Seht ihr? Es ist ihm egal. Er hört den anderen nicht zu, hat eine schlechte Haltung. Emanuel Macron beim EU-Gipfel über den österreichischen Kanzler
Fotos: Butzmann, IV/Kanizaj
IV-Steiermark-Geschäftsführer Gernot Pagger fordert für seinen Verband, die weitere Kurzarbeit an Qualifizierungsmaßnahmen zu knüpfen. Er ist davon überzeugt, dass nur jene Unternehmen die Kurzarbeit verlängern werden, die an die baldige Verbesserung ihrer Lage glauben. Die »Frugalen Vier« sind gut für Europa »Natürlich wird man in den Zeitungen weniger kritisiert, wenn man sagt: danke Deutschland, danke Frankreich, wohin dürfen wir überweisen?« Mit diesen Worten kommentierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Tag nach dem EU-Gipfel im ZIB-2-Interview die Vorwürfe des gewohnt polarisierenden Moderators, Österreich hätte sich mit dem EU-Gipfel international isoliert. Tatsächlich wurde das Verhalten der »Frugal Four« (Sparsame Vier) nicht nur in so gut wie allen deutschen Mainstream-Medien hart kritisiert, sondern auch in Frankreich, Italien 18 /// FAZIT AUGUST 2020
und vielen anderen EU-Ländern. Der erste wirklich wichtige EU-Gipfel seit dem Brexit-Votum brachte mehrere Überraschungen. Die erste gab es bereits vor einigen Wochen, als sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel den Forderungen von Emanuel Macron anschloss, den EU-Staaten 500 Milliarden Euro zur Bewältigung der Corona-Folgen zur Verfügung zu stellen. Und zwar mit Geld, das von den EUStaaten gemeinsam aufgenommen wird und der Kommission zur Verteilung überlassen werden sollte. Obwohl im MacronVorschlag keine solidarische, sondern bloß eine aliquote Haftung der Mitgliedsstaaten vorgesehen war, stellte die Zustimmung Deutschlands einen Tabubruch dar. Erstmals hat Deutschland gegen die fest in den EU-Verträgen verankerte Nichtbeistandsklausel bei der jeweiligen Staatsverschuldung verstoßen. Mit Großbritannien in der EU wäre das völlig undenkbar gewesen. Die zweite Überraschung war, dass sich die Gruppe der »Frugalen Vier«, anders als etwa die Visegrad-Gruppe, weder weichkochen noch auseinanderdividieren ließ. Das und nicht das womöglich tatsächlich provozierende Verhalten von Sebastian Kurz war der Grund dafür, dass Emanuel Macron während des aufreibenden Gipfels zeitweilig die Nerven verlor. Der französische Präsident musste nämlich erleben, wie die Chance, erstmals ohne Querschüsse der ungeliebten Briten, mit Deutschland gemeinsame Sache zu machen, verstrich. Die aus seiner Sicht »Geizigen Vier« spielten einfach nicht mit. Zum Unmut vieler deutscher Kommentatoren wurde die deutsch-französische Einigung deutlich abgeändert. Daher wurde viel darüber geschrieben, wie schädlich das Verhalten von Holland, Österreich, Dänemark, Schweden und zuletzt auch noch Finnland beim EU-Gipfel gewesen sei. Doch in einigen Hauptstädten beginnt man sich bereits über die harte Haltung von Sebastian Kurz und Mark Rutte zu freuen. Denn statt sich ständig den nationalen Zielen von Deutschland und Frankreich unterordnen zu müssen, entsteht ge-
rade eine neue Perspektive. Ein Europa, in dem nicht nur 150 Millionen Deutsche und Franzosen den Ton angeben. Selbst wenn die Beschlussfassung seit diesem Gipfel nie mehr so einfach sein wird, wie sie einmal war, ist Europa um ein Stück demokratischer geworden. Und selbst wenn der in Brüssel zustande gekommene Kompromiss mit Zuschüssen von 390 Milliarden immer noch klar gegen die Nichtbeistandsklausel als Kernstück des innereuropäischen Wettbewerbs verstößt, waren die Tage, an denen der Gipfel stattfand, nicht die schlechtesten für Europa. Sozialhilfe Neu: Viel hat der Verfassungsgerichtshof nicht übriggelassen »Jemand, der jeden Tag aufsteht, Tag für Tag für sein Einkommen arbeitet, Steuern zahlt und damit das System erhält, muss mehr bekommen als jemand, der nicht arbeiten geht!« Mit dieser knackigen Formulierung begründete Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) das Bundesgesetz zur Reform der Mindestsicherung. Doch übrig geblieben ist statt einer Reform nur eine kosmetische Anpassung. Von der wesentlichsten Änderung, die Bindung der Sozialhilfe an die Integrationsbereitschaft, ist gar nichts geblieben. Sie war handwerklich nämlich so schlecht gemacht, dass den Verfassungsrichtern gar keine andere Wahl blieb, als die Bestimmungen aufzuheben. Natürlich sah sich die SPÖ mit dem VfGHErkenntnis darin bestätigt, dass das türkisblaue Grundsatzgesetz zur Mindestsicherung von einer chauvinistischen »Unser-Geld-für-unsere-Leut’-Politik« motiviert war. Denn daran, dass der Abstand zwischen der Mindestsicherung und einem Vollerwerbseinkommen im Niedriglohnsektor viel zu gering ist, hätte das türkisblaue Grundsatzgesetz ja gar nichts geändert. Eine kluge Reform der Mindestsicherung, die sowohl den in eine Notlage Geratenen ein Auskommen in Würde ermöglicht, als auch den Anreiz zum Missbrauch senkt, ist daher immer noch überfällig. Inzwischen haben sich zumindest