieht „Think Austria“ nicht als Think Tank, sondern – so wie eben der Kanzler selbst – als Stabstelle für Strategie, Analyse und Planung. Also kein Think Tank? Laut Rossmann war es keiner, allerdings betont er ebenfalls, dass dies eine Wortsklaverei sei. Auch für Strasser sei vollkommen unerheblich, wie es bezeichnet wird. Wichtig sei die Frage: Was macht es? Die fehlende Transparenz Für Bruno Rossmann war dies allerdings vollkommen unklar, ebenso wie dessen Aufgaben aussahen und welchen öffentlichen Mehrwert es bringen

hätte sollen. „Immerhin sind das öffentliche Gelder, die hier für Studienzwecke verwendet werden und dazu braucht es nicht einmal das Auskunftsgesetz. Das ist offenzulegen. Basta“, so Rossmann. „Da geht es ja nicht um Geheimnisse der Republik, sondern um Ergebnisse, die von einem Minister oder einer Ministerin in Auftrag gegeben wurden. An die Oberfläche damit!“ KritikerInnen würden sagen, dass es an Transparenz mangelte, doch der ehemalige Klubchef der Liste Jetzt stellt eines klar: „Es war überhaupt keine Transparenz vorhanden. Kein Mensch hat gewusst, was Frau Mei-Pochtler und diese Stabstelle machen.“ Neben der als nicht vorhanden empfundenen Transparenz der Stabstelle ist Rossmann ebenfalls der Meinung, dass es für internationale Benchmark-Vergleiche keine eigene Stabstelle brauche. Laut der Antwort des Bundeskanzlers auf die parlamentarischen Anfrage Nr. 1587/J von Claudia Gamon (NEOS) diene die Stabstelle dem reinen Wissensmanagement. Bei „Think Austria“ sollte keine akademische Forschung durchgeführt, sondern die Nutzung schon vorhandener Studien und Arbeiten in den Vordergrund gestellt werden. Ebenfalls hieß es, dass der Input der Stabstelle laufend in interne Hintergrundinformationen und Vorbereitungen mit eingeflossen sei. In der Antwort auf die Anfrage Nr. 2388/J, ebenfalls von Gamon eingebracht, hieß es allerdings, dass bei der Bündelung des Wissens, sowie die Vernetzung mit Stakeholdern, die Arbeit des Kanzlers sowie dessen Ressorts an erster Stelle stehen. Je nach Bedarf gäbe es dann ebenfalls Veröffentlichungen. Sein Ressort und seine Stabstelle: zum Teil besetzt ohne Ausschreibung nach §20 Abs. 1 des Ausschreibungsgesetzes mit Personen aus der Jungen ÖVP

Think Tanks sind Organisationen für öffentlich-politische Forschungsanalyse und Engagement, die im Bereich nationaler und internationaler Fragen politikorientierte Forschungen, Analysen und Ratschläge erarbeiten. Sie ermöglichen sowohl politischen EntscheidungsträgerInnen als auch den BürgerInnen informierte Entscheidungen über die öffentliche Politik zu treffen. Think Tanks können einerseits politisch integrierte, andererseits unabhängige Institutionen sein. Dabei sollten diese Institutionen als permanente Instanz vorhanden sein und nicht in Form einer Ad-Hoc Kommission agieren und gegründet werden. Sie fungieren als Brücke zwischen den akademisch wissenschaftlichen und den politischen Gruppen sowie zwischen dem Staat und dessen BürgerInnen. Think Tanks dienen dem öffentlichen Interesse als unabhängige Stimme, die Angewandte- sowie Grundlagenforschung in eine Sprache übersetzten, die verständlich, zuverlässig und für politische EntscheidungsträgerInnen und die Öffentlichkeit zugänglich ist. (Vom Autor übersetzt aus: „2019 Global Go To Think Tank Index Report”)

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Think Austria: des Kanzlers Denkstube


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(JVP). Diese Tatsache hat dem einstigen Nationalratsabgeordneten übel aufgestoßen: „Das hat mich extrem gestört. Die Vermischung einerseits von Parteipolitik und andererseits einem der Verwaltungsapparat. Wenn das parteipolitische Agenden sind, die hier abgearbeitet werden, dann soll das bitte in der Partei stattfinden, aber nicht im Kanzleramt. Parteipolitik hat in einer Verwaltung nichts verloren und dazu zählt ebenfalls das Bundeskanzleramt.“ Entscheidende Faktoren Im Punkt Transparenz sind sich der CEO des Innovations in Politics Institutes sowie der einstige Abgeordnete der Liste Jetzt einig: sie sei essentiell. Der Grund dafür sei simpel: Ideologiefreies Arbeiten gebe es nicht. „Es steht immer ein gewisses Interesse dahinter, wichtig ist die Transparenz!“, so Strasser. Laut ihm seien mehrere Fragen entscheidend: Woher kommt das Geld? Welches Interesse ist damit verbunden? Wie wird es offengelegt? „Dies gilt auch für die Parteienfinanzierung. Wenn politische Parteien Geld annehmen, dann ist es wichtig, dass offengelegt wird, woher dieses Geld kommt. Wenn man weiß, woher es kommt, dann weiß man auch, was es bewirken soll“, fährt Strasser fort. Dies gelte auch für die Beurteilung der jeweiligen veröffentlichten Arbeiten. „Think Tanks, die eigentlich Pressure Groups (Anm.: Lobbyverbände) sind, führen zu einer verzerrten Wahrnehmung des Begriffs und außerdem dazu, dass man die Objektivität der Informationen, die von dort kommen, in Zweifel ziehen muss“, erklärt der Institutsleiter. Für Rossmann sei ein weiterer Aspekt bei der Gestaltung einer Stabstelle bzw. eines Think Tanks wesentlich, nämlich die breite Diskussion grundsätzlicher und wichtiger Themenstellungen, bei denen möglichst viele unabhängige ExpertInnen mit unterschiedlichen Meinungen involviert werden – im nationalen sowie internationalen Kontext. „Das erachte ich für sinnvoll, aber es kann ja nicht sein, dass dann wieder frisch weg irgendwelche ‚Lieblinge‘ des Herrn Kurz oder nur einseitige WissenschaftlerInnen, die dem Bundeskanzler angenehm sind, involviert werden“, so der ehemalige Klubchef. Die daraus entstandenen Arbeiten sollten als Entscheidungsgrundlage für die Politik zur Verfügung stehen. Laut Rossmann sei dies bei „Think Austria“ allerdings nicht der Fall gewesen. Auf die Frage, ob externe Unabhängige zu bevorzugen sind, stellt Strasser eines klar: „So etwas gibt es nicht, es gibt keine unabhängige Instanz. Zeigen Sie mir

in Österreich eine unabhängige externe Instanz und ich schenke ihnen eine Flasche Wein. Es steht immer ein Interesse dahinter und das ist auch gut so!“ Diese immer vorhandene Wertehaltung sieht der Institutsleiter bei der Gründung einer solchen Gruppe als entscheidende Basis. „Man sucht sich, wenn man eine Gruppe bildet, mit der man gemeinsam etwas erreichen will, immer Leute, die der eigenen Werthaltung nahestehen, dann muss man nämlich nicht ständig über Werthaltungsfragen diskutieren. Aus meiner Sicht ist das ein durchaus menschlicher und nachvollziehbarer Vorgang“. Steigende mediale Präsenz Für Edward Strasser und dessen Institut, das sich nicht als Think Tank sieht – allerdings laut dem „Global Go To Think Tank Index Report 2019“ der University of Pennsylvania zu den „Top Think Tanks in Western Europe“ gehört – nahm die mediale Präsenz vieler kleiner Think Tanks in den letzten Jahren deutlich zu. Abgesehen von den Gewerkschaften und der Arbeiterkammer, die Interessensvertretung und Think Tank in einem und immer sehr präsent sind, war dies in der Vergangenheit nicht der Fall. Welcher sich am häufigsten medial zu Wort melde, könne der Institutsleiter nicht sagen. Bruno Rossmann hat hier einen klareren Eindruck: Die „Agenda Austria“ zeige sich am meisten, im Gegensatz zum „Momentum Institut“, das allerdings erst 2019 gegründet wurde und einen guten Start hingelegt hat. „Agenda Austria“ wurde 2013 gegründet und deren Leiter scheint bei dem ehemaligen Nationalratsabgeordneten Eindruck hinterlassen zu haben: Die ‚‚Agenda Austria‘ hat schon eine große Bedeutung, das ist allerdings ein Lobbyist. Die aber ich würde ich sie nicht als Think Tank bezeichnen, sondern als Lobbyistenverein. Im Gegensatz zum ‚Momentum Institut‘, bei dem ich schon den Eindruck habe, dass hier – wenn auch unter bestimmter ideologischer Sichtweise – bestimmte wirtschaftlich, sozial und ökologisch relevante Arbeiten Inhalte aufbereitet gemacht werden. Die ‚‚Agenda Austria‘ im Gegensatz dazu lobbyiert im Wesentlichen für die Wirtschaft und Industrie. Der Leiter ist ja eigentlich ein Journalist (Anm.: Franz Schellhorn, vormals ‚‚Die Presse‘), der nun seine erarbeiteten Netzwerke dafür nutzt, um seine Ideen und seine Ideologien an den Mann und an die Frau zu bringen.“ Auch „Think Austria“ war häufig in den Medien. Zu Beginn des ersten Anlaufs wurde über Berater wie Ban Ki-moon

Thema Think Austria: des Kanzlers Denkstube

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berichtet, allerdings sieht hier Rossmann den Austausch von Ideen und Ratschlägen und weniger eine ersthafte beratende Tätigkeit. Internationale Expertise für nationale Themen sei durchaus sinnvoll, als Beispiel nannte er den Expertisen-Austausch der Arbeiterkammer mit dem französischen Ökonomen Thomas Piketty. „Die Ideen solcher Leute sind da eben gefragt, die die Verteilungspolitik im Fokus haben“, so Rossmann. Edward Strasser ist diesbezüglich derselben Auffassung. Anhand des Beispiels Künstliche Intelligenz (KI) erklärte er seinen Standpunkt: „Wir wissen mittlerweile, dass KI weite Teile, nicht nur der Arbeitswelt, sondern auch der Verwaltungs- und Regierungsarbeit verändern wird. Aber das ist in Österreich genauso wie in Deutschland und der Schweiz sowie auch in Bulgarien und Finnland. Es ist daher notwendig, sinnvoll und steuergeldersparend, auf ExpertInnen in anderen Ländern zuzugreifen. Weil in anderen Ländern bereits Erfahrungen gemacht und gesammelt wurden, die wir noch nicht haben und umgekehrt.“ Laut Strasser

sei der Know-how-Transfer von hoher Bedeutung, da das Ausprobieren von neuen Techniken oder Prozessen Zeit und Geld fresse. Daher sei damit immer ein großes Risiko verbunden, weil Steuergelder möglicherweise in erfolglose Projekte fließen. Demnach sei es wichtig, auf erfolgreiche Projekte aus dem Ausland zurückzugreifen. Demokratische Entwicklungen Im Zuge des Interviews mit Edward Strasser konnte es sich SUMO nicht nehmen lassen, etwas zu den aktuellen und zukünftigen Entwicklungen zu erfragen. „Dort, wo sich die Demokratie positiv entwickelt, dort wird sie partizipativer. Dort, wo man Vorwürfe macht und populistische antidemokratische Parteien gewählt werden, dort geht es nicht in die richtige Richtung. Dort, wo die Politik versucht, Bürgerinnen und Bürger stärker einzubeziehen – nicht nur bei Entscheidung, sondern auch in der Festlegung der Schwerpunkte –, dort steigt das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit der Politik und das ist eindeutig sichtbar. Es wird immer mehr auf Partizipation gesetzt!“

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von Lukas Pleyer

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Open Data – nur die Spitze des Eisbergs? In den Weiten des österreichischen Verwaltungsmeeres liegen riesige Datenreserven unter Verschluss, die enormes Potential für Wirtschaft, Wissenschaft und auch die BürgerInnen enthalten. SUMO sprach mit Brigitte Lutz, Data Governance-Koordinatorin der Stadt Wien, und mit Mathias Huter, Generalsekretär des Forum Informationsfreiheit, über Open Data und Ihren Einfluss auf die politische Transparenz in Österreich. Die Stadt Wien hat im Jahr 2011 die erste Open-Data-Plattform im deutschsprachigen Raum gestartet und somit den ersten Teil dieser ursprünglich verschlossenen Datenreserven für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die ersten 30 Datensätze waren veröffentlicht. Vor allem von der Wirtschaft werden die offenen Verwaltungsdaten aktiv genutzt, um Apps und Online Services zu entwickeln. Diese Serviceleistungen schaffen wiederum einen Mehrwert für die BürgerInnen. Open Data kann auch wichtige politische Informationen enthalten, die zur Mündigkeit der BürgerInnen beitragen und das Vertrauen in den Staat stärken. Doch einen Großteil dieser Informationen hält Österreich doch lieber verschlossen. „Überall dort, wo es um politisch relevante und mitunter brisante Daten geht, hat Österreich in Sachen Open Data noch großen Aufholbedarf“, konstatiert Mathias Huter. Was sind Open Data? Es sind Daten, die in maschinenlesbarer Form von öffentlichen Stellen auf Websites wie data.gv.at zur weiteren Verwendung veröffentlicht werden. Die Daten der öffentlichen Hand werden auch Open Government Data genannt, um sie beispielsweise von Open Business Data – offene Daten von Unternehmen – zu unterscheiden. Öffentlich klassifizierte Daten sind nicht personenbezogen oder sicherheitsgefährdend. Maschinenlesbar bedeutet, dass die Daten in Datensätzen von Maschinen, also Apps oder Computeranwendungen, gelesen werden können, ohne dass sie zuvor in eine bestimmte Form gebracht werden müssen. Daten aus einer PDF-Datei sind für Maschinen schwerer zu lesen als strukturierte Daten in einer CSV-Datei. Brigitte Lutz

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Open ThemaData - nur die Spitze des Eisbergs?

unterstreicht, dass durch die Maschinenlesbarkeit „Anwendungen und Apps schneller mit Daten gefüttert werden können“. Publizierende Stellen sind in Österreich unter anderem die Stadt Wien, die Gemeinde Engerwitzdorf oder das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. So veröffentlicht die Stadt Wien Datensätze wie Echtzeitdaten der Wiener Linien, die Gemeinde Engerwitzdorf Fördergelder der Gemeinde und das Eich- und Vermessungswesen digitale Landschaftsmodelle. Diese Daten auf data.gv.at bergen ein immenses Potential für Start-Ups, Unternehmen oder die Wissenschaft. Es entstehen Anwendungen wie Verkehrsinfo-Apps oder digitale Tourismuskarten mit gekennzeichneten Sehenswürdigkeiten und den Standorten freier Citybikes. Huter ist sich sicher, dass es den NutzerInnen oft gar nicht bewusst sei, dass diese Apps auf Open Data aufgebaut sind. Open Data der Stadt Wien „Wenn man Interesse hat, wenn man Daten liebt und auch das Verständnis hat, welchen Mehrwert man erzeugen kann, dann funktioniert Open Data“, schwärmt Lutz. So habe sich auch in Wien sehr früh ein kleines Grüppchen gebildet, das nach wie vor als Open Data Kompetenzzentrum das Thema vorantreibt. In der Stadt Wien arbeite niemand hauptberuflich für Open Data, jede/r trage einen Anteil bei. Neben Lutz als Data Governance-Koordinatorin gibt es einen Chief Open Data Officer, der die Abteilungen an die viermal im Jahr stattfindenden Datenphasen erinnert. Diese Phasen wurden von Anfang an fixiert, um eine Kontinuität zu schaffen und um die Daten für die Veröffentlichung vorbereiten zu können.

Darüber hinaus wird die Öffentlichkeit auch offline und persönlich über Initiativen und Entwicklungen informiert. Ein wichtiger Meilenstein war die Umsetzung der Data Excellence-Strategie anno 2019, die unter anderem den Umgang mit Open Data beinhaltet. Eine Innovation darin sei das „Open by default“-Prinzip. Dadurch würden alle Daten, die als öffentlich klassifiziert sind, automatisch offen zur Verfügung gestellt. „Das heißt, dass beispielsweise nicht nur der Energiebericht der Stadt Wien als PDF-Datei publiziert wird, sondern auch die zugrundeliegenden Datensätze“, erläutert Lutz. Es sei wichtig, dass man das „Open by default“-Prinzip gleich mitbedenkt, um langfristig Qualität und Quantität der Daten zu erhöhen. Jene der Stadt Wien kommen aus verschiedenen Bereichen. Besonders groß sei das Interesse an den Echtzeitdaten der Wiener Linien. Auch Geodaten für Stadtpläne und Touristenattraktionen finden sich auf zahlreichen Apps, während Statistikdaten großes Interesse bei DatenjournalistInnen hervorrufen, stellt Lutz fest. Ein Grund zum Feiern Die auf data.gv.at veröffentlichten Datensätze werden bereits von über 525 Anwendungen weiterverwendet. Brigitte Lutz ist sich jedoch sicher, dass es eine große Dunkelziffer an Anwendungen gäbe, die nie erfasst wurden. Es liege im Ermessen der VerwenderInnen, ihre Anwendungen auf der Website zu registrieren. So habe sie zufällig von Entwicklern aus Russland erfahren, dass es eine russische Tourismus-App gebe, die Daten der Website verwende. Vor kurzem wurde jedoch die 500. Anwendung registriert – www.offenevergaben.at von Mathias Huter vom Forum


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Informationsfreiheit. Huter erläutert im SUMO-Interview, was das Besondere an den Daten ist, die für www. offenevergaben.at verwendet werden. Grundsätzlich stellen öffentliche Stellen Open Data auf freiwilliger Basis zur Verfügung. Es liege im Ermessen der Verwaltung, welche Daten in welcher Form veröffentlicht werden. „Als einzige Demokratie Europas hat Österreich kein Informationsfreiheitsgesetz – kein Gesetz also, das der Öffentlichkeit ein Recht auf Zugang zu Dokumenten und Datensätzen der öffentlichen Hand einräumt. Solche Gesetze schreiben in vielen Ländern der öffentlichen Hand auch vor, bestimmte Daten und Dokumente automatisch online zu veröffentlichen.“ Eine der wenigen Ausnahmen stellt das seit März 2019 geltende Bundesvergabegesetz (§ 4 BVergG 2018) dar, das öffentliche Auftraggeber dazu verpflichtet, die Werte über Auftragsvergaben von über 50.000 Euro als Open Data zu veröffentlichen. „Insgesamt geht es bei Aufträgen der öffentlichen Hand wohl um 20 Prozent der österreichischen Volkswirtschaft, also um 70 bis 80 Milliarden Euro im Jahr“, schätzt Huter. Durch das Gesetz wurde für die BürgerInnen also eine erste Transparenz in der Verwendung ihrer Steuergelder geschaffen. „Wir erfüllen durch www.offenevergaben.at die Rolle des Daten- und Informationsübersetzers.“ Die nach §4 BVergG 2018 auf data.gv.at veröffentlichten Daten werden automatisiert aufbereitet und für BürgerInnen analysierbar und verständlich dargestellt. „Durch die aufbereiteten Daten sieht man, welche Behörde welche Aufträge vergibt und welches Unternehmen diese Aufträge bekommt. Jetzt gibt es erstmals ein bisschen Nachvollziehbarkeit. Leider gibt es nach wie vor keine Möglichkeit, die Verträge und Dokumente zu bekommen, also die Vereinbarungen zwischen einem Unternehmen und einer staatlichen Stelle. […] Spannende Details, zum Beispiel was im Detail gekauft wird, ob der Auftrag nach dem Zuschlag noch geändert wird und wie teuer am Schluss wirklich ist, sind leider nach wie vor nicht transparent.“ Das Gesetz ist also ein Schritt in die richtige Richtung, doch der Schritt ist noch ein kleiner auf einem langen Weg, um den Eisberg weiter Richtung Wasseroberfläche zu bringen. Die verschlossenen Ministerien Engerwitzdorf, eine rund 8.700 EinwohnerInnen starke Gemeinde in Oberösterreich, hat bisher 503 Datensätze veröffentlicht. Das am stärksten vertretene Bundesministerium auf der

Open-Data-Website ist das Sozialministerium mit 15 Datensätzen. In den Bundesministerien scheint die sichtbare Spitze des Eisbergs also besonders klein zu sein. Doch woran liegt das? Die niedrige Zahl der Datensätze würde sich laut Brigitte Lutz auch am Interesse vonseiten der Bundesministerien widerspiegeln. Besonders Schulungen seien wichtig, um ein Verständnis für Themen im Bereich der Daten zu schaffen. Während von der Stadt Wien über hundert Leute „mit dem Open Data-Virus infiziert“ wären und Schulungen absolviert haben, seien es von allen Bundesministerien zusammen viel weniger. Darüber hinaus spiele die hohe Fluktuation durch Regierungsumbildungen der letzten Jahre eine große Rolle. Der stetige Wechsel habe zu einem KnowHow-Verlust geführt. So mangle es an Personen, die sich in das Thema eingearbeitet haben und Open Data verstehen. Lutz beobachtete: „Es war zum Beispiel eine schwere Geburt, dass das Gesundheits- und Sozialministerium die Zahlen des Covid-Dashboards auch als Open Data veröffentlicht hat. Das hat sehr lange gedauert und meiner Meinung nach sind sie immer noch nicht in einer optimalen Form publiziert“. (Anm.: Interview fand am 20. April 2020 statt). Die Gemeinde Engerwitzdorf sei überdies eine Vorzeigegemeinde, da es dort sehr Open-Dataaffine Personen gebe, die sich sowohl fachlich, als auch persönlich stark mit dem Thema beschäftigen würden. Mathias Huter meint, dass Gemeinden und Städte näher bei den BürgerInnen seien. Sie hätten, im Gegensatz zu Bundesministerien, weniger Berührungsängste und in vielen Bereichen mehr Daten, die relevanter seien für die DurchschnittsbürgerInnen. Außerdem habe das auch mit politischen Machtinteressen zu tun. Es gebe durchaus AkteurInnen, die vielleicht kein großes Interesse hätten, der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen. Überall dort, wo es um politisch relevante und mitunter brisante Informationen gehe, würden Daten nicht freiwillig veröffentlicht. Es liege aber nicht an den BeamtInnen selbst, sondern vor allem an gesetzlichen Restriktionen wie dem, in der EU einzigartigen, Amtsgeheimnis. „Im Zweifelsfall entscheidet man sich für die Verschwiegenheit. Denn wenn man zu viel herausgibt, dann steht man sozusagen im Extremfall mit einem Fuß im Gefängnis.“ Der träge Weg zur Transparenz Der Umstand einer fehlenden Gesetzesgrundlage ziehe sich durch alle öffentlichen Stellen Österreichs. Lutz

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Brigitte Lutz / Copyright: Lukas Lorenz

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Open ThemaData - nur die Spitze des Eisbergs?

gesetz, das über die Ankündigungen im Regierungsprogramm hinausgehend auch tatsächlich umgesetzt wird. Das würde den BürgerInnen einen effektiven Zugang zu Informationen schaffen und öffentliche Stellen zur automatischen Veröffentlichung politisch wichtiger Dokumente verpflichten. Darüber hinaus wäre eine politisch unabhängige Transparenz-Kontrollstelle wichtig, die beobachtet, ob Transparenzbestimmungen umgesetzt werden und die Behörden bei der Umsetzung beraten würde. „Ohne ein Informationsfreiheitsgesetz und einer unabhängigen Kontrollstelle wird es einfach sehr schwer, wirklich einen Kulturwandel hin zu mehr Transparenz innerhalb der Verwaltung auszulösen und sicherzustellen“, ist sich Huter sicher. Noch nie wurden die Pläne für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz so konkret gesetzt wie im aktuellen Regierungsprogramm. Vielleicht schafft es die Türkis-Grün-Regierung, dieses Informationsfreiheitsgesetz – mehr als 250 Jahre nach Schweden – tatsächlich umzusetzen. Aufbruchsstimmung: Welche Datensilos gehören geöffnet? Auf die Frage, welche Datensilos sie aufbrechen würde, meint Lutz, dass beispielsweise österreichweite Verkehrsdaten sehr sinnvoll wären. Sobald es um Routen über die Stadtgrenze hinausgehe, werde es schwierig, da die Daten der Verkehrsauskunft Österreich fehlen würden. Überhaupt wären österreichweite Open Data sinnvoll, damit sich EntwicklerInnen die Daten nicht dezentralisiert von verschiedenen Stellen in unterschiedlichen Datenformaten zusammenstückeln müssten. „Allgemein sollte gesamtheitlicher gedacht werden“. Huter fordert, sämtliche Gutachten und Studien der öffentlichen Hand zu publizieren, „weil dort sehr

viel Wissen drinnen steckt, das sonst in irgendeiner Schublade verstaubt.“ Darüber hinaus wäre die Veröffentlichung der Daten und Dokumente, die den Werten der Aufträge nach dem Bundesvergabegesetz zugrunde liegen, wichtig, um eine Nachvollziehbarkeit der Geldflüsse sicher zu stellen. „Denn das ist das effektivste Mittel, um Mauscheleien und Korruptionen im schlimmsten Fall vorzubeugen.“ Je mehr Menschen von Open Data überzeugt sind und je konkreter die gesetzliche Grundlage ist, desto sinnvoller kann man also Open Data veröffentlichen. Um für BürgerInnen das Potential der riesigen Datenreserven ausschöpfen zu können, müssen auch politisch brisante Details als Open Data transparent und nachvollziehbar veröffentlicht werden. Lutz und Huter sind sich einig, dass es in vielen Bereichen noch nicht die finanziellen Ressourcen gebe, die notwendig wären, um dem Thema die angemessene Priorität einzuräumen. Solange es für Österreich kein Informationsfreiheitsgesetz gibt, bleibt Open Data eine meist freiwillige Leistung engagierter und datenaffiner MitarbeiterInnen in öffentlichen Ämtern. Die Open Data-Erfolgsgeschichten sollten nicht nur von kreativen Start-Ups und engagierten Städten und Gemeinden geschrieben werden, sondern darüber hinaus von einem offenen, transparenten Staat, der pro-aktiv Informationen für BürgerInnen veröffentlicht. Bis dahin bleibt Open Data nur die Spitze des Eisbergs.

Matthias Huter / Copyright: Christian Müller

von Karin Pargfrieder

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sieht den Grund der Verschwiegenheit nicht hauptsächlich beim Fehlen der Gesetze, sondern bei der Einstellung der betroffenen Personen. „Ich mache eher die Erfahrung mit Gesetzen, dass Druck Gegendruck erzeugt. Man bekommt fast eine gewisse Abwehrhaltung, denn jeder versucht natürlich, seine eigene Organisation zu schützen.“ Man müsse den Menschen das Thema Open Data schmackhaft machen und die Einstellung in eine positive Richtung lenken. Für Huter sei die Freiwilligkeit von Open Data in Österreich ein wichtiger Aspekt, der unterstreiche, dass Open Data nicht automatisch Transparenz schaffe. Um eine solche zu bewirken, brauche es klare Gesetze. Druck zur Neuauslegung der geltenden Gesetze verspüre Österreich bereits durch Höchstgerichtsurteile oder den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Dabei müsste Österreich nur etwas über den Tellerrand auf junge Demokratien in östlicher Richtung blicken. „In der Slowakei ist es seit vielen Jahren so, dass ein Vertrag der öffentlichen Hand gar nicht in Kraft treten kann, wenn er nicht im Volltext im Internet für alle einsehbar ist. Das heißt, da darf ohne diese Transparenz gar kein Geld fließen. Da geht es nicht nur um Auftragsvergaben, da geht es auch um Subventionen, Förderungen, Genehmigungen und um Privatisierungen. […] Es gibt auch Untersuchungen, die zeigen, dass dadurch nicht nur die öffentliche Hand Mittel einsparen kann, sondern dass auch der Wettbewerb gestärkt wird. So versuchen mehr Unternehmen, sich um Aufträge zu bewerben, was sich eben positiv auf den Preis auswirken kann.“ Junge Demokratien seien uns durch junge Verfassungen und Gesetze, sowie strengeren EU-Zutrittsauflagen einige Schritte voraus in puncto Transparenz. In Österreich bräuchte es ein Informationsfreiheits-


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Medienpluralismus: Bedarf es politischer Regulierung? Österreich liegt in puncto Medienpluralismus durchaus auf Augenhöhe mit stärker thematisierten Problemländern wie der Türkei und Ungarn. SUMO sprach mit den MedienwissenschafterInnen Josef Seethaler und Krisztina Rozgonyi über die Gründe, die Wichtigkeit der Pluralität, geltende Regelungen und die Situationen in Österreich und Ungarn. Immer wieder liest man von Forderungen nach mehr Medienpluralismus, so auch bereits 2007 vonseiten der Europäischen Kommission. Meist sind die Forderungen gut gemeint, aber nicht von konkreten Maßnahmen begleitet. Sucht man beispielsweise nach europäischen Richtlinien zu diesem Thema, stellt sich schnell heraus, dass dies vergebens ist. Doch worum genau geht es beim viel erwünschten Medienpluralismus? Plural ist nicht egal Die international tätige Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ schreibt Medienpluralismus zwei Definitionen zu. Dazu gehören zum einen der interne oder auch inhaltliche Pluralismus, der eine Pluralität an Stimmen, Analysen, geäußerten Meinungen und Problemen umfasst. Zum anderen der externe oder auch strukturelle Pluralismus, welcher die Pluralität der Medienkanäle, der Mediengattungen wie Print, Radio, Fernsehen und Online und die Koexistenz von privat-kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Medien beinhaltet. In Fragen des externen Pluralismus wird oft die Eigentümerstruktur der Medien herangezogen, weil mehrere „gleiche“ Medien von ein und demselben Eigentümer für weniger Vielfalt sorgen als Medienunternehmen, die in der Hand von vielen verschiedenen Eigentümern sind. Enorme Wichtigkeit wird dem Medienpluralismus zugeschrieben, weil fehlender Pluralismus einen Gefahrenherd für allzu selektive Medienrezeption darstellt. Liest jemand beispielsweise die Tageszeitung „Österreich“, sucht online gezielt nach Nachrichten auf der Website „oe24.at“ und hört im Laufe des Tages „Radio Austria“ kommen alle Nachrichten mehr oder weniger aus derselben Quelle, denn all diese Medienkanäle sind im Besitz der Familie Fellner. Zwar ist dasselbe Phänomen auch beim ORF zu beobachten, der sowohl im Radio- als auch im Fernsehmarkt der größte Player ist, doch muss sich dieser laut öffentlich-rechtlichem

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Auftrag an Binnenpluralismus – also Vielfalt innerhalb der verschiedenen ORF-Programme und Sender wie Ö3, FM4 oder ORF2 etc. – halten. Ohne öffentlich-rechtlichem Auftrag kann über mehrere Medienkanäle ein und dieselbe Meinung an die Öffentlichkeit weitergegeben werden und so Filterblasen und Echokammern fördern. Bei stark ausgeprägtem fehlenden Medienpluralismus kann dies auch zum kommunikationswissenschaftlichen Phänomen der „Schweigespirale“ führen. Denn wenn die gesellschaftlich anerkannte Meinung vom dominierenden Medienunternehmen am Markt kommuniziert wird und man zu den wenigen Menschen gehört, die eine andere Meinung haben, wird die Bereitschaft, die eigene Meinung öffentlich zu äußern immer geringer. Die ungarische Medienforscherin Krisztina Rozgonyi von der Universität Wien skizziert Hauptbereiche, die fehlenden Medienpluralismus begünstigen. Man könne sehen, dass in sozialen Netzwerken Effekte wirken, die den Kontakt mit Nachrichten- und Informationspluralität drastisch verändern. Vor allem in diesem Bereich seien öffentlich-rechtliche Medien gefordert, sich der dramatischen Veränderung von sozialen Netzwerken zu stellen und sich den Bedingungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Aus Effekten veränderter Mediennutzung resultieren eine Vielzahl an Ungleichheiten wie anhand des Geschlechts oder der Ethnie und somit weniger Pluralität. Bei diesem Punkt sei vor allem die Rolle von künstlicher Intelligenz in der Medienproduktion und Mediennutzung und die Verbreitung der Inhalte via sozialer Netzwerke ein wichtiger Ansatzpunkt. Status quo der Regulierungen Die öffentlichen Forderungen nach Medienpluralismus zeigen, dass der Politik die Risiken fehlender Vielfalt bewusst sind. Dem entgegengesetzt hat die Europäische Kommission trotz ihrer Forderungen bislang keine passenden Richtlinien zur Sicherung des Medien-

Medienpluralismus: Bedarf es politischer Regulierung?

pluralismus beschlossen. Laut Josef Seethaler, stellvertretender Leiter des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, beschränke sich die europäische Medienpolitik zurzeit vor allem auf Fernsehfilme und ähnliches oder Zusammenschlussrecht. Jedoch seien die ersten Anmerkungen der neuen Kommissionspräsidentin Van der Leyen und die Aufnahme von Medienpluralismus in den „Rule of Law“-Report ermutigend. Auf österreichischer Ebene sei die Medienpolitik laut Seethaler „irreparabel“. Denn seit den 1980er Jahren nehmen sowohl horizontale, als auch in den letzten Jahren zunehmend cross-mediale Konzentration zu. Das gelte auf jeden Fall für den PrintSektor, im Radio- und Fernsehmarkt hatte der ORF bis zur Dualisierung des Marktes eine Monopolstellung. Nach der ersten Lockerung aufgrund neuer privater MarktteilnehmerInnen setzten auch hier Konzentrationstendenzen ein. Im Fernsehmarkt erhöhte der von der Wettbewerbsbehörde genehmigte Zusammenschluss von ATV und der „ProSiebenSat.1Puls4“-Gruppe die Konzentration deutlich. Das hatte zur Folge, dass es auf diesem Markt nun einen großen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und einen großen privaten Medienkonzern, der in deutscher Hand ist, gibt. Komplettiert wird der Markt mit vergleichsweise marginalen Teilnehmern wie „ServusTV“. Nach der Novelle des Privatradiogesetzes im Jahr 2004 haben vor allem Zeitungsverlage die Möglichkeit bekommen, Radiolizenzen zu erwerben. Neben einigen nicht weitreichenden Beschränkungen gebe es laut Seethaler keine richtige konzentrationsverhindernde Rechtsgrundlage. Diese Freiheit führe im Radiobereich dazu, dass Lizenzen zusammengelegt werden und dadurch die Voraussetzungen geschafft würden, um eine bundesweite Radiolizenz zu bekommen. Rückblickend betrachtet, sei es ein Konzentrationsschritt, den man so nicht haben


wollte, aber übersehen habe, dagegen entsprechend vorzubeugen. Politik am Zug Angesichts dieser Umstände stellt sich die Frage, wie die Politik einschreiten und die Situation verbessern könnte. Antworten darauf sind schnell gefunden. Etwa mit Regelungen bezüglich cross-medialer Konzentration im Online-Sektor. „In diesem Bereich könnte man noch rechtliche Regelungen schaffen, weil kaum welche existieren“, erklärt Seethaler. Passiere so etwas nicht, können die großen regionalen Zeitungsverlage, die bereits das weitest verbreitete Regionalradio erworben haben, ebenfalls zum am weitest verbreiteten regionalen Online-Anbieter werden. Dabei müsse aber beachtet werden, dass im Online-Sektor vor allem globale Unternehmen tätig sind und sich deswegen überhaupt die Frage positiver Auswirkungen einer nationalen rechtlichen Regelung stelle. Eine zweite Maßnahme könnte eine komplette Änderung des Förderwesens sein. Denn würde es eine reine Qualitätsförderung geben, profitierten jene Medien davon, die qualitätsvollen Journalismus erschaffen. Damit könnte über den „Umweg“ der Qualitätsförderung Vielfalt gefördert werden, weil so Qualitätsmedien ihre Marktposition verbessern vermögen. „Zukünftig sollen Förderungen unabhängig von der Verbreitungsform Qualität fördern, das wäre eine sinnvolle Möglichkeit über diesen Umweg auch eine qualitätsvolle Vielfalt des Angebots zu fördern“, fordert Seethaler. Dafür müsste viel Geld in die Hand genommen werden, denn die jetzigen Fördersummen seien – gemessen am Bruttosozialprodukt – tendenziell rückläufig.

