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INTERVIEW - LAB 106

Für uns bedeutet Nachhaltigkeit auch, auf Produkte und Unternehmen aus der Region zurückzugreifen, lokalansässige Designer*innen zu unterstützen und somit lange Transportwege zu vermeiden. Zentral gelegen, auf der Zeil in der Frankfurter Innenstadt findet man seit April dieses Jahres im Untergeschoss des Einkaufszentrums „MyZeil“ das LAB106.

Das LAB mit der Initiatorin Lena Grewenig besteht aus Designer*innen und Kunsthandwerker*innen, die aus Frankfurt oder dem nahen Umland kommen. Schon beim Eintreten in den minimalistich und clean eingerichteten Verkaufsraum wird klar: Hier geht es um Design. Alles wirkt sehr jung, sehr informiert und künstlerisch. Jede*m Künstler*in steht eine kleine Verkaufsfläche zur Verfügung, die individuell bespielt und gestaltet werden kann – je nach angebotenem Produktportfolio. Wir wollten genauer wissen, wie es zur Idee zum Store kam, wer dahintersteckt und ob diese Art von Shopkonzept die Zukunft ist. Dazu haben wir uns mit Lena Grewenig zum Gespräch getroffen.

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WER BIST DU UND WAS MACHST DU?

Mein Name ist Lena Grewenig. Ich habe an der Städelschule in Sachsenhausen Kunst studiert und dort 2014 meinen Abschluss als Meisterschülerin gemacht. Anschließend zwei Jahre im Atelier gearbeitet und mich dann entschieden nochmal eine Ausbildung zur Goldschmiedin zu machen. Momentan versuche ich beides miteinander zu verbinden. Ich finde da die Spannung und den Reiz sehr groß und das gefällt mir.

DU BIST KÜNSTLERIN AUF VERSCHIEDENEN EBENEN. WAS HABEN DIE ARBEIT ALS GOLDSCHMIEDIN UND DIE MALEREI GEMEINSAM, WAS SIND DIE UNTERSCHIEDE?

Was Goldschmiede und Malerei gemeinsam haben, kann ich persönlich sehr präzise besch-

OBEN: AM EINGANG DIE KREATIONEN VON M’ANAPPELLE (@MANAPPELLE) UND DIE FOTOS VON LUCY GUILLAUME. UNTEN LINKS: POSTER UND APPAREL VON PARANORMAL EIGHT (@PARANORMALEIGHT). reiben, da ich in der Malerei auch mit Steinen arbeite, mir diese raussuche, sie zu Pigmenten verarbeite und auf die Leinwand auftrage. Das ist natürlich ein sehr naher Bezug zum Schmuck oder zur Goldschmiede, weil man da eben Steine in Edelmetall einfasst. Zum einen besteht da der der Zusammenhang, weil Elemente aus Steinen gemacht werden, aus Ressourcen der Erde und eine gewisse Recherche dazu gehört. Dann ist da der zweite Aspekt, der Aufbau in einen kreativen Prozess. Klar ist meine Arbeit auch intuitiv, emotional und manchmal sehr impulsiv, dennoch bedarf es einer gewissen Struktur, den Aufbau zu planen, der dann zum Ziel eines Werkes führt und das ist bei der Goldschmiede sehr ähnlich.

EINIGE DEINER SCHMUCKDESIGNS HABEN FLORALE ELEMENTE. WOHER KOMMT DIESE AFFINITÄT UND WOHER SCHÖPFST DU GENERELL DEINE INSPIRATION?

Meine Inspiration schöpfe ich generell aus alltäglichen Erlebnissen, aus Gesprächen mit Menschen, die ich treffe und die mich inspirieren. Außerdem aus der Natur und ihrer Zufallslogik. Ich bin immer wieder erstaunt, was andere Welten einem darbieten. Das andere mit dem Floralen Thema - da bin ich selbst überrascht, weil ich vorher nie so richtig damit gearbeitet habe. Ich habe florale Elemente zwar öfter, bei der Malerei, gezeichnet, aber solchen Schmuck nie wirklich verwendet.

