Entdeck die Bucklige Welt 2/21

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AUSGABE 8

HERBST / WINTER 2021/22

Entdeck die Bucklige Welt in den Wiener Alpen

Mountainbike oder Rennrad – Radprofi Hermann Pernsteiner schätzt die Routen in seiner Heimatregion

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IMPRESSUM Herausgeber und Medieninhaber: Verein Tourismus Bucklige Welt, Hauptstraße 22, 2813 Lichtenegg region@buckligewelt.at www.buckligewelt.info Druck: Druckerei Ferdinand Berger & Söhne GmbH, 3580 Horn

Inhalt 4 – 5 Meine Buckel von Josef Kleinrath 6 – 9 Kulinarische Bierreise 10 – 13 Schnidahahn Genussreise 14 – 19 Von Museum zu Museum radeln 20 – 23 Radprofi Hermann Pernsteiner 24 – 25 Stille Winkel am Rosalienrundweg 26 – 27 Pitten Classics 28 – 29 Triumph, eine Erfolgsgeschichte 30 – 31 Die Wirtshausbühne Bernhart 32 – 33 Kultur auf Schloss Katzelsdorf

Editorial 34 – 35 36 – 37 38 – 39 40 – 41 42 – 43 44 – 45 46– 47 48 – 49 50 – 51

Sonja Dopler im Porträt Kostbarer Bucklkorb Zu Gast im Hotel Weber Edelbrände beim Schlosswirt Die Spinnerin von Mittermühl Weidegänse im Glück Wirtshaus Wöhrer und Wolfsbräu Winterwanderung über die Buckel Zu Besuch bei Christa Grosz

Sie kann einem wirklich ans Herz wachsen, die Bucklige Welt. Freilich muss man sie dazu erst einmal gut kennenlernen – auf den ersten Blick ist sie schön, wie Urlaubsregionen nun einmal schön sind. Kommt man öfter, kann man schön süchtig nach ihr werden – und nach ihren eigenwilligen Menschen, die wir hier mit ihren Leidenschaften vorstellen.

Cover: Thomas Luef/ luef-light.at, Karte: Artur Bodenstein Foto rechts: Karin Wasner

Alle Angaben wurden mit großer Sorgfalt erhoben, erfolgen jedoch ohne Gewähr und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit

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GEWINNSPIEL

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Cover: Thomas Luef/ luef-light.at, Karte: Artur Bodenstein Foto rechts: Karin Wasner

Jetzt gewinnen!

Karte abnehmen, ausfüllen, einsenden und am Gewinnspiel teilnehmen. Zu gewinnen: 2 Nächte für 2 Personen in der Genießerpension „Zur schönen Au“ der Familie Dopler samt einem gefüllten Wanderrucksack. (Der Rucksack wird nur verliehen) 02-03_BW_Inhalt-TOC_G*_CZILIGI.indd 3

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Meine Buckel J O S E F K L E I N R AT H

Josef Kleinrath, auf einem Bauernhof in der Buckligen Welt aufgewachsen und heute Publizist, schreibt über seine alte Heimat

Mein Heimspiel Fußball hat in der Buckligen Welt einen großen Stellenwert. Auch wenn die glorreichen Zeiten vorbei sind, in denen mein Stammverein, der SC HochwolkersdorfBromberg, oder Lanzenkirchen, wo ich ein halbes Jahr spielen durfte, die Landesligen dominierten. Beim SC Howodo trug ich als zwölfter Mann – nein, nicht als Zuschauer, sondern als erster Spieler auf der Ersatzbank mit einigen Einsätzen – ein klein wenig zum Gewinn der Meisterschaft in der Zweiten Landesliga bei. Die Meistermedaille hat heute noch einen Ehrenplatz. Die schönste Erinnerung habe ich aber an Hochneukirchen. Dort hatte ich als elfjähriger Kicker mein erstes Schülerliga-Tor für die Schulmannschaft von Sachsenbrunn erzielt. Ein Heimspiel war es später für mich nie, wenn ich mit meinem neuen Verein, dem SC Sollenau, Mitte der 1990er-Jahre zu Meisterschaftsspielen in der Buckligen Welt antreten musste. Weder in Krumbach oder Kirchschlag noch in Bad Erlach, weder in Lanzenkirchen, Wiesmath oder in Schwarzenbach. Schon gar nicht in Hochwolkersdorf. Meine einstigen Meriten waren nicht groß genug oder längst vergessen – am Platz wie auf den Zuschauerrängen. Aber nur während der 90 Minuten Spielzeit. Davor und vor allem danach: Herzlicher Austausch mit ehrgeizigen Sportlern und geradlinigen Fans. Deshalb lohnt sich der Besuch eines Bucklige-Welt-Derbys: wegen des Spiels, vor allem aber wegen der Menschen, die man auf den Fußballplätzen trifft. In Hochwolkersdorf schießt mittlerweile mein Neffe Tore für meinen Stammverein. 4

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Herbstzeit, ein Heimspiel für Bauern und Gäste

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Bier am Buckel WERNER STURMBERGER

Die Reise durch die Bucklige Welt führt diesmal zum Bier, genauer: zu den leidenschaftlichen Bierbrauern der Region