Rozgonyi spricht sich ebenso für eine Qualitätsförderung aus. Laut ihr müsse die starke Tradition des investigativen Journalismus in Österreich gefördert werden, in verschiedenen Formen und Arten des Journalismus, einschließlich unabhängiger Gruppen von EnthüllungsjournalistInnen, die sich besser an die digitale Medienwelt anpassen und flexibler für Kooperationsprojekte sind. Ebenfalls sollten staatliche Förderungen eher an neue Medienkanäle, Start-ups und kleinere Medienhäuser gehen, anstatt an die ohnehin schon sehr mächtigen Familien wie den Fellners („Österreich“-Gruppe) oder den Dichands („Kronen Zeitung“ und „Heute“). Als einen regulierungsbedürftigen Bereich schätzt die Medienwissenschafterin auch die Rolle der algorithmischen Kontrolle in Bezug auf Transparenz der Funktionsweisen von Plattformen, deren Algorithmen und deren Nachrichtenauswahl ein. Ferner könne das Bildungswesen Teil einer besseren Medienpolitik sein. Vor allem Media Literacy und kritische Medienrezeption sollte an Schulen gelehrt werden, beispielsweise wie einfach es ist, Daten und Grafiken zu manipulieren. Denn wenn solche Dinge gelernt würden, könne man sich bewusster darüber sein, wie man den eigenen Nachrichtenkonsum kontrolliert und wie man zwischen Qualität und fehlender Qualität unterscheiden kann. Gerade im Online-Bereich, in dem immer häufiger Fake News kursieren, könne dieses Wissen sehr viel wert sein. Als BestCase-Szenario dient Rozgonyi hierbei Finnland, wo zehnjährige Kinder all diese Dinge lernen und somit eine gute Grundlage zur Einordnung qualitätsvoller Medien hätten. Infolgedessen

würden Qualitätsmedien gestärkt und helfen so dem Medienpluralismus. Wie man es (nicht) macht Einen Überblick über die Situation des Medienpluralismus in europäischen Ländern kann die von der EU initiierte Studie „Media Pluralism Monitor“ (MPM) geben. Ziel dieser ist es, die Risiken für den Medienpluralismus anhand von zwanzig Indikatoren in vier verschiedenen Bereichen einzuschätzen. Die vier Bereiche sind: grundlegender Schutz, Marktpluralität, politische Unabhängigkeit und soziale Miteinbeziehung. Die Indikatoren beziehen sich auf rechtliche, ökonomische und soziopolitische Fragen. Zieht man die Ergebnisse des MPM von 2017 heran, lassen sich einige Vorzeigeländer wie Frankreich und Deutschland ausmachen, die in allen Bereichen geringe Risiken aufweisen. Belgien, die Niederlande und Dänemark können ebenso ein allgemein niedriges Risiko vorweisen und zeigen nur im Bereich der Marktpluralität ein etwas höheres Risiko. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich neben den osteuropäischen Ländern Bulgarien, Rumänien und Polen auch die medial oft thematisierten Problemländer Türkei und Ungarn. Besonders die Ergebnisse der Türkei deuten in allen Bereichen auf maßgebliche Probleme und Risiken hin. Die Situation in ihrer Heimat fasst Rozgonyi kurz so zusammen: „Medienpluralismus gibt es in Ungarn nicht mehr.” Gründe dafür sieht sie in politischer Unterdrückung, Selbstzensur, OligarchInnen in den Medien, Eigentumskontrolle sowie verschwommene Eigentumsverhältnisse und ökonomische Probleme von Qualitätsmedien. Denn seit 2010 gebe es in Ungarn keinen öffentlich-

Medienpluralismus: Bedarf es politischer Regulierung?

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Konzentrationsformen: • Horizontale Konzentration: Medienunternehmen des gleichen relevanten Marktes schließen sich zusammen. z.B. Zusammenschluss von „ATV“und „ProSiebenSat1.Puls4“ • Vertikale Konzentration: Medienunternehmen, die in vor- und nachgelagerten Märkten agieren und in Abnehmer-Lieferanten-Beziehung stehen schließen sich zusammen. z.B. Zeitung kauft Druckerei • Diagonale (konglomerate) Konzentration: Medienunternehmen, die auf unterschiedlichen relevanten Märkten tätig sind und nicht in einer Abnehmer-Lieferanten-Beziehung stehen, schließen sich zusammen. (Cross-Media-Ownership). z.B. „Österreich“-Gruppe besitzt Zeitungen, Fernsehsender „oe24.tv“, Radiosender „Radio Austria“ und die Nachrichtenwebsite „oe24.at“

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rechtlichen Rundfunk im klassischen Sinne, er habe sich zu einer staatlichen Propagandamaschine gewandelt. Die Medienmärkte werden zu 80% bis 90% von politischen OligarchInnen und politischen AkteurInnen kontrolliert. Geschehen konnte all das durch die seit 2010 illiberal praktizierte Demokratie, Machtmissbrauch, Missbrauch öffentlicher Mittel, einer Menge Korruption und politischer Kontrolle über die Medien. Als großes Problem erachtet sie auch die „Normalisierung“ der Medienlandschaft und Umstände in Ungarn. Denn worauf viele ÖsterreicherInnen vermutlich erst nach der Thematisierung von Peter Klien in seiner Sendung „Gute Nacht Österreich“ im Jänner 2020 aufmerksam wurden, ist im Nachbarland bereits seit zehn Jahren der Normalfall und aus diesem Grund tief in den Gedanken der Bevölkerung verwurzelt. „Eine ganze Generation ist in dieser Zeit aufgewachsen, sie ist in den Köpfen der Menschen ‚eingebrannt‘ “, zeigt die Medienwissenschafterin auf. Deshalb solle Ungarn immer im Hinterkopf behalten bleiben, weil unter bestimmten Umständen solche Bedingungen ziemlich schnell entstehen können und dabei niemand außerhalb des Landes – auch nicht die EU – die Situation verändern kann.

Ausblick Genauso vielfältig wie der Medienpluralismus sein sollte, sind die möglichen Auswirkungen und Trends. Roz-

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Österreich auf dem Prüfstand Aufgrund der wenigen rechtlichen Regelungen im Bereich des Medienpluralismus in Österreich lässt sich hier sehen, wie sich der Markt von selbst reguliert. Die Auswirkungen davon hat Josef Seethaler im österreichspezifischen Bericht des MPM festgehalten. Er sieht große Probleme in der Medienkonzentration in Österreich, weil man sich in „unrühmlicher Gesellschaft“ befinde. Diese „unrühmliche Gesellschaft“ setzt sich unter anderen aus allen vorhin genannten Negativbeispielländern – also auch der Türkei und Ungarn – zusammen. In Fragen der Medienkonzentration stünden die meisten europäischen

Staaten besser da. Auch die Ergebnisse des MPM 2020 sehen für Österreich in puncto Medienkonzentration nicht viel besser aus: Die vier größten Medienunternehmen kommen auf Basis des Umsatzes auf 65% Marktanteil und auf Basis der Publikumsreichweiten im Print-, Radiound Fernsehsektor auf Werte zwischen 72% und 89%. „Das sind gigantisch hohe Werte und eigentlich unter dem demokratischen Mediensystem nicht vertretbar“, kommentiert Seethaler die Ergebnisse. Ansonsten hätten sich, bis auf eine höhere Konzentration im Fernsehbereich aufgrund des Zusammenschlusses von ATV und der „ProSiebenSat.1Puls4“-Mediengruppe, die Werte gegenüber den Vorjahren nicht gravierend geändert und Österreich gelte nach wie vor als Hochrisikoland im Bereich der Medienkonzentration. Das Aufkommen des zweiten bundesweiten Privatradiosenders „Radio Austria“ habe hingegen nur zu einer leichten Reduktion der bundesweiten Konzentration im Radiosektor, aber aufgrund des Zusammenschluss vieler regionaler Lizenzen zu einer Erhöhung der Konzentration im regionalen Bereich geführt. Dieser Schritt habe nicht zu inhaltlicher Vielfalt geführt, weil das Programm selbst nach der Zusammenlegung der Lizenzen das gleiche bleibe. Chancen für Besserung sehe er im Online-Bereich, in dem 2018 die Konzentrationswerte 55% betrugen - allerdings ist die Datenbasis hier lückenhaft. Hier sehe man noch die Möglichkeit, in die Verstärkung der Konzentration einzugreifen, um wenigstens den Zusammenschluss von traditionellen und Online-Verbreitungsformen in eine bessere Balance zu bekommen, etwa durch Förderung qualitätsvoller Digital Native Media.

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gonyi sieht in den nächsten Jahren in Europa viele politische Gefahren für den Medienpluralismus durch illiberale politische Amtszeiten, wobei Ungarn nur ein Beispiel dafür war. Als zweiten Punkt erkennt sie ökonomische Risiken wie unternehmerische und finanzielle Schwierigkeiten oder die Corona-Pandemie. Denn nach der Finanzkrise 2008 konnte man sehen, dass Qualitätsmedien und -journalismus sich nie wirklich davon erholen konnten. Als letzten Punkt betont sie viele Aspekte algorithmischer Kontrolle und Probleme in Verbindung mit künstlicher Intelligenz und dessen unkontrollierbaren Teil. Ohne genügende Investitionen in potenzielle Regulierungen könnte dieses Phänomen ein großes Risiko für den Pluralismus darstellen. Seethaler hingegen sieht Chancen durch die veränderte Mediennutzung. Denn Studien zufolge steigt die Möglichkeit, durch die Nutzung sozialer Medien in Kontakt mit mehreren unterschiedlichen Medien zu kommen. So könnte beispielsweise ein/e Leser/in der „Kronen Zeitung“, der/die sich auch ORF-Nachrichten ansieht, auf „Facebook“ durch den Beitrag eines Freundes bzw. einer Freundin Nachrichten lesen, von denen weder die „Kronen Zeitung“ noch der ORF berichtet hat. Hier könne er sich ebenfalls eine gute Möglichkeit zur Qualitätsförderung für Social Media Sites, die versuchen einen qualitätsvollen Diskurs zu initiieren, vorstellen. Dadurch könne man im regionalen und nationalen Maßstab ein vielfältigeres Angebot für eine immer größere Zahl an NutzerInnen schaffen. von Christiane Fürst

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Medienpluralismus: Bedarf es politischer Regulierung?


Pressefreiheitsgrenze - Wahrheit kann bestraft werden! So ein Text an Grenzschildern wäre Satire. Dennoch: Übergriffe auf Medien und Medienschaffende sind in Tschechien und der Slowakei sehr präsent. In diesem Artikel thematisiert SUMO, wie die legislative Gewalt versucht, die vierte Gewalt – also die Medien – zu übernehmen und sprach darüber mit Univ.-Prof. Anna Sámelová von der Comenius-Universität Bratislava und Studierenden in Prag. Samelová gibt, um die slowakischen Medienspezifika nachvollziehen zu können, einen kurzen Abriss moderner Mediengeschichte. Diese hat mit dem Zerfall der damaligen CSSR in die tschechische und die slowakische Republik 1993 begonnen. Nach diesem Zeitpunkt hat sich die slowakische Gesellschaft in zwei Gruppen entzweit, in die AnhängerInnen des damaligen Premierministers Vladimír Mečiar und in seine GegnerInnen. So wie die Bevölkerung haben sich auch die Medienhäuser in diese beiden Richtungen orientiert. Medien, die den Regierungschef befürworteten, hatten vorwiegend das Ziel, die Regierungstätigkeiten zu unterstützen bzw. rechtswidrige Aktivitäten der Regierung zu verteidigen. Unter den RegierungsanhängerInnen befand sich

auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk (RTVS). Investigativjournalismus wurde kategorisch den RegierungsgegnerInnen überlassen. Dies hatte zur Auswirkung, dass Investigativjournalismus eher als Mittel zum Diffamieren der Regierung verstanden wurde. Mit dem Regierungswechsel kamen zwar auch Verbesserungen, jedoch im Jahr 2006 unterbrochen, als Robert Fico das Amt des Ministerpräsidenten erhielt. Die Ausübung journalistischer Tätigkeiten wurde wieder erschwert und es kam zu zahlreichen Übergriffen auf die Medien seitens der amtierenden Partei SMER. Fico selbst stempelte JournalistInnen laut Samelová als „Prostituierte“ oder „Vipern“ ab. Dies hätte auch die RezipientInnen beeinflusst, die die Aufgabe der Medien nur als ein forcierendes Mit-

tel zur Abwertung der Regierung wahrnahmen. Infolgedessen waren sie auch nicht bereit, den von Medien gestellten kostenpflichtigen Content zu bezahlen oder missbilligten die Rundfunkabgabe. Wendepunkt im Februar 2018 Im SUMO-Gespräch weist Sámelová mehrfach auf den Unterschied vor und nach dem Februar 2018 hin, als der 27-jährige Investigativjournalist Ján Kuciak ermordet wurde. Im Fokus seiner aufklärenden Tätigkeiten standen Korruption oder Steuerhinterziehung. Einen Artikel über die mutmaßlichen Tätigkeiten der italienischen Mafia in der Slowakei konnte er nicht mehr selbst veröffentlichen, denn er wurde kurz davor in seinem Haus in Veľká Mača (ca. 50 km von Österreich entfernt) mit seiner Ver-

Performative Change Welche Kompetenzen sind in der digitalisierten Arbeitswelt der Zukunft gefragt?

Antworten darauf gibt das Buch „Performative Change“ von Thomas Duschlbauer, Kommunikations-und Kulturwissenschafter sowie Lektor an der FH St. Pölten. Es geht dabei um einen Paradigmenwechsel und die Frage, wie neue Formen der Organisation und Kommunikation, die zunehmend automatisiert und von Algorithmen gesteuert werden, auf das Zusammenleben der Menschen und auf deren Kommunikation wirken. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei der Begriff der „Performativität“ ein, zumal angesichts wachsender Komplexität experimentelles und exploratives Handeln sowie die dazu notwendigen Frei- und Handlungsspielräume innerhalb einer Organisation von entscheidender Bedeutung sein werden. Das Buch erscheint im August im NOMOS Verlag in der Reihe Organisationskommunikation (140 Seiten, englisch). 23


lobten Martina Kušnírová erschossen. Der Investigativjournalist berichtete auch über dubiose Geschäftsmänner wie etwa Marian Kočner, dessen Name laut Adéla Očenášková („ČTK“) in mehreren slowakischen Affären präsent war, wie in der Causa „Gorilla“, in der laut der Tageszeitung „Die Presse“ auch österreichische Unternehmen wie der Flughafen Wien oder die Raiffeisen Zentralbank verwickelt wären, wie Geheimdienstprotokolle aufzeigten. Marian Kočner wurde auch tatsächlich von der slowakischen Staatsanwaltschaft angeklagt und stand mit vier anderen Personen im Frühjahr 2020 vor dem Spezialisierten Strafgericht in Pezinok. Ihm wurde vorgeworfen, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Diese veröffentlichte Tonaufnahme des Telefonats zwischen Kuciak und Kočner dürfte die Klage bekräftigt haben. Kočner: „Herr Kuciak, Sie können sichergehen, dass ich mich persönlich mit Ihnen beschäftigen werde.“ Kuciak: „Sollte das eine Drohung sein?“ Kočner: „Nein, warum?“ Kuciak: „Dann verstehe ich nicht, warum Sie mir sowas sagen.“ Kočner: „ Denn ich sage es Ihnen friedlich, ich werde mich mit Ihnen, Ihrer Mutter, Ihrem Vater und Ihren Geschwistern beschäftigen.“ Kuciak: „Wissen Sie, wer auch die Familie in solchen Streit hineinzieht?“ Kočner: „Gehen Sie sche*ßen mit Ihren Meinungen…“ Laut „aktuality.sk“ habe Kuciak wegen dieses Anrufes Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft habe jedoch keine konkreten Schritte unternommen und erst nach dem Mord das Anzeigeverfahren bzgl. des Telefonats eingestellt. Sámelová aber auch „Deutsche Welle“ schilderten, dass der mutmaßliche Auftraggeber Marian Kočner über Verbindungen zu RichterInnen, PolitikerInnen und StaatsanwältInnen verfüge, die ihm auch bei der Verhinderung dieses Anzeigeverfahrens geholfen hätten und weiterhin helfen können. Der Schicksalstag und seine Auswirkungen Während der Verhandlungen gestand der ehemalige Soldat Miroslav Marček, den Mord begangen zu haben und beschrieb, wie er tatsächlich leichten Zugang zu Kuciak hatte. Er habe abgewartet, bis der Journalist zuhause angekommen war. Kuciak habe ihm die Tür geöffnet und darauf habe Marček geschossen. Vor Gericht erzählte er

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noch weiter: „Unglücklicherweise hatte ich beobachtet, dass im Haus noch eine andere Person (Anm.: Kušnírová) war. Sie rannte in die Küche und ich bin ihr nachgegangen. Da habe ich auch sie erschossen.“ „ČT24“ schrieb, dass bei diesen Verhandlungen auch der Ex-Chef der Spionageabwehr Peter Tóth ausgesagt und die Verfolgung von Ján Kuciak organisiert habe. Laut Tóth habe Kočner noch die Verfolgung von 28 anderen JournalistInnen angeordnet. Dabei hatte Kočner bereits ihre persönlichen Daten im Besitz. Es habe sich dabei um Daten aus dem Polizeiregister gehandelt, schrieb „ČT24“ weiter. Der Mord war ein Triebwerk für die politische Krise des Landes. Im Laufe der Ermittlung traten hochrangigste politische Funktionäre zurück. Die Konsequenzen waren noch zwei Jahre nach dem Mord deutlich spürbar. Die führende politische Partei SMER um den Parteivorsizenden Robert Fico stürzte bei den Wahlen im Frühjahr 2020 deutlich ab. Die Richtung stimmt, aber… Der ORF berichtete damals, dass Igor Matovič (derzeitiger Regierungschef) meinte: „Es war der Tod von Ján Kuciak und Martina Kušnírová, der die Slowakei aufgeweckt hat“. Seine Aussage bekräftigt auch Sámelová, die dazu ein Beispiel aus ihrem akademischen Alltag zeigt: „Seit der Ermordung verzeichnen wir einen Anstieg des Interesses an Lehrveranstaltungen wie etwa zu Datenjournalismus sowie investigativem Journalismus“. Samelová ist auch der Ansicht, dass die Zukunft der slowakischen Medienlandschaft positiver werde: „Die derzeitige Tendenz ist hoffnungsvoll, hängt aber von dem wirtschaftlichen Niveau des Landes ab, das in diesen Zeiten, aufgrund der weltweiten Corona-Krise schwer abzuschätzen ist. Die Slowakei hat jedoch großes Potenzial, über eine starke und unabhängige Medienlandschaft zu verfügen“. Dabei wies aber „ARTE“ auf die verbleibenden Medienfreiheitsprobleme gerade im slowakischen Rundfunk hin. Sámelová gibt zu, dass der RTVS-Generaldirektor Jaroslav Rezník Kontakte mit der damals amtierenden Partei gepflegt habe, ersucht jedoch, mit seiner eventuellen Abberufung bedächtig umzugehen, denn die politische Entmachtung des Generaldirektors/der Generaldirektorin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei ein starker Eingriff in die Mediendemokratie. Es sei zu be-

Thema Pressefreiheit - Wahrheit kann bestraft werden


Eigentumsverhältnisse bestimmen Medieninhalte „ČT“, die sich weiter auf die wissenschaftliche Gemeinschaft beruft, schreibt diesen Rückgang vorwiegend dem Phänomen zu, dass tschechische Medienverlage immer deutlicher ihre Objektivität nicht gewährleisten können. Immer häufiger werden sie von einflussreichen Personen übernommen, die enge Kontakte in der Politik haben oder selber in der Politik tätig sind. Früher wurden laut Václav Štětka (Loughborough University, GB) tschechische Medienhäuser von ausländischen EigentümerInnen besessen, die laut Petr Schönfeld (ehemaliger „Blesk“ Chefredakteur) keinerlei Tendenzen zeigten, die Inhalte zu manipulieren. Dies sei bei den inländischen EigentümerInnen nicht der Fall, denn die Medien reflektieren immer die Sichtweisen und Interessen derer, die sie besitzen, absichtlich, aber auch unabsichtlich wie etwa mittels Autozensur. Dieses Phänomen, dass die einheimischen EigentümerInnen den ausländischen ihre Anteile an Medienunternehmen abkaufen, untermauert ein Beispiel von heuer. Noch im Laufe des Jahres 2020 sollte der reichste Geschäftsmann Tschechiens, Peter Kellner, den kommerziell erfolgreichsten Sender „TV Nova“ übernehmen. Kellner pflegt Kontakte zu Präsident Miloš Zeman. Zu den Auswirkungen meinte der Soziologe Jaromír Volek gegenüber „ČT“: „Das wird nicht ein beachtliches unternehmerisches, sondern ein politisches Ereignis, das die Politik sehr beeinflussen könnte.“ Kellner ist in Tschechien kein Einzelfall, denn Andrej Babiš, der zweitreichste Bürger und seit 2017 Ministerpräsident, ist selbst im Besitz eines der wichtigsten Medienhäuser („MAFRA“). Bei der Übernahme im Jahr 2013 versprach er zwar die Unabhängigkeit des Hauses,

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In Tschechien… …berichtete zwar das Komitee zum Schutz von JournalistInnen, dass sich seit dem Jahr 1992 in Tschechien kein Mord an ReporterInnen aufgrund ihrer Arbeitstätigkeiten ereignet habe. „Česká televize“ („ČT“ - öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt Tschechiens) berichtete jedoch, dass in dieser Statistik der Mord an dem Redakteur Václav Dvořák nicht berücksichtigt sei. Ein weiterer Fall ist der Mordversuch an der Journalistin Sabina Slonková im Jahr 2002. Den nicht verwirklichten Mord habe der damalige Sekretär des tschechischen Außenministers Karel Srba in Auftrag gegeben. „Český rozhlas“ (Tschechischer Rundfunk) beschrieb, dass die Gründe für den Mord vorwiegend korrupte Machenschaften mit staatlichen Grundstücken gewesen wären. Darüber habe Slonková Bescheid gewusst und soll vor dem Mordsauftrag darauf aufmerksam gemacht haben. Obwohl auch der ehemalige tschechische Außenminister Jan Kavan über den Plan gewusst hätte, habe er laut dem Tschechischen Rundfunk nichts unternommen. Srbas Absicht wurde durch den Auftragsmörder Karel Rziepel selbst angezeigt. Er habe für die Durchführung der Tat 200.000 CZK (ca. 7.300 EUR) bekommen. Sabina Slonková ist bis heute im Journalismus tätig und hat im Laufe ihrer Karriere eine Reihe von Auszeichnungen für ihre Arbeit erhalten. Diese Auszeichnungen sind ein wichtiger Akt, denn die Medienlandschaft ist eher verbalen statt physischen Übergriffen ausgesetzt. Als plakatives Beispiel dient hierzu die von Präsidenten Miloš Zeman getätigte Aussage beim Staatsbesuch in Russland mit Präsident Vladimir Putin, während dem er sagte: „…und da sind weitere Journalisten? Journalisten gibt es viele, sie sollten vernichtet werden“. Dazu äußerte sich Putin, dass es

nicht notwendig sei, sie zu vernichten, sondern es reiche, sie zu reduzieren. Aber diese verbalen oder physischen Übergriffe gegenüber JournalistInnen sind nicht allein die Gründe dafür, dass Tschechien seit dem Jahr 2015 in der Rangliste der Pressefreiheit kontinuierlich abgerutscht ist. Diese Liste wird jedes Jahr von „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlicht und hat das Ziel, die verschiedenen Pressefreiheitsraten aller Länder auf der Welt zu vergleichen. Im Jahr 2019 befand sich Tschechien auf dem 40. Platz, obwohl das Land im Jahr 2015 noch den 13. Platz belegt hatte.

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denken, dass er seine Stelle in einem ordentlichen Auswahlverfahren erlangt habe. Sámelová äußert sich noch dazu, dass der slowakische Rundfunk seine Funktionen nicht optimal erfülle, jedoch sei die Berichterstattungsaufgabe für eine öffentlich-rechtliche Anstalt ausreichend gewährleistet. „Bedenklich erachte ich aber die Vorgehensweise von Rezník bei der Berufung neuer Berichterstattungsverantwortlicher, denn diese Funktionen haben ehemalige PressesprecherInnen der Staatsverwaltung inne, die früher diese verteidigt haben und nun über sie kritisch informieren sollen“, so die Universitätsprofessorin.

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später jedoch tauchte eine Tonaufnahme in der Öffentlichkeit auf, in der Babiš laut der Sendung „Reportéři ČT“ dieses Gespräch mit einem Redakteur der in seinem Besitz befindlichen Zeitung „Lidové noviny“ geführt habe: Andrej Babiš: „…in ,Právo‘ habe ich die Titelseite, in ,HN‘ einen großen Artikel und in ,Lidové noviny‘ habe ich nichts gefunden…“ Redakteur: „Leider bin ich nur ein einfacher Redakteur, der nicht bestimmt, wann etwas wird.“ Andrej Babiš: „Ok, in Ordnung, ich hoffe, dass die Burschen wissen, was sie machen. Wahrscheinlich wissen sie nicht, mit wem sie es zu tun haben, aber das ist egal.“ Kritik an Praktiken von Regierungschef Andrej Babiš übte auch der Politologe Miloš Gregor. Er zeigte in der Sendung von „Reportéři ČT“ einige Beispiele, wie Tageszeitungen, die sich im Besitz von Babiš befinden, zu seinen Gunsten berichteten. Im Jahr 2019 sollten während einer Demonstration gegen ihn alle Tageszeitungen in seinem Besitz über andere Themen schreiben, während alle restlichen über diesen Vorfall berichteten (Anm. SUMO: auch der ORF informierte darüber). Redakteur Jidřich Šídlo meinte gegenüber „ČT“ dazu, dass Andrej Babiš im Jahr 2013 die Medien erworben habe, um Regierungschef zu werden, was ihm tatsächlich auch gelungen ist. Die Frage, inwieweit ihm diese Medienübernahme dabei geholfen habe, werde bereits an Universitäten untersucht. Laut der Website „Hlídací Pes“ hat auch der zweitmeistrezipierte Sender Tschechiens „FTV Prima“ Probleme mit seiner Objektivität. „FTV Prima“ habe absichtlich manipulierte Berichterstattung über Flüchtlinge in der EU gesendet. „FTV Prima“ habe am 7.9. 2015 eine

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Redaktionskonferenz abgehalten, in der die Senderführung mit Chefredakteurin Jitka Obzinová eine einheitliche und negative Berichterstattung über die Flüchtlingskrise bzw. die Darstellung der Flüchtlinge angeordnet haben soll. „Hlídací pes“ schrieb weiter, dass laut seinen Recherchen dies deutlich erkennbar war und diese Tatsache bestätigte auch die tschechische Medienregulierungsbehörde in ihrem Bericht. Mogens Blicher Bjerregård von „Freelance International“ meinte zu der Situation in Tschechien: „Wir haben JournalistInnen getroffen, die Angst hatten, über die derzeitige Lage zu reden. Sie hatten Angst, darüber zu sprechen, dass sie als JournalistInnen nicht frei arbeiten können. Das hat seine Einflüsse auf die ganze Gesellschaft.“ SUMO-Recherchen in Prag SUMO traf sich in Prag mit Studierenden an diversen Hochschulen, um einen Einblick in ihr Medienverhalten zu bekommen und um ihre Ansichten zur Mediensituation in Tschechien zu hören. Die Befragten haben den Eindruck, dass die tschechische Medienlandschaft trotz politischer Einflüsse relativ objektiv sei, da sie manche von ihnen als „propagandistische Contentanbieter“ bezeichnete Medien, wie etwa „sputnik. cz“ oder „parlametnilisty.cz“ nicht als Nachrichtenanbieter betrachten. Medienhäuser der sogenannten Oligarchen werden jedoch schon und sogar häufig als Sekundärquellen rezipiert. Jedoch sei man vorsichtig und wolle eventuelle kontroverse Nachrichten überprüfen, wie z.B im Fall von Kristýna N.: „Ich überprüfe die tatsächliche Information lieber bei der Herkunftsquelle oder bei einer mir vertrauten Quelle. Damit kann man mögliche absichtliche, aber auch unabsichtliche Differenzen erblicken.“

Pressefreiheit - Wahrheit kann bestraft werden

Ob die Studierenden oft so vorgingen? „Naja, oft eher nicht“, so Jakub Š. Dies ergänzte noch Márton L. damit, dass alle Menschen ihrer gesellschaftlichen „Blase“ ausgesetzt seien, welche vorherbestimme und steuere, ob die jeweilige Botschaft als objektiv oder subjektiv evaluiert werde. „Ich erachte die von mir konsumierten Nachrichten als objektiv. Schaue ich jedoch über meine soziale Blase hinaus, kann ich feststellen, wie häufig nicht objektive Nachrichten als objektiv wahrgenommen wurden“. Manche zeigten sich zur kontroversen Berichterstattungen renitent, wie etwa Vojěch B. über Babiš: „Gerade über Babiš lese ich nichts mehr“. Alle SUMO-DiskussionspartnerInnen antworteten äußerst kritisch auf die Frage, ob sie es als zulässig betrachten, dass der Regierungschef Andrej Babiš mehrere Medienhäuser in seinem Besitz habe. Dazu meinte Anna B.: „Es wäre in Ordnung, wenn die Pressefreiheit beibehalten würde. Das ist aber nicht der Fall, gerade während der großen Demonstrationen in Prag wurde in seinen Tageszeitungen nicht darüber berichtet – und das waren echt riesige Demonstrationen“. Adam H. ergänzt „Wir als Gesellschaft müssen uns Normen innerhalb einer Marktwirtschaft setzen, um die Grenze zwischen dem Erlaubten bzw. dem nicht Erlaubten zu bestimmen“. von Ondrej Svatos

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Mediales Alternativ-Bingo: Aufmerksamkeit um jeden Preis Ob soziale oder klassische Medien: PopulistInnen benötigen das Rampenlicht, ganz gleich wie. Hierfür wird gerne auch auf Falschinformationen und Übertreibungen zurückgegriffen – umso fragwürdiger oder extremer die Aussagen, desto besser. Mit SUMO konferierten darüber Stephan Russ-Mohl, Gründer des European Journalism Observatory und emeritierter Professor für Journalismus und Medienmanagement an der Università della Svizzera Italiana in Lugano, sowie Felix Simon, Leverhulme Doktorand am Oxford Internet Institute und Forschungsassistent am Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford.

