Fazit 95

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KOMMENTAR

Tandl macht Schluss!

Allmonatliche Finalbetrachtungen von Johannes Tandl

E

s gibt politische Auseinandersetzungen, da gibt es für die Regierungsparteien nicht viel zu holen. Deshalb werden entsprechende Reformen entweder nur halbherzig oder gar nicht angegangen. Ein typisches Beispiel für diese Verweigerung ist die Bildungsdiskussion: Eigentlich ist es ein völliger Irrsinn, dass bei uns immer mehr Kinder die Volksschulen durchlaufen, ohne lesen und schreiben zu lernen. Die Gründe für diesen Skandal sind bekannt: Entweder kommen die Kinder aus bildungsfernen Schichten oder sie sprechen wegen ihres Migrationshintergrundes zu schlecht Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können. Und die Politik kennt sogar die Lösungsansätze: Österreich bräuchte – so gut wie flächendeckend – eine sprachliche Vorschulbildung in den Kindergärten. Außerdem müsste an allen Volksschulen der verschränkte Ganztagesunterricht eingeführt werden. Doch bildungsferne Eltern und Migranten sind in der Regel Nichtwähler. Daher sind sie für die Politik uninteressant und das Volksschulversagen nur eine Nebenfront der Bildungsdiskussion. Im Vordergrund

Kennen Sie einen Volksschullehrer, der dafür ist, dass er für beinahe das gleiche Geld den ganzen Tag anstatt nur den halben in der Schule verbringen muss? Ich nicht!

stehen ideologische Positionen und Klientel-Politik. Die Kinder, deren Eltern nicht fähig sind, die schulischen Leistungen ihrer Sprösslinge zu unterstützen, interessieren niemanden. Und so wurde die verschränkte Ganztagsschule zwar beschlossen, deren Einführung jedoch mit unüberwindbaren Hürden verknüpft. Damit sie umgesetzt werden kann, müssen nämlich zwei Drittel der Eltern sowie zwei Drittel der Lehrer zustimmen. Kennen Sie einen Volksschullehrer, der dafür stimmen würde, für beinahe das gleiche Geld den ganzen Tag anstatt nur den halben in der Schule zu verbringen? Ich nicht! Und daher kommen im nächsten Schuljahr nur etwa 700 der 43000 steirischen Volkschulkinder die Chance zum echten Ganztagsunterricht. Eine reine Nachmittagsbetreuung – sie hat mit einer Ganztagsschule nichts zu tun – kann von den Lehrern hingegen nicht verhindert werden. In den fragwürdigen Genuss dieser Form der Kinderverwahrung kommen etwa 6500 steirische Volksschüler. Dabei wird der Schultag dadurch verlängert, dass die Schüler einen Teil des Nachmittags unter Beaufsichtigung in einem Schülerhort oder Klassenraum verbringen und mit unterschiedlicher Qualität beim Aufgabenmachen und Lernen betreut werden, bis sie von den berufstätigen Eltern abgeholt werden können. Mit einer optimalen pädagogischen Betreuung hat das nichts zu tun. Damit wir uns richtig verstehen: Dass es die Wahlfreiheit zwischen verschränkter Ganztags- und Halbtagsschule gibt, ist richtig. Schließlich gibt es Eltern, die sich gerne an der schulischen Ausbildung ihrer Kinder beteiligen und die auch die Zeit dazu haben. Doch in Zeiten, in denen es immer mehr alleinerziehende Berufstätige gibt und der Berufsstand der Hausfrau so gut wie ausgestorben ist, kann die Halbtagsschule nicht mehr der Regelfall sein. Anstatt sich mit voller Energie für die rasche Reform des Grundschulwesens einzusetzen, beschäftigt

sich die Politik mit anderen Fragen: Etwa damit, ob jene Kinder, die in der Volksschule weder lesen noch schreiben gelernt haben, danach gemeinsam mit jenen unterrichtet werden sollen, die das können. Oder damit, ob die Klügeren am Gymnasium noch klüger werden dürfen. Dass es zahlreiche Argumente für eine Gesamtschule gibt, ist klar. Wahrscheinlich kann davon ausgegangen werden, dass schwächere Schüler mehr lernen, wenn sie mit besseren gemeinsam unterrichtet werden. Dass der gemeinsame Unterricht aber auch eine Nivellierung nach unten bedeuten kann, liegt ebenso auf der Hand. Schließlich war ich selbst einer jener Schüler, die ihre Matura nicht nur guten Lehrern, sondern auch dem Leistungsdruck an der Mittelschule verdanken, weil sich meine schulischen Bemühungen in aller Regel auf das Erreichen der jeweils nächsten Klasse beschränkten. Doch die Baustellen, die von der Regierungskoalition – mit größter Wahrscheinlichkeit für sich selbst – hinterlassen werden, gibt es in vielen Bereichen. Überall, wo SPÖ und ÖVP Angst davor haben, von den Lobbys abgestraft zu werden, geht nichts weiter. Da sind die Dauerbrenner Verwaltungs- und Bundesstaatsreform oder die Sanierung unseres Pensionssystems, wo es die Politik in einem Zeitraum, in dem die Lebenserwartung der Österreicher um 2,5 Jahre gestiegen ist, geschafft hat, das faktische Pensionsalter gerade einmal um 4 Monate anzuheben. Die Hoffnung, dass es die nächste »rotschwarze« Koalition besser macht, stirbt zuletzt. Wir Steirer erleben ja gerade, dass eine SPÖ-ÖVP-Regierung auch funktionieren kann. Eine vergleichbare Reformpartnerschaft auf Bundesebene! Das wäre doch etwas!

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