Europäische Biertradition im Schwarzbräu in Krumbach Craft-Beer-Hype? Nicht in der Buckligen Welt. Hype und Bucklige Welt gehen einfach nicht zusammen. Die Region besticht durch ihre ganz eigene Art von Beschaulichkeit, sie ist kein Boden für hektische Moden. Für hochwertige Rohstoffe und lokale Handwerkstradition dafür umso mehr. Davon überzeugt ein Besuch beim Schwarzbräu in Krumbach. „Wir haben mit Craft-Beer nichts am Hut. Für mich ist das vor allem ein Marketingthema. Wir machen hochwertige Biere mit Fokus auf regionalen Zutaten“, sagt Braumeister Gerald Schwarz. Mit dem Craft-Beer-Brimborium würde man hier wohl mehr Menschen verschrecken als begeistern: „Wir haben schon ganz früh unser erstes Pale Ale gebraut. Mit dem Namen hätte aber niemand was anfangen können. Darum haben wir es „Frühlingsbier“ genannt. Als leichtere Alternative zum Märzen ist das sehr gut angekommen.“ Gutes Bier braucht auch keine exotischen, sondern nur hochwertige Zutaten, ist sich Schwarz sicher. Das verarbeitete Getreide stammt darum direkt aus Krumbach und aus Grametschlag im Süden der Buckligen Welt. Die bewusste Konzentration bei der Wahl der Rohstoffe wirkt sich nicht auf die Geschmacksvielfalt aus – im Gegenteil: Rund dreißig verschiedene Biere werden im Schwarzbräu jährlich gebraut. Manche gibt es das ganze Jahr über, andere nur saisonal. „Mir geht es auch darum, alte Bierstile wieder bekannt zu machen: Porter, Stout, IPA oder Ale existieren in Europa seit Jahrhunderten, interessierten am österreichischen Biermarkt aber kaum jemanden“, erklärt Gerald Schwarz. Mit den immer größer werdenden Brauereikonzernen hat auch eine gewisse Biermonotonie Einzug gehalten. „Mir hat das Bier im Supermarkt und in der Gastronomie keinen Spaß mehr gemacht. So habe ich selber zu Hause zu experimentieren begonnen.“

„In Thernberg haben wir ein super Platzl gefunden – einen netten Ort mit lieben Leuten und hervorragendem Wasser.“ Braumeister Markus und Karin Wagner vom Wolfsbräu in Thernberg

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HANDWERK

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Fotos:Stefan Knittel

„Wir haben mit Craft-Beer nichts am Hut, wir machen hochwertige Biere mit lokalen Zutaten.“ Braumeister Gerald Schwarz, Krumbach

Die Schwarzbräu-Erfolgsstory beginnt aber anders, als man es erwarten könnte: „Ausschlaggebend war, dass der erste Versuch extrem schiefgegangen ist. Das war nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Ich dachte mir, das muss besser gehen.“ Dermaßen angespornt, begann eine Phase intensiver Beschäftigung mit Handwerk und Technik. Schnell waren die dreißig Liter, die Schwarz zuhause herstellen konnte, zu wenig. Seit 2010 braut er gewerblich, seit 2016 in der eigenen Produktionsstätte. Nach wie vor investiert er viel Zeit und Ressourcen in Rezepturen und Brauanlagen, um hochqualitative und abwechslungsreiche Biere herstellen zu können. Neuester Streich: Ein Kräuterbier, das den Geschmack der Buckligen Welt besonders eindrucksvoll einfängt. Wer selbst mit dem Brauwesen beginnen möchte, der tut das am besten unter Gerald Schwarz‘ kundiger Anleitung: „Im Museumsdorf Krumbach haben wir eine Braustätte eingerichtet, in der man tatsächlich mit vollem Körpereinsatz brauen kann.“ Bei einem eintägigen Workshop lernen Interessierte, dass Brauen harte Arbeit ist, und erfahren Wissenswertes über Bierstile und deren Geschichte, Rohstoffe und Herstellung. Wer das Brauen lieber dem Profi überlassen will, ist herzlich eingeladen, an einer Brauereiführung durch das Schwarzbräu teilzunehmen. Natürlich mit Verkostung im Shop. 7

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„Gutes Bier für liebe Leut’“ MARKUS WAGNER

Wolfsbräu: Immer frisch Gezapftes aus Thernberger Quellwasser

Braumeister Martin Gruber und sein süffiges Haßbacher Bier

Karin und Gerhard Holzbauer in Warth offerieren als „Holzbrauer“ auch Spezialitäten wie Rotbier oder Chilibier

Fotos:Stefan Knittel

Es heißt zwar „Hopfen und Malz, Gott erhalt’s!“, doch der Hauptbestandteil von Bier ist Wasser – zu 92 Prozent. In Thernberg, der nächsten Station der Bierreise, ist das Wasser besonders gut. „Wenn man naturbelassenes Bier brauen will, braucht man auch zu hundert Prozent unbehandeltes Quellwasser. In Thernberg haben wir ein super Platzl gefunden – einen netten Ort mit lieben Leuten und hervorragendem Wasser“, sagt Braumeister Markus Wagner. Für das Wolfsbräu und Wagners Vorstellung vom Bierbrauen bietet der Ort ideale Voraussetzungen: „Uns geht es darum, mit hochwertigen regionalen Rohstoffen gutes Bier zu brauen und dabei Menschen und Geselligkeit in den Mittelpunkt zu stellen.“ Obwohl die Geschichte der Brauerei im kärntnerischen Wolfsberg beginnt, ist das Wolfsbräu nicht mehr aus der Buckligen Welt wegzudenken. Bis 1977 hat die Familie die bereits 1607 gegründete Brauerei geführt. Mit dem Wolfsbräu hat Hubert Moser, Braumeister und Schwiegervater von Markus Wagner, diese Brautradition 1999 neu begründet. Seit 2012 brauen Karin und Markus Wagner in der neunten Generation – nun eben in Thernberg ihr „Buckliges Weltbier“. „Es ist schön, dass ich das Handwerk des Bierbrauens von meinem Schwiegervater von Grund auf lernen konnte. Damit habe ich meinen Traum von einer kreativen Selbständigkeit, kombiniert mit einem traditionellen Handwerk, verwirklicht. Ich lebe mit meiner Familie und arbeite seit zehn Jahren mit meiner Frau Karin an einem besonders schönen Platz“, sagt der vormalige IT-Manager und nunmehrige Bierbrauer. Er ist dankbar dafür, dass es so gekommen ist. Traditionell wird in der Familie Moser nicht Feuer und schon gar nicht Asche, sondern die Braukunst weitergegeben. Die Verbindung von Tradition und Gegenwart findet sich auch in der Brauerei. Ein alter Hof in Thernberg wurde restauriert und um zeitgemäße Wohn- und Produktionsräume erweitert. In letzteren sorgt untergärige Reinzuchtbierhefe in 1.200 Liter fassenden Edelstahlgärbottichen dafür, dass sich Thernberger Quellwasser und fünf verschiedene Sorten Grießkirchner Gerstenmalz in flüssiges Gold verwandeln. Bis zu sechs Hopfensorten aus dem Mühlviertel verleihen dem Bier eine zartbittere, 8