Covid-19 und Populisten: unterschiedliche Länder, unterschiedliche Strategien Die Kommunikationsstrategien der Populisten und Autokraten dieser Welt – SUMO missachtet ob männlicher Dominanz hier bewusst auf geschlechtssensible Sprache – unterschieden sich

in dieser pandemischen Zeit teils deutlich voneinander. Der Rechtpopulist und per Dekret zum Autokraten aufgestiegene Viktor Orbán griff laut „Der Standard“ zu gewohnten Maßnahmen und beschuldigte die „üblichen Verdächtigen“: George Soros und AusländerInnen. Letztere waren es laut dem Staatschef, die Covid-19 nach Ungarn brachten. Allerdings kamen vergleichsweise wenig TouristInnen auf Besuch, sondern mehr jene heimischen „GastarbeiterInnen“ aus Oberitalien und Tirol wieder nach Hause, die vermutlich das Virus mit sich brachten. Getestet wurden sie zum Großteil nicht. Orbán nutze die virale Notsituation Ungarns aus und zog der Demokratie vorerst den Stecker. Nachdem die EU und deren Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen Kritik ausübte und sogar mit „Maßnahmen“ gedroht wurden, erwähnte der ungarische Staatschef im Zuge einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Serbiens Oberhaupt Aleksandar Vučić das voraussichtliche Auslaufen seiner Vollmacht mit Ende Mai 2020. Dies hinderte Viktor Orbán allerdings nicht daran, noch im Mai 2020 die Grund-

rechte von trans- und intersexuellen Menschen massiv einzuschränken. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hingegen leugnete jegliche Fakten zu Covid-19, wie „ZEIT Online“ berichtete. Offizielle Zahlen scheinen den Autokraten wenig zu interessieren. Wiederholend sprach er von der „Corona-Psychose“ und demonstrierte mit einer 3.000 SoldatInnen starken Militärparade im Zuge des heimischen „Tag des Sieges“ am 9. Mai seine Entschlossenheit. Selbst dem russischen Oberhaupt Vladimir Putin war die virale Lage zu heikel: Feierlichkeiten wurden abgesagt. Die Ignoranz von Lukaschenko in Kombination der Bilder und Berichte aus der EU und China führte dazu, dass die BürgerInnen der Republik Belarus sich freiwillig in Selbstisolation begaben, Homeoffice einführten und soziale Kontakte minimierten. Nachdem Chinas staatliche „Volkszeitung“ Ende Dezember 2019 die Krankheit vermeldete, verging fast ein Monat, in dem das Virus in Wuhan wütete. Dr. Li Wenliang, der die Entdeckung machte und davor warnte, wurde Anfang Jänner

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Entweder lassen PopulistInnen und deren Spin Doctors ihrer eigenen Kreativität freien Lauf oder sie verwerten „eingestaubte“ bzw. unbelegte Theorien. Das Ziel ist simpel: mediale Präsenz. Donald Trump hat bewiesen, welche Macht seine Tweets haben können. Selbst Börsenkurse sind dessen direktem Sprachrohr gegenüber nicht gewappnet, er muss dafür nicht einmal die zur Verfügung stehenden 288 Schriftzeichen verwenden. Direkte Kommunikation statt direkter Demokratie, Message out of Control oder gezielte Message Control: Mainstreammedien geben diese Botschaften, oft durch Screenshots verdoppelt, häufig unkommentiert wieder. Die Befürwortung erfolgt meist über befreundete gleichgesinnte Mediennetzwerke.

Mediales Alternativ-Bingo

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in den USA zeigte jedoch andere Tatsachen, da half auch nicht der Rat des Präsidenten, sich Desinfektionsmittel zu injizieren oder Bleichmitteln zu gurgeln. Nicht nur Bolsonaro schenkte dem Malaria-Medikament seine Aufmerksamkeit, auch Donald Trump sprach über dieses in Pressekonferenzen. Die präsidiale Zuwendung ging so weit, dass der amerikanische Staatschef seine Präventionstherapie beschrieb, um vor Covid-19 geschützt zu sein, bei der er angeblich jeden Tag eine Tablette Hydroxychloroquin einnahm. Entwaffnende Zeiten Stephan Russ-Mohl sowie Felix Simon sind sich bei der Frage, ob Covid-19 die Populisten dieser Welt entwaffnen wird, einig: Jein. Beide verweisen auf die länderspezifischen Merkmale, die Populisten zum Erfolg verhelfen. In den USA gewann der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden an Zuspruch, da Trumps Lügen mittlerweile mehr als offensichtlich seien, so RussMohl. Simon, Forscher am Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford, weist darauf hin, dass in Ländern wie Großbritannien und den USA die aktuellen Regierungen anfangs noch einen erhöhten Zuspruch erhielten. „Man nennt diesen Effekt im englischen ‚,Rally around the Flag‘“, so Simon. Dieser sei in beiden Ländern mittlerweile jedoch weitestgehend verschwunden. In Deutschland profitierten die CDU sowie Angela Merkel enorm von diesem Effekt, der für Krisenzeiten typisch sei. Weiters ist der Forscher der Meinung, dass Populisten, die nicht die Regierung bilden, sondern in der Opposition sind, eher verlieren als gewinnen. Die Regierungspartei ÖVP erlebte diesen Auftrieb bereits, denn laut Umfragen im April 2020 lag sie bei einem Zuspruch von 48%. Der Rückhalt für den italienischen Premierminister Giu-

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von staatlichen Behörden gezwungen, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Ein fragwürdiger „Lösungsansatz“, denn der Arzt verstarb Anfang Februar an dem sich rasant ausbreitenden Virus. Auf der anderen Seite des Globus wurden ebenfalls fragwürdige Lösungsansätze thematisiert, um vor dem Virus geschützt zu sein. Der brasilianische rechtspopulistische Präsident Jair Bolsonaro empfahl über Social Media das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin einzunehmen. Wissenschaftlich belegt? Nein. Weiters verharmloste das brasilianische Oberhaupt über „Twitter“ das Virus, indem er sich über den „kleinen Schnupfen“ sowie die „Medienhysterie“ verlachend äußerte. Der Venezolaner Nicolás Maduro tat es dem Brasilianer gleich. Resultat: „Facebook“ und „Twitter“ griffen durch und löschten Tweets und Posts mit Falschinformationen. Richtet man den Blick weg vom südlichen Amerika in Richtung Norden wird klar, weshalb die Debatte mancher amerikanischen Medien über die mentale Gesundheit der US-amerikanischen Präsidenten eine durchaus relevante ist. Laut Donald Trump sei das Virus ein Genie, das undurchschaubar ist und aus dem Forschungslabor aus Wuhan stamme, welches mithilfe von Frankreich gebaut wurde. Unzählige Berichte widerlegen die Laborherkunft des Virus, laut Felix Simon wurden die „Wuhan-Labor-Story und die angeblichen Geheimdienstberichte von der US-Botschaft in Canberra an eine australische Zeitung gefüttert. Trumps PandemieSlogan lautete: „Wir haben alles richtig gemacht, und China versucht die Wahlen in den USA zu sabotieren“. Die Wahlsabotage war im österreichischen Tirol zwar kein Thema, allerdings war man auch hier der Meinung, man habe alles richtiggemacht. Ein Blick auf die Zahlen

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seppe Conte und dessen Maßnahmen, die laut Simon recht früh relativ hart waren, stellten einen spannenden Fall dar. „Gleichzeitig wissen wir nicht, wie Salvini (Anm.: stv. Ministerpräsident bis August 2019) mit seiner sehr stark nationalistischen und faschistischen euroskeptischen Ideologie punkten wird, wenn die Krise überstanden ist“, fährt Felix Simon fort. Die ersten Aktionen wurden schon während der Krise gestartet. So entschieden sich Matteo Salvini sowie 70 seiner Abgeordneten dazu, am 29. April das Parlament zu besetzen, um dort zu übernachten. Mit diesem Protestakt forderte die rechte Lega-Partei konkrete Informationen zur Maskenpflicht und den sanitären Sicherheitsmaßnahmen. Auch in Österreich war Protest aus den Reihen der Opposition zu spüren. „Wo ist der Corona-Virus App?“ rief Herbert Kickl (FPÖ) am 27. Februar im Zuge der 12. Nationalratssitzung der aktuellen Legislaturperiode. Kickl forderte die aktuelle Regierung auf, digitale Maßnahmen zu setzen. Am 16. April kündigte der Klubobmann an, nachdem er im Nationalrat selbst eine App gefordert hatte, Anzeige gegen die „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes zu erstatten. Grund seien „massive datenschutzrechtliche Bedenken“ gewesen. Laut Simon haben es oppositionelle Populisten in solchen Zeiten nicht leicht. Die Medien waren und sind voll mit Berichterstattungen über die Pandemie. Zu erkennen sei dies daran, so Simon, dass sich rechtpopulistische Oppositionsparteien, wie die AFD oder die FPÖ, aktuell schwerer täten, mit ihren Themen durchzudringen. Auch die linkspopulistische italienische „Movimento 5 Stelle“-Bewegung habe es aktuell schwer, mit ihren Themen Aufmerksamkeit zu erhalten und sich in die öffentliche Diskussion einzubringen. Viraler Rückkopplungseffekt Stephan Russ-Mohl, Gründer des European Journalism Observatory, rückt im Zuge pandemischer Zeit einen weiteren Aspekt in den Vordergrund: Selbstkritik. Er persönlich streicht vorab hervor, dass viele KollegInnen im Journalismus einen bemerkenswerten Job leisten, gerade in so schwierigen Zeiten. Allerdings wünscht er sich von JournalistInnen mehr Selbstkritik. „Man sollte sich selbst fragen, was man da eigentlich tut und was man anderen möglicherweise antut“, so Russ-Mohl. Dies äußert er in Hinblick auf die, durch Zeitdruck und Ressourcenmangel entstandene Verwendung und Verbreitung perfekt inszenierter Propaganda und Zahlen aus China, einem Land, in dem jede Information nach außen entweder zensiert


Medialer Einfluss Der Wahlkampf Trumps hat gezeigt, welche Fäden im Hintergrund gezogen werden, um eine Wahl zu gewinnen. Laut Simon geschehen diese Hintergrundaktivitäten wie bei Trumps Wahlkampf 2016 „die ganze Zeit“: „Alle halbwegs vernünftigen Studien, die wir zu dem Thema haben zeigen, dass es davor schon ausgeklügelte digitale Wahlkampf-Strategien gab. Digitale Kampagnen mit gezieltem Bespielen von Inhalten an gewisse Gruppen hat man auch schon im Zuge der ObamaKampagne 2008 gemacht. Damals waren es halt die Guten.“ Auch die Propaganda-Netzwerke, die im Zuge der Trump-Kampagne vom Moskauer Kreml bespielt wurden, wären zum Teil schon vorher vorhanden gewesen und existierten immer noch. „Aktuell, Covid-19 ist hier ein gutes Bespiel, gibt es von Staaten organisierte Kampagnen, die darauf abzielen oder zumindest versuchen, Meinung zu beeinflussen bzw. Verwirrung zu stiften“, konstatiert

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Simon. Nur welcher Einfluss ist denn nun größer: jener der klassischen Medien oder doch das WWW? Russ-Mohl stellt klar: „Diese Frage ist nicht wirklich beantwortbar.“ Die Begründung hierfür liegt einerseits in der selektiven Nutzung des World Wide Web bzw. der Sozialen Medien und andererseits der Mainstreammedien. „Die klassischen Gatekeeper haben immer noch einen relativ großen Einfluss, wenn es darum geht, was zur Nachricht wird und hinterher zirkuliert, auch im WWW. Allerdings haben sie ihre Gatekeeper-Funktion verloren. Dass einige wenige große Anbieter im WWW, aber auch in klassischer Form dementsprechend einflussreich sind ist trivial. Da zählt auch Rupert Murdochs Medienimperium dazu, welches aufgrund der Spannweite (‚Fox News‘, ‚Wall Street Journal‘, etc.) durchaus bedrohlich „wirkt“, so RussMohl. Felix Simon tendiert in seiner Antwort auf obige Frage eher zu den klassischen Medien. Im Zuge der Debatte um Trumps Wahlkampf wurden diese direkten Medieneffekte erwähnt. „Trump mit ‚Fox News‘ erzeugt keine direkten „Sofort-Effekte“, behauptet Simon. „Das klassische Hypodermic Needle Model, laut dem man Personen mit Informationen füttern kann und die dann daraufhin machen, was man will, ist seit den 60er Jahren widerlegt. Diese direkten Effekte gibt es in der Breite nicht“, fährt Simon fort. Er sehe eher in den langfristigen Effekten und Feedbackmechanismen zwischen RezipientInnen und Mediennetzwerken eine subtile Form des Einflusses. „In dieser

Hinsicht sind die traditionellen Medien immer noch bedeutsamer. In den USA ist es immer noch das Fernsehen, das unter den Medienformen den größten Einfluss auf die Wahlentscheidung hat, aber eben auch nicht der einzige, weil etwa das soziale Umfeld, das Einkommen oder die Bildung oft viel mehr zählt.“ Digitale Medien seien zwar in den letzten Jahren deutlich – daher auch in ihrem Einfluss – gewachsen, „jedoch liegt die meiste Aufmerksamkeit immer noch bei den großen Playern wie etwa BBC, ZDF oder CNN. Der Reuters Digital Newsreport 2019 zeigt, dass für die meisten Länder Fernsehkanäle die höchste Reichweite und dadurch den größten Einfluss haben. Das überträgt sich durch deren eigene Websites zum Teil dann in das WWW.“ Russ-Mohl würde sich bei der Schulaufsatzfrage: Internet – Segen oder Fluch?, immer noch für die erstere Antwort entscheiden – auch in Kenntnis von Darknet, Bot-Netzwerken und Desinformationsschleudern. Der Grund: die Möglichkeit des selbständigen Faktenchecks und der Ermittlung von Zusatzinformationen. Medienkompetenz als Antidot zu Populismus Das aktuelle Regierungsprogramm von Türkis-Grün sieht im Bereich der Bildung eine Stärkung der Medienkompetenz vor, sowie der politischen Bildung. Gleichzeitig erlaube man aber JournalistInnen teils nicht mehr, bei Pressekonferenzen der Regierung Fragen zu stellen. Ebenfalls zeige man bislang ein

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oder verschönert bzw. abgeändert wird. „Selbst wenn es vertrauenswürdige Quellen sind wie zum Beispiel die WHO, haben auch diese über die landesinterne Lage Chinas keinen tatsächlichen Überblick. Woher wissen wir wirklich, dass es in China keine neuen Fälle gibt? Meiner Meinung nach wurde viel zu gläubig die chinesische Propaganda nachgebetet“, so Russ-Mohl. Dies gelte auch für viele weitere Meldungen, wie beispielsweise den Krankenhausbau in Wuhan, die man aus den klassischen Medien entnehmen kann. Laut Felix Simon sei Aufmerksamkeit jene Währung, die Autokraten und Populisten anstrebten, ganz gleich ob am linken oder rechten Rand des politischen Spektrums. Da sie meist extreme Positionen vertreten, fällt es ihnen schwer, eine größere Bevölkerungsschicht damit zu erreichen. Daher bedient man sich sozialen sowie alternativen Medienplattformen. „Zum einen, weil‚,Facebook‘ & Co. so gesehen keine richtige Gatekeeper-Funktion innehalten und daher jede/r diese Dienste nutzen kann“. Die extremen Inhalte, ob in Trumps Kurzform oder in Straches ausführlichen „Facebook“-Postings, seien oftmals dermaßen provozierend, dass viele JournalistInnen sich, laut Simon, dazu gezwungen fühlen „in irgendeiner Form darauf zu reagieren und zu berichten.“ Dies führe allerdings zu einem Rückkopplungseffekt: „Dadurch, dass darüber berichtet wird, dass XY etwas Fragwürdiges gesagt hat, verhilft man XY dazu, noch weitere Kreise der Gesellschaft zu erreichen. Es ist effektiv wie ein Virus“, pointiert Simon im Interview mit SUMO.

Mediales Alternativ-Bingo

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nicht zu verzeichnendes Interesse an einer Änderung des 2017 in Kraft getretenen Medienförderungsgesetztes, das schon damals sowie auch im März 2020 für heftige Diskussionen sorgte. Russ-Mohl meint, dass es PolitikerInnen sehr wohl bewusst sei, wie wichtig Medienkompetenz ist, allerdings verweist er auf den legendären Satz des einstigen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder: „Zum Regieren brauch‘ ich nur ‚BILD‘, ‚Bams‘ (‚Bild am Sonntag‘) und Glotze.“ Felix Simon betont neben der Bedeutung schulischer Medienbildung noch eine weitere: „Es sind die Eltern und Großeltern, die hier mehr Erfahrung brauchen.“ Laut Statistik Austria belief sich 2019 der Bevölkerungsanteil Österreichs im Alter zwischen 45-64 auf 29%. „Es gibt Studien über die USA, die zeigen, dass vor allem die Gruppe 50-65+ diejenige ist, die am anfälligsten für Falschinformationen im Internet ist. Allerdings, wenn ich die Dinge glauben will, dann glaube ich was ich lese oder sehe. Da hilft oft auch keine Medienkompetenz.“ Stichwort: Motivated Reasoning und Confirmation Bias. Ersteres beschreibt das unbemerkte Lenken eines Denkprozesses in jene Richtung, die ein bestimmtes Ergebnis präferiert. Dies geschieht durch einen systematischen Fehler

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bei der Abrufung oder Bewertung von Information. Unter dem Confirmation Bias (zu Deutsch auch Bestätigungsfehler) versteht man die Bestätigung eigener Hypothesen durch das Bevorzugen passender Informationen oder Quellen, unabhängig von deren Wahrheitsgehalt. Allerdings wären die Kosten für eine Generation, die sich entweder schon in der Pension befindet (oder auf diese zugeht) für eine Regierung in aktuellen Zeiten schwer zu rechtfertigen. Obendrein würde laut Medienwissenschaftler Russ-Mohl „das Leben der PolitikerInnen nicht leichter werden, wenn sie

auf sehr viele sehr medienkompetente BürgerInnen stoßen würden. Wenn man sich die Bildungspolitik der letzten 20 Jahre ansieht, dann darf man davon ausgehen, dass hier kein großes Interesse besteht, dies zu ändern, auch um etwas Langfristiges für die Demokratie zu tun.“ Er sehe meist nur ein zentrales primäres Interesse bei den meisten PolitikerInnen: die Wiederwahl. „Dementsprechend werden die Prioritäten gelegt. Da zählt die Medienkompetenz nicht dazu. Rente ist für ein altes Wählervolk wichtiger als die Medienpolitik.“

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von Lukas Pleyer


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Hate Speech und die Politik Hate Speeches können jede/n treffen – unter anderem auch PolitikerInnen. SUMO hat versucht mit Betroffenen zu sprechen, leider ergebnislos. Der Artikel befasst sich daher damit, wie die Politik mit Hate Speeches umgeht und welche Maßnahmen und Initiativen es gegen dieses problematische Phänomen gibt. den. Ein Opfer unkontrollierten Hasses wurde die britische Labour-Abgeordnete Helen Joanne „Jo“ Cox. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete am 23.11.2016 über diesen Fall. Cox setzte sich im Zuge des Austrittsreferendums („Brexit“) für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ein. Eine Woche bevor dieses Referendum stattgefunden hatte, wurde die Politikerin aufgrund ihrer politischen Einstellung von einem Mann auf offener Straße angeschossen und anschließend erstochen. Er soll bevor er auf sie geschossen hat „Britain first“ gerufen haben. Der Täter wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein weiterer Fall, in dem ein Politiker aufgrund seiner Einstellung getötet wurde ist jener von Walter Lübcke. „ZDF-Heute“ berichtete am 29.04.2020 über diesen Mord. Lübcke war Regierungspräsident von Kassel und wurde im Juni 2019 in seinem Haus erschossen. In Deutschland war dies der erste Mord an einer/m PolitikerIn seit 1984. Aus dem Beitrag geht ebenfalls hervor, dass ein Verdächtiger im April 2020 angeklagt wurde. Lübcke setzte sich für Flüchtlinge ein, der Angeklagte soll ihn aus rechtsextremen Motiven getötet haben. Der Prozess steht noch aus (Stand Mai 2020).

„Hate Speech“ kann bis zum Tod führen Im Extremfall kann Hass gegenüber PolitikerInnen mit dem Tod dieser en-

Hate Speech kann jede/n treffen Dass nicht nur PolitkerInnen zur Zielscheibe von Hate-Speeches werden,

zeigt eine von FORSA im Auftrag der Landesanstalt für Medien NordrheinWestfalen durchgeführten Studie. Dafür wurden im Dezember 2018 1.005 Personen ab 14 Jahren in Deutschland mittels eines Online-Fragebogens zu diesem Thema befragt. 47% der Befragten gaben an, dass sie in Sozialen Medien schon einmal mit Hass konfrontiert waren, auf Nachrichtenwebsites waren dies 35%. 2% erhielten schon einmal persönlich adressierte Hassnachrichten per Mail. In der Studie wurde ebenfalls erhoben, ob die befragten Personen sich an Diskussionen im Internet beteiligen. Bei dieser Frage konnten geschlechterspezifische Unterschiede festgestellt werden. 58% der Männer gaben an, sich an Diskussionen zu beteiligen, bei den Frauen war der Anteil mit 40% deutlich geringer. Rechtliche Schritte in Österreich Nicht alle Äußerungen und Taten, die unter den Begriff „Hate Speech“ fallen sind auch tatsächlich Straftaten. In Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention wird die Meinungsfreiheit jeder einzelnen Person festgelegt, so hat jede/r BürgerIn das Recht, ihre/seine Meinung frei zum Ausdruck zu bringen. Dieses Recht kann jedoch unter gewissen Voraussetzungen eingeschränkt werden. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn

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Jörg Meinbauer definiert in seinem 2013 im Sammelband „Hassrede/Hate Speech – Interdisziplinäre Beiträge zu einer aktuellen Diskussion“ erschienenen Artikel den Begriff wie folgt: „Unter Hate Speech – hier übersetzt mit ‚Hassrede‘– wird im Allgemeinen der sprachliche Ausdruck von Hass gegen Personen oder Gruppen verstanden, insbesondere durch die Verwendung von Ausdrücken, die der Herabsetzung und Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen dienen“. Speziell PolitikerInnen werden immer wieder Zielscheibe verschiedener Hassausprägungen. Dies zeigt der Artikel „43 Gewaltdelikte in einem Jahr“ des „ARD-Faktenfinders“ (20.06.2019). Im Jahr 2018 gab es so laut Bundeskriminalamt 1.256 Straftaten gegen PolitikerInnen in Deutschland, in 43 Fällen wurden diese als Gewaltdelikte eingestuft. Insgesamt wurden von den 1.256 Straftaten 517 von rechts- und 209 von links-motivierten TäterInnen begangen. Als nicht zuordnende, ausländisch-ideologische oder religiös motivierte Taten zählte man 664. Im Jahr 2017 wurden laut Bundeskriminalamt 1.512 und im Jahr 2016 1.840 Straftaten gegenüber PolitikerInnen in Deutschland begangen.

Hate Speech und die Politik

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Gesundheit oder Moral geschützt werden müssen. Des Weiteren ist eine Einschränkung möglich, wenn diese zur Verbrechensverhütung oder zum Schutz des guten Rufs dient. Aufgrund der unterschiedlichen Formen von „Hate-Speeches“ gibt es kein einheitliches Gesetz, nach dem über Fälle von Hassreden geurteilt werden könnte. Es gibt jedoch unterschiedliche Gesetze in Österreich, die einzelne Ausprägungen abdecken. Personen, die öffentlich Verhetzung betreiben, können nach §283 des Strafgesetzbuchs verurteilt werden. Dort ist festgelegt, dass Personen, die verhetzende Botschaften in Bezug auf Religion, Staatsangehörigkeit, Weltanschauung, Hautfarbe und anderem verbreiten, mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren bestraft werden können. Die Leugnung des Holocausts oder die Verherrlichung der Taten der NationalsozialistInnen kann nach §3 des Verbotsgesetzes ebenfalls zu Verurteilungen führen. Verschiedene Formen der Hassreden können nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich verfolgt werden. Entsteht etwa durch eine Hassrede ein Schaden, der beispielsweise zu Gewinnverlusten führt, kann nach §1330 des Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgrund der Ehrenbeleidigung geurteilt werden. Laut der Website des österreichischen Klagsverbands gibt es bei Klagen, die “Hate Speeches“ betreffen, nur sehr wenige Verurteilungen.

wegen: Alter, Behinderung, ethnischer Herkunft, Geschlecht, politischer Anschauung, Religion, sexueller Ausrichtung und sozialer Herkunft. Anschließend soll noch ein Screenshot und der Link zum Hassposting in die App geladen werden. Die gemeldeten Postings werden von der Antidiskriminierungsstelle geprüft. Diese fordert die BetreiberInnen der Social-Media-Sites zur Löschung der Postings auf. Sollten Inhalte auch von strafrechtlicher Relevanz sein, kann dies auch angezeigt werden. Rolle der Medien Aber auch die Medien sind in ihrer prinzipiellen Vermittlungs- und Thematisierungsrolle gefragt. Liriam Sponholz forscht an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unter anderem zu diesem Thema und habilitierte 2018 an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt zu „Hate Speech in den Massenmedien“. Sie konstatiert darin: „Was das Verhältnis von Medien und Hate Speech betrifft, können Medien diese Inhalte: nicht thematisieren, als Nonsens thematisieren, als Skandal thematisieren, als Kontroverse thematisieren, mit anderen gesellschaftlichen Akteuren eine öffentliche Streitfrage generieren.“ (Sponholz 2018, S. 137) Und Ronald Pohl, Kulturjournalist beim „STANDARD“, rief im selbigen (16.02.2020) dazu auf: „Alle durch Hate-Speech Diffamierten gehören aus der Erstarrung der Opferrolle erlöst. Das wirkungsvollste Druckmittel gegenüber Ressentiment ist die Widerrede: Aufmüpfigkeit, die sich ihre gedankliche Eigenständigkeit bewahrt.“ von Viktoria Strobl

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Maßnahmen Jede/r kann von Hate-Speeches betroffen sein, daher wurde im Jahr 2013 die Initiative „No Hate Speech Movement“

vom Europarat gegründet. Auf der Homepage der österreichischen Variante der Initiative „National No Hate Speech Komitee“ wird erklärt, welchen Zweck diese Initiative hat. Es soll unter anderem Menschen anregen, gegen Hass vorzugehen und Aktionen zu unterstützen, die sich mit dieser Thematik befassen. Die vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend und vom bundesweiten Netzwerk für offene Jugendarbeit unterstützte Initiative bietet außerdem Ratschläge zum Umgang mit Hass. Eine weitere Maßnahme gegen Hass im Netz wurde 2017 vom Land Steiermark, der Stadt Graz und der Antidiskriminierungsstelle Steiermark ins Leben gerufen. Laut Presseaussendung der Antidiskriminierungsstelle vom 18.04.2018 ist die „Ban-Hate-App“ international die erste App, die es ermöglicht, Hasspostings zu melden. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Daniela Grabovic, äußerte sich in der Aussendung wie folgt: „Leider nimmt die Anzahl der Hasspostings weiter rapide zu. Um ein Gegengewicht dazu zu schaffen und nicht tatenlos zuzuschauen, haben wir diese App entwickelt. Wir hoffen auf eine starke Beteiligung der Menschen und auf Zivilcourage. Gemeinsam können wir zeigen, dass Hass im Netz keine Chance hat.“ Auf der Homepage der „Ban-Hate-App“ wird beschrieben, wie die UserInnen, die ein Hassposting gegen sich oder andere entdecken, vorgehen sollen. Zuerst muss bekanntgegeben werden, auf welchem Social-Media-Kanal das Posting zu finden ist. Im Anschluss können die UserInnen den Hass einer Kategorie zuordnen, unterteilt in Diskriminierung

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Hate Speech und die Politik


„Illegale“, „EinwanderInnen“ oder „AsylantInnen“ werden sie in den Medien genannt. Sie selbst werden kaum zu Wort gebeten. Als Präsident Erdogan am 1. März 2020 verkündete, dass die Türkei syrische Kriegsflüchtlinge nicht mehr an der Weiterreise nach Europa hindern werde, entfachte die Migrationsdebatte erneut. Der Krieg dauert noch immer an Seit neun Jahren herrscht in Syrien ein erbarmungsloser Bürgerkrieg. Ausgelöst wurden die Spannungen durch friedliche Proteste gegen die autoritäre Herrschaft des Präsidenten Baschar alAssad während des Arabischen Frühlings 2011. Im Laufe des Konfliktes geriet der Gedanke der Demokratisierung zunehmend in den Hintergrund, stattdessen kam es zu einem Krieg unterschiedlicher Religionen und Ethnien. Gegenwärtig kämpfen die Türkei und islamistische Rebellen, sowie Terroristen in der Stadt Idlib gegen die syrische Armee des Präsidenten al-Assad, Russland und Iran. Die Türkei griff in die Auseinandersetzungen ein, um sich kurdische RebellInnen, die das Grenzgebiet beherrschen, vom nationalen Leibe zu halten. Erdogan möchte so progressive und emanzipatorische Bestrebungen der türkischen KurdInnen unterbinden. Zusätzlich werden die RebellInnen von Saudi-Arabien und den USA unterstützt, den Erzfeinden des Irans.

Flucht vor Diversität in österreichischen Medien und der Politik Die Wörter „Flüchtlingswelle“ und „illegaler Migrantenstrom“ sind aus der Berichterstattung des Jahres 2015 nicht mehr wegzudenken. Fünf Jahre später ist die Sprache der Politik und der Medien vielfach weiterhin aggressiv, bei RezipientInnen schürt diese Wortwahl Angst. Sie löst mitunter gar Panik aus, vor dem Ungewissen und dem Fremden. Laut der Bilanz 2019 des Bundesamts für Fremdwesen und Aysl (Stand: 10.01.2020) wurden seit 1. Jänner 2015 in Österreich mehr als 180.000 Asylanträge gestellt, trotzdem muss man nach den persönlichen Erfahrungen der Betroffenen in nationalen Medien mit der Lupe suchen. Nahezu ein Viertel der Bevölkerung Österreichs hat einen Migrationshintergrund. Für eine repräsentative Darstellung dieser müssten 45 der 183 Nationalratsabgeordneten einen Migrationshintergrund haben – tatsächlich sind es neun. Ebenso erheblich unterrepräsentiert sind diese Personen in österreichischen Medien, auch in Qualitätsmedien. Anstatt für mehr Diversität unter den eigenen MitarbeiterInnen zu sorgen, lassen sich maximal Gastkommentare zu besonderen Medienereignissen von ausländischen JournalistInnen finden. Marie-Claire Sowinetz von UNHCR betont, dass die Perspektive der Flücht-

linge in der Berichterstattung oft zu kurz kommt. „Vor allem in der Zeit von 2015 bis 2016 wurde festgestellt, dass es häufig nur zwei Arten der Berichterstattung über Flüchtlinge gab: entweder Flüchtlinge als Opfer darzustellen, oder als potenzielle Bedrohung für die Aufnahmeländer“, erinnert sie sich. Während sich die negative Berichterstattung über Flucht in den letzten Jahren bei 4% der Artikel hielt, zeigt eine Studie des Wiener Publizistikinstituts, dass es im Jahr 2019 schon 7% waren, berichtete Hausjell bei einer Veranstaltung im April 2019 im Rahmen des Projekts „Core – Integration im Zentrum“. Der Anteil positiver Berichterstattung über AsylwerberInnen lag 2019 bei 21,8%, im Vorjahr um 1,7% höher. Das Projekt der Stadt Wien wurde durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen der „Urban Innovative Actions Initiative“ kofinanziert. Die 2019 publizierte Studie „Stumme Migranten, laute Politik, gespaltene Medien“ der Otto Brenner-Stiftung untersuchte die Berichterstattung über die Themen Flucht und Migration in 17 Ländern. Verglichen wurden 2.400 Artikel aus sechs Wochen zwischen August 2015 und März 2018. In Deutschland wurden die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Untersuchungsobjekte. Die Studie ergab, dass lediglich in einem Viertel der Berichte die Geflüchteten im Mittel-

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Die Krise der Europäischen Union ist heute fünf Jahre her, trotzdem versuchen täglich Menschen nach Europa zu gelangen. Jeden Tag wird über sie berichtet, aber wie? Was bewirken die bewusst gewählten Begriffe in unserer Mediengesellschaft? SUMO hat dazu mit einem Geflüchteten, sowie mit Univ.-Prof. Fritz Hausjell (Univ. Wien) und Marie-Claire Sowinetz, Mitarbeiterin der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR gesprochen.

