fwp Partner Mar­kus Fell­ner im trend: „Die Stun­de der Wahr­heit steht erst be­vor“

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TREND WIRTSCHAFT

INTERVIEW

IN KOOPERATION MIT

INTERV IEW: A N D R EA S LA MPL

Wirtschaftsanwalt

Forderungen in Eigenkapital, sprich eine öffentliche Beteiligung, zu wan­ deln. Deutschland hat das im großen Stil bei der Lufthansa vorgemacht. Es kann aus meiner Sicht aber auch bei kleineren Betrieben funktionieren. Strukturen dafür wären schon vorhan­ den: die Cofag für die großen, das aws (Austria Wirtschaftsservice, Anm.) für die kleineren Fälle.

MARKUS FELLNER

über Risiken nach Aus­ laufen der Corona­Hilfen, die Folgen des Ukraine­ Kriegs für Unternehmen und mangelnde Risiko­ kapitalfinanzierung. TREND: Sie zählen viele Banken zu den Kunden Ihrer Anwaltskanzlei und haben darum auch häufig mit der Re­ strukturierung von Unternehmen zu tun. Die Corona­Insolvenzwelle ist ausgeblieben. Manche Betriebe haben sogar mehr liquide Mittel als vorher. Hat der Staat übertrieben gefördert? MARKUS FELLNER: Es lässt sich fest­ stellen, dass Überbrückungshilfen zwei­ fellos ihren Zweck erfüllt haben. Aber das waren ja keine Überbrückungs­ zuschüsse, auch wenn manche Unter­ nehmer das vielleicht vergessen haben, sondern Haftungen, Stundungen, Kre­ dite usw., die großteils zurückgezahlt werden müssen. Wenn das jetzt be­ ginnt, wird sich weisen, ob die Hilfen überschießend waren. Ich glaube nicht, dass alle so super dastehen. Die Stunde der Wahrheit steht erst bevor.

„DIE STUNDE DER WAHRHEIT STEHT ERST BEVOR“ 78

t rend . EDI T I O N 2 | 2 9. 4. 2022

Wenn Sie meinen, dass es erst nach Auslaufen der Corona­Hilfen ernst wird: Erwarten Sie jetzt mehr Sanie­ rungsfälle und Konkurse? Bestimmt wird es mehr Ausfälle geben. Unterneh­ men in der Grauzone, die nicht mehr ganz gesund sind, wird es schwerer tref­ fen. Ich gehe aber davon aus, dass die Regierung ihre implizite Ankündigung umsetzt, momentan uneinbringliche

FOTO: MICHAEL RAUSCH-SCHOTT

Die Kritik, der Staat wäre zu großzügig gewesen, teilen Sie nicht? Manche Un­ kenrufe sind berechtigt. Statt Gewinn­ entgang einen Umsatzersatz zu bezah­ len, ist schwer nachvollziehbar. Aber in Summe waren die Programme ange­ messen. Ich sehe eher das Problem bei jenen Hilfen, wo nicht in Raten, son­ dern alles auf einmal zurückgezahlt werden muss. Das wird etliche Unter­ nehmen überfordern.

