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Blutverschwendung in österreich
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emografischen Entwicklung von eminend ter Bedeutung.“ Gerald Bachinger, Patienten- und Pflegeanwalt sowie Vorstandsmitglied der Plattform Patientensicherheit, ergänzt: „Ziel muss sein, Fremdblut nur dort zu verwenden, wo es unbedingt notwendig ist und in einem Ausmaß, das unbedingt notwendig ist. Die Benchmark-Studien müssen bundesweit und verpflichtend fortgesetzt werden. Auch ist das international bewährte Modell des Patient Blood Management in allen Krankenanstalten Österreichs umzusetzen.“
den letzten Jahren durch wissenschaftliche Beobachtungen systematisch zusammengetragen worden. Sie verweist auf die beiden Benchmark-Studien von Hans Gombotz im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums. Diese hätten gezeigt, dass man in Österreich noch nicht die richtigen Konsequenzen aus den Erkenntnissen gezogen hat – es wird immer noch sehr viel Fremdblut verabreicht. Die Studien zeigen auch enorme Unterschiede zwischen einzelnen Krankenhäusern. „Daher brauchen wir nationale Standards und ein patientenorientiertes Blutmanagement“, schließt sich Sibylle Kozek-Langenecker den Forderungen von Gombotz an.
Drei vorbildliche Krankenhäuser
Fotos: örk/anna stöcher, Allgemeines Kr ankenhaus der Stadt Linz
Blut wird weggeworfen
Anlässlich der zweiten Benchmark-Studie von Gombotz wurden die absoluten Zahlen und Unterschiede im Blutverbrauch unter 15 österreichischen Krankenanstalten untersucht. Zwar zeigte sich bei einigen teilnehmenden Krankenanstalten eine deutliche Reduktion des Verbrauchs von Blutkomponenten gegenüber der ersten Benchmarkstudie, die zentralen Ergebnisse sind jedoch ernüchternd: So liegen die Transfusionsraten noch immer weit über den internationalen Werten. Rund 60 Prozent der angeforderten Blutkomponenten wurden nicht transfundiert. Viele Patienten kommen nach wie vor anämisch (blutarm) auf den OP-Tisch, obwohl eine vorhergehende Behandlung der Anämie und somit eine Vorbeugung des Blutkonservenbedarfs möglich wäre. Die Variabilität des Blutverbrauchs zwischen den Krankenanstalten ist zu hoch: Beim Hüftgelenksersatz um den Faktor eins zu acht, beim Kniegelenksersatz sogar um den Faktor eins zu 18. Das bedeutet, dass in einem Krankenhaus bei derselben Anzahl an Operationen acht beziehungsweise 18 Mal so viel Blut verbraucht wird wie in einem anderen.
Was Bluttransfusionen kosten
Die Transfusionskosten betragen in Österreich bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr. Dazu gehören die direkten, wie etwa Blut sowie transfusionsbedingte Leistungen, und die indirekten Kosten, wenn etwa Transfusionen den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen. Durch Patient Blood Management (PBM) kann ein großer Teil dieser Kosten eingespart werden, erklärt Hans Gombotz vom AKH Linz: „Insgesamt stellt das Transfusionswesen einen wesentlichen und kostenintensiven Bestandteil der modernen Medizin dar. Eine optimale Anwendung dieser Produkte spart Kosten, verbessert den Heilungsverlauf und ist bei dem künftig zu erwartenden steigenden Bedarf von Blutkomponenten aufgrund der
Werner Kerschbaum, Rotes Kreuz: „Die Aufgabe des Roten Kreuzes ist die flächendeckende und jederzeitige Versorgung Österreichs mit sicheren Blutprodukten.“
Hans Gombotz, AKH Linz: „Das PBM-Know-how haben wir sogar nach Australien exportiert. Ein Chirurg kann einen großen Teil an Fremdblut einsparen. Wichtig ist, mit dem Blutsparen bereits vor der Operation zu beginnen.“
Andreas Shamiyeh, AKH Linz: „Moderne Schneide- und Versiegelungsgeräte lassen auch große Operationen nahezu ohne Blutverlust gelingen.“