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Emotionalisierung und Dramatisierung um jeden Preis

Emotionalisierung und Dramatisierung um jeden Preis

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Erfahrungen eines Geflüchteten aus Syrien X. möchte lieber anonym bleiben, er hat in der Vergangenheit nicht so gute Erfahrungen mit Interviews gemacht. Er lebt jetzt schon seit sechs Jahren in Österreich. In Syrien studierte er Rechtwissenschaften, doch zu seiner Enttäuschung wurde sein Studienfortschritt hier nicht anerkannt. Heute arbeitet er im Bereich Organisationsmanagement. Zur ständigen Berichterstattung über Flüchtlinge sagt er zu SUMO, dass diese nur dazu führt, dass das Thema gehasst wird, unabhängig davon, ob positiv oder negativ berichtet wird. „Es scheint aber so, als würde sowieso nur Negatives geschrieben werden. Ja, natürlich gibt es Kriminelle unter den Flüchtlingen, die Leute sind sicher nicht alle vom Himmel gefallen, aber die gibt es überall, auch in Österreich, sonst bräuchte man hier ja keine Polizei oder Gerichte. Keiner sagt etwas Positives über Flüchtlinge. Es gibt nur Bilder von geflohenen Menschen, die mit einer negativen Schlagzeile verbunden werden. Das ist verletzend. Die abgebildete Person hat keine Ahnung davon und hat das auch sicherlich nicht bewilligt. Warum gibt es keinen Respekt vor der Privatsphäre? Ich zum Beispiel will in Österreich eine Karriere haben und da möchte ich keine Bilder von mir auf der Flucht in den Medien finden. Das ist meine Entscheidung. Das ist mein Leben“, sagt er. SUMO: „Findest du, dass in den Medien zu wenige Flüchtlinge ihre Geschichte selbst erzählen?“ X.: „In den Medien gibt‘s gar nichts. Da sind Plattformen wie ‚‚Facebook‘ dafür zuständig“, sagt er enttäuscht. „Manche Leute interessieren sich für unsere Geschichte und möchten sie von uns hören, nicht von Unbetroffenen“. Außerdem kritisiert X., dass obwohl er in Österreich GIS-Gebühren bezahle, er sich im österreichischen Fernsehen nicht repräsentiert fühle. „Ich fände es besser, wenn es bunter und vielfältiger wäre. Die Aufregung um den ZIB-Moderator [Anm.: Stefan Lenglinger] habe ich nicht verstanden: er ist doch Österreicher und hier geboren“, stellt X. fest. „Ich spreche aber nicht nur von Nachrichten, auch in Serien oder Filmen sieht man kaum AusländerInnen. Das ist nicht die Realität. Geht mal auf die Straße in Wien und seht, wie viele Leute da sind. Warum wird das nicht dargestellt? Auch andere soziale Gruppen, wie Homosexuelle oder Menschen mit Behinderungen werden einfach ausgelassen.“

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Über die PolitikerInnen, die von Begriffen wie „Islamisierung“ sprechen, sagt er, dass sie nur die Bevölkerung spalten und die EinwandererInnen weiter ausschließen wollen. Es gebe einige Menschen, die ihren religiösen Glauben hinter sich lassen. Auch in Syrien lebe ein signifikanter Teil der Bevölkerung ohne Bekenntnis. Er bedauert, dass darüber niemand spreche. „Es wird immer nur über die paar EuropäerInnen gesprochen, die zum Islam konvertieren. Ich persönlich bete nicht fünfmal täglich und während dem Ramadan faste ich auch nicht. Ich esse sogar Schweinefleisch. Meiner Meinung bin ich gar kein richtiger Muslim, aber für die PolitikerInnen hier werde ich immer einer sein.“ SUMO: „Was würdest du PolitikerInnen gerne sagen?“ X.: „Bitte, macht den Leuten keine Angst. Sucht euch gefälligst einen anderen Plan, eure Wahl zu gewinnen!“

Viele Redaktionen hätten mit schrumpfenden Ressourcen zu kämpfen und somit fehlten oft Zeit, Geld und Möglichkeiten, ein Thema ausreichend zu beleuchten fehlen. „Daher versucht man, komplexe Inhalte einfach und schnell runter zu brechen und das führt dann zu den gängigen Erzählmustern. Auch Soziale Medien, in denen sehr emotional diskutiert wird, spielen hier eine zentrale Rolle“, sagt Sowinetz.

Warum kommt es zu Framing? Hausjell, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem medialen Diskurs über Geflüchtete und den dazugehörigen Frames, SUMO hat nachgefragt, wie diese historisch entstanden sind. „Frames gab es schon während der NS-Zeit. Schon damals wurden Flüchtende mit Kriminellen gleichgestellt. Allerdings wurden da sogenannte VaterlandsverräterInnen, die aus dem NS-Regime flüchteten, gemeint. Zusätzlichen ist mit der Vertreibung der jüdischen JournalistInnen eine gewisse Art der Recherche in Österreich verloren gegangen. Anders als im Christentum, ist es im Judentum üblich, Wissen durch ein ständiges Hinterfragen und Diskutieren mit dem Rabbiner zu erlangen. Das hat sich auch in der Berichterstattung jüdischer JournalistInnen widergespiegelt, denn das ist eigentlich das journalistische Prinzip.“ Zur Problematik der Frames in der aktuellen Berichterstattung erklärt Sowinetz, dass Flucht und Migration sehr komplexe Themen seien, die sich nicht in einem kurzen Artikel erklären lassen.

Eine Zukunft ohne Frames Um Perspektivenverlust zu verhindern und mehr Realität in die Medien und die Politik zu bringen, müssen JournalistInnen ihre Vorurteile hinterfragen und ihr eigenes Tun kritisch reflektieren. Sowinetz verweist zum Beispiel auf die „Checkliste Verantwortungsvoller Journalismus in der Flüchtlingsberichterstattung“ von „The Ethical Journalism Network“. Auch UNHCR selbst unterstützt und schult JournalistInnen mittels der Carta di Roma und „Guidance by and for Journalists“. Die Fundamental Rights Agency der EU hat ein Tool für ethisch korrekten Journalismus entwickelt, erzählt sie. „Das Magazin ‚‚Biber‘ bietet Schulung bzw. Trainings für JournalistInnen und Menschen mit Fluchthintergrund an, die in den Medien arbeiten wollen. Es gibt einige Tools, man muss sie nur nutzen.“ Hausjell sieht die Herausforderung in der Personalpolitik. „Es lohnt sich, Talente im Minoritätenbereich zu fördern. Das beste Beispiel dafür ist die‚‚‚New York Times‘. 2018 gehörten 30% ihrer MitarbeiterInnen zu Minoritäten. Weiters verweist er auf den ökonomischen Aspekt einer weiteren Zielgruppe. Er schlägt vor, einzelne Seiten zweisprachig zu gestalten oder vergünstigte und zeitlich begrenzte Abonnements, ähnlich wie bereits für Studierende vorhanden, für Geflüchtete und MigrantInnen zu diskutieren. „Ethno-Marketing ist heute vielen noch ein Fremdwort. Es geht den Medien schlichtweg zu gut, aber das wird nicht immer so bleiben“, so Hausjell. von Therese Sterniczky

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Emotionalisierung und Dramatisierung um jeden Preis

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punkt standen, zumeist als namenlose Gruppe. Bloß in 8% der Fälle wurde über die persönlichen Geschichten und Schicksale der MigrantInnen geschrieben.


TURN THE PAGE 180 DEGREES! WHAT DO YOU SEE?*

*Is it an ice cream cone and a chicken or a pelican? Nope, it‘s our logo but upside down. Still, for us, it‘s important to see things from different perspectives to keep things moving. LUX FUX is an up-and-coming digital marketing agency with offices in Salzburg and Vienna. Feel free to check out our website: luxfux.at Instagram: @luxfux.agency


Wenn Lesen nicht selbstverständlich ist

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Für bildungsbenachteiligte Menschen ist das gesellschaftliche Verständnis oft gering. SUMO geht im Gespräch mit Astrid Klopf-Kellerer, Programmmanagerin der Basisbildung für Jugendliche und Erwachsene an den Wiener Volkshochschulen, und Kathrin Schindele, Abgeordnete des NÖ Landtags und Obfrau des Bildungsausschusses, den Fragen zu den Herausforderungen von funktionalem Analphabetismus für Betroffene, Medien und Politik auf den Grund.

Lesen bildet die Basis in vielerlei Lebensbereichen – sei es, um sich im Alltag und Beruf selbstständig zurechtzufinden, Formulare auszufüllen oder um einfache Schlüsse zu ziehen, ohne diese Fähigkeit können die gesellschaftlichen Erfordernisse nur schwer erfüllt werden. Im Gegensatz zum bekannteren primären Analphabetismus, welcher den allgemein fehlenden Erwerb der Kenntnisse beschreibt, um zu schreiben, zu lesen oder zu rechnen, bezeichnet der Begriff „Funktionaler Analphabetismus“ den partiellen Verlust bereits erworbener Grundkompetenzen im Lesen und/oder Schreiben. Das österreichische Bildungsministerium, aber auch Kursanbieter verwenden anstelle letzteren Begriffs den Ausdruck „bildungsbenachteiligte Menschen“. Damit einher geht eine erschwerte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies trifft laut der PIAAC-Studie 2013 (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) auf fast eine Million Menschen in Österreich zu. Folgende Fragen gilt es daher zu beantworten: Wie reagiert die Bildungspolitik auf den Handlungsbedarf? Wie handeln Medien in Bezug auf die Bildungsfrage und welche Rolle kommt ihnen in der Bildungsdiskussion zu? Von den Anfängen bis Heute Anfang der 1990er Jahre wurde das Thema in Österreich erstmals in einem „bottom-up-Prozess“ öffentlich diskutiert. Damals seien die ersten Basisbildungskurse für Erwachsene, die in der Schule nicht ausreichend Lese- und Schreibkompetenzen aufbauen konnten und Schwierigkeiten in Alltag und Berufsleben feststellten, entstanden, beschreibt Astrid Klopf-Kellerer. Das Verständnis für die Angebote für bildungsbenachteilige Erwachsene sei aber noch gering gewesen. „Über all

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Wenn Lesen nicht selbstverständlich ist Thema

diese Jahre hinweg ist ganz viel Aufbauarbeit passiert“, erzählt Astrid KlopfKellerer. Dazu trage das seit 2012 bestehende nationale Förderprogramm der „Initiative Erwachsenbildung“, das unter anderem das kostenfreie Besuchen von Kursen ermöglicht, maßgeblich bei. Bezogen auf die mediale Berichterstattung würde das Thema jedoch zu wenig konkretisiert werden: Anstelle von vereinzelten Beiträgen sei die Thematisierung mithilfe von Kampagnen oder Monatsschwerpunkten erforderlich, um es von unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und das Bewusstsein der Allgemeinheit zu schärfen.

Kathrin Schindele / Copyright: Herbert Käfer

Astrid Klopf-Kellerer / Copyright: Gerhard Klopf


Gerade der Gesichtspunkt der Stigmatisierung müsse in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden, da vielen bildungsbenachteiligten Personen die Inanspruchnahme der Kursangebote durch Scham und Angst vor Diskriminierung schwerfalle. Daher sieht Klopf-Kellerer die Aufgabe der Medien bezogen auf bildungsbenachteiligte Menschen in der Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung. Auch Kathrin Schindele fordert gezielte Lobbyarbeit, um das negativ behaftete Bild, das in der Gesellschaft häufig vorherrschend ist, zu beseitigen. Dabei müsse außerdem das direkte Gespräch mit den Betroffenen gesucht werden. Sie betont ebenfalls, dass die verschiedenen Ursachen und Hintergründe, die das Entstehen eines Bildungsdefizits begünstigen, in der Bildungsdiskussion nicht vorweggelassen werden dürfen. Wie Schindele erläutert, tragen die Medien auch aus demokratiepolitischer Sicht eine große Verantwortung. Daher müssen ausreichend Vergleichsmöglichkeiten „für eine Meinungsbildung, die verschiedene Sichtweisen zulässt“, vorhanden sein. Klopf-Kellerer hebt hervor, dass gerade die Personengruppe, die Schwierigkeiten beim Erfassen von besonders langen oder komplizierten Texten hat, eine Chance zur Erprobung und Verbesserung ihrer Kenntnisse benötigt. Dazu seien nicht nur die offensichtlich geeigneten Mediengattungen Fernsehen und Radio, sondern auch Print und Online angebracht. Ein besonderes Augenmerk müsse hierbei aber daraufgelegt werden, die Inhalte entsprechend aufzubereiten. Mithilfe von Abstracts oder Infokästen, die die wichtigsten Inhalte kurz und knapp wiedergeben, könne man zusätzliche Leseanreize schaffen. Eine Herausforderung in Bezug auf die Stigmatisierung liege auch in der korrekten Verwendung von Begrifflichkeiten, merkt Schindele an. Für die Anbieterorganisationen, bekräftigt Klopf-Kellerer, stelle daher das kompetenzorientierte Wording einen wesentlichen Aspekt dar. Anstelle des diskriminierenden Begriffes „funktionaler AnalphabetInnen“ eigne sich der Ausdruck „bildungsbenachteiligte Menschen“ besser, um auf die Bildungsbenachteiligungen in ihrem Lebensumfeld und Basisbildungsbedarfe im Erwachsenenalter aufmerksam zu machen. „Das, denke ich, ist einer der wichtigsten Punkte, wenn man das vermitteln kann auf gesellschaftspolitischen Ebene, dass es nicht das Eigenverschulden ist, sondern dass es Benachteiligungen sind, und dass es ein Aspekt der Persönlichkeit ist“, erklärt Klopf-Kellerer.

Sie verweist auch darauf, dass mehr als 60% der betroffenen Menschen berufstätig sind und fest im Leben stehen, entgegen der Diskriminierung, mit der bildungsbenachteiligte Menschen häufig konfrontiert sind. Leben mit geringer Literalität Die deutsche Studie „LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität“ befasst sich mit der Lese- und Schreibkompetenz speziell bezogen auf den Alltag und die soziale Teilhabe von deutschsprachigen 18- bis 64-Jährigen. Gemessen an den sogenannten Alpha-Levels sind ca. 6,2 Mio. Erwachsene bzw. 12,1% der erwachsenen Bevölkerung (Alpha 1 bis 3) gering literalisiert. Das Ergebnis zeigt gemessen am Anteil der erwachsenen Bevölkerung eine Verminderung um 2,4 Prozentpunkte im Vergleich zur LEOStudie 2010 (7,5 Mio. Erwachsene). Eine Auswirkung lässt sich beispielsweise bezogen auf die Arbeitssuche erkennen: Rund 13% der gering literalisierten Erwachsenen sind arbeitslos, und von den erwerbstätigen Personen (62,3%) sorgt sich knapp ein Viertel um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Daher stellt sich auch die Frage, wie lange dieser Zustand noch wirtschaftlich tragbar ist. „Ich sage ganz ehrlich, wir können uns das jetzt schon nicht mehr leisten“, merkt Schindele an. Vor allem in Hinblick auf die Ungewissheit über das Entstehen neuer Arbeitsfelder seien rasche und nachhaltige Gesellschaftsinvestitionen nötig. Einen weiteren Aspekt hebt die Studie beim Thema digitaler Kommunikation hervor: Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nutzen bildungsbenachteiligte Erwachsene häufiger Sprachnachrichten oder Videotelefonie anstelle von Kurznachrichten. Auch die Kommunikation via E-Mail wird von nur etwas mehr als einem Drittel präferiert. In Bezug auf politische Praktiken lässt sich erkennen, dass die fehlende schriftliche Kompetenz Folgen hat: So informieren sich nur 23,6% über das Nachrichtengeschehen per Zeitung oder Internet, Nachrichtensendungen werden deutlich häufiger konsumiert (61,7%). Gering literalisierte Menschen zeigen laut der Studie zudem weniger ehrenamtliches Engagement (7,1%) im Vergleich zu literalisierten Personen (23,1%). Bezogen auf die Wahlbeteiligung lässt sich erkennen, dass nur 62,2% der Betroffenen vom Wahlrecht Gebrauch nehmen (Gesamtbevölkerung: 87,3%). Eine weitere Herausforderung lässt sich bei der Gesundheitskompetenz erkennen: Beipackzettel von Medikamenten werden nur von 55,8% der Erwachsenen mit Basisbildungsbedarf gelesen, und

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Bildung als Basis Erwachsenenbildung bildet einen Grundpfeiler der Fördermaßnahmen von bildungsbenachteiligten Menschen. Das Konzept der Basisbildung hebt sich laut dem Bundesministerium für Bildung durch eine Erweiterung um demokratische, teilhabende, selbstkritische und kritisch handlungsorientierte Lerndimensionen vom Verständnis der Alphabetisierung im Sinne des Erwerbes der Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeit ab. Laut Klopf-Kellerer stehe insbesondere die direkte Einbindung der KursteilnehmerInnen bei der Erreichung ihrer individuellen Ziele und Bedürfnisse im Vordergrund. Kathrin Schindele betont zudem die Wichtigkeit der verschiedenen Institute wie beispielsweise Volkshochschulen (VHS) oder Wirtschaftsförderinstitut (WIFI), die verschiedenste Erwachsenenbildungsmöglichkeiten anbieten. Bildung sollte für jeden zugänglich sein, so das Credo. Dazu zählt nicht nur der kostenlose Zugang zu Kursen, sondern auch die adäquate Aufteilung der Fördermittel. Schindele hebt außerdem hervor, dass in der Qualität nicht zwischen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen differenziert werden darf. Astrid Klopf-Kellerer kennt durch ihre Arbeit im Programmmanagement der Basisbildung für Jugendliche und Erwachsene und als Fachkoordinatorin der VHS Wien die Herausforderungen, die in der Praxis auftreten. Besonders schwierig sei es, Menschen, die Deutsch als Erstsprache sprechen, mit den Bildungsangeboten zu erreichen. Dazu sollen verstärkte Werbemaßnahmen und Informationsmanagement, aber auch die forcierte Einbindung der betroffenen Personen einen maßgeblichen Beitrag leisten können. Ein großflächiger Ausbau der Kursangebote ist für Schindele unerlässlich, um die breit gefächerte Zielgruppe erreichen zu

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können. In Bezug auf die in Österreich zugänglichen Angebote merkt KlopfKellerer Folgendes an: „Meines Erachtens sollte das Angebot gerade speziell in der Basisbildung erweitert werden. Wir erreichen ja nur einen kleinen Teil der Menschen mit unseren Angeboten, und es ist natürlich eine Frage des Budgets.“ Dennoch sei die Wertschätzung und Dankbarkeit der Menschen, die die Basisbildungsangebote beanspruchen, sehr hoch. Kompetenzorientiertes (anstelle von fehlerorientiertem) Arbeiten in Kleingruppen trage dazu maßgeblich bei. Klopf-Kellerer berichtet auch von Gesprächen mit KursbesucherInnen, die im Gegensatz zu den oft negativen Lernerfahrungen in der Schule als Erwachsene erstmals über positive Lernerfahrungen und -erfolge sprechen. Astrid Klopf-Kellerer und Kathrin Schindele sind sich darüber einig, dass es insbesondere lokale Initiativen brauche, die bildungsbenachteiligte Menschen zusammenbringt und gesellschaftlich integriert. Einen relevanten Knotenpunkt stellt auch die Schul- und Bildungspolitik dar. Wie Schindele unterstreicht, liege ein erster Schritt darin, sich einzugestehen, dass das Thema Analphabetismus einen hohen Stellenwert im Bildungsdiskurs einnimmt. Dazu brauche es ausreichend Gesprächsmöglichkeiten und Unterstützungssysteme – vor allem für die Lehrkräfte, merkt Klopf-Kellerer an. Als Lehrerin sind auch Schindele die Herausforderungen der Praxis nicht unbekannt. Einen relevanten Gesichtspunkt bilden hierbei die Klassengröße und das Lehrpersonal. Sie fordert speziell in der Schuleingangsstufe mindestens zwei PädagogInnen pro Klasse einzusetzen, um eventuelle Defizite schnellstmöglich aufzudecken und bestmöglich zu behandeln. Schindele unterstreicht zudem die individuellen Bedürfnisse der SchülerInnen, auf die mithilfe von Schulsozialarbeit eingegangen werden muss. Es soll außerdem ausreichend Personal zur Verfügung gestellt werden, um den expliziten Ursachen von Bildungsbenachteiligung auf den Grund zu gehen und Zielbezug zu erarbeiten. „Das erfordert zeitliche Ressourcen, das erfordert natürlich ein Budget und das erfordert die Expertisen von entspre-

chend gebildeten Menschen“, untermauert Klopf-Kellerer. Österreichweite Kritik gäbe es dahingehend allerdings an dem aktuellen „Curriculum Basisbildung in der Initiative Erwachsenenbildung“ (2019), das die Expertise der Praxis vorweglässt. Ein Stichwort, das häufig in Verbindung mit dem Thema Erwachsenenbildung genannt wird, ist das lebenslange Lernen. Klopf-Kellerer schätzt hierbei die beiden Bereiche Beruf und Medien als wegweisend ein, um die im Interesse liegenden Themen anzusprechen und zur näheren Befassung mit diesen anzustiften. Wie Schindele anmerkt, seien Bemühungen in diese Richtung aus Sicht der ArbeitgeberInnen gerade deshalb erforderlich, um konkurrenzfähig zu bleiben und die MitarbeiterInnen entsprechend aus- und weiterzubilden. „Bildung muss auch den Firmen, muss der Wirtschaft etwas wert sein“, betont Schindele. Das sei wiederum ein Ansporn für ArbeitnehmerInnen, sich stetig zu verbessern. Von politischer Seite seien daher Fördermaßnahmen für diese Ausbildungsformate unerlässlich. Jede/r soll die gleiche Chance bekommen Sowohl von politischer, als auch medialer Seite besteht noch Handlungsbedarf im Erwachsenenbildungsdiskurs. Einen Hauptaspekt bilden die Sensibilisierung und Lobbyarbeit – bezogen auf die Begrifflichkeiten, die soziale Schere und das Verständnis für bildungsbenachteiligte Personen. Das in Österreich bereits weitflächig vorhandene Angebot an Kursen und Initiativen muss allerdings stetig erweitert und verbessert werden. Dazu gilt es, die Betroffenen selbst und die Expertise der Praxis in die Prozesse miteinzubeziehen. „Es geht darum, dass jeder die gleiche Chance hat“, unterstreicht Schindele.

von Julia Allinger

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damit gehen wichtige Informationen zur Dosierung oder Risiken verloren. Zusammenfassend lässt sich also im Vergleich zur LEO-Studie aus 2010 eine leichte Verbesserung erkennen. Dennoch besteht noch großes Verbesserungspotential, vor allem in Bezug auf die Gesamtbevölkerung.


Nicht nur Politiker spielen „Clash of Clans“ Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass auch Politiker in die Kostenfalle vermeintlicher Gratisspiele tappen. Das passiert aber nicht nur Prominenten, sondern vor allem Kindern und Jugendlichen, die die entstehenden Kosten bei einem simplen Klick unterschätzen. Medienberichte zu solchen Fällen gibt es einige – doch wie vermeidet man diese Kostenfalle effektiv? tigt werden. Ziel der EntwicklerInnen ist es, ihr „Gratis“-Spiel mit Hilfe von jenen Käufen zu monetarisieren. Des Öfteren werden dabei die Regeln nicht beachtet oder Grauzonen von Werberichtlinien ausgelotet, heißt es vonseiten der Arbeiterkammer (AK). Die klassische Wertschöpfungskette der Gaming-Industrie wurde so zu einem Modell adaptiert, das sich ausschließlich aus diesen In-App-Käufen finanziert. „Einige Spieleportale arbeiten auch mit Belohnungssystemen: Wer aktiv Werbung konsumiert oder sich etwa auf dritten Webseiten registriert, erwirbt ‚‚Spielgeld‘. Die Werbung im Internet kann außerdem ein gutes Geschäft für Datensammler und Abzocker sein“, resümiert die AK. Mehr Kontrollen der Apps Elfriede K. ist Mutter des achtjährigen Elias (Anm.: Namen geändert). Sie erzählt im SUMO-Interview, dass ihr Sohn zu seinem achten Geburtstag ein Smartphone bekommen hat. Konkret wurde ihm der Wunsch nach einem Handy aber nur erfüllt, weil „ich nicht möchte, dass er in der Klasse ausgegrenzt wird, da er einer der wenigen war, der bis dato noch kein Handy hatte“. Ihr war klar, dass er sein Handy weniger zum Telefonieren nutzen würde, sondern vielmehr zum Surfen im Internet. Tatsächlich schildert die alleinerziehende Mutter aber eine andere Problematik. „Elias hat sich heimlich‚‚Fortnite‘ heruntergeladen und mit dem Taschengeld der Oma Guthaben in der Trafik gekauft und sich darum irgendwelche Extras für das Spiel gekauft. Danach war er vom Handy nicht mehr wegzubekommen und starrt seither Tag ein Tag aus in sein Kasterl und kämpft mit seinen Schulkollegen. Meiner Meinung nach grenzt das schon an ein Suchtverhalten. Es ist mittlerweile schon so weit, dass ich das Handy vor ihm verstecken muss und er nur eine

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Gratisspiele wie auch Anwendungen sind heute aus den App-Stores nicht mehr wegzudenken – aber wie „kostenlos“ sind die Applikationen am Smartphone in der Anwendung tatsächlich? Fragt man Kinder nach ihren Lieblingsspielen, gehören die vorerst kostenfreien „Fortnite: Battle Royal“, „Minecraft“ und „Clash of Clans“ zu den Standardantworten. Dass diese nicht immer kindgerecht sind, zeigt eine Studie der deutschen Stiftung Warentest vom September 2019. Gerade die Problematik rund um das Corona-Virus hat die Thematik der Apps am Handy abermals entfacht. Hier war aber nicht die Frage der Kosten oder des kindgerechten Inhalts im Fokus, sondern die des Datenschutzes. Doch die vermeintlich kostenlosen Spiele bringen einige Probleme mit sich. Gerade Kinder und Jugendliche erkennen oftmals eine Werbung nicht als solche, da diese bewusst getarnt ist, heißt es aus der Studie der Arbeiterkammer „Kinder & Online-Werbung“ aus dem Jahr 2019. Vor allem während der Corona-Pandemie verhalfen Apps den Eltern, ihre Kinder zu beschäftigen: sei es mit Hilfe von Lern-Apps, die in Hülle und Fülle während der Pandemie erschienen sind oder mit kostenlos angebotenen Spielen. Der Clou dahinter: kostenlos ist nicht gleich kostenlos. Das Spiel oder die Anwendung lässt sich zwar gratis auf dem Smartphone installieren, dahinter verbirgt sich aber oftmals eine Kostenfalle. So sind manche Spiele nach kurzer Spieldauer ohne einen In-App-Kauf nur mehr eingeschränkt nutzbar. Den Erwerb von „Spielegeld“ (In-Game-Währung) nehmen Kinder oft nur als Teil des Spieles wahr und nicht als reales Geschäft. In ihrer Spiellaune ist ihnen nicht bewusst, dass sie auf einen kostenpflichtigen In-App-Kauf klicken. In-App-Käufe bezeichnen alle Kaufvorgänge, die während eines Spiels in einer App an einem Mobilgerät getä-

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Stunde am Tag spielen darf – das führt oftmals zu langen Heulkrämpfen und Diskussionen. Ich würde mir eine staatliche Regelung wünschen. Gäbe es hier einheitliche Vorgaben und genauere Kontrollen, wäre es definitiv einfacher für mich“. Nutzungsverhalten der Allerjüngsten Mit diesem Problem ist Elfriede K. in Österreich nicht alleine. 35% der Eltern von 0-6-jährigen wünschen sich, dass ihre Kinder weniger Zeit mit digitalen bzw. internetfähigen Geräten verbringen, ergab eine Studie der IFES, ÖIAT und der ISPA im Auftrag von saferinternet.at aus dem Jahr 2020. Demnach nutzen 51% der Kinder Smartphones oder Tablets zum Spielen. Schwierigkeiten bereitet das vor allem Eltern, die jeden Klick der Kinder beobachten,

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PEGI-Einstufung: Ist ein europäisches Alterseinstufungssystem, das Eltern helfen soll, eine Entscheidung beim Kauf von Videospielen zu treffen.

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ob der Inhalt tatsächlich kindgerecht ist. So empfinden 28% der Befragten es als schwierig oder sogar als sehr schwierig, geeignete Inhalte ausfindig zu machen. Die Problematik hat auch vor den österreichischen Schulen nicht Halt gemacht. Katharina (Anm.: Name geändert) unterrichtet an einer Wiener Ganztagsvolksschule, auch sie berichtet im Gespräch mit SUMO am 27. März von dieser Problematik. „Derzeit unterrichte ich zwar aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht im klassischen Sinne, aber ich weiß noch, wie es noch vor einigen Wochen in den Klassen ausgesehen hat. Die Kinder sprachen häufig über‚‚Fortnite‘. Auch musste ich in den vergangenen Wochen oftmals ein Handy abnehmen, welches während des Unterrichts verwendet wurde. Der positive Effekt dieses Spiels ist aber, dass die Kinder ihre Hemmungen in Hinblick auf ihre motorischen Bewegungsabläufe verlieren. Ich habe immer wieder gesehen, dass Kinder gemeinsam‚‚Fortnite-Tänze‘ aufführen. Das hat auch Freundschaften gebildet. Es ist also nicht alles schlecht an dem Spiel per se, aber es gehört dennoch etwas geändert. Außerdem sollten die Eltern etwas besser darauf achten, was ihre Kinder so am Handy machen“, erzählt sie.


Altersfreigaben in den App Stores Die Altersfreigaben auf DVD- oder BlueRay-Covers sind bekannt. Auch bei klassischen Videospielen findet sich so eine Altersbeschränkung auf den Hüllen. Diese Filme oder Spiele sollten für Kinder ohne altersentsprechenden Ausweis nicht zum Erwerb möglich sein. Wie sieht die Altersfreigabe aber bei den Spielen am Smartphone oder Tablet aus? Bei Android Smartphones kommt die PEGI-Einstufung zum Einsatz. Diese soll Eltern helfen, eine Entscheidung beim Kauf von Videospielen zu treffen. Bei iOS hingegen steht eine eigene Bewertungsskala im Fokus. Alternativ lassen sich aber auch die PEGI-Hinweise einblenden. Das Problem: meist läuft das Smartphone der Kinder auf den Namen der Eltern sowie das dementsprechende Geburtsdatum und somit sind Schutzmechanismen hinfällig. Vorzubeugen ist das mit Hilfe der Einstellungen der jeweiligen Stores; saferinternet.at empfiehlt beispielsweise die Bildschirmzeit, wie auch die Jugendschutzeinstellungen zu prüfen und anzupassen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Installation von Kinderschutz-Apps von Drittanbietern. Mit Hilfe solcher Apps ist es Eltern möglich, das Nutzungsverhalten des Kindes im Auge zu behalten, App-Downloads zu blockieren, Tageslimits festzulegen, das Gerät für einen bestimmten Zeitraum zu sperren oder sogar den Standort des Geräts zu orten. Eine der effektivsten Methoden ist es laut saferinternet.at, Dienste wie Mehrwertnummern oder den „Kauf auf Handyrechnung“ direkt beim jeweiligen Mobilfunkanbieter zu deaktivieren. Das Problem ist allgegenwärtig, und neben einer Digitalisierung im Bildungsbereich sollte diese auch in den einzelnen Haushalten strukturiert umgesetzt werden. Möglich gemacht werden könnte dies, wenn der sichere Umgang mit dem Smartphone im Zuge des Schulunterrichts besprochen wird. Außerdem muss es genau festgelegte Richtlinien für den digitalen Einkauf in den jeweiligen App-Stores geben. Auch die Arbeiterkammer fordert „Standards für die Umsetzung traditioneller Werbegrundsätze in der Online-Welt und eine bessere grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung inklusive klarer Regeln für Werbungen in Apps.“

von Martin Möser

Nicht nur Politiker spielen „Clash of Clans“

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Pornografie – eine bzw. welche Gefahr für Kinder und Jugendliche? Während man früher vielleicht in der Trafik heimlich durch den „Playboy“ blätterte, geht es heutzutage um einiges leichter. Mit dem Aufkommen des Internet steht fast nichts mehr zwischen allem, was es zu Sex ausspuckt – allem. SUMO sprach mit Sexualpsychologin Dr. Christina Raviola, Leiterin der Familienberatungsstelle für funktionelle Sexualstörungen und Partnerschaftskonflikte in Wien, und Sexualpädagogin Adriane Krem über Pornografie-Rezeption und dessen Folgen für Kinder und Jugendliche.