LENA GREWENIG AN IHREM STAND UND KREATIONEN IN LAB106, MYZEIL. UNTEN RECHTS: GLASSOHRRINGE DER KÜNSTLERIN UND DESIGNERIN SOPHIE BERNAUER

Das hat sich während Corona etabliert. Weil alles geschlossen hatte, war ich oft spazieren und habe die Natur und die Blumen im Frühling plötzlich viel bewusster wahrgenommen. Irgendwann saß ich im Park und war von der Farb- undArtenvielfalt so fasziniert und wollte diese viel mehr nutzen. zu präsentieren. Bspw., bei der letzten Performance in der Galerie „Umweg by PUNKT“ von Setareh Alipour, hatte ich eine riesige Installation aus Blüten gebaut, durch welche wir während der Performance gelaufen sind. Anschließend wurden aus diesen Blüten Schmuckstücke hergestellt, die es jetzt auch im LAB106 als Unikate zu kaufen gibt.

WIE BESCHREIBST DU DEINE KUNST?

In und mit meiner Kunst durchlebe ich verschiedene Phasen. Ich habe immer ein Thema, das ich spannend finde und welches mich interessiert und dann arbeite ich daran. Aktuell ist das Motiv meiner Malerei der Körper. Über die Malerei möchte ich die synästhetische Verknüpfung unseres Körpers zur inneren und äußeren Welt erforschen und durch malerische Kompositionen im Bild hinterfragen. Ein sehr weitreichendes Thema. Parallel dazu arbeite ich an abstrakten Serien. Hier geht es um eine gewisse Art und Weise der Offenlegung von Stilmitteln in der Malerei, eingebunden in ein Konzept. Während meiner Ausbildung zur Goldschmiedin, habe ich angefangen das Handwerk in eine Performancereihe einzubinden und es so auf eine andere Weise zu hinterfragen und

WAS BEDEUTET NACHHALTIGKEIT FÜR DICH?

Das ist eine gute Frage. Jeder versteht darunter immer etwas anderes oder interpretiert es auf eigene Art und Weise.

VON LINKS NACH RECHTS: DESIGNERIN INA RETTKOWSKI (@INA.RETTOWSKI), BEKLEIDUNG UND INSTALATIONEN AUS DEADSTOCK MATERIALIEN ODER VINTAGE REMADE KLEIDUNG VON DEN DESIGNER*INNEN VON LAB106 UND DESIGNERIN TANJA RONAGHI (@TANJARONAGHI).

Ich würde sagen, dass Nachhaltigkeit bedeutet, wenn Dinge von der Pike auf selbst hergestellt wurden. Wenn man sich mit dem Material befasst hat und es aus ressourcenschonenden Quellen bezieht. Oder auch recycelte Ware anbieten und verkaufen. Recycling ist zum Beispiel bei Gold ein sehr großes Thema und wird mittlerweile auch oft umgesetzt. Wer eine Leidenschaft für sein Metier entwickelt und seinen Objekten und Entwürfen einen höheren Sinn gibt, auch für den Endkunden oder Verbraucher, evoziert automatisch einfach eine höhere Wertschätzung für das Material und sein Produkt.

WIE KÖNNEN KONSUMENT*INNEN NACHHALTIGER AGIEREN?

Indem sie so ein ähnliches Bewusstsein für Materialien oder für Stoffe entwickeln, mit denen man sich schmückt oder befasst. Sein Kaufverhalten in der Weise zu kultivieren, dass Dinge gekauft werden, die mit einem gewissen Esprit verhaftet sind und damit eine Chance der Langlebigkeit für die individuellen Käufer*innen erhalten und vielleicht sogar weitergegeben oder vererbt werden können, da ihnen ein besonderer Wert innewohnt. Das findet man vor allem auch bei uns im LAB106. Hier werden handgefertigte Unikate verkauft, Kleinserien, aber auch echte Kunstwerke. Hinter jedem Design in unserem Shop oder unserer Gallery merkt der Käufer, dass in dem Produkt eine tiefere Geschichte verborgen ist. Hierzu dienen auch die Schilder, welche an jedem Stand an der Wand hängen und auf die Person, die Designern*innen eingehen. So entsteht ein persönlicher Bezug vom/von Kunden*in zum Designer*in, eine Art Freundschaft zu jedem Produkt. Nicht zuletzt, weil auch wir alle selbst als Designer*innen und Künstler*innen beratend im Laden arbeiten.

