Fazit 170

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Frage an Radio Eriwan: Wann kommen wie viele Impfdosen?

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer in einem geleakten Sitzungsprotokoll im Kanzleramt

Foto: BMFIN

Blümel-Affäre – Es begann mit einem SMS von Novomatic Am 10. Juli 2017 schickte Harald Neumann, der damalige CEO des Glücksspielkonzerns Novomatic AG, ein SMS an den Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel, in dem er um einen Termin bei ÖVP-Obmann Sebastian Kurz ersuchte. Außerdem bat Neumann um Unterstützung bei einem Problem in Italien. Für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) begründet sich dadurch ein Anfangsverdacht durch folgenden weiteren Satz im SMS: »Spende an ÖVP gefällig?« Denn es ist verboten, sich für Amtsgeschäfte mit Geld bzw. anderen Vergünstigungen wie etwa Parteispenden bezahlen zu lassen. Daher steht durch dieses SMS aus Sicht der WKStA der Verdacht im Raum, dass Gernot Blümel bereit gewesen sein könnte, seine Stellung als VP-Politiker zu missbrauchen. Bereits die Andeutung Blümels, dass er sich eine Spende für die Hilfe beim Novomatic-Problem in Italien vorstellen könnte, wäre nämlich ein klarer Verstoß gegen die Korruptionsgesetze, der mit drakonischen zwei bis fünf Jahren Haft bestraft wird. Ebenfalls bekannt ist, dass Gernot Blümel die Nachricht des Novomatic-Chefs an den damaligen Kabinettschef im Finanzministerium, Thomas Schmid, mit der Bitte »Tu es für mich!« weitergeleitet hat. Blümel erklärte dazu, dass er die Sache loswerden wollte, ohne sich weiter damit zu beschäftigen.

Im Kalender von Novomatic-Besitzer Johann Graf steht »Kurz« Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob es jemals zu dem gewünschten Termin mit Kurz gekommen ist, und natürlich auch, ob Geld von Novomatic an die ÖVP geflossen ist. Die Staatsanwaltschaft sieht offenbar in einem Kalendereintrag nicht bei Neumann, sondern bei Novomatic-Eigentümer Johann Graf am 25. Juli 2017 mit dem Vermerk »Kurz« ein so starkes Indiz, dass dadurch die Hausdurchsuchung bei Blümel zur Beweissicherung gerechtfertigt ist. Graf bestreitet ebenso wie Sebastian Kurz, dass dieser Termin jemals stattgefunden hat. Mit 14 /// FAZIT MÄRZ 2021

»Kurz« habe er seine Schwiegertochter, die Novomatic-Aufsichtsrätin Martina Kurz, gemeint, so Graf. Finanzminister Gernot Blümel legte dazu seine »eidesstattliche Erklärung« vor. Darin versichert er, dass »weder er noch die ÖVP Wien noch irgendwelche mit ihm in Verbindung gebrachte Vereine jemals Spenden von Novomatic erhalten hätten«. Da es aufgrund des Parteienfinanzierungsgesetzes keine Möglichkeit zum Durchgriff auf die Buchhaltungsunterlagen von Parteien gibt, muss sich die Staatsanwaltschaft diesbezüglich bisher mit dem Spendenbericht des von der ÖVP beauftragten Wirtschaftstreuhänders zufrieden geben. Echte harte Beweise gegen Blümel stehen daher aus.

Der Kampf der ÖVP gegen die WKStA? Der Streit zwischen der ÖVP und der Korruptionsstaatsanwaltschaft existiert schon Jahre lang. Die ÖVP sieht in der WKStA eine politisch motivierte Behörde, die nicht viel zusammenbringt und mit ihren Verfahren regelmäßig scheitert. Statt mit Beweisen werde versucht, unliebsame Personen wie Finanzminister Gernot Blümel mit durchgestochenen Informationen sowie mit medial und von der Opposition befeuerten Gerüchten zur Strecke zu bringen. Zur medialen Blümel-Affäre wurden die Casino-Ermittlungen bekanntlich erst, nachdem einem Journalisten ein interner Bericht der WKStA zugespielt wurde, in dem der Finanzminister als Beschuldigter angeführt wird. Dabei darf durchaus bezweifelt werden, dass die undichte Stelle beim ermittelnden Staatsanwalt selbst liegt. Denn dem ist natürlich nicht geholfen, wenn ein Beschuldigter medial vorgewarnt wird und dadurch die Möglichkeit erhält, potenziell belastendes Material verschwinden zu lassen. Wo ist die undichte Stelle in der Justiz? Daher ordnete der Staatsanwalt umgehend eine Hausdurchsuchung bei Gernot Blümel an, um etwaige Beweise zu sichern. Die Hausdurchsuchung wurde übrigens von Blümel – wohl vor dem Hintergrund, dass das sonst die undichte Stelle in der

Justiz gemacht hätte – selbst publik gemacht. Jetzt weiß natürlich jeder, dass kein Staatsanwalt, der es in diesem Land noch jemals zu etwas bringen will, aus Jux und Tollerei die Privatwohnung des amtierenden Finanzministers durchsuchen lässt. Daher liegt durchaus die Vermutung nahe, dass es konkretere Verdachtsmomente als das bisher bekannte SMS und einen Kalendereintrag geben muss. Außerdem ist ziemlich klar, dass Blümels Beschuldigtenstatus von jemandem geleaked wurde, der zwar von der ganzen Sache wusste, sonst jedoch nichts mit dem Verfahren, das er mit seinem Verrat gefährdet hat, zu tun hat.

Das Problem mit der Berichtspflicht der Staatsanwälte Im Gegensatz zu gewöhnlichen Staatsanwaltschaften hatte die WKStA in Fällen von öffentlichem Interesse ursprünglich nur eine äußerst eingeschränkte Berichtspflicht gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Sie umfasste lediglich die Entscheidung über Anklage oder Einstellung, nicht jedoch einzelne Ermittlungsschritte. Ursprünglich sollte die WKStA sogar direkt dem Justizminister unterstellt werden, ohne Einbindung in die sonstige Hierarchie der Justiz. Doch diese Ideen wurden nie umgesetzt. Im Zuge der BVTAffäre, bei der die WKStA mit einer illegalen Hausdurchsuchung beim BVT einen ihrer größten bisherigen Fehler begangen hat, wurde die Berichtspflicht im Februar 2018 auch auf Ermittlungsschritte ausgedehnt. Seit damals muss die WKStA die Oberstaatsanwaltschaft Wien in Vorhabensberichten vorab informieren. Und die Oberstaatsanwaltschaft Wien muss diese Berichte per Weisung an das Justizministerium weiterleiten. Mit der Ausweitung der Berichtspflicht wollte der damalige Justizminister Josef Moser (ÖVP) eigentlich die juristische Qualität der WKStA verbessern. Stattdessen hat er damit die Zahl potenziell undichter Stellen innerhalb der Justiz vervielfacht. Daher werden die Ermittlungen nach dem Durchstecher wie gewohnt im Sand verlaufen.


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