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In der jüngeren Gesellschaft kann man schnell den Eindruck erlangen, Pornografie sei ein Phänomen des digitalen Zeitalters und erreichte erst große Beliebtheit durch das Internet. In Wahrheit ist Pornografie wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Neben der 30.000 Jahre alten Venus von Willendorf, die eine nackte vollbusige Frau darstellt, gab es bereits im antiken Rom obszöne Motive bei Wandmalereien und auch die antiken Griechen malten Sexszenen auf Amphoren und Vasen. Der Unterschied zu heute ist, dass lediglich ein paar Klicks im World Wide Web von dem schier unendlichen Angebot an pornografischem Inhalt trennen. Diese Tatsache blieb auch nicht den Kindern und Jugendlichen verborgen. Laut der Wiener Sexualpsychotherapeutin Christina Raviola, deren Familienberatungsstelle vom Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend gefördert wird, finden die ersten Kontakte mittlerweile bereits im Kindesalter, noch vor dem 9. Lebensjahr, statt. Zu den Gründen warum Kinder/Jugendliche Pornos ansehen, gehören unter anderem Stimulationszwecke, Gruppenzugehörigkeit oder einfach Langeweile. Die Frage, die sich daraus ergibt und auch vielen Eltern Sorgen bereitet, ist, ob diese Pornorezeption negative Folgen auf Kinder und Jugendliche hat. Die Antwort ist ein unbefriedigendes „Jein“. Laut Raviola könne man annehmen, dass je früher der Kontakt zu den diversen Porno-Sites beginne, desto höher die Wahrscheinlichkeit sei, dass negative Entwicklungen stattfinden. Dabei hänge die individuelle Rezeption und wie das Kind beziehungsweise der/die Jugendliche damit umgehe von unzähligen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Alter, den Vorerfahrungen, der Aufklärung und der geistigen und emotionalen Stabilität. Adriane Krem, Sexualpädagogin am Österreichischen Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapien, meint, dass die Medienwirkungsforschung bei

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Pornografie - Gefahr für Kinder und Jugendliche?

der Pornorezeption auf Grenzen stoße. Die Art und Weise wie das Gesehene im Porno innerlich vom Kind/Jugendlichen verarbeitet wird und sich in Folge auf Beziehungen und das Sozialverhalten auswirkt, könne nicht direkt getestet werden, da es privat, schwer zu reflektieren und höchst subjektiv sei. Die Schattenseiten der Pornografie Im Detail manifestieren sich negative Auswirkungen auf mehrere Weisen. Eine davon ist die Verstärkung von Rollenstereotypen und die Verbreitung eines negativen Frauenbildes. Bereits 1987, lange vor dem Internet-Boom, startete die deutsche Feministin und Publizistin Alice Schwarzer die „PorNO-Kampagne“ und sprach sich in dem von ihr herausgegebenen Werk „PorNO. Opfer & Täter. Gegenwehr & Backlash. Verantwortung & Gesetz“ gegen den „zentralen Sinn der Pornografie, die Propagierung und Realisierung von Frauenerniedrigung und Frauenverachtung“ aus. Christina Raviola erklärt im SUMO-Interview, dass sich Rollenstereotype wie „der starke Mann“ und „die devote Frau“ möglicherweise durch Pornografie bei emotional sensiblen Jugendlichen verstärkten. Auch werden Vergewaltigungsszenen in weiterer Form in manchen Pornos dargestellt. „Diese Videos vermitteln, dass Frauen also doch gerne vergewaltigt werden und dabei auch Genuss erfahren. Das gilt es sehr kritisch zu hinterfragen“, so Raviola. Pornosucht sei ein weiteres, nicht zu missachtendes Problem. Diese Gefahr der Sucht bestehe besonders für Jugendliche, die bei der Pornorezeption besonders viel positives Feedback und Entspannung erhalten oder beispielsweise ohnehin Probleme mit der eigenen Sexualität haben. In diesem Fall könne sich ein Suchtverhältnis zu Pornografie, laut Raviola, bereits im Jugendalter sukzessiv aufbauen. Bei häufiger Nutzung entstünden im Ge-


sehr gut differenzieren und bei Pornos zwischen Realität und einer gespielten Szene unterscheiden. Medienkompetenz spielt dabei für Krem eine große Rolle: „Je mehr ich hinter die Kulissen von Medien, auch Pornos, schauen kann, desto weniger muss ich sie als Informationsquellen für mein eigenes Leben und Sexualität ernst nehmen“. Die potenziellen Probleme durch Pornonutzung sind jedoch kein Grund, als Elternteil in Panik zu verfallen und dem Kind das Pornoschauen strikt zu verbieten. Im Gegenteil, sowohl die Klinische Sexualpsychologin Raviola als auch die Sexualpädagogin Krem raten den Eltern, einen kühlen Kopf zu bewahren und an ihre eigene Jugend zu denken. „Statt die Kinder und Jugendlichen hermetisch davon abzuriegeln, sollte es eher darum gehen, wie wir sie unterstützen, selbstwertschätzend zu werden, einen positiven Umgang mit der eigenen individuellen Sexualität und einen reflektierten Umgang mit Medien zu entwickeln“, erklärt Krem. Es sei ebenfalls wichtig, ein/e Ansprechpartner/in für die Kinder zu sein, jemand vor dem man sich nicht schämen müsse, über Sexualität zu sprechen. Laut Raviola solle man den

Kindern erklären, dass manche Fantasien vollkommen in Ordnung seien, es jedoch manche sexuellen Neigungen gebe, wie beispielsweise Sodomie oder gar Gewalt, die es nicht seien. Dabei sei insbesondere ein offener Umgang statt angedrohter Sanktionen von hoher Bedeutung. Die Gespräche sollten amikal geführt werden, da die Kinder sonst einem in Zukunft gar nichts mehr erzählen würden. Weiters rät Raviola dazu, den Kindern zu vermitteln, wie bedeutsam die Beziehung zueinander beim Sex sei und dass man die beiden Dinge nicht getrennt betrachten könne. Es gehe dabei auch um Emotionalität und dass Sex etwas sei, das zwei Menschen miteinander machen, die sich gernhaben. Diesbezüglich liefert Krem Entwarnung: „Der Stellenwert, dass man sich eine Beziehung wünscht, man liebenswert und attraktiv sein möchte und dass es oft einen Wunsch nach Langfristigkeit und Treue gibt, hat sich unserer Beobachtung nach nicht geändert.“ Im Gegenteil, es gebe manchmal sogar den Schwerpunkt, dass Jugendliche sagen, es gehe bei Sexualität nicht um oberflächlichen und unmittelbaren Kontakt. Die Wertigkeit sei dabei unterschiedlich je nach Community oder der

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hirn Gedächtnisspuren, die man sich wie Gleise eines großen Bahnhofes vorstellen könne, die sich immer tiefer und tiefer hineingraben, bis der Körper schließlich nach der Befriedigung durch Pornografie verlange. Diese Pornosucht gehe in manchen Fällen soweit, dass der Leidensdruck so stark sei, dass beispielsweise der eigene Beruf nicht mehr erfüllt werden könne. Laut Sexualpädagogin Krem gebe es noch einen weiteren negativen Aspekt: „Wenn ich mich auf die Bilder im Porno verlasse und das als Handlungsvorgabe betrachte, kann das eine Menge Druck machen. Sind zwar unrealistisch, aber ich nehme sie trotzdem ernst. Je weniger Wissen über Sexualität man im Allgemeinen hat und desto weniger ich gelernt habe, mich auf meine eigene Wahrnehmung zu verlassen, desto mehr verlasse ich mich auf die äußeren Vorgaben, wie Pornografie.“ Diese Vorgaben führen neben Druck auch zu Verwirrung. Man könne ihnen nicht standhalten, weil sie nicht realistisch seien. Laut Raviola bestätige sich jedoch die Angst der Eltern, dass dieser negative Konsum im Jugendalter massive Auswirkungen mit sich brächte, in der Regel nicht. Im Gegenteil, Jugendliche könn-ten sogar

Pornografie - Gefahr für Kinder und Jugendliche?

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Obwohl Pornografie einige Risiken mit sich bringt, muss sie nichts intrinsisch Böses sein, von dem man alle abschotten muss. Sie ist ein Teil unserer Kultur, ob wir es zugeben wollen oder nicht. Besonders für Jugendliche kann sie auch eine Bereicherung und ein Werkzeug sein, um etwa die eigene Sexualität und den Körper zu entdecken. All das setzt natürlich voraus, dass man mit nötigem Wissen und Medienkompetenz ausgestattet wurde, um Realität von Fiktion in einem Porno zu unterscheiden. Hier kommen die Eltern ins Spiel, die Aufklärung betreiben müssen und sich selbst nicht vor Sexualität sträuben dürfen. Manchmal gilt es eben, in den eigenen Augen unangenehme Gespräche mit den eigenen Kindern zu führen und zu erklären, was es mit Sex und all dem was dazugehört auf sich hat. Sie werden es einem danken.

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Thema Pornografie - Gefahr für Kinder und Jugendliche?

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Wertehaltung innerhalb der Familie. All das könnte den Eindruck erwecken, dass Kindersicherungsprogramme und Computerfilter möglicherweise nicht benötigt werden, jedoch empfiehlt Raviola den Einsatz solcher Programme dennoch. Besonders im Zusammenhang mit SexualstraftäterInnen und Kindesmissbrauch können diese Programme das Schlimmste von den Kindern abblocken. Diverse AntivirenProgramme bieten zusätzlich auch eingebaute Kindersicherungen für das Internet, aber es gibt auch eigens dafür entwickelte Programme wie „Google Family Link“ oder das Erstellen von Familiengruppen bei den Microsoft-Konten. Letztere erlauben es den Eltern, die Aktivitäten ihres Kindes im Netz nachzuvollziehen und gezielt Inhalte einzuschränken. Es sei jedoch nicht möglich, Kindern komplett den Zugang zu Pornos zu verschließen, denn sie würden früher oder später durch die Peer Group oder das sonstige Umfeld in Kontakt mit Pornografie kommen.


Zwischen Games und Gefahr Gewalthaltige Online-Spiele sind im Alltag vieler Kinder und Jugendlicher verankert. SUMO sprach mit Natalie Denk, Leiterin des Zentrums für Angewandte Spieleforschung der Donau-Universität Krems, und Eveline Hipeli, Kommunikationswissenschaftlerin und Medienpädagogin sowie Dozentin für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich, über Jugendschutz, Medienkompetenz und sozialen Druck im Bereich Violent Online Gaming.

Aggressionspotenzial? Laut der Jugend-Information-MedienStudie (JIM-Studie) 2018 zeigten sich unter den befragten 12- bis 19-Jährigen Deutschen sowohl Burschen als auch Mädchen interessiert an digitalen Spielen und nutzten diese mehrmals wöchentlich. Erstmals fand sich das KoopSurvival-Spiel „Fortnite“ mit einem Fünftel der Stimmen an der Spitze der beliebtesten Spiele. Unter den NutzerInnen von Online-Spielen ist die Sprachkonferenz-Software „Team-Speak“ eine populäre Kommunikationsplattform, bei der neben Spielinformationen auch persönliche Themen ausgetauscht werden. Besonders im Kontext der sozialen Interaktion zwischen SpielerInnen stellt sich die Frage nach dem Aggressionsund damit Gewaltpotential von gewalthaltigen Spielen. Dieser Problematik haben sich schon etliche Studien gewidmet. Der These, dass gewalthaltige Spiele zu einer erhöhten Aggressivität führen, widerspricht eine 2019 im Journal der Royal Society Open Science erschienene Studie. Auch eine 2016 publizierte Untersuchung im Journal „Plos One“ konnte nur einen schwachen Zusammenhang zwischen Gewaltspielen und Verhaltensstörungen feststellen.

Mediengewalt als äußerst schwierig herausstellt. Gerade bei Personen, die von aggressiver Disposition betroffen sind, und in ihrem familiären, sozialen Umfeld Gewalt erleben, wirke mediale Gewalt anders. Der Bezug zur Realität sei daher ausschlaggebend. „Bei den meisten Kindern und Jugendlichen die, sagen wir einmal, mit altersgerechten Gewaltinhalten in Kontakt kommen, sind die Wirkungen relativ klein“, merkt Hipeli an und weist aber darauf hin, dass das jedoch nicht auf Kinder zutreffe, die diese Inhalte noch nicht richtig einordnen können. „Die Erfahrungen hängen sehr stark einerseits auch vom Erfahrungshintergrund ab, vom Alter des Kindes und der Prädisposition und dem sozialen Umfeld“, fasst Eveline Hipeli zusammen. Natalie Denk sieht auch darin eine Problematik, dass oft eine unmittelbare Korrelation zwischen gewalthaltigen Computerspielen und Amokläufen gezogen wird. „Das ist auch aus wissenschaftlicher Sicht höchst problematisch, wenn man unreflektiert behauptet, dass das eine zum anderen führt. Das ist etwas, was Menschen allerdings sehr gerne tun, einfach deshalb, weil sich Dinge mit genau solchen Schlussfolgerungen scheinbar einfach erklären lassen“, erläutert Denk. Daher

gehe es darum, sich explizit mit dem jeweiligen Fall auseinanderzusetzen und den Ursachen für exzessives Computerspielen auf den Grund zu gehen. Es müsse auch der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Spieleinhalte in die Realität übersetzt werden. „Wenn ich jetzt in einem Spiel gewaltlastige Handlungen durchführe, heißt das nicht automatisch, dass ich hier wirklich zum Beispiel lerne, eine Waffe einzusetzen und überhaupt irgendwelche Barrieren überwinde, die ich im Realfall habe, also da geht es oft um ganz andere Sachen“, untermauert Denk. Man müsse sich auch die Frage stellen, welche Kompetenzen in diesen Spielen tatsächlich gefördert werden. Dabei rücke das Bedienen einer Waffe oder Ausüben von Gewalthandlungen in den Hintergrund, eher stünden taktisches Vermögen, vorausschauendes Denken und teamübergreifende Kommunikation im Vordergrund. Insbesondere bei jüngeren Kindern gilt es jedoch auch nach altersadäquaten Alternativen zu suchen, die dennoch umfangreichen Spielspaß bieten. Laut Denk gehe es hierbei sowohl für die Eltern, als auch die Spiele-EntwicklerInnen darum, über den Tellerrand hinaus zu schauen und kreative Lösungen abseits der beliebten kriege-

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Die Augen auf den Bildschirm geheftet und über ein Headset kommunizierend wird der Plan für die nächste Schlacht besprochen. Es regnet Schüsse auf das gegnerische Team, Blutflecken erscheinen am eigenen Bildschirm. Wird man selbst getroffen, geht es nach wenigen Sekunden in die nächste Runde. „Fortnite“, „Counter-Strike“, „Call of Duty“ und sonstige Online-Shooter-Spiele sind für viele Kinder und Jugendliche fester Bestandteil der Freizeitgestaltung. Doch mit gewalthaltigen Spielen geht auch eine gewisse Verantwortung von Seiten der Eltern und Schulen einher. Es stellt sich die Frage, wie sich der Schutz der Kinder in Bezug auf Medienkompetenz mit sozialem Druck – vor allem von der Peergroup – vereinen lässt.

Das Thema ist dennoch immer wieder Gegenstand medialer und öffentlicher Debatten. Für die Kommunikationswissenschaftlerin Eveline Hipeli steht zuallererst fest, dass sich das Messen von

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rischen Settings zu finden, die sich der Spielebranche anbieten. Doch was verbirgt sich überhaupt hinter der Faszination von digitalen Spielen? Im Vergleich zu Zeiten, als Online-Welten noch kein Thema waren und Kinder ihre Freizeit hauptsächlich in der freien Natur verbracht haben, beschreibt Hipeli, dass Eltern heute viel vorsichtiger geworden sind. Die Ursache dafür sei eine Verlagerung von Abenteuern in virtuelle Welten, die wiederum auch das Thema Gewalt inkludieren können. Eine Definition von Gewalt stelle sich als äußerst schwierig dar, da die Bandbreite des Begriffs von körperlicher, verbaler bis zu psychischer Gewalt reicht und die unterschiedlichsten Formen annehmen kann. In Bezug auf Computerspiele merkt die Kommunikationswissenschaftlerin an: „Das wird ja oft auch im Rahmen solcher Abenteuer und Quests etc. eingesetzt und da steht die Gewalt meistens gar nicht im Vordergrund. Auch da gibt es ein großes Spektrum.“ Zur Faszination von Gewalt in virtuellen Spielen nennt Hipeli einige mögliche Ursachen. Zuallererst sei es faszinierend, an diesen digitalen Abenteuern, die in der Realität nicht erlebt werden können, teilzuhaben. Außerdem seien Computerspiele generell (und auch solche, in denen Mediengewalt vorherrscht) gerade für Kinder, die vielleicht in der schulischen Umgebung oder im Freundeskreis weniger im Mittelpunkt stehen, eine Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen. „Da geht es auch nicht um die Gewalt, sondern um die Geschicklichkeit, die man in diesem Spiel erlebt “, erläutert Hipeli. Besonders im Jugendalter sei das Thema Grenzüberschreitungen ein Aspekt, der zum „Entwicklungsprozess der Loslösung“ dazugehöre und auch die Faszination hinter gewalthaltigen Spielen erklären könne. Vor allem in Bezug auf Horrorspiele nennt Hipeli das Motiv der Angstlust, das zur Begeisterung der Jugendlichen beiträgt.

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Frage nach (mehr) Verantwortung Beim Thema Jugendschutz erfordere es laut Hipeli und Denk der Verantwortung verschiedener Bereiche. Für Hipeli liege die Aufgabe der Eltern vor allem in der Kontrolle der Inhalte und der Förderung der Medienkompetenz ihrer Kinder. Dazu zählt es, sich mit den Interessen der Kinder auseinanderzusetzen und zu versuchen, ihre Spielewelten zu verstehen. Die Bezugspersonen müssten sich selbst informieren und mit dem

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Thema Games und Gefahr Zwischen

Thema auseinandersetzen, um den Kindern einen kompetenten Umgang mit Computerspielen zu vermitteln und über die Gefahren aufklären zu können. „Ein wesentlicher Faktor ist sicher diese Förderung der Kritikfähigkeit, und die läuft über das Gespräch“, erklärt die Medienpädagogin. Die Verantwortung liege andererseits aber auch bei den Geschäften, die diese Spiele anbieten und sich an die Altersfreigaben und Weisungen halten sollten. Denk betont die Rolle der Spielehersteller/ innen, die entsprechende Funktionen wie die Möglichkeit ungeeignete ChatInhalte zu melden zur Verfügung stellen müssen. Die Verantwortung liege auch im Bereich des Bildungssystems und der Schulen. Anstatt das Thema der Gewaltspiele zu „verteufeln“, sollte den Kindern und Jugendlichen ein Gesprächsraum geboten werden. „Ich glaube, man kann verlangen, dass es in jeder Schule Ansprechpersonen gibt, genauso wie es in jeder Schule SchulpsychologInnen gibt“, betont Denk und fordert, dass der Themenbereich Gewalt, Computerspiele und Cybercrime mehr in die Ausbildung des Lehrpersonals miteinfließen müsse. Dazu eigne sich auch das Anbieten von (Online-) Workshops, um das Thema nicht nur für Lehrkräfte, sondern auch Eltern verständlicher zu machen. Einen Auslöser für intensives Spielen sieht Hipeli im sozialen Druck. Vor allem für Kinder sei es schwierig, sich in der „Phase der Freundschaftssuche“ gegen die Peers durchzusetzen. Die Machart vieler Computerspiele sei oft gerade darauf ausgerichtet, dass man sich viel mit ihnen beschäftigt, um beispielsweise neue Waffen freizuschalten oder den eigenen Avatar verändern zu können. Mit steigendem Alter der KonsumentInnen falle es aber auch leichter, nein zu sagen. „Und auch da kommt es sehr auf die Entwicklung an und vor allem eben auf die Erwachsenen, die mit den Kindern über Konsumsozialisation sprechen“, betont Hipeli. Weiterführend müsse das Thema Taschengeld und die Frage, wofür es eingesetzt wird, gemeinsam mit den Kindern geklärt werden. Beim Thema Computerspielsucht merkt sie an, dass es weniger im Aufgabenbereich des Jugendschutzes durch Altersfreigaben oder ähnliches gehe, sondern um die Schulung der Bezugspersonen und dem Bewusstmachen der Kinder selbst. Dazu gehöre auch das Setzen von Grenzen.


Herausforderungen der Virtualität Für einen kompetenten Umgang mit Computer- und Online-Spielen ermöglichen Alters- und Jugendschutzkennzeichnungen einen ersten Anhaltspunkt. Dazu zählt beispielsweise das PEGI-System (Pan-European Game Information), welches europaweit gilt und Computerspiele nach Altersempfehlungen klassifiziert. Für digital vertriebene Spiele und auch Apps gibt es das IARC-System (International Age Rating Coalition). Durch das USKKennzeichen (Unterhaltungssoftware Selbst-Kontrolle) soll gewährleistet werden, dass die Entwicklung ab dem jeweiligen Alter nicht beeinträchtigt wird. In Österreich liegt das Thema Jugendschutz gemäß der Bundesverfassung im Aufgabenbereich der einzelnen Bundesländer. So ist zum Beispiel in Wien die Kennzeichnung von Computer- und Konsolenspielen mit dem PEGI-System gesetzlich verpflichtet, in Salzburg ist das USK-Kennzeichen vorgesehen. Zu den Altersfreigaben merkt Denk an, dass durch diese zwar versichert wird, dass die Spiele keine problematischen Inhalte für die genannte Altersklasse beinhalten, jedoch können keine Rückschlüsse auf die Qualität und Unbedenklichkeit der Spiele geschlossen werden. Es sei auch nicht zielführend, als Elternteil den Kindern und Jugendlichen bestimmte Spiele zu verbieten, da es dadurch, und vor allem in Verbindung mit sozialem Druck von der Peergroup, kaum zu Gesprächen über die Spielerlebnisse kommen werde. Denk empfiehlt – besonders als Informationsquelle für die Eltern – die Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von digitalen Spielen (BuPP), die nach aufwändigen Reviewprozessen Altersempfehlungen für digitale Spiele abgibt. Somit können den Kindern direkte

Natalie Denk / Copyright: Alexander Pfeiffer

Alternativen, die auch dem jeweiligen Alter entsprechen, geboten werden. Es biete sich für die Eltern an, diese im Idealfall gemeinsam mit den Kindern bzw. Jugendlichen zu spielen. Auch Hipeli beschreibt, dass die Erwachsenen durch Co-playing und -viewing ein besseres Verständnis für die Kinder und Jugendlichen entwickeln können, selbst wenn die Faszination für die Spiele nicht geteilt werden sollte. Wie Denk schildert, sind Computerspiele eines der beliebtesten Unterhaltungsmedien für Kinder und Jugendliche. Beim Thema Jugendschutz dürfe jedoch die Vielschichtigkeit des Mediums nicht außer Acht gelassen werden. Einen Kritikpunkt bringt sie dahingehend auf die häufig fehlende Tiefe und Verallgemeinerung in der medialen Berichterstattung an, wenn es um Computerspiele geht. Diese ermöglichen „die unterschiedlichsten Spielerfahrungen, die unterschiedlichsten Erlebnisse“ – und es bedürfe deshalb einer Auseinandersetzung mit den konkreten Inhalten des jeweiligen Spieles. Abseits der Spielinhalte stellt allerdings die in vielen Online-Spiele integrierte Chatfunktion eine Problematik dar. Einen großen Hype gab es beispielsweise um „Fortnite“, das laut USK ab einem Alter von zwölf Jahren freigegeben wird. Laut Denk werde aber zu wenig berücksichtigt, was sich in den Chats abspielt. Ein „gesundes Maß“ an Aufstachelungen sei aber ganz normal – im Gegensatz zu Erniedrigungen oder Sexismus, welche keinen Raum einnehmen dürfen. Die Rolle der Eltern liege daher ganz klar darin, die Kinder dazu animieren, sich über ihre Erfahrungen zu äußern. Die Kommunikation sei aber ein Thema, das nicht nur auf Computerspiele zutrifft. „Kinder und Jugendliche von

heute sind einfach in Online-MedienWelten unterwegs und haben einfach auch sehr viel mit pseudoanonymer Online-Kommunikation zu tun“, betont Denk und fordert, dass eine häufigere Thematisierung in Schulen stattfinden muss. „Empfehlen statt Verbieten“ Wie Denk anmerkt, sei es wichtig, auch das viel diskutierte Thema der OnlineSpiele aus einer neuen Perspektive zu betrachten und die eigene „Bubble“ zu verlassen. Gerade Qualitätsmedien tragen maßgeblich zur Aufarbeitung bei. Von Seiten der Politik solle weniger auf Verbote und Bestrafungen, sondern Aufklärung, Empfehlungen und Förderungen abgezielt werden. Dazu bedarf es auch des Einsatzes von ExpertInnen in der Regierung. Auch die Forschung sei ein Thema, das laut Hipeli gerade durch neu auftretende Spielformate wie Virtual Reality in den Fokus rücken müsse. In der Berichterstattung solle Mediengewalt differenzierterer betrachtet und nicht immer nur die negativen Aspekte hervorgehoben werden. „Mediengewalt macht nicht einfach irgendwelche AmokläuferInnen aus den Menschen“, betont Hipeli. Es bedarf einer neutraleren Diskussion, wobei die Risiken nicht vorweg gelassen werden dürfen. Beim Thema Medienkompetenzförderung solle nicht immer mit dem erhobenen „pädagogischen Zeigefinger“ getadelt werden, sondern spielerisch vorgegangen werden. Game based learning for better gaming.

von Julia Allinger

Eveline Hipeli / Copyright: Luisa Kehl

Zwischen Games und Thema Gefahr

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Deep Fakes: Fluch oder Fun? Künstliche Intelligenz (KI) öffnet völlig neue Türen. Ein durch sie entstandenes Phänomen sind Deep Fakes, digital bearbeitete Videos von Personen, denen man mit Hilfe von KI Gesichter von Prominenten aufpflanzt. SUMO sprach mit Martin Steinebach, Abteilungsleiter für Media Security und IT Forensics am Fraunhofer-Institut in Darmstadt, und Klaus Gebeshuber, Professor für IT-Security an der FH Joanneum in Kapfenberg, über Probleme und Chancen von Deep Fakes.

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Man stelle sich folgende Situationen vor: Ein Politiker wird der Wiederbetätigung beschuldigt, da er in einem Video, das im Internet aufgetaucht ist, antisemitische Aussagen tätigt. Oder man stößt auf einer Porno-Site plötzlich auf ein Video von einem selbst, ohne jemals ein solches gedreht zu haben. Beide Videos sind fake, doch der dadurch angerichtete Schaden ist schwer behebbar und kann weitreichende Folgen mit sich tragen. Genau solche Problematiken wirft der ein paar Jahre alte, stets ausgefeiltere Internet-Trend „Deep Fakes“ auf. Deep Fakes bezeichnen gefälschte Videos, in dem die Gesichter von beispielsweise PolitikerInnen und SchauspielerInnen auf die Körper anderer Personen gepflanzt wurden und man sie danach Dinge sagen und tun lässt, die nie passiert sind. Der Wissenschaftsjournalist Norbert Nosslau schrieb in seiner Arbeit „Deep Fake: Gefahren, Herausforderungen und Lösungswege“, dass der Name ein Kunstwort sei und sich sich aus den Begriffen „Deep Learning“, einer speziellen KI-Technik, und „Fake“, also der Fälschung, zusammensetze. Diese Technologie basiert auf neuralen Netzwerken, die durch das Analysieren möglichst großer Datenproben lernen, Gesichtsausdrücke und -form einer Person zu imitieren. Mika Westerlund, Professor an der Carleton University in Kanada, legte in seinem Text „The Emergence of Deepfake Technology: A Review“ dar, wie Deep-Fake-Technologie funktioniert: Ein Deep-LearningAlgorithmus werde mit Aufnahmen zweier Personen gefüttert, um ihn darauf zu trainieren, das Gesicht einer Person in einem Video mit dem Gesicht einer anderen Person zu vertauschen. Die zuvor genannten neuronalen Netzwerke seien lernfähig und in der Lage, aus vielen Fotos einer Person zu erlernen oder vorherzusagen, wie sie aus

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Deep Fakes: Fluch oder Fun?

einem anderen Winkel oder mit einem anderen Gesichtsausdruck aussehe. Verwendungsarten von Deep Fakes Laut Westerlund hätten Deep Fakes erstmals 2017 an Bekanntheit gewonnen, als ein Nutzer der Online-Plattform „Reddit“ die ersten Videos teilte, die Prominente in sexuellen Szenen darstellten, und die dafür verwendete Software als Open-Source-Programm im Internet für andere zur Verfügung stellte. Im Allgemeinen ist die pornografische Verwendung von Deep Fakes vorherrschend. 2018 startete die KIFirma „Deeptrace“ eine Messung der Deep-Fake-Aktivitäten im Internet und untersuchte dabei 15.000 Deep-FakeVideos. Im darauffolgenden Bericht „The State of Deep Fakes – Landscape, Threats and Impact“ wurde schließlich dargelegt, dass 96% der Deep Fakes pornografischer Natur waren. 99% der vertauschten Gesichter betrafen dabei Frauen. Unter den vielen Opfern von Deep Fakes zählt auch die bekannte Schauspielerin Scarlett Johansson. Laut einem Artikel des „Standard“ erzielte ein pornografisches Video mit ihrem Gesicht 1,5 Millionen Aufrufe, bevor es von „Pornhub“ gelöscht wurde. In einem Interview mit der „Washington Post“ erzählte sie, dass sie den Kampf gegen Deep Fakes als „sinnlos“ betrachte und dass sie sich nicht mehr aus dem Netz vertreiben ließen, wenn sie einmal veröffentlicht wurden. Neben der großen Problematik des Missbrauchs in Sachen Pornografie, wirft es auch Probleme für PolitikerInnen und Rufschädigung auf. „Pornografie war die erste Welle von Deep Fakes, die ins Netz gekommen sind, danach hatten wir eine Welle, bei der sehr viele Entertainment-Videos auftauchten, in denen Comedians PolitikerInnen lustige Sachen machen ließen. Jetzt ist


Widerstand und Zukunft Die Tür, die ein Weiterspinnen solcher Technologie in der Zukunft öffnet kann beängstigend wirken. Sowohl Gebeshuber als auch Steinebach sind sich

einig, dass Deep Fakes bei dem derzeitigen technologischen Fortschritt in wahrscheinlich weniger als zehn Jahren nicht mehr von der Realität unterscheidbar wären. Es gibt aber Personen, die Deep Fakes den Kampf angesagt haben: „Assembler“ – eine Software von Jigsaw, einer Firma des Alphabet-Konzerns – soll laut „Der Standard“ (28.02.2020) beispielsweise Medienhäusern und Fakten-Checkern dabei helfen, manipulierte Videos in geringerer Zeit und mit höherer Trefferquote zu identifizieren. Ian Sample vom „The Guardian“ berichtete in seinem Artikel „What are deepfakes and how can you spot them“, dass die Qualität der Deep Fakes zunehme und sie mit freiem Auge zu erkennen, immer schwieriger werde. Weiters finanzieren Regierungen, Universitäten und Tech-Unternehmen bereits Forschungsbemühen, um zukünftig Deep Fakes aufdecken zu können. Programme wie das zuvor erwähnte „Assembler“ könnten zukünftig dabei helfen, Fakes von Realität zu unterscheiden. Im zuvor genannten Artikel des „Standard“ wurde ebenfalls berichtet, dass Pornosites wie „Pornhub“ sich dazu entschieden hätten, DeepFake-Content zu verbannen und dem Missbrauch keine Plattform zu bieten. Auch Soziale Medien wie beispielsweise „Facebook“ und „Reddit“ änderten ihre Nutzerrichtlinien dahingehend, dass sie Deep Fake-Inhalte zukünftig sofort entfernen werden. Einen Schritt weiter ging die Regierung des US-Bundesstaats Kalifornien, die zwei neue Gesetze im Zusammenhang mit Deep Fakes beschloss, wie „Deutschlandfunk Nova“ in einem Online-Artikel berichtete. Während mit dem ersten Gesetz von Deep-Fake-Videos Betroffene mehr Möglichkeiten erhalten, sich gegen die Verwendung ihrer Gesichter zu wehren, verbietet das zweite Gesetz die Verbreitung von politischen Deep Fakes. Gebeshuber sieht solche Verbote als wenig effektiv: „Technologie kann nicht verboten werden. Durch das Internet gibt es immer andere und neue Wege, sie zu verbreiten.“ Auch Steinebach zeigt sich Verboten gegenüber skeptisch: „Die Deep Fakes sind im Internet. Man kann höchstens seitens der EU solche Projekte nicht mehr unterstützen oder darüber nachdenken, eine Kennzeichnungspflicht für Deep-Fake-Technologie einzuführen. So wäre wenigstens in den Meta-Daten erkenntlich, dass das Video durch einen Algorithmus manipuliert wurde.“ Für andere würde der zukünftige Fortschritt der Deep-Fake-Technologie neue Möglichkeiten mit sich

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das Ganze wie zu erwarten auch in der Welt der Desinformation angekommen und wird da missbräuchlich eingesetzt. Da ist es natürlich kritisch und als eine echte kurzfristige Gefährdung für den Ruf von PolitikerInnen zu sehen“, betont Media-Security-Experte Martin Steinebach im SUMO-Interview fest. Es stelle sich meistens raus, dass es sich um eine Fälschung handle, jedoch könne der kurzfristige Impact langfristige Folgen mit sich bringen: etwa kurz vor einer Wahl, falls Deep Fakes verbreitet würden, um eine/n Kandidatin/en zu denunzieren, und viele Leute ihre Meinung darauf hin ändern und die/den Kandidatin/en doch nicht wählen. Auch wenn nach der Wahl das Video aufgedeckt würde, wäre es dann schon zu spät. Damit wäre die Aufdeckung des Videos kurzfristig bereinigt worden, aber die Nachwirkungen der Manipulation hielten dann Jahre an. Die Frage, ob die Verantwortung für den Missbrauch dieser Technologe bei NutzerInnen oder dem/r Entwickler/in, der bzw. die Ersteren schließlich das Werkzeug in die Hand lege, ist für ITSecurity-Experten Klaus Gebeshuber klar zu beantworten: „Der/Die Nutzer/ in trägt definitiv die Verantwortung für den Missbrauch der Technologie. Ein Schraubenzieher kann auch dafür verwendet werden, jemanden zu töten, in diesem Fall trägt aber auch nicht das Werkzeug die Schuld an der Tat, sondern der oder die Täter/in“. Neben diesen problematischen Anwendungsmöglichkeiten findet die Deep-FakeTechnologie jedoch auch harmlosere Verwendung im Bereich Parodien, Satire und sonstiger Unterhaltung. „YouTube“-Kanäle wie „Ctrl Shift Face“ nutzen Deep Fakes, um unterhaltsame Videos zu produzieren, in denen die Gesichter von SchauspielerInnen mit anderen ausgetauscht werden: Robert Downey Junior und Tom Holland als moderne Neubesetzungen für „Doc Brown“ und „Marty McFly“ aus dem Kult-Zeitreise-Film „Zurück in die Zukunft“, und vieles mehr. Demokratisch wie auch problematisch kommt hinzu, dass so ziemlich jede/r heutzutage in der Lage ist, zumindest einfachste Deep Fakes zu generieren. Eine immer länge werdende Liste an Programmen und zahlreiche Tutorial-Videos auf Videoplattformen wie „YouTube“ ermöglichen es auch Laien, sich an der Erstellung von solchen zu versuchen.