Ein weiterer Schritt nachhaltig zu agieren ist es, Dinge nicht direkt wegzuwerfen. Sondern, wenn möglich, mit dem*der Designer*in zu sprechen, wieso etwas nicht gepasst hat oder was der eigentliche Wunsch war. Das ist natürlich auch bei uns im LAB106 möglich, weil es eben keine anonymen Produkte sind, hinter denen keine Person steht. Unsere Ware ist zwar vom Umtausch ausgeschlossen, da dies momentan noch den Rahmen sprengen würde, aber wir

bieten auf Wunsch immer ein persönliches Gespräch an, um den Wünschen unserer Kund*innen näher zu kommen.

WIE SCHÄTZT DU DIE ENTWICKLUNG IN DEN NÄCHSTEN JAHREN EIN, HINSICHTLICH KONSUMVERHALTEN UND NACHHALTIGKEITSBEWUSSTSEIN?

Ich denke, es wird zukünftig noch mehr Läden geben, in denen ein Austausch, wie es ihn im LAB106 gibt, stattfindet. Gerade auch hier in der Innenstadt sind immer mehr Leerstände und Schließungen von großen Ketten zu beobachten. Nachhaltige Konzepte scheinenbei den Konsument*innen gut anzukommen. Das haben wir auch bei uns gemerkt. Durch die Events, die wir hier hatten, kamen Leute, die sich einfach so sehr gewünscht haben, dass mehr stattfindet, als nur kaufen und gehen. Deswegen glaube ich, dass das schon eine Entwicklung dahin ist, dass Verkaufen mehr zu einem Happening wird. Auf der anderen Seite hat mir eine Freundin von einem Unverpackt Laden in Berlin erzählt, der vor Kurzem wieder schließen musste, weil es nicht lief. Es scheint also diesen Wunsch nach mehr nachhaltigen Konzepten zu geben, auf der anderen Seite scheinen die Menschen letztendlich aber doch nicht bereit zu sein, gewisse Dinge zu ändern und neues auszuprobieren. Langfristig muss man einfach seine Haltung ändern und diese Neuerungen als etwas Schönes und Gutes ansehen, anstatt als Last. Das hat viel mit dem richtigen Mindset zu tun. Auch bei uns wird es wieder ein Event am 23.09.22 ab 18 Uhr geben und auch im Oktober und November (28.10 und voraussichtlich 11.11). Alle sind herzlich eingeladen mit uns zu einem Glas Wein und unseren DJs zu feiern und unsere neuen Kollektionen, sowie stattfindende Modenshows kennenzulernen.

WOHER KAM DIE IDEE FÜR DAS PROJEKT?

Unter anderem durch die Stadt Frankfurt und die Wirtschaftsförderung, die uns hier unterstützt haben und auch immer noch beratend zur Seite stehen. Die Idee hat sich entwickelt. Ich habe schon vorher mit Freundinnen PopUp Stores gemacht und wir haben uns dadurch ein

OBEN: KÜNSTLERIN UND DESIGNERIN HOELLENLAU (@HOELLENBLAU) MIT IHRER KLEIDUNG UND HANDGEMACHTER SCHMUCK VON DOWN OF SHAPES (@DAWNOFSHAPES). UNTEN LINKS: HANDGEMACHTE VON OUT OF OFFICE (@OOO_OUTOFOFFICE_) UND RECHTS: SCHMUCK UND MALEREI VON KÜNSTLERIN NING YANG (@NINGYANG_FRANKFURT)

Netzwerk geschaffen. Daher kenne ich einige Leute, die auch immer wieder Interesse an der Umgestaltung in Leerständen haben. So habe ich den Kontakt zur MyZeil gewonnen. Dann habe ich ein Jahr lang immer wieder angerufen und gefragt, ob sich da was ergeben hat. Am Anfang war das nicht möglich, bis ich vom Management Center, Frau Poul, angerufen wurde. Dann musste ich mir natürlich Gedanken machen und die Risiken abwägen. Gerade auch als Künstlerin in einer Shopping Mall - das ist schon sehr kontrastreich. Daraufhin habe ich mir den Raum angeschaut und war von seiner Größe überwältigt. Ich wusste erst gar nicht, wie ich mit meinen Freundinnen die gesamte Fläche bespielen sollte, aber dann habe ich angefangen einen OPEN CALL an Kunsthochschulen zu schalten, war auf deren Newsletter vertreten und auch auf Instagram habe ich einen Aufruf gestartet. Es gab auch direkt Leute, die gerne dabei sein wollten und so ergab sich alles organisch. Anfangs war es ein Rauf und Runter, viele Meetings, sehr viel Energie, aber am Ende lief alles gut.