Derzeit wissen nur Insider, welche Operationen in welchen Krankenhäusern blutsparend durchgeführt werden. Dazu gehören Darmoperationen oder große orthopädische Operationen im AKH Linz, am Zentralklinikum in Mistelbach oder im Evangelischen Krankenhaus Wien. „Die Erfassung von Kennzahlen als Qualitätsindikatoren könnte zum Vergleichen von Krankenhäusern hinsichtlich der blutsparenden Qualität genutzt werden“, regt Sibylle KozekLangenecker an. Primarius Friedrich Marian, Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Landesklinikum Mistelbach, begründet den Handlungsbedarf folgendermaßen: „In Zeiten, in denen die Spendenbereitschaft nachlässt und die Zahl der Operationen mit hohem Blutverlust steigt, ist es umso wichtiger, alle Maßnahmen zu setzen, um den Verbrauch von Fremdblut und Blutprodukten zu senken.“
Die Blutsparmeister in Österreich
Das AKH Linz zählt bei der Einführung des PBM weltweit zur Spitze der Blutsparmeister. „Wir haben die Blutkonservenanzahl innerhalb von zehn Jahren um etwa 70 Prozent reduziert“, sagt Hans Gombotz. „Das PBM-Know-how haben wir sogar nach Australien exportiert, wo es inzwischen erfolgreich zum Einsatz kommt.“ Ein Chirurg könne einen großen Teil an Fremdblut einsparen. „Chirurgisch ist wichtig, mit dem Blutsparen bereits vor der Operation zu beginnen. Der Patient sollte schon bei der Terminvereinbarung für eine geplante Operation hinsichtlich Risikofaktoren beurteilt werden. Dazu gehört auch eine Beurteilung seines Blutes, seiner Blutgerinnung, des gesamten Ernährungs- und Allgemeinzustandes“, erklärt Gombotz’ Kollege Andreas Shamiyeh. Ist ein Patient etwa anämisch, hat also zu wenige rote Blutkörperchen, kann dies vor der Operation korrigiert werden. Etwa durch Erypo – das steigert die Bildung der roten Blutkörperchen. Oder im Falle eines Mangels durch die Verabreichung von Eisen. Bei Eiweißmangel wird der Patient
durch spezielle Nahrung vorbereitet. Dies ist wichtig für eine gute Blutgerinnung und Wundheilung. Bei der Operation selbst sei auf eine blutsparende Technik zu achten, meint Andreas Shamiyeh. „Hierbei helfen uns moderne Schneide- und Versiegelungsgeräte. Sie lassen auch große Operationen nahezu ohne Blutverlust gelingen. Ein gut vorbereiteter Patient und eine entsprechende OP-Technik führen zu einer geringeren Komplikationsrate. Patienten, die wiederholt wegen Komplikationen reoperiert werden müssen, haben ein höheres Risiko für die Notwendigkeit einer Blutkonservengabe.“ Shamiyeh betont die Wichtigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit: „Chirurg und Anästhesist ziehen an einem Strang. Dazu gehört auch im Falle eines geringeren Blutwertes postoperativ, dass nicht unreflektiert sofort eine Blutkonserve gegeben wird, sondern gemeinsam evaluiert wird, ob sie der Patient klinisch, also unabhängig vom Laborwert, nötig hat.“ Die ÖGARI-Präsidentin Sibylle KozekLangenecker sieht es ähnlich: „Blutarmut, schwere Blutung und die Gabe von Blutkonserven sind unabhängige Risikofaktoren für Komplikationen nach großen Operationen. Daher gilt es, Blutarmut schon vor einer geplanten Operation zu korrigieren, die Reserven des Patienten zu stärken, eine Blutung rasch zu stoppen und Fremdblutkonserven sehr gewissenhaft und zurückhaltend einzusetzen.“
Patienten-Blutmanagement PBM
Solche Maßnahmen werden heute unter dem Begriff PBM zusammengefasst. Es kommt u.a. am Evangelischen Krankenhaus Wien erfolgreich zum Einsatz. Kozek-Langenecker betont dabei die interdisziplinäre Zusammenarbeit: „Es geht um eine Serie von Maßnahmen, die, von Ärzten verschiedener Fachrichtungen den individuellen Bedürfnissen der Patienten entsprechend, in richtiger Reihenfolge und aufeinander abgestimmt durchgeführt werden sollen.“ Freilich geht es dabei auch um Geld. Doch selbst wenn Einzelmaßnahmen im Rahmen von PBM etwas kosten, etwa die Eisentabletten, wird im Gesundheitssystem insgesamt sehr viel Geld gespart – vor allem durch die Vermeidung kostspieliger Komplikationen und die Schonung der Ressourcen an Blutkonserven. Laut Kozek-Langenecker werden die Einsparungen in anderen Ländern auf Millionen Euro jährlich geschätzt. Im Übrigen sind solche Maßnahmen zu einem sorgsameren Umgang mit Blut und Blutprodukten schon in Anbetracht der demografischen Entwicklung Europas von enormer Bedeutung. Sie sorgen dafür, dass diejenigen, die Spenderblut wirklich brauchen, es auch in Zukunft ausreichend bekommen können.