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HANDWERK

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Schwarzbräu/Gerald Schwarz Bundesstraße 100, 2851 Krumbach T 0660 871 22 88 E buchung@schwarzbraeu.at https://schwarzbraeu.at/ Führungen jeden 2. und 4. Samstag im Monat um 14 Uhr. Führungen für Gruppen ab 10 Personen individuell nach Anmeldung Wolfsbräu/Karin und Markus Wagner Blumengasse 7, 2832 Thernberg T 02629 219 28 E bier@wolfsbrau.at www.wolfsbrau.at Führungen für Gruppen ab 10 Personen und Anmietung des Braustüberls nach Vereinbarung . Ab-Hof-Öffnungszeiten für Privatabholung: Montag, Dienstag und Mittwoch von 8–13 Uhr. Mehr Bier am Buckel: Wanderbrauer T 0699 14 42 10 41 E office@wanderbrauer.at www.wanderbrauer.at Bierliebhaber brauen Bier nach eigener Rezeptur, die sie in Katzelsdorf entwickeln. Ein Ährenwerk! Hauptstaße 61, 2801 Katzelsdorf Handwerksbrauerei Holzb(r)auer T 0650 870 34 22 E gh@holzbrauer.at www.holzbrauer.at Ihr Highlight ist das Maß-Bier: Es gibt die Möglichkeit, Bier nach den eigenen Vorstellungen brauen zu lassen. Führungen nach Absprache möglich. Wiesengasse 9, 2831 Warth

Fotos:Stefan Knittel

Privatbrauerei Haßbacher Braueck T 02629 73 26 E braueck@a1.net www.braueck.at Hier wird mit handwerklicher Kunst aus besten Rohstoffen ein reines, süffiges Bier hergestellt. Berggasse 6, 2831 Haßbach

jedoch malzbetonte Note. Das Wolfsbräu kann man als „Kristall“, „Zwickl“ und in den Wintermonaten als „Bock“ genießen. Um einen möglichst unverfälschten Geschmack zu erhalten, wird die Haltbarkeit nicht künstlich verlängert. Egal ob in der regionalen Gastronomie oder in ausgewählten Lokalen in Wien, das Wolfsbräu wird immer frisch vom Fass gezapft und genossen. Auch in der gemütlichen Braustube im Anschluss an eine Brauereiführung. Sie ist das ideale Ambiente für Bierverkostungen oder kleine, private Feiern. Wenn das Wetter passt, können sie auch im großzügigen Hof und Garten der Brauerei stattfinden. Im Volksmund heißt es zwar „drei Bier sind eine Mahlzeit“, aber zwischendurch schätzt man auch festere Nahrung. Die findet der Bierreisende im unmittelbar benachbarten Gasthaus Thaler zur vollsten Zufriedenheit von Gaumen und Magen. Natürlich mit einem Krügerl Wolfsbräu. Hier wird das Motto von Markus Wagner Wirklichkeit: „Gutes Bier für liebe Leut’.“

Bierreise ohne designated Driver Die Bierreise genießt man am besten mit dem öffentlichen Verkehr. Ausgehend von Wiener Neustadt, lassen sich viele Orte der Buckligen Welt bequem mit der Aspang-Bahn und regionalen Bussen erreichen. Zum Wolfsbräu gelangt man, ausgehend vom Bahnhof Scheibingkirchen-Warth, mit der Buslinie 365. Von der Haltestellte Thernberg Markt sind es keine fünf Minuten zu Fuß. Zum Schwarzbräu darf man etwas länger im Zug sitzen: bis zur Haltestelle Edlitz-Grimmestein, von dort weiter mit dem Regionalbus 390. Ab der Busstation Krumbach Ponholzweg sind es zehn Minuten zu Fuß. | 9

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Genuss im Zeichen des Schnidahahns CORNELIA REHBERGER

Fleischermeister Peter Maier tischt in seinem Gasthaus Gulaschvariationen auf

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KULINARIK

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Einst eine Belohnung für harte Arbeit, zeigt ein Schnidahahn heute an, wo es in der Buckligen Welt besondere Köstlichkeiten zu genießen gibt

Fotos:Stefan Knittel

Fleischerei Peter Maier Dorfstraße 16, 2831 Haßbach T 02629 72 57

Schnidahahn. Was bitte ist das? Ein Genuss natürlich. Vom Frühsommer bis in den Herbst kräht er in der Buckligen Welt als Zeichen für ihr kulinarisches Angebot. Ursprünglich ein Geschenk für Erntehelfer (mehr dazu gleich), ist er heute das Zeichen der Vereinigung „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“. Ihre Mitglieder bieten ihr Bestes von Feld und Weide sowie aus dem Stall, meisterhaft veredelt und in herzlicher Atmosphäre serviert. Drei besondere Termine für alle Genusssuchenden im Land der 1.000 Hügel verspricht der Schnidahahn diesen Oktober. Der Herbst verwandelt die grünen Hügel der Buckligen Welt langsam in Rot und Gold. Jetzt sind die Aussichten ganz besonders reizvoll. In der herbstlichen Farbenpracht der Natur zeigt sich auch die Kulinarik von ihrer besten Seite. Um die schmackhaften Schätze der Region bestmöglich zu präsentieren, wurde vor fast zwanzig Jahren die Vereinigung „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“ gegründet. Oberstes Ziel dieses Zusammenschlusses aus bäuerlichen Direktvermarktern und Gastronomiebetrieben: Genuss für die Gäste. Seit 2004 dient der Schnidahahn als Markenzeichen für den kulinarischen Herbst in der Buckligen Welt. Wo der Schnidahahn zu sehen ist, liegt Genuss nah. Er geht auf einen Brauch aus der bäuerlichen Vergangenheit zurück: „Früher haben die Schnitter nach der anstrengenden Ernte als Draufgabe zu ihrem Lohn einen Schnitterhahn bekommen“, erzählt Erich Mandl, Geschäftsführer von „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“. „Nachdem alle Arbeit getan war, gab es ein Festessen für die Arbeiter als Dank für ihren Fleiß, bei dem ein junger, gemästeter Hahn zubereitet wurde.“ 11