Deep Fakes: Fluch oder Fun?

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aussehen würde, bevor man es überhaupt kauft. Damit könnte man eine große Zahl an Kleidungstücken in kürzester Zeit anprobieren. Schlussendlich sind Deep Fakes eine Technologie, die ebenso viele Chancen eröffnet, wie sie auch soziale Probleme bereitet. Egal, ob sie Besorgnis erregt oder man deren Zukunft aufgeregt entgegenfiebert, eines steht fest: Deep Fakes sind gekommen, um zu bleiben. Sie wird sich weiterverbreiten und perfektioniert werden. Es gilt, diese Entwicklung in kontrollierten Bahnen stattfinden zu lassen und sicherzustellen, dass menschliche Grundrechte wie Privatsphäre und Gerechtigkeit für jene Personen, die von ihnen oft unfreiwillig betroffen sind, nicht auf der Strecke des Fortschrittes liegen bleiben.

von Alexander Schuster

48˚10'44.6"N15˚34'02.3"E

bringen. Mika Westerlund, Professor an der Carleton University in Kanada, schrieb im oben erwähnten Artikel, dass beispielsweise die Filmindustrie stark von Deep Fake und Face-Mapping-Technologie profitieren könne. Es würde FilmemacherInnen beispielsweise erlauben, klassische Szenen aus Filmen nachzuschaffen oder verstorbene SchauspielerInnen wieder auf die Leinwand zu holen. „Möglicherweise ist man in der Zukunft im Entertainmentbereich gar nicht mehr auf die Präsenz von SchauspielerInnen angewiesen“, äußerte sich Steinebach dazu. Auch in der Post Production könne sich die Technologie in Form von Spezialeffekten und komplexer Gesichtsbearbeitung auszahlen. Weiters habe auch die Mode- und Werbeindustrie Interesse an dieser Technologie. Mit Ihrer Hilfe könnten sich beispielsweise die KonsumentInnen selbst in Models verwandeln und ihre Gesichter auf andere Körper pflanzen. Dies ermögliche eine bis dato unerreichte Vorschau darauf, wie ein Outfit an einem/einer selbst

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Klaus Gebeshuber / Copyright: FH Joanneum

Martin Steinbach / Copyright: Fraunhofer SIT

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Deep Fakes: Fluch oder Fun?


Digitalsteuer: Endlich faire Steuern für alle? Was haben „Facebook“, „Google“ und „Amazon“ gemeinsam? Sie sind Experten, wenn es darum geht, Steuerzahlungen zu vermeiden. Seit dem 1.1.2020 ist das Digitalsteuergesetz in Österreich in Kraft, um diese Ungerechtigkeit gegenüber anderen Unternehmen abzuschaffen. SUMO sprach mit Dominik Bernhofer, Ökonom und Leiter der Abteilung Steuerrecht in der Arbeiterkammer Wien, sowie mit Eva-Maria Himmelbauer, Abgeordnete zum Nationalrat und Bereichssprecherin für Telekommunikation und Netzpolitik der ÖVP, über den nationalen Alleingang Österreichs bei der Digitalsteuer, europäische Lösungen und erhoffte Einnahmen.

Werbeabgaben bisher nur für traditionelle Medien Mit der neu geschaffenen Digitalsteuer unterliegen Werbeleistungen im Internet seit Beginn des Jahres einer 5% Steuer. Dadurch sollen sämtliche Werbungen, unabhängig ob online oder offline, auf dasselbe Steuerniveau gebracht werden. Werbungen in Zeitungen oder im Radio werden bereits seit dem Jahr 2000 mittels der Werbeabgabe – einer so nur in Österreich existierenden Abgabe – mit 5% besteuert. Dabei sind zwei Begriffe von besonderer Bedeutung: die Onlinewerbeleister und die Onlinewerbeleistungen. Onlinewerbeleister wie beispielsweise „Google“ sollen dann zahlen, wenn sie aus Onlinewerbeleistungen weltweit einen Umsatz von mindestens 750 Mio. Euro und in Österreich von mindestens 25 Mio. Euro erwirtschaften. Das betrifft vor allem die bereits genannten „Internet-Giganten“. Onlinewerbeleistungen dagegen sind Werbeeinschaltungen

wie beispielsweise Suchmaschinenwerbung. Fairness schaffen Dominik Bernhofer ist der Meinung, dass in Ermangelung einer internationalen Lösung die nationale Digitalsteuer eine notwendige Maßnahme war. Anzustreben sei dennoch eine internationale Lösung. Ähnlich sieht es EvaMaria Himmelbauer, die angibt, dass die Einführung dieser Steuer ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sei. „Es geht darum, Fairness zu schaffen“, so Himmelbauer. Laut Bernhofer verlief jedoch die Umsetzung alles andere als optimal, denn „sie maximiert

Dominik Bernhofer / Copyright: AK

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Die Debatte um gerechte Besteuerung für die weltweit größten Unternehmen der Technologiebranche (vor allem „Google“, „Amazon“, „Facebook“) wird seit vielen Jahren geführt. Anfang 2018 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine EU-weite Digitalsteuer auf Online-Werbung, Plattformumsätze und Einnahmen aus Datenverkauf vorgeschlagen. Auf internationaler Ebene verhandeln die Länder um einen Mindeststeuersatz. Eine Einigung? Bisher Fehlanzeige. „Amazon“ beispielsweise bezahlte in Europa im Jahr 2016 16,5 Millionen Euro Steuern, bei einem Umsatz von mehr als 21 Milliarden Euro, was einem Prozentsatz von 0,07 entspricht.

die rechtlichen Risiken, bei gleichzeitiger Minimierung der Einnahmen“. Zu dieser Auffassung kommt er, weil der Anwendungsbereich deutlich kleiner ist als beim EU-Vorschlag, die Steuereinnahmen daher sehr niedrig sind. Die rechtlichen Risiken würden von den hohen Schwellwerten kommen. Sie führen laut Bernhofer dazu, dass nur „Facebook“ & Co. davon betroffen sind,

Digitalsteuer: Endlich faire Steuern für Thema alle?

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Insellösungen An einem „Flickenteppich“, in dem jedes europäische Land eine eigene Lösung zur Digitalsteuer einführt, seien auch „Google“ und Co. nicht interessiert, denn

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dadurch benötigen die Konzerne viele unterschiedliche Reporting-Systeme, so Bernhofer. Diese werden von SteuerberaterInnen erstellt, was selbst für diese global agierenden Giganten viel Geld und Aufwand bedeuten würden. Wesentlich einfacher wäre es, wenn man statt vieler Insellösungen ein einziges System zur Berichtsmeldung hätte, mit dem die gesamte EU abgedeckt wäre. Das spricht laut Bernhofer dafür, dass auch die Internetkonzerne und die sie unterstützenden Länder an einer einheitlichen Steuer interessiert sein sollten.

dass die EU-Steuerpolitik die Zustimmung aller Mitgliedsländer benötige – ohne diese Einstimmigkeit könne es keine gesamteuropäische Lösung geben. „Sollte es zu keiner einheitlichen Steuer kommen, dann zumindest zu einer EUweiten Rahmenrichtlinie, die eine gewisse Vereinheitlichung der nationalen Regelungen bringt“, meint Bernhofer. So könnte auch bei unterschiedlichen Standpunkten ein „totaler Flickenteppich“ vermieden werden. „Österreich beteiligt sich aktiv am Dialog und steht einer europäischen Lösung positiv gegenüber“, so Himmelbauer. Zumindest bezüglich der Grenzwerte werde sich Österreich an die EU-Bestimmungen anpassen.

von David Pokes

Eva-Maria Himmelbauer / Copyright: ÖVP Klub Sabine Klimpt

Standort bestimmt Standpunkt Internationale Lösungen seien bisher an unterschiedlichen Schwerpunkten gescheitert, so Himmelbauer, die darauf anspricht, dass Konzerne wie beispielsweise „Facebook“ in Irland eine europäische Niederlassung haben und dadurch einer europäischen Digitalsteuer nichts abgewinnen können. Insbesondere Länder wie Irland würden ja schließlich durch die Steuereinnahmen von „Facebook“ profitieren. „Standort bestimmt Standpunkt“, gibt Himmelbauer zu bedenken. Bernhofer erklärt,

Thema Digitalsteuer: Endlich faire Steuern für alle?

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was Klagen der US-Unternehmen sehr wahrscheinlich und auch erfolgsversprechend, zum Beispiel auf Basis des Gleichbehandlungsgebots oder des EUBeihilfenrechts, mache. Betreffend der zu erwartenden Einnahmen scheiden sich die Meinungen verschiedener ExpertInnen noch deutlich. Beim Gesetzesentwurf sprach die Regierung von Einnahmen in Höhe von 25 Mio. Euro. ExpertInnen der Universität Wien und der Arbeiterkammer hingegen rechnen eher mit 10 bis 15 Mio. Euro, so Bernhofer. „Um das jetzt schon abschätzen zu können, ist es noch zu früh“, meint Himmelbauer. Kritik üben müsse man auch daran, dass beim Alleingang Österreichs zwar die Schwellenwerte des EU-Vorschlags übernommen wurden, der exakte Anwendungsbereich sich jedoch unterscheide. Laut Bernhofer hätte man Online-Vermittlungsprovisionen auch noch in das Gesetz integrieren können. „Dann wäre man näher am EU-Vorschlag dran gewesen und hätte einen Beitrag von Online-Konzernen wie AirBnB und Uber sicherstellen können.“ Ziel der Regierung war es, Aufzeichnungs- und Übermittlungspflichten sowie eine entsprechende Haftung bei Pflichtverletzung des Plattformbetreibers einzuführen, um abgabenrelevante Dienstleistungen, wie es beispielsweise bei der Vermietung von Wohnraum über AirBnB der Fall ist, erheben zu können. So muss auch bei der touristischen Vermietung von privaten Wohnungen die Ortstaxe erhoben und abgeführt werden, wie es für Hotels und Pensionen bereits seit Jahrzehnten der Fall ist, sagt Himmelbauer.


„Zugriff verweigert“ – technischer und rechtlicher Schutz von Smart Home Smart Home-Geräte erleichtern den Alltag, aber bergen auch Gefahren. SUMO diskutierte mit Armin Anders, Mitgründer und Vice President Business Development von EnOcean, und Daniel Stanonik, Rechtsanwalt von „Stanonik Rechtsanwälte“, über Sicherheit, Datenschutz und behördlichen Zugriff.

Smart Home vor Gericht Wie Berichte zeigen, soll „Alexa“ in einem Mordfall in den USA im Gerichtsprozess „als Zeuge aussagen“, also die gespeicherten Daten sollen vor Gericht verwendet werden dürfen. Daniel Sta-

nonik hat Erfahrung mit Fällen betreffend Smart Home. Er sieht Potential, dass Smart Home-Geräte bei der Ermittlung und im Gerichtsprozess hilfreich sein könnten. „Es ist im Endeffekt ein Computer“. Hilfreich seien die Geräte insofern, dass die Systeme Informationen protokollieren, die bislang nicht bekannt sind, z.B. Log-Daten. Beispielsweise könne das Gerät helfen, wenn es um Gewährleistungsfragen geht, also wann das Gerät aus welchem Grund nicht mehr funktioniert hätte. Diese Technologie habe den Vorteil, dass man unter Umständen erkenne, ab wann das Gerät defekt war und anhand der Fehlermeldung (Bedienungs-, System-, oder Gerätefehler), was die Ursache gewesen sei. Anhand der oben genannten Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit hatten 10% der Smart HomeNutzerInnen bereits einen Schadensfall, davon sind 3% Verbindungsfehler. Sicher ist sicher Aber wie sicher sind unsere Geräte vor externen Zugriffen? Der EnOceanGründer erklärt, dass die Sicherheit der Geräte in zwei Strecken unterteilt werden könne. Einmal die Kommunikation zwischen Sensoren und der Zentrale, die heutzutage häufig über Funk funktioniere. Der Vorteil von funkbasierten Lösungen sei, dass kein Verkabelungsaufwand der Sensoren notwendig sei. Die zweite Strecke bilde die von der Smart Home Box ins Internet. Die Sicherheit eines Gerätes sei abhängig von der Nutzung. Grundsätzlich würden immer so viele Sicherheitsmechanismen eingebaut wie nötig, je mehr Sicherheit, desto höher werde auch der Arbeitsaufwand und folglich auch die Kosten. „Bei der Übertragung einer Zimmertemperatur braucht man nicht so viel Sicherheit in die Systeme einbauen. Da gibt es einen Unterschied, ob man Geld oder Leben schützen möchte“, so Armin Anders. Zutrittskontrollen beispiels-

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Eine Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit aus dem Jahre 2018 ergab, dass 45% aller ÖsterreicherInnen smarte Geräte nutzen. Aber sind diese auch gut geschützt? Um zu verstehen, wie Smart Home-Geräte vor externen Zugriffen gesichert sind, muss man zunächst die Technik dahinter näher betrachten. Der Mitgründer von EnOcean klärt auf. EnOcean ist ein Technologielieferant von energieautarker Funksensorik. „Wir liefern eine Technologie, um Funksensoren, Taster und Schalter drahtlos ohne Batterien zu realisieren. Wir sehen uns als Technologie und Komponentenprovider“, so Anders. Um Smart Home1 zu verstehen, ist auch die Abgrenzung zu Internet of Things2 relevant. Internet of Things und Smart Home bauen aufeinander auf. Bei Smart Home-Geräten würden verschiedene Sensoren mit einer Heimzentrale verbunden werden. Die Heimzentrale steuere technische Einheiten, sogenannte Aktoren wie Heizung, Klimaanlage, Lüftung oder Licht. Die Steuerung könne lokal stattfinden, also im Haus, aber auch über die Sensoren und Aktoren, die über Gateways mit dem Internet verbunden sind. Eine lokale Steuerung von Smart Home-Geräten, welche abrufbar über das Smartphone ist und sich visualisieren lasse, nennt sich Smart Home. Internet of Things hingegen beschreibt Armin Anders so, als dass jeder Sensor, jeder Aktor einen Einzelknotenpunkt im Internet darstelle. Eine lokale Steuerung, bei dem die Daten über einen Browser visualisiert werden, biete nicht so viel Angriffsfläche über das Internet, behauptet der EnOcean-Vizepräsident.

„Zugriff verweigert“ - SmartThema Home

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weise benötigen folglich einen höheren Sicherheitsmechanismus3 als eine Temperaturkontrolle. Man differenziert unterschiedliche Sicherheitslevels, die in die Geräte implementiert werden. „Die Sicherheit ist immer an den Energiebedarf gebunden und je höher die Sicherheit, umso mehr Energie braucht man für die Funkübertragungsstrecke. Deshalb gibt es bei uns unterschiedliche Sicherheitslevels“, erläutert Anders. „Die Daten werden in der Zentrale gesammelt. Um hier die Sicherheit zu gewährleisten, müssen die Mechanismen richtig und ordnungsgemäß implementiert werden“, erklärt der EnOceanGründer. Zusammenarbeit zwischen NutzerInnen und HerstellerInnen Stanonik sieht Smart Home auch als Gefahr, vor der man sich absichern müsse. „Über ein ungesichertes Netz können Dritte auf das Gerät zugreifen.“ Die Informationen, die von dem/r Benutzer/in und Geräteherstellern übermittelt werden, müssten vor Dritten geschützt werden, denn sonst könnte das Passwort oder die Verbindung gehackt werden. „Es kann soweit kommen, dass ein/e Dritte/r ihr Gerät bedient und somit über ihr Kühlsystem, ihre Kamera, etc. Informationen entsprechend ausforschen bzw. stehlen kann.“ Der Rechtsanwalt fügt hinzu, dass die Steuerung von Kühlschrank, Jalousien oder Heizung von außen einen Bequemlichkeitsvorteil darstelle, aber gleichzeitig dadurch das Sicherheitsrisiko beträchtlich erhöht werde.

„Man muss das System entsprechend konfigurieren und da sehe ich die Problematik, dass das viele Smarte Home-NutzerInnen nicht können und die Standardeinstellungen nicht die sichersten bzw. allgemein bekannt sind.“ Die Problematik sieht Stanonik insbesondere beim Passwort. Es sei oft zu schwach und es werde keine ZweiFaktor-Authentifizierung (Kombination zweier unabhängiger Komponenten, wie im Bankwesen Passwort und TAN) verwendet, weshalb der Zugriff in das Private Dritten erleichtert werde. Auch Anders sieht Sicherheit als ein sehr ernstes, aber auch emotionales Thema. „Es können Implementierungsfehler entstehen, aber wenn man die Sicherheitssysteme entsprechend implementiert, dann sind die Systeme geschützt“, so der Vizepräsident von EnOcean. Als Beispiel nennt er hier Online Banking. Das Vertrauen, unser Geld über Online Banking zu verwalten, bestehe, da die Sicherheitssysteme gut implementiert wurden. Er empfiehlt professionelle Systeme von professionellen Anbietern und keine billige Ware zu kaufen, da mit Sicherheit auch immer Aufwand betrieben werden müsse, der sich in Form von Kosten auch im Preis zeige. Sicherheit ist wohl der wesentlichste Parameter in der Nutzung solcher Geräte, welcher NutzerInnen beim Komfort programmierter Jalousien und Staubsaugern, Pflanzengieß- und Haustierfütterungsgeräten etc. wichtig sein sollte.

Daniel Stanonik / Copyright: Nenad Ivic

Armin Anders / Copyright: EnOCean

von Raphaela Hotarek

Smart Home: Der Begriff „beschreibt die Nutzung von intelligenter Informationstechnik im eigenen Wohnumfeld. Solche intelligente Informationstechnik kann in aller Regel Daten verarbeiten, ist mit dem Internet und/oder anderen Geräten vernetzt und fernsteuerbar.“ (Geminn, Christian L. (2016): Das Smart Home als Herausforderung für das Datenschutzrecht, in: Datenschutz und Datensicherheit - DuD, 40, S. 575) 2 • Internet of Things (dt. Internet der Dinge): Es „bezieht sich generell auf technische Möglichkeiten vielfältige physische Objekte (‚‚Dinge‘) an das Internet anzubinden und digitale Dienste für diese Dinge und/ oder deren Anwender bereitzustellen.“ (Strohmeier, Stefan/Majstorovic, Dragana/Piazza, Franca/Theres, Christian (2016): Smart HRM – das „Internet der Dinge” im Personalmanagement, in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 53, S. 839) 3 • Die drei Sicherheitsmechanismen: 1) Authentifizierung über IDs: Der Sender muss sich in ein vom Unternehmen vorprogrammiertes System identifizieren. 2) AES 128 bit: AES steht für Advanced Encryption Standard. Über Verschlüsselungsmethoden wird für den Empfänger unkenntlich gemacht, welche Information mit dem Funksignal verbunden ist. 3) Rolling Code: Der Code verändert sich nach jeder Funksendung.

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Thema verweigert“ - Smart Home „Zugriff

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Upload-Filter: Eine Herausforderung für Türkis-Grün Am 26. März 2019 wurde im EU-Parlament die Reform des Urheberrechts beschlossen, vor allem mit den Stimmen konservativer Seite. GegnerInnen sahen darin eine Zensur des Internet, BefürworterInnen argumentierten mit der besseren rechtlichen Absicherung, u.a. von Musik- oder (Bewegt-)Bildschaffenden, so etwa Kenny Lang im SUMOInterview. Besonders die geplanten „Uploadfilter“ sorgten europaweit für breite Proteste in der Internetcommunity. Die Mitgliedsländer haben nun bis 2021 Zeit, diese EU-Richtlinie in nationales Recht um-zusetzen. Also auch in Österreich, wo Befürworter (ÖVP) und Gegner (Grüne) gemeinsam ein Gesetz zu beschließen haben, von dem niemand weiß, wie es umgesetzt werden soll. Das Internet ist zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses nicht ausgestorben. Ein Jahr nachdem die EU-Staaten die umstrittene Urheberrechtsreform beschlossen haben, werden im Netz nach wie vor Memes gebastelt und Katzenvideos geteilt. Eine Mehrheit von 348 zu 274 EU-Abgeordneten stimmte für die EU-Urheberrechtsreform als Gesamtpaket. Auch wenn die Mehrheit relativ klar aussieht, war es am Ende dennoch knapp: Nur fünf Stimmen haben gefehlt, um über die einzelnen Artikel 15 und Artikel 17 mittels Änderungsanträgen einzeln abzustimmen. Dadurch hätten die umstrittenen Uploadfilter und die Reform des Leistungsschutzrechtes noch verhindert werden können. Die Abgeordneten der ÖVP haben der Reform geschlossen zugestimmt, SPÖ, Grüne und NEOS stimmten dagegen, die FPÖAbgeordneten enthielten sich. Worum geht es konkret Die Reform selbst soll das veraltete und nicht auf Online-Aktivitäten ausgelegte Urheberrecht an das digitale Zeitalter anpassen und unter anderem dafür sorgen, dass UrheberInnen für ihre Inhalte im Netz eine gerechte und angemessene Vergütung erhalten. Dass eine Reform notwendig war, darüber herrschte Einigkeit und auch darüber, dass KünstlerInnen und andere ContentSchaffende fair vergütet werden sollen. „Wir haben derzeit die Situation, dass große internationale Plattformen sehr

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gute Profite mit den Inhalten anderer machen. Das ist natürlich eine Situation, die man als Medien- und Kunstschaffender so nicht hinnehmen kann“, sagt Kenny Lang, Journalist und Kunstschaffender, im Interview mit SUMO. Konkret bedeutet das aber, dass Internetplattformen, bei denen nutzergenerierte Inhalte hochgeladen werden können, zu Vorabkontrollen aller Inhalte verpflichtet werden. Im Artikel 17 ist festgelegt, dass Online-Plattformen künftig auch dafür haften, wenn unerlaubt urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wird. Bisher hafteten NutzerInnen der Plattform selbst – das soll sich nun ändern. Damit Plattformen, wie beispielsweise „YouTube“, sicherstellen können, dass kein urheberrechtlich geschütztes Material hochgeladen wird, sind technisch gesehen Uploadfilter erforderlich, wenngleich diese nicht explizit durch die Reform gefordert werden. Mit Hilfe dieser soll der Content bereits während des Hochladeprozesses geprüft und aussortiert werden. Die Uploadfilter können allerdings nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. So können rechtsverletzende Inhalte und Inhalte zur legalen Werknutzung nicht klar unterschieden werden. Zur legalen Werknutzung zählt etwa das Hochladen von Inhalten, die von Content-schaffenden für bestimmte Zwecke frei zur Verfügung gestellt wurden. Dabei könnten auch versehentlich Inhalte blockiert werden, die vom Zitatrecht Gebrauch

Thema Upload-Filter: Eine Herausforderung für Türkis-Grün


machen oder gar Satire sind. Auch Bilder und Videos, die etwa von Memes oder Parodien verwendet werden, könnten automatisch als Urheberrechtsverstoß ausgefiltert werden, obwohl diese in der Reform explizit ausgenommen worden sind. Der zweite umstrittene Teil der Urheberrechtsreform ist der Artikel 15, bei diesem geht es um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Demnach müssen Unternehmen wie beispielsweise „Google“ Verlage dafür bezahlen, wenn kleine Textpassagen – sogenannte Snippets – aus Artikeln in den Suchmaschinenergebnissen angezeigt werden.

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Kenny Lang / Copyright: Christian Lietzmann

Die zwei Seiten KritikerInnen sprechen bei dieser Reform gar von Zensur und der Gefahr, dass mehr gefiltert würde, als unbedingt notwendig. Bernhard Hayden, Urheberrechtsexperte der digitalen Grund-rechtsorganisation „epicenter. works“, sprach in einem Interview mit „futurezone.at“ (26.3.2019) gar von einem „schwarzen Tag für das Internet“. Konkret sagte er, dass „das Europäische Parlament sich nicht nur der eindringlichen Warnungen der führenden europäischen Urheberrechtsexperten sowie des UN Sonderberichterstatters für den Schutz der Meinungsfreiheit [widersetzt], sondern schlägt mit der Zustimmung zu dieser Reform einer ganzen Generation vor den Kopf.“ Untermauert wurde dies mit einer Unterschriftensammlung mit mehr als fünf Millionen Unterschriften, um den Artikel 17 zu stoppen. Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI), sprach in einer Aussendung am 26.3. hingegen von „einem guten Tag für die europäischen Kreativen.“ In dieser Aussendung betonte er: „Die Copyright-Richtlinie ist ausgewogen und fair, neben den Kreativen stärkt sie auch die Rechte der User.“ Trotzdem muss man sich auch der Frage widmen, wer darüber entscheidet, ob es sich um eine Urheberrechtsverletzung handelt oder nicht. Kenny Lang sagt in einem Interview gegenüber SUMO,

„dass man der Frage nachgehen muss, wer diese Datenbanken mit den digitalen Fingerabdrücken kontrolliert. Damit Uploadfilter effizient arbeiten und feststellen können, ob es sich um eine Urheberrechtsverletzung handelt oder nicht, muss es Datenbanken geben, die einer Kontrolle unterliegen. Und wer das kontrolliert, kontrolliert de facto, was ins Internet hochgeladen werden darf. Dementsprechend muss man da ganz genau hinschauen, damit hier keine unfairen Geschäfte betrieben und die Parameter genauestens festgelegt werden.“ Betroffen von dieser Reform sind tatsächlich aber nur die großen Konzerne und Medienhäuser. Was das für die Medienhäuser bedeutet, „lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, bei Diskussionen in der Vergangenheit haben diese aber nicht immer von solchen Gesetzen profitiert. Wenn man nur daran denkt, wie viel Verlage davon haben, bei den großen Suchmaschinen ver-linkt zu sein. Da man die Artikel dort findet, ist es natürlich ein beträchtlicher Teil des Traffic auf der Verlagsseite. Wenn man diese Verlinkungsmöglichkeiten nun einschränkt, könnte dadurch der Traffic leiden“, so Lang. Wie geht es weiter? 2020 hat die Covid-19-Krise alles überschattet. Dennoch bleibt die Notwenigkeit, dass die EU-Mitgliedsstaaten nur noch bis Juni 2021 Zeit haben, die Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Ob sich das tatsächlich ausgehen wird, bleibt unklar. „Ich glaube, dass die einzelnen Staaten teilweise selbst noch nicht wissen, ob sich das ausgeht, eines ist aber auch klar – die ersten Versuche werden Fehler haben und dementsprechend muss dann nachgeschärft werden. Wichtig ist, dass die großen USUnternehmen nicht mehr so stark davon profitieren, Urheberrechte zu verletzen. Auch wenn es immer heißt, dass vor allem die großen Verlage von solch einer Reform profitieren würden, dann kann ich nur sagen: große Verlage sind voller kleiner AutorInnen“, betont Kenny Lang. Noch ist die umstrittene Reform nicht in Kraft und kann dem freien Netz bislang auch (noch) nicht schaden oder den Medienschaffenden helfen. Aber es dürfte höchst spannend werden, wie die Regierungskoalition trotz völlig unterschiedlicher Meinung der Parteien die Gesetzwerdung löst. von Martin Möser

Thema Upload-Filter: Eine Herausforderung für Türkis-Grün

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Die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden diverse Programmaufträge eingeschrieben, die eine besondere Finanzierung ermöglichen. Die europäischen Staaten entwickelten hierfür unterschiedlichste Formen. SUMO hat im Zuge dieses Artikels mit Leonhard Dobusch, Professor an der Universität Innsbruck und Mitglied des ZDF-Fernsehrats, gesprochen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben jeweils einen Publikumsauftrag zu erfüllen. Der ORF muss sich beispielsweise an den im ORF-Gesetz definierten Auftrag halten: „Der Österreichische Rundfunk hat durch die [...] verbreiteten Programme und Angebote zu sorgen für: die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politische, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen“. Dafür erfolgt die ORF-Finanzierung zu einem Großteil durch Gebühren. Zusammensetzung der Gebühren in Österreich Der Programmauftrag des ORF kann nur erfüllt werden, wenn ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sind. Die „GIS Gebühren Info Service GmbH“ gehört laut der Website der GIS seit 2001 zu 100% dem ORF und ist dafür zuständig, die Gebühren einzuheben. Laut der von der GIS im April 2018 veröffentlichten Zahlen sind in Österreich 3,6 Millionen Haushalte gemeldet, 300.000 Haushalte sind von den Gebühren befreit. Jährlich werden rund 992 Mio. Euro an Gebühren eingenommen. Der ORF kann jedoch nicht frei über diese Gesamtsumme verfügen. Laut ORF Ertragsstruktur 2018 waren das 637 Mio. Euro, rund zwei Drittel der GIS-Gesamtbeträge. Das übrige Drittel setzt sich laut Aufschlüsselung der GIS aus Abgaben zusammen. Der Bund hebt 56,2 Millionen Euro an Rundfunkgebühren ein. Zusätzlich werden die GISGebühren besteuert, dies bringt dem Bund weitere 63,7 Millionen Euro ein. Eine weitere Abgabe ist der Kunstförderungsbeitrag. Dieser Beitrag macht jährlich 18,6 Millionen Euro aus. Die Bundesländer können individuell ent-

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schieden, ob sie zusätzlich eine Landesabgabe einfordern. Dies erklärt, dass die GIS-Gebühren unterschiedlich hoch sind. Vorarlberg und Oberösterreich sind die einzigen zwei Bundesländer, die keine Landesabgabe einfordern. Aus diesem Grund sind die Gebühren mit 20,9 Euro pro Monat am niedrigsten. Die höchste monatliche Abgabe hebt das Land Steiermark ein. Dort müssen die gebührenpflichtigen Haushalte 26,7 Euro pro Monat bezahlen. Sowohl in Mitglieds- als auch in Nicht-Mitgliedsstaaten der EU, die den öffentlichrechtlichen Rundfunk ebenfalls durch Gebühren finanzieren, sind die Abgaben an den Bund meist geringer. So werden laut des im September 2016 von der European Broadcast Union (EBU) veröffentlichten „Annual Report“ in Europa durchschnittlich 90% der eingehobenen Gebühren direkt den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Anstalten zugeführt. Rundfunkfinanzierung in Deutschland Im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist die Haushaltsabgabe verankert. Dort werden die genauen Bedingungen zu den Rundfunkgebühren in Deutschland festgelegt. Laut dem „ARD-ZDFDeutschlandradio-Beitragsservice“ wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit sieben Jahren durch eine Haushaltsabgabe finanziert. Zuvor mussten lediglich Haushalte, in denen Fernseh-, Radio- oder andere Geräte, die zum Empfang der öffentlich-rechtlichen Programme fähig waren, bezahlen. Von 1976 bis 2012 wurden diese Gebühren von der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eingehoben. Mit Einführung der Haushaltsabgabe wurde diese ab 2013 in „ARD-ZDF-DeutschlandradioBeitragsservice“ umbenannt. Die Um-

