südtirol panorama - november 2011

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UNTERNEHMER & MÄRKTE

1.

„Wenn es Probleme gibt, stehen die Mitglieder da wie ein Fels in der Brandung“

Eine Renaissance des solidarischen Gedankens scheint sich anzubahnen, wie auch das Auftauchen der GemeinwohlÖkonomie-Bewegung zeigt (siehe Interview ab S. 8). PRÄGEND. Südtirol ist nicht nur wirt-

schaftlich, sondern auch gesellschaftlich von der Kultur des Genossenschaftswesens geprägt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die insgesamt 922 Genossenschaften in Südtirol an die 160.000 Mitglieder haben. Auch wenn diese Zahl ein wenig mit Vorsicht zu genießen ist, da Personen, die bei mehreren Genossenschaften sind, nicht herausgerechnet sind, bleibt dies eine beeindruckende Zahl. Paul Gasser, Generaldirektor des Raiffeisenverbandes, bestätigt, dass Südtirol in Sachen Genossenschaften stärker organisiert ist als etwa Italien oder die umliegenden Länder wie Österreich oder Deutschland: „Diese Dichte an Solidargemeinschaften gibt es dort sicher nicht. Da ragt Südtirol schon ein wenig heraus.“ Dass sich so mancher Manager, der an der Spitze einer Genossenschaft steht, manchmal schnellere Entscheidungswege wünscht, weist auf die Nachteile dieser Organisationsform hin. Demokratie bedeutet eben eine Entscheidungsfindung, die manchmal länger dauert. In einer sich immer schneller drehenden Wirtschaftswelt nicht unbedingt immer ein Vorteil. Robert Zampieri, Geschäftsführer der Milkon, weiß den großen Vorteil der Genossenschaften trotzdem zu schätzen: „Wenn es Probleme gibt, dann stehen die Mitglieder da wie ein Fels in der Brandung.“ ◀

Foto: Alexander Alber

Robert Zampieri

Paul Gasser: Seit 1992 bei Raiffeisen tätig und seit 2009 Generaldirektor des Raiffeisenverbandes

Raiffeisenverband SONSTIGE GEN., BOZEN

▶ Umsatz: 44,7 Mio. ▶ Cashflow: 5,45 Der Raiffeisenverband ist die Dachorganisation aller Genossenschaften in Südtirol, die nach den Richtlinien von Friedrich Wilhelm Raiffeisen gegründet wurden. In diesem Verband sind 366 Körper- und Genossenschaften vereint, welche eine Reihe von Branchen abdecken. Vertreten sind sowohl Raiffeisen-, Obst- und Milchgenossenschaften als auch Kellerei-, Wohn-, Sozial- und Konsumgenossenschaften. Der Südtiroler Gemeindeverband ist ebenfalls Mitglied des Raiffeisenverbandes. Die Anzahl der Einzelmitglieder der im Raiffeisenverband zusammengeschlossenen Genossenschaften beläuft sich auf 119.563 (Stand 31.12.2010). Das bedeutet, dass über ein Fünftel der Südtiroler Bevölkerung in einer zum Raiffeisenverband gehörenden Genossenschaft organisiert ist. Geleitet wird der Verband seit Jänner 2009 von Paul Gasser. Der Raiffeisenverband weist von allen Top 30 der Genossenschaften

mit 5,45 Mio. Euro den höchsten Cashflow auf. Auch das Eigenkapital von 49,2 Mio. Euro zeigt, dass der Verband solide dasteht. Befremdlich ist aber der Verlust von rund 900.000 Euro, den die Bilanz zeigt. Entstanden sei dieser Verlust „aufgrund von Rückstellungen für künftige Wertschwankungen, beziehungsweise Finanzgeschäften mit Beteiligungen.“ Auffällig neben dieser Minus-Zahl sind auch die hohen Personalkosten von 23,1 Mio. Euro und die daraus resultierende Personalkostenquote von 51,7 Prozent. Neben der wirtschaftlichen Bilanz soll ab dem laufenden Jahr auch eine Sozialbilanz erstellt werden. Damit sollen die sozialen Leistungen und die soziale Verantwortung des Verbandes quantitativ und qualitativ dokumentiert werden. In den kommenden Jahren möchte Paul Gasser die Beratungs- und Unterstützungsaktivität des Verbandes für seine Mitglieder weiter ausbauen. Zur wissenschaftlichen Untersuchung des Phänomens Genossenschaftswesen gibt es bereits eine Zusammenarbeit mit der Universität Bozen und der Universität Inns(PAS) bruck.

PETER SEEBACHER

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Südtirol Panorama November | 2011

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