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Der Genussreigen rund um den Schnidahahn, wie er im Dialekt heißt, ist eng mit der Erntezeit verbunden

In Piri’s Gasthaus kommt Herzhaftes auf den Tisch

30. Oktober findet ab 17 Uhr der Schnidahahn-Bockbieranstich statt – als Start in die Starkbierzeit. „Immer am letzten Samstag im Oktober ist das Bockbier fertig gebraut. Das feiern wir mit unserem Bieranstich“, erklärt Gerald Schwarz. Zum frisch gezapften Bockbier genießt man eine Heurigenjause und Musik¨¨– mitten in der Brauerei. Beim Verkosten des frisch gezapften Biers erfährt man so auch von seiner Entstehung. „In Bayern ist die Bockbiersaison so etwas wie die fünfte Jahreszeit. Bei uns in der Buckligen Welt ist es noch nicht ganz so weit, aber wir arbeiten daran, auch mit unserem Fest“, sagt der Bierbrauer. Die fünfte Jahreszeit mit bernsteinfarbigem, malzbetontem Bockbier dauert vom Anstich im Oktober bis zum Ende der Fastenzeit. Wer sich darüber hinaus mit Bier oder anderen Schnidahahn-Köstlichkeiten versorgen möchte, hat dazu online Gelegenheit. Auf der neuen Website sooogutschmeckt.at, dem Onlinefeinkostladen der Buckligen Welt. |

Fotos:Stefan Knittel

Bis heute ist der Genussreigen rund um den Schnidahahn, wie er im Dialekt genannt wird, eng mit der Erntezeit verbunden. Das geht schon im Juni los, wenn der erste Grasschnitt als Futter für die Rinder eingefahren wird, dann folgt die Heuernte im Sommer, und schließlich werden Getreide und Obst vom Spätsommer bis in den Herbst geerntet. Zu feiern gibt es also immer genug. Dazu lassen sich viele der insgesamt 84 Betriebe von „Sooo gut schmeckt die Bucklige Welt“ jedes Jahr neue Schmankerln einfallen. Im Oktober hat man noch dreimal Gelegenheit, sie zu genießen. Los geht es in der Gemeinde Krumbach. Vom 15. bis 26. Oktober ist in Piri’s Gashaus mit der „Schnidahahn-Mostschank“ aus’gsteckt. Herrlich deftige Hausspezialitäten, kalt und warm und im hauseigenen bäuerlichen Betrieb selbst hergestellt, werden serviert: Wurstkreationen, Presswurst, Brettljause, Spareribs oder Surschnitzerl im frisch renovierten, urigen Stüberl oder bei Schönwetter unter freiem Himmel. Zur Verdauung empfiehlt sich eine der Wanderungen, die man gleich an der Tür von Piri’s Gasthaus beginnen kann. So werden die kalorienreichen Köstlichkeiten wieder zu Energie in guter Luft. Natürlich möchte man sich auch das eine oder andere Schmankerl mit nach Hause nehmen: Piri’s Bauernmarkt bei der Mostschank bietet dafür eine schöne Auswahl. Das nächste Fest des Schnidahahns erwartet Gäste im Ortsteil Haßbach der Gemeinde Warth. Eine kurze Fahrt durch ein romantisches Tal entlang eines rauschenden Bachs gipfelt in herbstlichen Köstlichkeiten. Fleischermeister Peter Maier tischt am 17. Oktober in seinem Gasthaus Gulaschvariationen auf. Zu den zahlreichen würzig-deftigen Varianten des Klassikers gehören Fiaker-, Bauern-, Znaimer-, Erdäpfel- oder Herrengulasch. Passend zur Jahreszeit soll es neben den Rindsgulaschvariationen eine Version mit Rehfleisch geben. „Natürlich auch Schnitzerl, ohne das geht in Österreich nichts“, schmunzelt Maier. Alle Zutaten für seine SchnidahahnKreationen kommen aus der Region und werden in der Fleischerei gleich gegenüber vom Gasthaus verarbeitet. Nach dem Gulaschgenuss vor Ort begleitet die Heimreise dann auch noch der Duft von regionalen Wurstkreationen wie der Steyersberger Pausenwurst oder der Warther Körndlwurst. Der letzte Schnidahahn im heurigen Jahr steigt wieder in Krumbach. Die Brauerei Schwarzbräu von Gerald Schwarz (siehe auch Bierreise ab Seite 6) hat ebenfalls ein Fest vorbereitet. Am 12

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KULINARIK

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Herbstgold VIKTORIA KORNFELD

Viktoria Kornfeld lebt in der Buckligen Welt und liebt sie wirklich. Daher lädt sie euch gern hierher ein

Piri‘s Gasthaus Marktstraße 24, 2851 Krumbach T 02647 424 95 www.piri-gasthaus.at

Fotos:Stefan Knittel

Schwarzbräu/Gerald Schwarz Bundesstraße 100, 2851 Krumbach T 0660¡ 871 22 88 E buchung@schwarzbraeu.at www.schwarzbraeu.at