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stellung auf die Haushaltsabgabe stieß jedoch auch auf Widerstand. Es wurden Klagen eingereicht, über die das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 18. Juli 2018 entscheiden musste. Aus dem Urteil ging hervor, dass die Haushaltsabgabe generell als gesetzeskonform gilt. Da in Deutschland theoretisch jeder Haushalt die öffentlich-rechtlichen Programme empfangen könne, sei es gerechtfertigt, dass alle Haushalte, unabhängig von ihrer Nutzung, einen Beitrag bezahlen müssen. Eine Regelung wurde jedoch als verfassungswidrig erklärt: Personen, die eine Zweitwohnung besitzen, mussten doppelt bezahlen. Dies ist laut Bundesverfassungsgericht nicht erlaubt und wurde somit abgeschafft. Derzeit beträgt die Abgabe 17,5 Euro pro Wohnungsinhaber/in. Rundfunkfinanzierung in der Schweiz In der Schweiz wurde am 4. März 2018 per Volksentscheid über die Abschaffung der Rundfunkgebühren entschieden. Laut des vom SRF am 04.03.2018 veröffentlichten Endergebnisses sprachen sich rund 72% der TeilnehmerInnen gegen die Abschaffung und somit für einen Weiterbestand der Rundfunkgebühren aus. Die Wahlbeteiligung lag bei circa 54%. Die damalige Medienministerin Doris Leuthard erklärte nach der Verkündung der Ergebnisse in einem Interview mit dem SRF, dass sie eine Verbundenheit zwischen der Schweizer Bevölkerung und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk erkennen könne. Die Gebühren wurden mit Anfang des Jahres 2019 laut Informationen der Serafe AG gesenkt: Nun müssen pro Haushalt jährlich rund 345 Euro bezahlt werden. Somit wurde die Abgabe um circa 81 Euro pro Haushalt gesenkt. Bezahlen müssen grundsätzlich alle Haushalte, jedoch gibt es auch Ausnahmen. Dies wird ebenfalls auf der Website der Serafe AG näher erläutert. Haushalte, die nachweisen können, dass sie keine Geräte zum Empfang des Rundfunks besitzen, können einen Antrag auf Gebührenbefreiung stellen. Dies wird als „Opting-out“ bezeichnet. Der Antrag kann maximal für fünf Jahre genehmigt werden, danach müssen die betroffenen Haushalte die Rundfunkgebühren wieder entrichten. Akzeptanz in der Bevölkerung Leonhard Dobusch, Betriebswirtschaftslehre-Professor an der Universität Innsbruck und Mitglied des ZDF-Fernsehrats, erklärt im SUMOInterview, dass die Zustimmung in der Bevölkerung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk groß sei, dennoch dürfe

man sich nicht darauf ausruhen. Diese Zustimmung spiegelt sich auch in der 2018 veröffentlichten „Akzeptanz-Studie“ der ARD wider. Anfang 2018 wurden 1.502 Personen ab 14 Jahren in Deutschland telefonisch befragt. 84% gaben an, dass ihnen der ARD-Medienverbund sehr gut oder gut gefällt. 78% sahen die ARD als sehr wichtig für die Allgemeinheit an und für 66% ist die ARD persönlich wichtig. Aus der Studie geht hervor, dass ein großer Teil der Befragten mit dem Angebot des ARD zufrieden ist. Es können jedoch keine Aussagen darüber getroffen werden, welche Angebote zu dieser Zufriedenheit führen, so gibt es beispielsweise einen Trend, der zeigt, dass junge Menschen die linearen Angebote nicht mehr so stark nutzen. Univ.-Prof. Dobusch erläutert: „Wenn man sich anschaut, wie der Altersschnitt bei den ZuschauerInnen der linearen Programme ist, dann sieht man, dass die Reichweite, wenn man das als eine Rückmeldung über Akzeptanz ansieht, bei den Jüngeren im linearen Bereich stark zurückgeht.“ Das ZDF hat ein neues Konzept erarbeitet, das den Online-Auftritt des Senders verbessern soll. Auf lange Sicht könne ein solches Konzept die Akzeptanz der Bevölkerung in Bezug auf die Rundfunkgebühren noch steigern. Dobusch unterstreicht im Interview die Wichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: „Wir alle profitieren davon, dass ein öffentliches Medienangebot für eine vielfältigere und demokratischere Öffentlichkeit sorgt.“ Positionen der Politik Die österreichischen Parteien unterscheiden sich in ihren Meinungen zu den Rundfunkgebühren teilweise stark. Im Regierungsprogramm der ÖVP und der Grünen wird der ORF als wichtiger Teil der österreichischen Medienlandschaft bezeichnet. Die beiden Parteien wollen sich für einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk einsetzen. Mit welcher Art der Finanzierung dies verbunden sei, wird aber nicht näher erläutert. Eva Blimlinger, Nationalratsabgeordnete der „Grünen“, erachtet eine Haushaltsabgabe anstelle der GISGebühren als sinnvoller. Dies erläuterte sie in einem am 10.01.2020 veröffentlichten Interview mit dem „Standard“. Wie sich der Koalitionspartner ÖVP die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorstellt, geht aus ihrem 2015 veröffentlichten Grundsatzprogramm nicht klar hervor – sich zur „Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ bekennend. Eine klare Position zu diesem Thema nimmt die FPÖ ein. Diese wurde in einer am 24.02.2020 statt-

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findenden Pressekonferenz der FPÖ näher erklärt. Laut Norbert Hofer sei das Ende der GIS-Finanzierung mit dem ehemaligen Koalitionspartner ÖVP vereinbart gewesen. Durch die Ibiza-Affäre und der darauffolgenden Auflösung der Regierung sei keine Zeit geblieben, dieses umzusetzen. Im Parteiprogramm äußert sich die FPÖ nicht über den ORF oder seine Finanzierung, dennoch hat sie im Februar 2020 bei der oben genannten Pressekonferenz eine Petition für die Abschaffung der GIS-Gebühren vorgestellt. Dort wurde auch erklärt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in dieser Form nicht mehr zeitgemäß sei, und ein Abo-Modell die bessere Lösung für den ORF darstelle. Leonhard Dobusch erläutert, weshalb die rechten Parteien gegen die jetzige Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien seien: Sowohl die AFD als auch die FPÖ nehme die Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien als ungerecht war. Sie hätten das Gefühl, gar nicht oder negativ dargestellt zu werden. Insbesondere rechtspopulistische und -radikale Parteien befänden sich außerhalb eines gesellschaftlichen medialen Konsenses, sodass sie von der Schwächung der öffentlich-recht-

lichen Anstalten etwas zu gewinnen hätten. Ohne die öffentlich-rechtlichen Angebote wären die Menschen auf andere Informationsquellen angewiesen. Dies würde solchen Parteien einen größeren Einfluss bringen. Ausblick Es sei wichtig, so Univ.-Prof. Dobusch, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Zukunft die Möglichkeit hätten, vermehrt auf den digitalen Plattformen zu agieren. Der neue Telemedienauftrag in Deutschland erlaube es bereits, neue „Online-Only-Angebote“ anzubieten. Um diese Angebote auch weiter vorantreiben zu können brauche es jedoch eine Investitionsmilliarde. In Österreich habe der ORF rechtlich noch keine Möglichkeit, neue digitale Angebote zu entwickeln. In Zukunft könne es in Deutschland unter gewissen Voraussetzungen zu Problemen mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommen. Im Falle, dass die AFD in einem Bundesland in die Regierung käme, reiche dieses eine Land, um jede Beitragserhöhung zu blockieren. Dies zeige die Schwäche einen solchen Systems auf, da radikale RundfunkgegnerInnen dieses schwächen könnten.

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von Viktoria Strobl

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Der milliardenschwere Kampf um Sportübertragungsrechte

Die Einzigartigkeit von Live-Sport begeistert Menschen so sehr, wie kaum eine andere Freizeitbeschäftigung. Auf den ersten Blick schaffen zahlreiche Player wie „DAZN“, „SKY“ oder bald auch „Amazon Prime“ einen umfangreichen Zugang zu Sportereignissen auf der ganzen Welt, abseits von linearen Fernsehangeboten. Auf den zweiten Blick entstehen durch diese neugewonnene Vielfalt im Wettbewerb aber auch Grenzen, da sich immer mehr Sportevents mittels Sublizenzierung aufteilen und hinter einer Vielzahl von Bezahlschranken verschwinden. Für Sportfans wird der Markt immer unübersichtlicher und auch Medienunternehmen verlieren durch kurze Rechteperioden immer mehr an Planungssicherheit. Besonders der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat nach seiner jahrzehntelangen Monopolstellung mit der jetzigen Selbstgestaltung der SportrechteVermarktung zu kämpfen. In Österreich muss der ORF dabei zusehen, wie Live-Sportereignisse im Programm zunehmend schwinden und zu anderen Anbietern wechseln. Eine Verschiebung des Angebots, die aber nicht bei den Grenzen der bekannten Sendergruppen aufhört, wie ORF-Sportjournalistin Alina Zellhofer feststellt: „Die steigende Anzahl der Anbieter ist vor allem deshalb so interessant, weil nicht mehr nur reine Medienunternehmen mitmischen. Auch Telekommunikationsunternehmen wie A1 oder Magenta haben plötzlich Pläne.“ Immer öfter habe der ORF das Nachsehen, weil er gesetzlich nur bis zu einem bestimmten Grad mitbieten dürfe. Trotz vieler Bestrebungen ak-

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Fußball, Skifahren, Tennis, US-Sport. Abseits vom Besuch im Stadion oder an der Rennstrecke bieten TV und Streaming-Dienste ein immer breiteres Angebot, rund um die Uhr mitzufiebern. Dahinter aber verbirgt sich ein knallharter Kampf um Aufmerksamkeit. Im Interview mit SUMO diskutieren ORF-Sportjournalistin Alina Zellhofer sowie „DAZN“- und „Servus TV“-Producer Martin Pfanner über das Milliardengeschäft der Sportrechte-Vermarktung. tiv der Konkurrenz entgegenzutreten, würden Versuche zur Verbesserung der Inhalte schnell auf rechtliche Rahmenbedingungen stoßen. Doch auch auf Seiten der Streamingund Pay-TV-Unternehmen selbst steigt der Druck, KundInnen ein attraktives Programm anbieten zu können, wie „DAZN“- und „Servus TV“-Producer Martin Pfanner erklärt: „Live-Sport ist das letzte relevante Ereignis, das zum selben spezifischen Zeitpunkt Menschen vor den Fernseher fesselt. Dieses Gut ist heiß begehrt, denn man braucht Live-Sport, um auch auf andere Programminhalte aufmerksam zu machen.“ Weil immer mehr Anbieter einsteigen und „am Kuchen mitnaschen wollen“, würde es für einzelne Unternehmen unmöglich werden, Exklusivrechte zu bezahlen. Der unerschwingliche Preis unterteilt ganze Sportligen und Turniere in immer kleinere Rechtepakete, sogenannte Sublizenzen, die nur zu einer bestimmten Anzahl an Übertragungen berechtigen. So passiert es im Fußball beispielsweise, dass sich „SKY“ und „DAZN“ seit der Saison 2018/19 die UEFA-Champions League teilen müssen. RezipientInnen müssen beide Anbieter kostenpflichtig abonnieren, wenn sie eine bestimmte Mannschaft über den gesamten Bewerb hin verfolgen wollen, denn eine frei empfangbare Alternative gibt es nicht. Das entstandene Wettbieten bestimme aktuell aber nicht nur Fußball und all seine europäischen Profi-Ligen, sondern würde sich auf immer mehr Sportarten ausdehnen. So bekommen beispielsweise auch die sportlichen Erfolge von Tennis-Ass Dominic Thiem in den meisten Fällen nur

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diejenigen in voller Länge zu sehen, die bereit sind dafür zu bezahlen. Teamplayer statt Einzelkämpfer Durch die wachsende Anzahl an Paywalls stelle sich immer öfter auch die Frage nach gesellschaftlichen Auswirkungen, die durch einen eingeschränkten Zugang entstehen würden. Menschen, die nicht die Möglichkeit haben sich kostenpflichtige Inhalte zu leisten würden durch exklusive Inhalte ausgegrenzt werden. „Es ist wichtig, sicherzustellen, dass manche Dinge nicht komplett aus dem freien Fernsehen verschwinden“, fordert Zellhofer und ergänzt: „SportlerInnen haben auch eine gewisse Vorbildwirkung, weshalb es wichtig ist, den Bezug nicht zu verlieren.“ Mit dem Fernseh-Exklusivrechtegesetz aus dem Jahr 2001 gibt es hierzulande eine gesetzliche Liste von Veranstaltungen, die durch die „erhebliche gesellschaftliche Bedeutung“ öffentlichen Medienanstalten vorbehalten sind. Diese beinhaltet allerdings fast ausschließlich internationale Großbewerbe wie die Olympischen Winterund Sommerspiele, Alpine Skiweltmeisterschaften, sowie Europa- und Weltmeisterschaften im Fußball mit österreichischer Beteiligung. Etwaige Versuche, die Verordnung auch auf Vereinsebene auszuweiten blieben bislang unvollendet. Denn abzuwägen, welche Sportereignisse tatsächlich von nationaler Relevanz sind, würde sich schwierig gestalten und könne kaum an gesetzliche Bestimmungen geknüpft werden. Sportlicher Erfolg sei viel zu unberechenbar und ließe deshalb keine Planbarkeit zu, wie Zellhofer anmerkt: „Man kann nie davon ausgehen, dass wenn man Rechte für eine Periode innehat, dass dann auch wirklich ein österreichischer Vertreter mit dabei ist. Es kann passieren, dass man teuer die Europa League einkauft und dann ein Verein wie Salzburg sensationell den Einzug in die Champions League schafft, was ihnen davor zehn Jahre lang nicht gelungen ist.“ Auch ein öffentlich-rechtlicher Programmauftrag dürfe deshalb kein Anrecht auf Übertragungen von bestimmten Sportveranstaltungen bedeuten. Der freie Wettbewerb sei wichtig, bräuchte aber auch neue Wege, wie beide InterviewpartnerInnen betonen.

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Laut Zellhofer wären dies gemeinsame Modelle zwischen allen Wettbewerbern, um ZuseherInnen Alternativen zu bieten. Für Martin Pfanner stellt ein erfolgreiches Beispiel für ein solches Konzept US-Sports und insbesondere die amerikanische Football Liga NFL dar. Die 32 Teams vermarkten sich auf mehreren Wegen selbst, um so den Sport möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Eingefleischte Fans bekommen gegen eine jährliche Gebühr Zugang zu allen Spielen auf einem eigenen Network, während sporadische AnhängerInnen ausgewählte Spiele frei zugänglich im nationalen Fernsehen empfangen können. Auch in Österreich bietet „PULS 4“ eine FreeTV-Möglichkeit für EinsteigerInnen, während KennerInnen des Sports auf „DAZN“ dieselben Spiele mit mehr Expertise und Taktik oder dem englischen Originalkommentar verfolgen können. „Es entstehen dadurch ganz unterschiedliche Herangehensweisen zu einem Format. Sind die Einen attraktiver für die Werbewirtschaft, weil sie länger Werbung spielen, gehen andere mehr in die Tiefe ihrer Berichterstattung. Beides hat seine Daseinsberechtigung“, so Pfanner. Schon jetzt gebe es erkennbare Unterschiede bei der Formatgestaltung zwischen freien und kostenpflichtigen Sendeangeboten. So würden sich frei empfangbare Sportformate vorrangig nach der breiten Masse richten. Die Berichterstattung versuche deswegen das Wichtigste oberflächlich abzudecken, damit GelegenheitszuseherInnen genauso folgen können wie KennerInnen des Sports. Pay-TV-Sender könnten bei ihrer Zielgruppe hingegen davon ausgehen, dass sie sich mit dem Sport identifizieren und ihr Vorwissen über Grundkenntnisse hinausgeht. Inhalte sollen ZuseherInnen deswegen mehr fordern und möglichst nahe am Sport dran sein. Generell drehe sich heutzutage aber alles um das Live-Ereignis. Aufwendig gestaltete Hintergrundreportagen würden nicht mehr in dem Ausmaß angenommen werden wie früher. Für Zellhofer ist dies eine weitere Änderung im Nutzungsverhalten, die durch den viel umkämpften Markt entstanden ist: „Es geht heutzutage um Schnelligkeit, denn über das Internet oder auch durch das Radio brauchst du nicht direkt Sportrechte, um darüber berichten zu kön-


nen. Im Fernsehen hingegen brauchst du das Live-Ereignis, um interessant zu sein.“

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Verlängerung oder Neustart? Die Aufwärtsspirale im Kampf um Übertragungsrechte werde sich deswegen auch in Zukunft weiter nach oben schrauben. Schon jetzt werden die Perioden für ausgeschriebene Rechtepakete immer kürzer, das Bieterfeld und somit auch der Preis hingegen stetig größer. Auch bislang unangetastete internationale Großveranstaltungen werden von mehreren Lizenznehmern umworben. Die Telekom sicherte sich als erstes Pay-TV-Unternehmen im deutschsprachigen Raum die Rechte an einem internationalen Wettbewerb, der Fußball-Europameisterschaft 2024. Dem ORF stehe dadurch auch in Zukunft ein harter Kampf um Live-Sport bevor. Würde dieser auf der einen Seite vor allem Ungewissheit und Planungsunsicherheit bedeuten, entstünden dadurch auf der anderen Seite aber auch Chancen, um sich neuen Programminhalten zu widmen. So bekamen durch die freigewordenen Programmflächen zuletzt auch Nischensportarten wie Handball oder Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit. Neben der Suche nach Alternativen konzentriere man sich beim ORF aber vor allem auch darauf, jetzige Programminhalte zu behaupten und Abhandengekommenes wieder zurückzuerobern. Möglichkeiten dafür sieht Zellhofer einerseits in der Flexibilität, auf den ständigen Wandel im Markt reagieren zu können. Auf der der anderen Seite stehe der ORF mit seinen Sendeflächen aber auch für Verlässlichkeit, ein breites Spektrum abdecken zu können: „Viele Anbieter sind oft nur daran interessiert, einzelne Höhepunkte eines Sports zu übertragen. Klassische Beispiele sind im Skifahren die Rennen in Kitzbühel und Schladming, die jeder haben will. Da ist die Chance für den ORF zu sagen, dass er das ganze Paket nimmt und nicht nur die Zuckerl.“ Dass es trotzdem gerade für lineare Marktteilnehmer nicht einfacher werden wird, bestätigen sowohl Alina Zellhofer wie auch Martin Pfanner. Für beide gehe das Duell Free-TV gegen Pay-TV, lineares Fernsehen gegen Streaming auch in Zukunft weiter: „Ich glaube, dass lineares Fernsehen nicht völlig aus dem Sportbereich verschwinden wird, aber doch ein Ablaufdatum hat“, wagt Pfanner eine Prognose. Für Alina Zellhofer wiederum, kann es trotz des aktuellen Vorteils auf Seiten von Streaming keinen endgültigen Sieger geben: „Das Geschäft mischt sich immer wie-

der neu durch. Es wird nie so sein, dass einer alles haben wird und alle anderen leer ausgehen. Mit dem Wettbieten kann es aber trotzdem nicht ewig so weitergehen. Irgendwann ist die Grenze erreicht.“ Einen ersten „Gamechanger“ im Kampf um Übertragungsrechte könnte dabei die Corona-Krise ausgelöst haben. Nachdem durch die weltweite Pandemie die Sportwelt und auch das Wirtschaftsleben im Frühjahr für längere Zeit stillstand, zeigte sich bei vielen Sportverbänden und Medienhäusern ein Umdenken. Gemeinsam wurden Lizenzen spontan untereinander zur Verfügung gestellt, um allen Menschen einen Zugang zu den verbliebenen Sportaktivitäten zu ermöglichen. Auch die immensen Summen, die für SportÜbertragungsrechte bislang ausgegeben wurden, werden nun von beiden Seiten hinterfragt. Abseits des ständigen Wettbietens soll der Sport so auch nach der Krise wieder in das Scheinwerferlicht rücken. von Michael Geltner

Alina Zellhofer / Copyright: Roman Zach-Kiesling/ORF

Martin Pfanner / Copyright: Privat

Faszination Live-Sport Thema

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Sollen Programmkinos gefördert werden? Im Gegensatz zu kommerziell ausgerichteten Kinos werden Programmkinos in einigen Fällen finanziell gefördert, um eine Programmvielfalt zu fördern. Aus Wettbewerbsperspektive gefragt: Wozu, wenn die Nachfrage in punkto Film abseits der Blockbuster anscheinend nicht groß genug ist? Aus Rezipientenperspektive: Welche Rolle spielt die Politik dabei? SUMO sprach mit Johannes Wegenstein, Geschäftsführer der Wiener Kinos „Schikander“ und „Top Kino“, über Förderungen, Überleben und politische Unterstützung in der (Programm-)Kinobranche. Laut der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die jährlich unter anderem die österreichischen Kinobesucherzahlen veröffentlicht, stiegen die Zahlen der Kinobesuche im Jahr 2019, im Vergleich zum Vorjahr, um 5,8%, mit insgesamt ca. 14 Mio. Besuchen. Doch bei näherer Betrachtung wird klar, dass es vor allem Hollywood-Blockbuster sind, die sich an den Besucherzahlen erfreuen. In den Top 10 der meistbesuchten Kinofilme 2019 befindet sich laut WKO keine einzige österreichische und nur eine deutsche Produktion. Der erfolgreichste österreichische Film mit 139.177 BesucherInnen war „Love Machine“ mit Thomas Stipsits, die Nummer 1 aus den USA „The Lion King“ hatte ca. sechsmal so viele BesucherInnen. Es zeigt sich also eine klare Dominanz der Hollywood-Blockbuster, die in den großen Kinoketten gezeigt werden. Doch wie steht es um die unabhängigen Programmkinos des Landes? Leinwand für Neues 2017 ergab eine Studie im Auftrag der WKO über die ökonomische Bedeutung der Kinobranche in Österreich, dass es sich bei etwa 46% aller Kinos in Österreich um 1- oder 2-Saal-Kinos handelt, welche den Programmkinos, auch Arthouse-Kinos genannt, zuzuordnen sind. Gezeigt werden internationale Filme und besonders österreichische Filme, die Themen behandeln, welche abseits des Mainstreams liegen, bzw. Filme, die nicht zur reinen Unterhaltung der breiten Masse dienen, sondern an spezielle Interessen gerichtet sind und zum Nachdenken anregen sollen, z.B. gesellschaftskritische. Doch das Kino ist nicht

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Sollen ThemaProgrammkinos gefördert werden?

nur Spielstätte für Filme, ebenso wichtig sind Veranstaltungen, Kulturevents oder ein dazugehöriges Lokal, das als Treffpunkt dient, auch ohne einen Film sehen zu wollen. Kulturelle Vielfalt und Unterstützung junger, unbekannter FilmemacherInnen sind hier die Devisen. Ihnen bieten Programmkinos eine Leinwand, die sie sonst nicht so einfach bekommen würden. Johannes Wegenstein, Geschäftsführer des „Schikaneder“ und Top Kino“ in Wien, betont gegenüber SUMO, dass die beiden Kinos für junge KünstlerInnen stets offen seien. Deren Filme würden zwar im Vorhinein abgesegnet werden müssen, denn „gemäß unseren Grundsätzen haben fundamentalistische, rassistische, extremistische Positionen keinen Platz“, eine Geschmackspolizei gebe es dabei aber nicht. „Wir zeigen unter anderem sehr viele Filme junger Filmemacher*innen, die zwar Low- oder Nobudget, aber mit viel Leidenschaft in Eigenregie produziert sind (also eigenständig und aus eigener Hand), und das sind mitunter sehr gute Filme.“ Wegenstein war schon 1996, als er das „Schikaneder“ übernahm, klar, dass Kino innert einem Gesamtkonzept auf Basis zumindest zweier Standbeine zu stellen sei. Das „Schikaneder“ und das „Top Kino“, die sich selbst als „Vielzwecklocations“ bezeichnen, seien nicht nur Kinos, sondern auch Bar oder Restaurant und bieten Alternativprogramme im Bereich bildende Kunst oder Literatur. Zum Beispiel mit der Aktion „Wand sucht Kunst“ ist das „Schikaneder“ laufend auf der Suche nach KünstlerInnen, die die Räumlichkeiten und Wände der Location nutzen wollen, um ihre Werke


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einem Publikum zu präsentieren. Ebenso werden regelmäßig Buchpräsentationen oder Lesungen veranstaltet, wie etwa „Fellner LIVE – eine szenische Lesung“, bei der transkribierte Interviews des „oe24“-Herausgebers mit österreichischen PolitikerInnen durchleuchtet und Fellners Medienarbeit sowie die des Boulevards unter die Lupe genommen werden. Die verschiedenen Angebote und das Kino befruchten sich im Idealfall gegenseitig, so Wegenstein. Bewusstsein steigt Kinos dieser Art kämpfen seit Jahren ums Überleben, zuletzt hatte eines der ältesten Kinos der Stadt Wien diesen Kampf verloren. Das „Bellaria Kino“ musste nach 107-jährigem Bestehen aus finanziellen Gründen seine Tore schließen. Die sinkenden Einnahmen waren jedoch auch darauf zurückzuführen, dass das „Bellaria Kino“ und seine Programmgestaltung stets auf ein älteres Publikum ausgerichtet war. Junges Publikum konnte nicht für die Filme begeistert werden, und somit nahmen die Besucherzahlen langsam ab. Gegenüber dem „KURIER“ (5.12.2019) erklärte der damalige Inhaber der Kinos, Erich Hemmelmayer, dass er ohnehin nie etwas mit dem Kino verdient habe, sondern es als Hobby betrieb. Doch nun ginge es sich wirtschaftlich einfach nicht mehr aus, da die jungen Leute nicht nachkommen. Staatliche sowie kommunale Förderungen sollen Schicksalen wie solchen entgegenwirken. Seit 1999 werden Programmkinos von der Stadt Wien mit dem Ziel unterstützt, eine niveau- und gehaltvolle Programmgestaltung zu erreichen und filmische Vielfalt zu fördern und somit sicherzustellen, dass ein breites Spektrum an Themen und Genres vertreten sind. Auch von staatlicher Seite wird Unterstützung angeboten. Auf der Website des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport sind verschiedenste Kriterien angegeben, die erfüllt werden müssen, um als Programmkino Förderungen erhalten zu können. Eine davon setzt voraus, dass 40% der vorgeführten Filme des letzten Jahresprogramms europäische Produktionen waren. Johannes Wegenstein sei „überhaupt nicht unzufrieden“ mit den staatlichen Förderungen für die Branche. Natürlich könnte es immer mehr sein, aber er sei sehr froh über die Unterstützung der Stadt Wien, die den Förderbeitrag gerade erhöht habe. Auch der Bund sei diesbezüglich nicht so schlecht aufgestellt. Das Bewusstsein der Politik über die kulturelle Wichtigkeit für Orte wie das „Schikaneder“ und „Top Kino“ sei

sicher vorhanden, in den letzten paar Jahren habe sich in diesem Bereich viel getan, so Wegenstein. Er fühle sich von der österreichischen Politik verstanden, ernstgenommen und unterstützt, doch man werde sehen, was nach der Corona-Krise an Unterstützung komme. Kino, Corona, Politik Eben diese Krise führte zu Spannungen zwischen der Kunst- und Kulturszene und der österreichischen Regierung. Am 17.April machte die damalige Staatssekretärin Ulrike Lunacek mit Aussagen, wonach österreichische Kinos an sie herangetreten seien und den Wunsch äußerten erst nach dem Sommer wieder zu öffnen, auf sich aufmerksam und war rasch mit einer negativen Reaktion konfrontiert. Die Empörung der KinobetreiberInnen war groß. Der Präsident des österreichischen Kinoverbandes, Christian Dörfler, bezeichnete Lunaceks Aussage als falsch. (APA-OTS, 17.4.2020) Auch das „Schikaneder“ und „Top Kino“ zeigten ihre Verwunderung durch einen „Facebook“-Post: „Die Situation vieler Kinos war schon ohne Corona nicht einfach und es ist auf viel Idealismus aufgebaut, dass diese Kinos erhalten wurden und nun ein prägender Kulturbestandteil der Stadt Wien sind.“ Weiters wird in dem Posting erläutert, dass die von der Politik als schnell und unbürokratisch dargestellten Hilfsleistungen sich großteils als enorme und täglich wachsende hyperbürokratische Hürden darstellen. „Wieder mal bewahrheitet sich, dass übersteigerte Formen von Bürokratie die tyrannischste aller Herrschaftsformen werden kann und Not zu Tode verwaltet wird, weil sich niemand verantwortlich fühlt. Auch das ist Politik.“ Am 29. Mai sperrten die Kinos dennoch wieder auf. von Ida Stabauer

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Sollen Programmkinos gefördert werden? Thema

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Die (Ohn-)Macht des Presserates Die einen bezeichnen ihn als zahnlosen Tiger und die anderen vergleichen ihn mit dem „Politbüro der Kommunistischen Partei in China“. SUMO hat dem Presserat auf den Zahn gefühlt und dazu mit Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Presserates, und Alexandra Halouska, Stv. Chefin vom Dienst bei der „Kronen Zeitung“ und neues Senatsmitglied des Presserates, gesprochen.