Der wichtigste Punkt ist, für eine aus­ tet, risikoadäquat zu finanzieren. Aber reichende finanzielle Deckung zu sorgen sie sind ja nicht die einzige Finanzie­ und am besten mit den Finanzierungs­ rungsquelle für Unternehmen – das partnern schon über die Ausweitung müsste mehr ins Bewusstsein rücken. Es von Kreditlinien zu verhandeln, bevor gibt Investoren wie Fonds oder Family der Bedarfsfall ein­ Offices, die Risiko­ tritt. Außerdem sollte kapital zur Verfügung „Manch kleinere man das Eigenkapital stellen, was hierzulan­ stärken: Jetzt ist eher de leider viel zu selten und mittelgroße nicht die Zeit für Ge­ in Anspruch genom­ Bank ist sich aus winnausschüttungen men wird. Aber viel­ meiner Sicht der Birgt das nicht auch die Gefahr, dass an die Eigentümer – leicht ist die Krise ein Tragweite dieser der Staat mit einem Bauchladen an und wenn, dann unter Einfallstor für mehr Zombie­Unternehmen dasteht, an de­ dem Vorbehalt der privates Eigenkapital. Krise noch nicht nen er beteiligt ist? Natürlich ist dies nur Rückzahlung, falls es Gerade bei Restruktu­ ganz bewusst.“ dort sinnvoll, wo nicht ein Unternehmen nötig wird. Und wo rierungen ist das häu­ trotz Eigenkapitalstärkung immer noch irgendwie möglich, fig viel effizienter – marode ist, sondern mittelfristig eine sollten Unternehmer vermeiden, von auch wenn diese Investoren eine höhere Sanierungschance besteht. Leider ist es einem Lieferanten oder Kunden zu Marge erwarten als eine Bank. in Österreich unüblich, Fremd­ in Eigen­ mehr als zehn bis 15 Prozent abhängig kapital zu wandeln. Banken machen das zu sein. Der Fokus ist dabei auf den Voriges Jahr trat eine neue Restruktu­ nicht gerne, und die Risikokapitalfinan­ Einbau von Anpassungsklauseln bei rierungsordnung in Kraft, die Sanie­ zierung ist sehr unterentwickelt. Für den längerfristigen Verträgen zu legen, um rungen ohne Insolvenz erleichtern soll. Staat sehe ich schon die Option, da ein­ etwa Preissprünge bei Vorprodukten – Wie fallen die ersten Erfahrungen aus? zuspringen. Die Rechnung ist simpel: ob das Stahl oder Olivenöl ist – auch Leider wurde die Materie nun minima­ Was kostet mehr? Sozialkosten, Verlust weitergeben zu können, damit in einer listisch umgesetzt. Es gibt kein eigenes von Know­how etc. bei einer Insolvenz Lieferkette nicht immer nur einer die Verfahren außerhalb des Gerichts, son­ oder das mittelfristige Investment mit höheren Preise schlucken muss. dern ein immer noch eng an die Insol­ einer möglichen Rendite beim Ausstieg? venzordnung angelehntes, was wenig Für Bewertung und Beurteilung der Fälle Bereiten sich Banken aus Ihrer Sicht Gestaltungsspielraum bietet. So wird wäre allerdings die Zusammenarbeit mit schon darauf vor, dass etliche ihrer zum Beispiel die Schließung toxischer externen Experten dringend anzuraten. Firmenkunden in Folge der Ukraine­ Tochtergesellschaften verhindert, weil Krise ins Wanken geraten könnten? Ich die Reduktion von Mitarbeitern ausge­ Der Krieg gegen die Ukraine erhöht das glaube, es gibt unter den kleineren und klammert ist. Außerdem besteht die Risiko für Unternehmen. Diese Krise mittelgroßen Banken ein paar, die sich für ein Unternehmen meist schädliche ist wirtschaftlich brisanter als die Pan­ der möglichen Tragweite dieser Krise Publizität nach wie vor. Dementspre­ demie, oder? Sehe ich auch so. Einer­ noch nicht ganz bewusst sind. Anders chend ist der Effekt gering. Die neue seits sind Unternehmen direkt durch kann ich mir nicht erklären, dass man Rechtslage ist wie frühere Anläufe eher die Unterbrechung von Lieferketten sich bei der Präsentation von 2021er­ ein Misserfolg. betroffen, was sehr gefährlich werden Ergebnissen für die historisch niedrigen kann. Andererseits besteht indirekte Risikokosten feiern lässt. Alle müssten Welche Nachbesserungen würden Sie Betroffenheit durch den Einbruch der ja ihre Vorsorgen für 2022 spürbar an­ sich wünschen? Ich hätte mir ein echtes Wirtschaft. Die hohen Energiepreise gehoben haben. Denn die Entwicklung präventives Restrukturierungsverfahren führen dazu, dass sich manche Ge­ ist ja nicht erst durch den russischen abseits des Gerichts gewünscht, das es schäftsmodelle nicht mehr Angriff am 24. Februar allen Stakeholdern leichter macht, sich ZU R PER S O N so wie bisher rechnen. so brisant. Es gab schon zu bewegen. Dem hat der österreichi­ Dazu kommt, dass andere Wochen davor Warnun­ sche Gesetzgeber eine Absage erteilt. Die Markus Fellner, Weltregionen gegenüber gen bei einem G7­Gipfel. Folge werden vermehrt rein außerge­ geb. 1967, ist studierter der EU Wettbewerbsvor­ Soweit ich es beurteilen richtliche Verfahren sein, in denen Un­ Jurist und Betriebswirt. teile durch die enorme kann, sind die großen ternehmen gemeinsam mit den Gläubi­ 1999 gründete er mit Differenz bei Treibstoff­ Bankengruppen in Öster­ gern und mit spezialisierten Anwälten – Kurt Wratzfeld die Wirtoder Gaspreisen haben, die reich aber gut gewappnet. ohne Einbindung der Behörden – an schaftskanzlei Fellner durch die Kostenunter­ Lösungen arbeiten. Manchmal steht da Wratzfeld & Partner. Als schiede alleine nicht Wird es für Unternehmen auch noch das Investitionskontrollgesetz Rechtsanwalt ist Markus erklärbar sind. schwerer, Finanzierungen im Weg. Denn wenn ausländische Inves­ Fellner u. a. auf Banzu bekommen, um über toren mit im Spiel sind, dauert die von ken- und Finanzrecht, Was kann der Jurist raten, gröbere Turbulenzen zu diesem Gesetz geforderte Prüfung recht Firmenrestrukturierunwie sich Unternehmen am kommen? Banken sind lange – und eine gute Lösung kommt gen und Konfliktlösung besten wappnen können? gesetzlich dazu verpflich­ dann vielleicht schon zu spät. spezialisiert.

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