Zugegebenermaßen brauche ich immer ein wenig, um mit der Tatsache, dass es Herbst wird, warm zu werden. Man merkt es meistens schon in den letzten Augusttagen. Die Tage werden kürzer, abends wird es kühler, auch die Natur beginnt sich langsam auf den kommenden Herbst einzustellen. Dabei werden einem auch noch Sätze wie „Bald wird’s wieder um 17 Uhr finster sein“ um die Ohren gehauen. Ja, das macht mich immer ein wenig melancholisch – bin ich doch noch nicht bereit, den Sommer hinter mir zu lassen. Doch wenn diese ersten Wochen verstrichen und wir mitten im goldenen Herbst angekommen sind, entdecke ich meine Liebe für diese Jahreszeit wieder neu. Das unglaubliche Farbenspiel hier bei uns in der Buckligen Welt beeindruckt einen unweigerlich. Dabei hört man mich Sätze wie „Wahnsinn, wie schön es hier bei uns ist“ ziemlich oft sagen. Die letzten warmen Tage werden auf jeden Fall gemeinsam für Gartenarbeit oder Waldspaziergänge genutzt – schließlich weiß man nie, wann der Winter Einzug hält und es endgültig kalt wird. Alles rund um Haus und Garten wird auf die kalte Jahreszeit vorbereitet. Pflanzen werden eingewintert, Obst wird verarbeitet und Gartenmöbel werden verräumt. Der langsame Rückzug in die eigenen vier Wände hat immer wieder seinen ganz eigenen Zauber, den ich nicht missen möchte. Zu diesem Zeitpunkt freue ich mich auch schon ganz leise auf Glühwein, Maroni und selbst gemachte Weihnachtsbäckerei. Aber psst …

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Am Rad zu Museen J O S E F K L E I N R AT H

Im Zinnfigurenmuseum in Katzelsdorf steht Österreichs größtes Figurendiorama

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RADREISE

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Die Bucklige Welt bietet ein preisgekröntes Kulturprojekt, das Museumsradeln zu den Ausstellungen der Region

Museum bewegt – aus diesem Motto des Niederösterreichischen Museumsfrühlings 2021 ist in der Buckligen Welt eine preisgekrönte Initiative entstanden: das Museumsradeln. Gemeinsam mit dem Museum St. Peter an der Sperr in Wiener Neustadt im Sinne von „Stadt und Land mitanand“. Acht Museen, fünf davon direkt am Eurovelo9, allesamt mit dem Fahrrad gut erreichbar. Für die Bucklige Welt ist ein E-Bike ratsam. Durch die Landschaft radeln, Geschichte erleben, Land und Leute kennenlernen, dies alles ermöglicht das Museumsradeln. Beim Start im Museum St. Peter an der Sperr ist „neuSTADT ERZÄHLEN“ zu sehen: über 800 Jahre Stadtgeschichte, multimedial aufbereitet. Dazu kommen zwei Sonderausstellungen: „wir essen die Welt“ und „Biedere Zeiten?“. Danach geht es auf dem Rad ins Land hinein, durch den Akademiepark, die sanften Hügel der Buckligen Welt vor Augen. Vorbei an fruchtbaren Feldern bis nach Katzelsdorf, in eine eigene Welt. Sie wird von Zinnfiguren bestritten, manchmal im Sinn des Wortes, im Diorama der Schlacht von Osmanen um Wien. Hier steht das größte Figurendiorama Österreichs, außerdem suchen die Zinnfiguren heuer das Waidmannsheil in der Sonderausstellung „Jagd in verschiedenen Jahrhunderten“.

Erinnerungen an die jüdischen Bad Erlacher

Klimaneutral wie mit dem Rad geht es an den Start: Erst mit der Bahn nach Wiener Neustadt zur E-Bike-Box beim Hotel Hilton, keine fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Per E-Bike erfährt man dann die Bucklige Welt von der Hauptstadt der Wiener Alpen aus mit der einen oder anderen Nächtigung in den gastfreundlichen Unterkünften. Natürlich kommt an der Radstrecke fürs Museumsradeln auch der kulinarische Genuss nicht zu kurz.

Foto:Stefan Knittel

Die Anreise zum Museumsradeln

Nach Katzelsdorf radeln die Museumsbesucher zunächst am Waldrand der Leitha entlang, vorbei am Leitha-Ursprung in Lanzenkirchen. Endpunkt der Fahrt ist Bad Erlach. Im teils restaurierten, teils originalgetreu nachgebauten Haus der jüdischen Familie Hacker ist das Museum für Zeitgeschichte eingerichtet, auch mit Original-Möbelstücken. Am Beispiel der Familie Hacker wird die Geschichte von jüdischem Leben im Ort erzählt. Auch wird „Schofar“ geblasen, das ist ein rituelles Musikinstrument, in der Erlacher Synagoge einst von Leopold Hacker gespielt. An einer der vielen multimedialen Stationen erklingt das „PessachLied“, gesungen von in London lebenden Nachkommen der Bad Erlacher Hacker-Familien. Man erfährt Berichte über siebzig persönliche Schicksale jüdischer Bad Erlacher und jüdischer Einwohnerinnen und Einwohner in anderen Orten der Region. Den Opfern der Naziherrschaft wird mit Namen, Alter, Deportations- und Tötungsorten sowie Fotos gedacht. Wechselnde Sonderausstellungen des Museums sind im modernen ovalen Zubau zu sehen, demnächst eine Ausstellung zum Thema Karikaturen. 15

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In den Erinnerungen an eine versunkene Welt laufen die Räder durch die idyllische Landschaft der Buckligen Welt, wo einst auch Jüdinnen und Juden gelebt haben. In Pitten erwartet einen das Regionsmuseum PIZ1000. Hier lernt man die „reiche Frau aus Grab 26a in Pitten“ kennen. In den 1970er-Jahren wurde Pitten durch den Fund eines Gräberfeldes zu einem „Mekka der Archäologen“ mit „Glanzstücken bronzezeitlicher Schmiedearbeit“, wie die Presse damals schrieb. Gefunden wurde unter anderem das Grab besagter reicher Frau. Im Museum werden ihre massiven Diademe, ein repräsentativer Kopfschmuck für besondere Anlässe, gezeigt. Seit 3.500 Jahre leben nachgewiesenermaßen Menschen in Pitten, natürlich auch während der Römerzeit,