Verstöße und Konsequenzen – „in the eye of the tiger“ Laut der letzten Fallstatistik 2019 wurden dem Presserat im vergangenen Jahr 297 Beiträge österreichischer Printmedien gemeldet. Davon haben, nach Prüfung der Senate, 37 Fälle auch tatsächlich gegen den Ehrenkodex der Branche verstoßen. Warzilek nennt den Persönlichkeitsschutz, das Gebot gewissenhaft zu recherchieren und Informationen richtig darzustellen, die Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen und die Unterscheidung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung als die wichtigsten Punkte, die sich in den Verstößen am häufigsten wiederfinden würden. Gegen den Persönlichkeitsschutz verstoßen haben „kleinezeitung.at“, „vol. at“, „heute.at“, „krone.at“ und „oe24.at“, als sie ein Video veröffentlichten, das einen Sportler – unverpixelt und nicht unkenntlich gemacht – bei der Nordi-

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Thema Die (Ohn-)Macht des Presserats

schen Ski-WM in Seefeld beim Eigenblut-Doping im Hotelzimmer zeigten. Bei einem „Heute“-Reporter, der sich als Polizeibeamter ausgab und so über „WhatsApp“ an detaillierte Informationen und Bilder eines Tatverdächtigen in einem Mordfall gelangte, wurde ein schwerwiegender Verstoß wegen unlauterer Materialbeschaffung festgestellt. Die Veröffentlichung der Entscheidung im eigenen Medium werde nur gefordert, wenn jemand persönlich von einer Berichterstattung betroffen sei, ansonsten beschreibt Warzilek das sogenannte „Naming & Blaming“ als die schärfste Konsequenz für Medien, die gegen den Ehrenkodex verstoßen haben. „Wir stellen quasi ein Medium an den Pranger. Durch unsere Presseaussendungen über die Entscheidungen und die APA-Meldungen erfährt die Branche darüber. Es wird darüber diskutiert und berichtet.“ Dabei solle man die Wirkung nicht unterschätzen. „Ich kann es allein daran messen, dass immer wieder Chefredakteure anrufen und sehr erbost sind, wenn eine Entscheidung gegen sie getroffen wird.“ Eine Herausgeberin habe den Presserat sogar mit dem Politbüro der Kommunistischen Partei in China verglichen. „In der Branche wird das sehr genau wahrgenommen, was wir sagen und wie wir entscheiden. Auch bei den Medien, die bisher noch nicht bei uns mitmachen.“ Dabei spricht Warzilek von der GratisTageszeitung „Heute“, der „Kronen Zeitung“ und dem Webportal „oe24.at“, die die Schiedsgerichtbarkeit des Presserates bisher noch nicht anerkannt haben. Medienethik im Boulevardjournalismus Nicht überraschend ist, dass sich genau diese Boulevardmedien die ersten Plätze in der Fallstatistik teilen. Die beiden Spitzenreiter im vergangenen Jahr waren die Printausgaben und OnlinePlattformen von „oe24“ mit 14 und der „Kronen Zeitung“ mit neun Verstößen. Liegt es in der Natur des Boulevardjournalismus, sich von der Medien-

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„Journalismus bedingt Freiheit und Verantwortung.“ So tiefgründig und doch bestimmend lauten die ersten Worte des Ehrenkodex‘ für die österreichische Presse. Doch hinter dem Satz birgt sich der Grund, warum der Presserat in einer Demokratie, in der die öffentlichen Medien die vierte Gewalt des Staates darstellen, so essentiell ist. Die Selbstkontrolle durch den Presserat garantiert, dass Eingriffe durch den Staat verringert werden und Medien frei und unabhängig berichten können. Mit dieser gewonnenen Freiheit geht auch die Verantwortung einher, medienethische Maßstäbe bei der Berichterstattung zu gewährleisten. Damit diese Maßstäbe tatsächlich eingehalten werden, wurde der Presserat als freiwilliges Selbstkontrollorgan der österreichischen Presse von den wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbänden gegründet. Der Presserat verfügt über drei unabhängige und weisungsfreie Senate. Die jeweils elf Mitglieder der Senate sind rechtskundige Personen oder JournalistInnen, die über Beschwerden und Mitteilungen der LeserInnen entscheiden.


ethik weitestmöglich zu distanzieren? Immerhin ist die Printausgabe von „oe24“ seit 2017 sogar Mitglied des Presserates. Trotz dieser halben Sache – die Onlineausgabe „oe24.at“ ist noch nicht dabei – scheint sich die Mitgliedschaft, der Fallzahl nach, nicht auf die redaktionelle Ethik auszuwirken. „Ich gehe schon davon aus, dass es seitens der Redaktion von ‚oe24‘ ein Bemühen gibt, unsere Grundsätze möglichst zu beachten. Nur dass Zeitungen aus dem Boulevardbereich da vielleicht eher einmal eine Grenze überschreiten, ist nicht ungewöhnlich. Dennoch hat sich auch die ‚BILD‘-Zeitung dem Deutschen Presserat verpflichtet“, stellt Warzilek fest. Auf die Frage nach einer medienethischen Prüfung in der „Kronen Zeitung“ erwidert Halouska, dass es kein einheitliches Protokoll für alle Redaktionen gäbe. Es läge am Bauchgefühl und dem journalistischen Knowhow der „SchleusenwärterIn“, wie Chefredaktion oder ChefIn vom Dienst, die die Ethik prüfen und in bestimmten Fällen natürlich schon eingreifen würden. Dass die Zeitung kein Mitglied des Presserates ist, liege – unter anderem – am Erbe der „Krone“, immer von allen Stellen, wie auch der APA, unabhängig sein zu wollen. Doch, zack, zack, zack, eine kleine spanische Partyinsel sorgte dafür, das Unmögliche möglich, beziehungsweise greifbarer zu machen. Eine medienethische Revolution in der „Kronen Zeitung“ „Kronen Zeitung“-Chefredakteur Herrmann überraschte seine BranchenkollegInnen im Juli 2019, als er sagte, das veröffentlichte „Ibiza-Video“, in dem von einer Übernahme der „Krone“ gesprochen wurde, habe in der „Kronen Zeitung“ eine Nachdenkphase ausgelöst. Man werde verantwortungsvoller mit ihrer Macht umgehen und „redaktionelle Unabhängigkeit gegen Außenund Innenangriffe vehement verteidigen“. Dabei sei auch die Teilnahme am Österreichischen Presserat absehbar („Horizont“, 26.07.2019). Auf die Frage, ob es tatsächlich Anbahnungsversuche seitens der „Kronen Zeitung“ gegeben hätte, meint Warzilek: „Ja, Gespräche hat es gegeben. Wir haben jetzt auch mit Alexandra Halouska ein neues Senatsmitglied von der ‚Krone‘ im Senat II. Ich freue mich, dass sie da auch ein bisschen die Initiative ergriffen hat und vorhat, unsere Arbeit in die Redaktion zu tragen.“ Halouska wurde von der Österreichischen Journalistengewerkschaft als Senatsmitglied nominiert und hat diese

Die (Ohn-)Macht des Presserats Thema

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Nominierung auch angenommen. Bisher hat sie einer Sitzung beigewohnt, in der über vielseitige Fälle, wie einem Bericht auf „oe24.at“, einer „Standard“Kolumne oder einem Leitartikel der „Presse“ diskutiert wurde. „Es war unfassbar spannend, zu sehen, dass ohne Vorbehalte auf einem sehr hohen Level gute Argumente gebracht wurden – pro und contra – und, nach meiner Beurteilung, auch absolut unabhängig davon, um welches Medium es gerade ging.“ Für Halouska sei es auch wichtig, ihre Arbeit beim Presserat transparent zu gestalten und die Themen und Verstöße auch in der Redaktion der „Kronen Zeitung“ zu besprechen, um eigene Verstöße in Zukunft vermeiden zu können. „In der Nachbetrachtung hätten Verurteilung der ‚Krone‘ durch den Presserat mit einer anderen Art der Kommunikation geregelt werden können.“ Und: „Ich glaube, dass der Presserat für die ‚Krone‘ immer eine Unbekannte war und was man besser kennen lernt, weiß man vielleicht mehr wertzuschätzen oder anders einzuordnen“, so Halouska. Kontraproduktive Presseförderung Was für die „Kronen Zeitung“ keine Unbekannte darstellt, ist die indirekte Presseförderung durch Anzeigenschaltung aus öffentlicher Hand. Die reguläre Presseförderung für österreichische Tages- und Wochenzeitungen (exklusive Presserat) belief sich im Jahr 2019 laut RTR auf knapp 8,7 Mio. Euro. Neben dieser gesetzlich geregelten Presseförderung gibt es noch eine informelle Förderung durch Werbeschaltungen von Regierung, Gebietskörperschaften und staatsnahen Unternehmen in österreichischen Medien. Im Jahr 2018 wurden auf diese Weise 178 Mio. Euro vergeben. Die reichweitenstarke „Kronen Zeitung“, inklusive „krone.at“ und „Kronehit“, erhielt davon 20,4 Mio. Euro (rtr.at). Das Verlangen nach Reichweite seitens des Staates stellt die gesetzliche Förderung des Vertriebs, der regionalen Vielfalt, Qualität und Zukunftssicherung also bei weitem in den Schatten. Dabei stellt sich die Frage, ob diese indirekte Presseförderung die eingangs erwähnte Freiheit und Selbstbestimmung der Printmedien in gewisser Weise wieder beschränkt. Warzilek ist der Meinung, dass man die direkte Presseförderung aufstocken sollte und Inserate-Schaltungen massiv zurückfahren müsse. „Ich glaube, dass viele Anzeigen nicht notwendig sind. Wenn die Stadt Wien sagt, dass ihre Schwimmbäder so sauber sind und sie mehr oder weniger eine Art Monopolstellung haben, dann

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halte ich es nicht für sinnvoll, dass so eine Anzeige geschaltet wird. Offizielle Annoncen in Corona-Zeiten kann ich nachvollziehen. Aber viele Anzeigen geben inhaltlich nicht viel her. Außerdem ist die Vergabe dieser Anzeigen sehr intransparent, was in einer Demokratie auch nicht gut ist. Man sollte das zurückfahren und das dadurch ersparte Geld in die direkte Presseförderung geben.“ Darüber hinaus fände er es sehr sinnvoll, die Presseförderung von Qualitätskriterien, wie der Mitgliedschaft am Presserat, abhängig zu machen. Halouska weist auf das Prinzip der Meinungsvielfalt als wichtigste Aufgabe der Presseförderung hin. Bezüglich der Anzeigen meint sie: „Wenn ein Kunde bei uns inseriert, egal ob ein Möbelhaus oder die Stadt Wien, dann hat er das Ziel, Menschen zu erreichen. Das muss jedem freigestellt sein.“ Sie weist auch darauf hin, dass es besonders in Corona-Zeiten Sinn mache, in großen Medien zu veröffentlichen, um möglichst viele Menschen erreichen zu können. Konvergenz der Medien – der Presserat der Zukunft Das Verschwimmen der intermedialen Grenzen spiegelt sich in den Zuständigkeiten des Presserates wider. Der Presserat ist nicht mehr nur für die gedruckte Presse zuständig, sondern bewertet auch Beschwerden zu Videos, „Twitter“-Meldungen und „Facebook“Postings der Zeitungsverlage. Gerade in Sozialen Medien stünden die Redaktionen unter Druck, möglichst zeitnah Schlagzeilen und exklusive Inhalte bereitzustellen. „Ich glaube, gerade wenn es um Fake News geht, ist eine unabhängige Einrichtung, die ethische Maßstäbe anwendet und aufzeigt, wenn etwas schiefläuft, von großer Bedeutung. Auch für Medien ist es wichtig, diese Maßstäbe zu beherzigen, damit sie langfristig ihre Glaubwürdigkeit bewahren“, so Warzilek. Auch Halouska misst dem Presserat in der heutigen Zeit eine große Bedeutung bei: „Ich glaube, dass die Digitalisierung den Presserat möglicherweise stärkt. Das Aufkommen von Fake News ist immens. Es ist also wichtig, eine Stelle zu haben, an die sich die Leute wenden können. Je höher die Verbreitung von Falschnachrichten, umso wichtiger ist ein solches Instrument am Ende des Tages.“ Da Mediengattungen nur mehr schwer voneinander zu trennen sind, würde sich Warzilek wünschen, dem Presserat auch eine Zuständigkeit für Radio und Fernsehen einzuräumen. „Das ist in anderen Ländern bereits gang und gäbe. In der Schweiz zum Beispiel ist der Presserat auch für Radio und Fern-


Ein krönender Abschluss? Neben einem medienübergreifenden Presserat wünscht sich Warzilek eine Steigerung des Bekanntheitsgrades, damit LeserInnen sowie UserInnen wissen, dass es eine Stelle gibt, an die sie sich wenden können. Darüber hinaus wäre es für die Printbranche insgesamt förderlich, wenn auch die „Kronen Zeitung“, „Heute“ und die digitale Hälfte von „oe24“ die Schiedsgerichtbarkeit des Presserates anerkennen würden. „Eine Mitgliedschaft der ‚Kronen Zeitung‘ ist von Seiten des Presserates jederzeit möglich. Die Entscheidung hängt jedoch von der Geschäftsführung der ‚‚Kronen Zeitung‘ ab.“ Halouska steuert durch ihre Senatsmitgliedschaft neue Perspektiven im Bereich Medienethik in den Redaktionsalltag der „Kronen Zeitung“ bei. „Ich glaube, man versucht da schon ein bisschen alte Strukturen aufzubrechen und durch dieses Kennenlernen der Arbeit vom Presserat wird man auch erkennen, dass man seine Unabhängigkeit ja nicht unbedingt verliert dabei. Wie jedes Medium muss sich auch die ‚Krone‘ verändern, ohne sich selbst zu verlieren

und fremd zu werden für die LeserInnen. […] Für uns als altgewachsenes und sehr traditionelles Unternehmen ist das schon eine große Öffnung, auf diese Weise über den eigenen Tellerrand zu blicken. Ich werde meine Arbeit im Senat auch in den redaktionellen Alltag der ‚Krone‘ einfließen lassen.“ Der krönende Abschluss lässt also noch auf sich warten. von Karin Pargfrieder

Alexander Warzilek / Copyright: Presserat

Alexandra Halouska / Copyright: Reinhard Holl

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sehen zuständig, da gibt es eine umfassende Medienselbstkontrolle.“ Halouska stimmt dieser Idee zu, sie fände es sinnvoll, für jeden Kanal ein Instrument zu haben, das Verstöße aufzeigt und das für die RezipientInnen da ist. „Warum sollte man einen Unterschied machen zwischen Print-Nachrichten, Nachrichten im Radio und Nachrichten im Fernsehen?“

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Wenn private Daten in den Medien landen Nicht nur im privaten Bereich gehören soziale Netzwerke zum Alltag, auch im Berufsleben finden sie immer öfter Anwendung. So nutzt auch der Journalismus diese Netzwerke zu seinem Vorteil – oft jedoch auf Kosten anderer. Über dieses Thema sprach SUMO mit Peter Grotter, Ressortleiter für Gericht und Recht bei der „Kronen Zeitung“, und Matthias Schmidl, Stellvertretender Leiter der Datenschutzbehörde Österreich. Im November 2016 führte der Trendradar der APA-OTS gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut „meinungsraum.at“ eine Umfrage unter österreichischen JournalistInnen zu ihrer heutigen Arbeitsweise durch. Dabei wurde unter anderem erfasst, wie die tägliche Recherchearbeit aussieht und mit welchen Quellen JournalistInnen bevorzugt arbeiten. Es ist nicht verwunderlich, dass bereits im Jahr 2016 fast 30% der Befragten häufig in sozialen Netzwerken recherchierten. Dabei lag „Facebook“ ganz klar an erster Stelle, gefolgt von „Twitter“ und „YouTube“. Auch berufliche Plattformen wie Xing oder LinkedIn wurden teilweise für Recherchezwecke genutzt. Knapp die Hälfte der befragten JournalistInnen gab an, die so gewonnenen Informationen schließlich auch häufig (10%) oder gelegentlich (38%) in Ihre journalistischen Beiträge einzubinden. Es ist zu vermuten, dass diese Zahlen in den letzten Jahren noch zugenommen haben. Daraus resultiert die Frage, ob Recherche in sozialen Netzwerken und die Veröffentlichung der daraus gewonnenen personenbezogenen Daten überhaupt zulässig ist. Opferschutz Peter Grotter, Ressortleiter für Gericht und Recht bei der „Kronen Zeitung“, ist nun seit 44 Jahren als Journalist tätig. Seine Erfahrungen bezüglich der Ver-

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Themaprivate Daten in den Medien landen Wenn

wendung von sozialen Medien als Rechercheplattformen? Besonders im Gerichtsressort sei das keine gängige Vorgehensweise von JournalistInnen, so Grotter. Er berichte über Straftaten mit TäterInnen und Opfern, dabei seien ihm soziale Netzwerke keine große Hilfe. Wenn Grotter Genaueres über die Betroffenen in Erfahrung bringen möchte, befrage er sie oder deren Anwalt/Anwältin höchstpersönlich. Das ginge dann sogar so weit, dass er sie in Haftanstalten besuche. In Bezug auf Opfer-Berichterstattungen habe sich in seiner langjährigen Laufbahn als Journalist viel geändert. Früher sei es nichts „Unehrenhaftes“ gewesen, ein Opfer zu sein, Berichterstattungen in diesem Bereich waren also durchaus legitim. Mittlerweile seien Opfer speziell geschützt, wodurch sich auch Berichte über solche Ereignisse schwieriger gestalten. Grundsätzlich sei es aber erlaubt, den Namen und das Bild eines Opfers zu veröffentlichen, solange nichts über den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person preisgegeben werde. Auch bei Mordprozessen bringe die „Kronen Zeitung“ immer wieder Bilder der Angeklagten. Je massiver der Vorwurf sei, desto eher dürften auch Name und Foto der TäterInnen veröffentlicht werden. Solange im Bericht die Unschuldsvermutung der TäterInnen eingehalten werde, sei das laut Grotter


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kein Problem. Generell halte sich die „Kronen Zeitung“ sehr genau an das Medienrecht, wodurch es auch nur wenige Medienverfahren im Haus gäbe. Ehrenkodex als Richtlinie Der Österreichische Presserat sieht seine Zuständigkeit in der Qualitätssicherung und Wahrung der Pressefreiheit in unserem Land. Der Ehrenkodex des Presserates stellt dabei eine Richtlinie für die journalistische Arbeit dar und legt Grenzen und Regeln in diversen Bereichen fest. Neben gewissenhafter Recherchearbeit und korrekter Veröffentlichung beinhaltet der Ehrenkodex auch Regeln zu Persönlichkeitsschutz und Intimsphäre. Grundsätzlich gilt es, die Würde von Personen zu wahren und deren Intimsphäre zu schützen. Vor allem Opfer von Unfällen und Verbrechen muss Anonymität gewährt werden, sofern diese nicht allgemein bekannt sind oder selbst in die Veröffentlichung einwilligen. Auch Kindern und Jugendlichen fällt ein besonderer Schutz zu, wenn über sie berichtet werden soll. Der Presserat appelliert hier an die Medien, das öffentliche Interesse an diesen Berichten besonders kritisch zu prüfen. Dieses ist laut Presserat gewährt, wenn es um die Aufklärung schwerer Verbrechen geht, die unmittelbare Sicherheit der Bevölkerung bedroht ist oder eine Irreführung der Öffentlichkeit verhindert werden kann. Nun ist dieser Ehrenkodex lediglich eine Richtlinie zur Wahrung der Berufsethik, das bedeutet, bei einem Verstoß gegen den Kodex drohen keine rechtlichen Folgen. Der Presserat kann das betroffene Medium zwar auffordern, die Entscheidung des Rates freiwillig zu veröffentlichen, jedoch auch nicht mehr. Zwiespalt im Datenschutzgesetz Im Mai 2018 wurde die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlassen, welche das Datenschutzrecht in ganz Europa vereinheitlichen sollte. SUMO fragte Matthias Schmidl, den stellvertretenden Leiter der Datenschutzbehörde Österreich, inwiefern die DSGVO Medien und vor allem den Journalismus betrifft. „Das grundsätzliche Problem ist, dass Medien weitgehend von den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und der DSGVO ausgenommen sind, weil sonst eine journalistische Berichterstattung nicht sinnvoll möglich wäre.“ Der Journalismus stütze sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung, dieses stehe allerdings teilweise in Widerspruch zum Recht auf Datenschutz. Sowohl die DSGVO als auch ihr Vorgänger, die Datenschutzrichtlinie, fordern die EU-

Mitgliedstaaten dazu auf, diese beiden Rechte miteinander in Einklang zu bringen. Wenn sich in Österreich jemand durch journalistische Berichterstattung in seinem Recht auf Datenschutz verletzt sehe, habe, laut Schmidl, die Datenschutzbehörde keine Zuständigkeit dafür. In solchen Fällen müssten Gerichte diese beiden Grundrechte auf Basis des Mediengesetzes gegeneinander abwägen und entscheiden, welchem Recht der Vorrang einzuräumen sei. Grundsätzlich käme es bei der Datenschutzbehörde jedoch eher selten vor, dass jemand Beschwerde gegen ein Medium erhebt. Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich Nun bleibt also als rechtliche Grundlage für solche Fälle noch das Mediengesetz. Dieses beinhaltet im dritten Abschnitt diverse Richtlinien zum Schutz der Persönlichkeit. Erfährt eine Person durch ein Medium zum Beispiel zu Unrecht üble Nachrede, Beschimpfung oder gar Verspottung, kann die betroffene Person eine Entschädigung vom Medieninhaber verlangen. Vor allem bei der Bekanntgabe der Identität eines Opfers bzw. eines/r Täters/in ist Vorsicht geboten. Sollten durch die Veröffentlichung eines Fotos oder Namens schutzwürdige Interessen einer Person verletzt werden, drohen MedieninhaberInnen hohe Entschädigungszahlungen. Schutzwürdige Interessen beinhalten zum Beispiel einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich oder eine herbeigeführte Bloßstellung des Opfers. Ob so ein Eingriff in den persönlichen Lebensbereich auch die Recherche in sozialen Netzwerken und Verwendung der dort gesammelten Informationen beinhaltet, ist fraglich. Sicher ist jedoch, dass Betroffene ein Recht auf Persönlichkeitsschutz haben und dieses auch einklagen können. „Viele Selfies. Im Internet auf mehreren Profilen“ Beispiele für die Veröffentlichung von privaten Fotos aus sozialen Netzwerken lieferte unter anderem die Tageszeitung „Österreich“. So erschien am 22. Oktober 2018 ein Artikel, der von einem Frauenmord in Zell am See berichtet. In dem Artikel finden sich mehrere unverpixelte Fotos der ermordeten Frau. Der Bericht und die Fotos wurden unter anderem auch auf „oe24.at“ veröffentlicht. Die Bildbeschreibung „Viele Selfies. Im Internet auf mehreren Profilen“, lässt darauf schließen, dass diese Fotos aus einem oder mehreren persönlichen Accounts in sozialen Netzwerken stammen. Zusätzlich zu den Fotos der Frau

Wenn private Daten in den Medien Thema landen

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wurden auch ihre Vorliebe für Gangsta-Rap, ihre „Nicknames“ im Internet und die Anzahl ihrer „Instagram“- Follower veröffentlicht. Der Presserat griff den Vorfall auf und stellte fest, dass die Veröffentlichung der unverpixelten Fotos in die Persönlichkeitssphäre des Mordopfers eingriff. Zur Herkunft der Fotos und der erwähnten persönlichen Daten wurden keine Anmerkungen gemacht. Die Tageszeitung wurde vom Presserat dazu aufgefordert, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen, rechtliche Konsequenzen gab es keine. Peter Grotter / Copyright: Peter Grotter

Matthias Schmidl / Copyright: Pollmann

von Christina Glatz

NeuerJob?

medienjobs.at

die Jobbörse für Medienschaffende 72

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Politische Stellungnahme Die letzten großen Änderungen des Mediengesetzes liegen nun schon eine Weile zurück. Die Einführung der DSGVO hat das Thema Datenschutz zwar grundsätzlich wieder neu aufgerollt, doch in Bezug auf Veröffentlichung privater Daten hat sich für Medienunternehmen in Österreich wenig geändert. Die derzeitige Medienpolitik der Regierung sieht vor, auf die Veränderungen der Rahmenbedingungen durch die fortschreitende Digitalisierung angemessen zu reagieren. Eine Passage des aktuellen Regierungsprogrammes lautet: „In der digitalen Welt müssen die gleichen Prinzipien gelten wie in der realen Welt!“ Hierbei bezieht sich die Regierung vor allem auf das Thema Hass und Gewalt im Netz, ob jedoch auch Bereiche wie Privatsphäre und Persönlichkeitsrecht bedacht werden, ist unklar. Wie es scheint, stellt die journalistische Veröffentlichung von privaten Daten aus sozialen Netzwerken für die Politik zurzeit jedoch kein großes Problem dar.


Wenn MANN den Journalistinnen Chancen verwehrt Die Verhaltensgrundsätze für JournalistInnen sind eindeutig: Es darf niemand aufgrund seiner religiösen und ethnischen Werte, sowie seiner Angehörigkeit zu einer Rasse oder Minderheit diskriminiert werden. Dennoch ist Diskriminierung kein Fremdwort in der Medienbranche: Journalistinnen im Print- und Online-Sektor verdienen noch immer weniger als ihre männlichen Kollegen. SUMO sprach darüber mit einer Printjournalistin. Gender-Pay-Gap stattgefunden hat, Österreich dennoch zu den negativen Spitzenreitern in Sachen ungleiche Bezahlung in der EU zählen. JournalistInnen verdienen unterschiedlich Der österreichische „Journalismusreport 2019“ hat den Gender-Pay-Gap in der Medienbranche errechnet. Ein Journalist verdient durchschnittlich 4.177 Euro im Monat, wohingegen eine Journalistin im Schnitt 3.447 Euro verdient. Das sind ganze 730 Euro weniger und ein Unterschied von 17,5%. „Zwar ist der Gender-Pay-Gap im Journalismus viel geringer als in anderen Branchen, aber es gibt ihn“, so der Direktor des ÖAW-Instituts zum aktuellen Report. Die Größe dieses Prozentsatzes ist teilweise auf den Fakt zurückzuführen, dass Journalistinnen öfter in Teilzeitpositionen angestellt sind. Vollzeitjournalistinnen verdienen zwar nur 457 Euro weniger im Monat (10,6%), aber der Unterschied bleibt. Obwohl der Faktor der geringeren Be-

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„Journalistinnen sind jünger, besser ausgebildet, verdienen weniger und sind seltener in Leitungspositionen zu finden.“ Das ist ein Statement von Matthias Karmasin, Direktor des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW) auf der ÖAW-Website (31.1.2020) zum jüngsten „Journalismus-Report“. Es deutet genau auf etwas hin, was in der Medienbranche Realität ist: die Unterscheide zwischen Männern und Frauen bezüglich des finanziellen Verdienstes. Der Gender-Pay-Gap ist ein Indikator für diese Ungleichheit. Hierbei wird der prozentuelle Unterschied zwischen dem Stundenverdienst zwischen Männern und Frauen errechnet. Insgesamt lag dieser Wert in Österreich 2018 bei 19,8%, was im Vergleich zum EUSchnitt von 14,8% kein gutes Ergebnis ist. Auch das Bundeskanzleramt ist sich der Bedeutung dieser Zahl bewusst und schreibt auf ihrer Homepage, dass zwar eine sichtliche Verbesserung der

Wenn MANN den Journalistinnen Chancen verwehrt Thema

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weibliche Kolleginnen, die in derselben Position weniger verdienen als Männer und das sei scheinbar noch immer „branchenüblich“. Doch wieso klagen Journalistinnen mithilfe der Gleichbehandlungsanwaltschaft nicht ein, was ihnen zusteht? „Wenn du die anrufst, hast du wahrscheinlich einen Job gehabt…“, so Marie K.

noch arbeiten, trotzdem liegt der Gender-Pay-Gap beim ORF nur bei 12,1%. Auch hier ist der Weg zur kompletten Gleichstellung noch lang. Seit 2010 ist im ORF-Gesetz eine Frauenquote von 45% in Führungspositionen verankert. Eine derzeitige Zahl von 26% Frauen in hohen Führungspositionen lässt noch Luft nach oben.

Das tut der Staat gegen den GenderPay-Gap Wie auf der Website des Bundeskanzleramtes zu lesen ist, ist sich auch die Regierung bewusst, dass gegen diese Ungerechtigkeit etwas unternommen werden muss. Bekämpft werden soll der Gender-Pay-Gap nicht etwa mit neuen Gesetzen für den Arbeitgeber, sondern mit Information. Initiativen, die Mädchen an technischen und wissenschaftlichen Berufen begeistern sollen, Möglichkeiten zur Erhöhung der Väterbeteiligung in der Familie und die Förderung von Frauen in wirtschaftlichen Führungs- und Entscheidungspositionen. Ein entscheidender Schritt, der gesetzt wurde, ist die Erhöhung der Einkommenstransparenz in Österreich. Dazu gehören die Angabe des Mindestentgeltes in Stelleninseraten und ein Einkommensbericht, der durch das Unternehmen erstellt wird. Diese Ansprüche gelten selbstverständlich auch für Medienunternehmen.

Die jährliche Hommage an den Gender-Pay-Gap 25. Februar 2020: Hätten Frauen den gleichen Stundenlohn wie Männer, aber ihren aktuellen Verdienst, hätten sie bis zu diesem Tag des Jahres 2020 gratis gearbeitet. Der Equal-Pay-Day findet jedes Jahr statt und soll veranschaulichen und greifbar machen, wie benachteiligt Frauen gegenüber Männern werden. Und sich vorzustellen, dass eine Journalistin an ihrem Schreibtisch sitzt am Equal-Pay-Day, einen Artikel darüber verfasst und genau weiß, erst ab diesem Zeitpunkt verdient sie Geld. Frauen verdienen weniger als Männer in der gleichen Position. Das ist ein Fakt. Doch dass manche Frauen nicht einmal die Chance haben, in einer Führungsposition schlechter zu verdienen, weil sie diese nie erreichen, ist umso trauriger. Dies ist auch der Fall in einer Branche, die die Gleichbehandlung in ihren Kodex aufgenommen hat. Die Zahlen zeigen, dass die Medienbranche den GenderPay-Gap nicht annähernd geschlossen hat, obwohl es genau die Medienhäuser sind, die über diese Ungerechtigkeit berichten und diese verpönen.

Die Ausnahme: Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk Obwohl sich der ORF nicht auf Print und Online beschränkt, spielt er auch hier eine große Rolle. Zwar sind alle neun Landesstudio-Chefredakteure Männer und an der Frauenquote in den Führungspositionen könnten sie auch

von Sophie Pratschner

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zahlung als die größte Ungerechtigkeit erscheint, ist noch ein anderer Blickwinkel bezüglich der Behandlung von Männern und Frauen sehr wichtig, der vor allem im Bereich der Medien eine erhebliche Rolle spielt: die Beeinflussung der Aufstiegschancen auf der Karriereleiter aufgrund des Geschlechtes. Marie K. (Anm.: Name geändert) arbeitet schon seit Jahren bei einer österreichischen Boulevard-Zeitung als Printjournalistin und hat im Interview gegenüber SUMO die Fakten auf den Tisch gelegt. „Frauen werden wohl die Ungerechtigkeit, betreffend der Aufstiegschancen, in Zeiten ihres Berufslebens kaum aufholen können. Außerdem sind bei uns Redaktionsleitungen bzw. Chefredakteure ausschließlich männlich“, betont die Journalistin. Von den 14 Tageszeitungen in Österreich, die sowohl Print- als auch Online-Journalismus betreiben, hat nur der „Kurier“ eine weibliche Chefredakteurin. „Und findet sich zufällig eine Frau in einer höheren Position, sind dies eher sogenannte ,Quotenfrauen‘, was ihre Leistungen und Qualifikationen aber auf keinen Fall schmälert“, stellt K. fest. Die einzige Art und Weise, wie sich Frau gegen diese Ungerechtigkeit wehren kann, ist die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW). Diese ist eine öffentliche Einrichtung, die auf Basis des Gleichbehandlungsgesetzes alle vertritt, die sich in irgendeiner Form benachteiligt fühlen. Das Gesetz existiert seit 2004 und enthält unter anderem die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt, wozu gleiche Bezahlung, gleiche Chancen und gleiche Verträge gehören. Nichtsdestotrotz ist das alles in der Praxis nicht gegeben. Marie K. bestätigt, sie habe noch immer

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Impressum Fachliche Leitung: FH-Prof. Mag. Roland Steiner E-Mail: roland.steiner@fhstp.ac.at Telefon: +43(2742) 313 228 -425 www.sumomag.at facebook.com/sumomag

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Medieninhaberin: Fachhochschule St. Pölten GmbH c/o SUMO Matthias Corvinus-Straße 15 A-3100 St. Pölten Telefon: +43(2742) 313 228 - 200 www.fhstp.ac.at

Das Team der Ausgabe 35 und des Online-Magazins www.sumomag.at Julia Allinger, Christiane Fürst, Michael Geltner, Christina Glatz, Raphaela Hotarek, Martin Möser, Karin Pargfrieder, Roland Steiner, Lukas Pleyer, David Pokes, Sophie Pratschner, Alexander Schuster, Ida Stabauer, Therese Sterniczky, Anja Stojanovic, Viktoria Strobl, Sebastian Suttner, Ondrej Svatos

BILDREDAKTION: Christina Glatz, Karin Pargfrieder, David Pokes, Alexander Schuster, Ida Stabauer, Sebastian Suttner DISTRIBUTION: Christiane Fürst, Lukas Pleyer, Ondrej Svatos PRINTPRODUKTION: Martin Möser, Ida Stabauer, Therese Sterniczky ONLINEPRODUKTION: Julia Allinger, Sophie Pratschner SALES: alle TEXTREDAKTION: alle UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION: Michael Geltner, Raphaela Hotarek, Anja Stojanovic, Viktoria Strobl

Impressum

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Eine gute Ausbildung ist eine, die mir zeigt, was noch getan werden muss. Wissen, was morgen zählt.

Christoph Rumpel Web-Entwickler & Autor (Selbstständig) Absolvent Medientechnik

Eva Milgotin Studentin Wirtschafts- und Finanzkommunikation

Sechs Studienbereiche: medien & wirtschaft medien & digitale technologien informatik & security bahntechnologie & mobilität gesundheit soziales Jetzt informieren:

fhstp.ac.at


Articles inside

Wenn MANN den Journalistinnen Chancen verwehrt von Sophie Pratschner

5min
pages 73-76

Wenn private Daten in den Medien landen von Christina Glatz

6min
pages 70-72

Die (Ohn-) Macht des Presserates von Karin Pargfrieder

9min
pages 66-69

Sollen Programmkinos gefördert werden? von Ida Stabauer

5min
pages 64-65

Der milliardenschwere Kampf um Sportübertragungsrechte von Michael Geltner

7min
pages 61-63

Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Viktoria Strobl

7min
pages 58-60

Upload-Filter: Eine Herausforderung für Türkis-Grün von Martin Möser

5min
pages 56-57

Zugriff verweigert“ - technischer und rechtlicher Schutz von Smart Home von Raphaela Hotarek

5min
pages 53-55

Digital Steuer: Endlich faire Steuern für alle? von David Pokes

4min
pages 51-52

Deep Fakes: Fluch oder Fun? von Alexander Schuster

7min
pages 48-50

Pornografie - eine bzw. welche Gefahr für Kinder und Jugendliche? von Alexander Schuster

7min
pages 42-44

Zwischen Games und Gefahr von Julia Allinger

9min
pages 45-47

Nicht nur Politiker spielen „Clash of Clans“ von Martin Möser

5min
pages 39-41

Wenn lesen nicht selbstverständlich ist von Julia Allinger

8min
pages 36-38

Emotionalisierung und Dramatisierung um jeden Preis von Therese Sterniczky

7min
pages 33-35

Mediales Alternativ-Bingo: Aufmerksamkeit um jeden Preis von Lukas Pleyer

12min
pages 27-30

Hate Speech und die Politik von Viktoria Strobl

5min
pages 31-32

Pressefreiheitsgrenze - Wahrheit kann bestraft werden! von Ondrej Svatos

11min
pages 23-26

Medienpluralismus: Bedarf es politischer Regulierung? von Christiane Fürst

10min
pages 20-22

Open Data - nur die Spitze des Eisbergs? von Karin Pargfrieder

10min
pages 16-19

Regionaljournalismus und -politik unter der Lupe von Christiane Fürst

10min
pages 5-8

Hintergrundgespräche: Verkündung von Staatsgeheimnissen? von David Pokes

5min
pages 9-10

Think Austria: des Kanzlers Denkstube von Lukas Pleyer

11min
pages 11-15
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