WAS BEDEUTET DER NAME?

LAB106 entstand aus einer Abstimmung. Wir haben nach vielen Namen gesucht und

HANDGEMACHTE LEDERTASCHEN VON DESIGNERIN ZSOFIA KMET (@ZSOFIAKMET) UNTEN: HANDGEMACHTE PORZELANVASEN VON NITZ PORZELLAN (@NITZ_PORZELLAN)

ein bisschen was aufgeschrieben. Dann gab es auch eine gemeinschaftliche Abstimmung und LAB106 war erst LAB225 wegen der Quadratmeter Fläche, bis wir dann auch wieder in Gesprächen rausgefunden haben, dass es doch sinnvoller wäre, die Adresszahl zu nehmen. Also Zeil 106 ist hier die Adresse und marketingtechnisch wahrscheinlich sinnvoller. Und LAB ist die Abkürzung für Labor. Labor, weil hier auch viel neues entstehen kann. Der stetige Prozess.

WIE VIELE KÜNSTLER*INNEN SIND AKTUELL DABEI?

Um die 14 bis 16 Leute, manchmal auch 17, aber dann sind wir auch wirklich voll. Durchschnittlich sind es 16. Vorne gibt es immer eine*n Gastkünstler*in, der jede oder jede zweite Woche gewechselt wird. Das gibt neuen Künstler*innen die Möglichkeit, trotzdem etwas zeigen zu können. Derzeit stellt bei uns Tom Streit aus, ein Maler und Künstler aus Berlin und Wien und im Oktober werden wir dann eine Ausstellung mit Anna Kuen, einer Malerin aus Berlin hier haben, die unter anderem mit Brands wie LA BANDE zusammenarbeitet und hier ihre erste Kollektion herausgebracht hat. Eine wunderschöne Kollektion aus Seide, bedruckt mit Motiven ihrer Malerei.

SCHMUCK UND DESIGNERIN UND GOLDSCHMIDEN KARIME ALEXANDRA (@KARIMEALEXANDRAJEWELRY) UNTEN: RECYCELTE KLEIDUNG VON PRADA DADA (@ORIGINAL.PRADA.DADA)

Da Anna außerdem als Model in New York arbeitet, war es sehr schwer einen passenden Termin zu finden. Aber wir sind glücklich, sie jetzt am 28.10.2022 im Lab mit einem Event zu präsentieren und auch ihre Arbeiten hier zu verkaufen.

WIE LANGE WIRD ES DAS PROJEKT GEBEN?

Erstmal bis Dezember, auf jeden Fall und dann werden wir einfach weiter schauen, wie sich das entwickelt und hoffentlich weitergeht. Wenn nicht an diesem Standort, dann irgendwo anders.

HAST DU BEREITS WEITERE PROJEKTE IN PLANUNG?

Doch, auf jeden Fall! Aber jetzt habe ich ja erst mal das hier. Mal sehen, was in der Zukunft passiert. Ich könnte mir auch vorstellen, nochmal was im Ausland zu machen oder ein anderes Konzept zu verwirklichen. Aber erst mal bin ich hier dran. Wenn ihr noch mehr zum Projekt, den verschiedenen Designer*innen und dem angebotenen Produktportfolio erfahren wollt, schaut unbedingt auf der Instagram Seite @lab_106 vorbei. Dort gibt es kurze Interviews zu und von allen Künstler*innen unter den jeweiligen Fotos.

SEID IHR NOCH AUF DER SUCHE NACH WEITEREN KÜNSTLER*INNEN FÜR DAS PROJEKT? WENN JA, WIE KANN MAN AM BESTEN MIT EUCH IN KONTAKT TRETEN?

Wir sind immer wieder auf der Suche nach neuen Künstler*innen und Designer*innen. Gerade auch, wenn jemand von uns mal in den Urlaub fahren möchte oder Lücken entstehen, weil jemand wegzieht, auch für den Gastplatz. Kontaktieren kann man uns entweder direkt hier im Laden, über Instagram (@lab_106) oder unsere E-Mail-Adresse, die auch auf unserer Instagram Seite zu finden ist. Am besten direkt mit Portfolio, Fotos der Produkte und einer Beschreibung dazu.

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BEAUTYARTIST: MELIS KARA @KARAELIS__

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