wie Fundstücke der Zeit im Museum beweisen. Pitten war ein dominierendes Machtzentrum am Ostalpenrand, was sich auch daraus ermessen lässt, dass der Ort in der Klage zum Nibelungenlied Erwähnung findet. Heiß umkämpft war es auch, als in der Regierungszeit des Habsburgers Friedrich III. der Ungarnkönig Matthias Corvinus Pitten samt Festung einzunehmen suchte. Die heldenhafte Verteidigung, angeführt von Burghauptmann Wolfgang Teufel, habe dem Ungarnkönig so imponiert, dass er ihm einen vergoldeten Trinkbecher schenkte. Ein Nachkomme von Teufel wiederum hat ihn 1.100 Jahre später 1969 der Gemeinde vermacht. Nun steht er die nächsten 1.000 Jahre im Museum. Auf dem Eurovelo9 Richtung Süden geht es aus der Marktgemeinde hinaus. Kurz vor Seebenstein lohnt sich ein Rückblick: Da ragt die von Corvinus belagerte Veste Pitten mächtig über der als Wehrkirche ausgeführten Bergkirche des Ortes auf.

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Fotos:Stefan Knittel

Die reichste Frau aus Pitten und ihr Grab

Fotos:Stefan Knittel

Erzherzog Johann-Dokumentation in Thernberg


RADREISE

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Die Museen im Überblick: Museum St. Peter an der Sperr Johannes von Nepomuk-Platz 1 2700 Wiener Neustadt T 02622 37 39 51 Mittwoch bis Sonntag und Feiertag 10 – 17 Uhr www.museum-wn.at Zinnfigurenwelt Hauptstraße 69, 2801 Katzelsdorf T 02622 782 50 Samstag, Sonntag und Feiertag 10 – 17 Uhr www.zfw-katzelsdorf.at Kulturzentrum Hackerhaus, Museum für Zeitgeschichte Bad Erlach Hauptstraße 10, 2822 Bad Erlach T 02627 465 30 Samstag 12–17 Uhr, Sonntag und Feiertag 10 – 17 Uhr www.hacker-haus.at Pittener Regionsmuseum PIZ 1000, Wr. Neustädter Straße 24 2823 Pitten T 0664 166 80 97 April bis Oktober, Sa, So und Feiertag 10 – 17 Uhr www.pitten.gv.at/piz1000

Im Hacker Haus in Bad Erlach wird am Beispiel der Familie Hacker die Geschichte von jüdischem Leben im Ort erzählt

Erzherzog Johann-Dokumentation Markt 2, 2832 Thernberg T 02629 22 39, oder 0676 503 39 62 30. Mai bis 26. Oktober, Sonn- und Feiertag 13 – 17 Uhr www.scheiblingkirchen.at/ Erzherzog_Johann_-_ Dokumentation Wehrkirchen-Dokumentation Kirchenplatz, 2842 Edlitz T 02644 72 50 Montag bis Freitag 7– 12 Uhr, Dienstag 13 – 17 Uhr und nach Vereinbarung www.buckligewelt.info/wehrkirchenstrasse

Fotos:Stefan Knittel

Fotos:Stefan Knittel

Im Museum in Pitten sind die Grabbeigaben der „reichen Frau“ ausgestellt

Der Erzherzog Johann war auch in Thernberg Der Eurovelo9 führt durch die Bucklige Welt, vorbei am Türkensturz (ist ungefährlich, weil lang vorbei), an Gleißenfeld und Scheiblingkirchen. Hier bringt eine Abzweigung zum Erinnerungsort an einen berühmten Habsburger, zur Erzherzog Johann-Dokumentation in Thernberg. Anfang des 19. Jahrhunderts war er selbst hier, wovon man sich anhand von Dokumenten und Bildern in der Ausstellung überzeugen kann. Die angeschlossene Wehrkirche wird er wohl besucht haben. Womöglich auch weitere in der Region, die in der Wehrkirchendokumentation in Edlitz vorgestellt werden. Sicher aber hat Erzherzog Johann wie die Museumsbesucher die Bucklige Welt genossen, entlang der Pitten vorbei an kleinen Gehöften, alten, mondänen Villen, moderner Architektur, an Weiden mit Kühen und Kälbern, Pferden und Ziegen sowie reifen Feldern. 17

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Im Wehrkirchenmuseum in Edlitz werden alle Wehrkirchen der Buckligen Welt vorgestellt

„Kirchhöf‘ fest und hoch gemauert, wie Perlen auf einer Schnur“ Im Mittereggerhaus direkt gegenüber der Edlitzer Wehrkirche, erfährt man gleich beim Eintritt, warum hier „die Kirchhöf‘ fest und hoch gemauert sind, Dorf an Dorf, wie Perlen auf einer Schnur“. Vornehmlich wegen der Bedrohung durch die Osmanen aus dem Osten. Jede einzelne Wehrkirche wird mit viel Liebe zum Detail, Informationen, einer zeitlichen Einordnung der Geschehnisse, anschaulichen Grafiken sowie eindrucksvollen Bildern vorgestellt. Überraschende Details, hinter kleinen Türen zu entdecken, inklusive, etwa den Backofen in der Wehrkirche Lichtenegg. Ein Raum ist den Wehrkirchen-Darstellungen des Aquarellisten Josef Scheiger gewidmet, der Anfang des 19. Jahrhunderts die Bucklige Welt „erwandert“ hat. Er hätte wohl lieber wie die Museumsbesucher ein Rad dafür genutzt.

Alte Gebäude aus der Region sieht man im Museumsdorf Krumbach

Museumsdorf in Krumbach und Sconarium in Bad Schönau Ganze Häuser aus der Vergangenheit stehen in Museumsdörfern wie dem in Krumbach. Hier sieht man sechs wiederaufgebaute und voll ausgestattete Gebäude aus der Region. Sie sind mit dem aktuellen Zubau, dem Tannbauernhof, erweitert, um ein ehemaliges Bürgerspital aus dem 16. Jahrhundert gruppiert und geben einen Einblick ins bäuerliche Leben dieser Zeit. Vom Kulturleben der Gegenwart hingegen erfährt man im neuen Sconarium in Bad Schönau. Eine Ausstellung informiert über die aus dem Mineralwasser frei aufsteigende natürliche Kohlensäure, ein fast einzigartiges, der Natur entstammendes Heilmittel. Die Multimediaausstellung zeigt auf unterhaltsame Weise Anwendungen und Wirkung dieses Therapeutikums. |

Fotos:Stefan Knittel, derknopfdrücker

Natürlich auch Menschen, die freundlich grüßen. Einen Ausblick auf saftige Almen und sich herbstlich verfärbende Wälder gewinnt man unterwegs auf der Schönfeldgasse, in Grimmenstein heißt es dann abzweigen, nein, nicht zur gleichnamigen Festung hinauf, sondern zum Radweg Richtung Edlitz.

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RADREISE

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Geschichte am Buckel GERT DRESSEL

Gert Dressel, Historiker an der Universität Wien, über Erinnerung und Geschichtliches in der Buckligen Welt

Geschichte selbst geschrieben

Museumsdorf Krumbach Bürgerspital 2, 2851 Krumbach T 02647 422 38 oder 0664 283 33 50 1. Mai bis 26. Oktober Samstag, Sonntag und Feiertag von 14 – 18 Uhr www.museum-krumbach.at Sconarium Bad Schönau Kurhausstraße 9, 2853 Bad Schönau T 0664 348 35 55 Dienstag, Freitag, Sonntag, Feiertag 14– 17 Uhr, Samstag 10 – 12 und 14– 17 Uhr www.sconarium.at Alles zum Museumsradeln inklusive Folder mit allen Infos zum Download: www.tourismus.wiener-neustadt.at/ museumsradeln

Fotos:Stefan Knittel, derknopfdrücker

Im Sconarium in Bad Schönau erfährt man alles Wissenswerte über Kohlensäuregas und Mineralwasser

Wir kennen das eigentlich alle: Erinnern an schwierige Zeiten fällt schwer. Oft möchte man vergessen – ob wir uns an unsere Lebensgeschichte erinnern, an die Geschichte unserer Gemeinde oder die unserer Region. Und auch wenn die Zeit des Nationalsozialismus schon mehr als 75 Jahre zurückliegt: Heikel ist dieses Thema immer noch. Das war in der Buckligen Welt lange nicht anders. Dann begann vor mehr als 15 Jahren der Hochwolkersdorfer Johann Hagenhofer damit, gemeinsam mit Schulen, BürgermeisterInnen, HeimatforscherInnen und vielen anderen die Zeit- und Alltagsgeschichte der Region zu erforschen. Unzählige lebensgeschichtliche Interviews wurden durchgeführt, Tausende Fotos gesammelt und zahlreiche Archive durchforstet. Dabei ist man immer mehr den lange Vergessenen auf die Spur gekommen, auch den verfolgten, vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden. Hagenhofer selbst ist nach Israel gereist, um noch lebende Vertriebene aus seinem Heimatort zu interviewen. Inzwischen sind die vormals Vergessenen ins Regionsgedächtnis zurückgeholt worden, etwa im Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach, mit Stolpersteinen und Gedenktafeln in manchen Gemeinden oder auch mit dem Buch „Eine versunkene Welt“. Für mich als Wiener Historiker mit deutscher Herkunft ist bemerkenswert: Menschen aus der Region selbst haben die Geschichte der Buckligen Welt mitsamt den Schattenseiten neu geschrieben. 19

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Buckel auf Buckln SABINE EDITH BRAUN

„Die Bucklige Welt ist das perfekte Trainingsgebiet! Es gibt hier relativ wenig Autoverkehr, dazu viele kleinere Straßen mit vielen Anstiegen, auch durchaus längere wie etwa auf den Wechsel hinauf.“ Hermann Pernsteiner, Radprofi

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RADSPORT

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Foto: Thomas Luef

Die Bucklige Welt sei ideal für Rennradfahrer, sogar Radprofis wie er nutzten sie zum Training, erklärt Österreichs Olympiateilnehmer im Radsport Hermann Pernsteiner

Es war elf Uhr, als am 19. Juli 2019 auf dem Hauptplatz in Kirchschlag der Startschuss zur 3. Etappe der Österreichrundfahrt fiel. Die 176,2 Kilometer (insgesamt 3.752 zu bewältigende Höhenmeter) bis Frohnleiten waren bislang der einzige Straßenradwettbewerb in der Buckligen Welt. Sonst finden hier keine Straßenradrennen statt. Trotzdem ist die Bucklige Welt ein Rennradparadies, bestätigt der Kirchschlager Radprofi Hermann Pernsteiner: „Die Bucklige Welt ist das perfekte Trainingsgebiet! Es gibt hier relativ wenig Autoverkehr, dazu viele kleinere Straßen mit vielen Anstiegen, auch durchaus längere wie etwa auf den Wechsel hinauf.“ Es lohnt sich also für Rennradsportler, auf den hügeligen Straßen im südlichen Niederösterreich in die Pedale zu treten. Pernsteiner selbst ist der beste Beweis: Gemeinsam mit dem Tour-de-France-Etappensieger Patrick Konrad und Gregor Mühlberger hat der 31-Jährige Österreich bei den Olympischen Spielen in Tokio in der Disziplin „Straßenrennen“ vertreten. Das ist eine Ein-Tages-Tour von 250 Kilometern. 250 Kilometer, das war noch vor wenigen Jahren die durchschnittliche Reichweite eines Elektroautos. Eine Rakete vom Typ „Kalibr“ der russischen Marine braucht dafür zwei Minuten. Ein Rennradprofi sitzt für diese Strecke sechseinhalb Stunden im Sattel. Dabei hat Pernsteiners Radkarriere gar nicht auf Asphalt begonnen, sondern bei einem Mountainbike-Schülerrennen – als Elfjähriger. „Das war super, denn da hatte ich einen ganzen Tag schulfrei!“ Familiär vorbelastet war er in sportlicher Hinsicht nicht: Vater Pernsteiner war zwar auch einspurig unterwegs, allerdings motorisiert, und zwar in der Abteilung Motocross. 21

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In der Folge „hat sich das Mountainbiken immer weiterentwickelt“, erzählt Hermann Pernsteiner. Er nahm österreichweit an Wettkämpfen teil. Seine Eltern haben ihn dabei wesentlich unterstützt, sind mit ihm kreuz und quer durchs Land gefahren. Der erste große Karrieresprung war 2013 die Mitgliedschaft in einem Mountainbike-Team. „Kaum hatte ich meinen Bachelor in ‚Training und Sport‘ an der FH Wiener Neustadt abgeschlossen, war ich schon Profi.“ Das hieß aber auch, dass an den „Master“ an einer Universität vorerst nicht zu denken war. Der nächste Karrieresprung 2016 bedeutete gleichzeitig den Wechsel vom Mountainbike auf das Rennrad: „Ein österreichisches Team hat für die Österreich-Rundfahrt einen Bergfahrer gesucht.“ Hermann Pernsteiner sagte zu, kam und siegte – beinahe. Platz sechs beim ersten Antritt – und gleichzeitig bester Österreicher in der Gesamtwertung – eine Ansage. Dann ging es Schlag auf Schlag. Im nächsten Jahr gewann er die Aserbaidschan-Rundfahrt. 2018 schlug sein jetziges Team,

Bahrain Victorious, vor, doch ganz auf die Straße zu wechseln. Also hängte er das Mountainbike wettkampftechnisch an den Nagel. Seither ist Hermann Pernsteiner Profi auf der Straße. Dass seine Sportkarriere eher die Ausnahme darstellt, ist ihm durchaus bewusst: „Andere mühen sich jahrelang ab – und schaffen den entscheidenden Sprung trotzdem nicht. Bei mir war viel Glück dabei, aber auch viel Fleiß, auch Verzicht.“ Nachsatz: „Und natürlich der Glaube, dass man es schaffen kann.“ Keine Angst! Um in den Wiener Alpen rennradtechnisch auf seine Kosten zu kommen, muss man nicht in Olympiaform sein. Man kann hier am Rennrad wunderbar „genussradeln“. Das bestätigt Andreas Ottner, der nicht nur alle Arten von Radtouren zusammenstellt, sondern als Wirt des Krumbacherhofs

Fotos: Thomas Luef

Pernsteiners Radkarriere hat bei einem MountainbikeSchülerrennen begonnen – als Elfjähriger. „Das war super, denn da hatte ich einen ganzen Tag schulfrei!“

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Fotos: Thomas Luef

RADSPORT

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Hermann Pernsteiner vor der Burgruine Kirchschlag

Hermann Pernsteiner folgen: www.instagram.com/ hermannpernsteiner Krumbacherhof Bundesstraße 19, 2851 Krumbach T 02647 422 50 www.krumbacherhof.at

gemeinsam mit seiner Frau Karin die Gäste auch verköstigt – egal ob sie mit dem E-Bike, dem Mountainbike oder eben dem Rennrad kommen. Für ihn ist die Bucklige Welt die Rennraddestination Österreichs schlechthin: „Wir haben keinen Plöckenpass und auch kein Stilfser Joch, dafür viele Hügel und wellige Abschnitte.“ Das lieben vor allem die Holländer. „Erst neulich hatte ich einen holländischen Gast, der sechs Tage gebucht hat – und dann so begeistert war, dass er auf zehn Tage verlängert hat.“ Dafür hat Ottner ihm eine eigene Tour zusammengestellt. Die „Walter-Runde“ (135 km) führt von der Buckligen Welt über den Wechsel bis zum Semmering und wieder zurück. Diese und viele weitere Touren sind auf Ottners Homepage aufgelistet, von „leicht“ über „mittel“ bis „schwer“, oder, in Streckenkilometern ausgedrückt: von 30 („Abendliche Runde zum Eis-Greissler“ über 70 („Spratzauer Tour“) bis knapp 160 km („Rennradtour Schneeberg“).

Wer nicht mit dem eigenen Rad anreisen will, kann bei Andreas Ottner auch ein Bike mieten. Die Leihdauer ist gestaffelt von vier Stunden bis zu vier Tagen. Übrigens: Wer die Vorzüge des Rennrads mit jenen des Mountainbikes verbinden will, dem sei das „Gravelbike“ ans Herz gelegt. Diese Gattung von Rad hat Ähnlichkeiten mit einem Rennrad, kann aber, im Gegensatz zu diesem, auch auf Schotterstraßen gefahren werden. Da ist die Routenauswahl noch viel größer, weil sie nicht nur Asphaltstrecken umfasst. | 23

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Noch mehr stille Winkel J O S E F K L E I N R AT H

Der Rosalia Rundwanderweg verbindet – mit einem Abstecher nach Wiener Neustadt – die fünf Thermengemeinden Bad Erlach, Katzelsdorf, Lanzenkirchen, Pitten und Walpersbach. Er ist achtzig Kilometer lang, mit Ausblicken auf das Rosalia-Gebirge und den Wiener Alpenbogen mit Schneeberg, Hohe Wand, Semmering und Rax. Die stillen Winkel, auf die man unterwegs trifft, bilden Stationen auf einer Art „Jakobsweg“ gleich ums Eck. In so einem stillen Winkel steht die Marienkirche in Walpersbach. Seit Jahrhunderten ein Anziehungspunkt für Wallfahrer, Pilger und Wanderer. Im 16. Jahrhundert war das damals kleine Kirchlein Schauplatz eines „Blutwunders“: Aus einem kleinen Loch über der Kanzel sei von Zeit zu Zeit Blut geflossen. Die Blutspuren ließen sich nicht mit Kalk übertünchen. Das Wunder führte zu einem starken Zustrom an Pilgern, diesem wiederum verdankt die Marienkirche ihre heutige Größe: Von 1713 bis 1718 wurde das heutige Bauwerk mit barocker Innenausstattung errichtet. In der Kirche erhebt sich hinter einem schmiedeeisernen Gitter einer der schönsten Marienaltäre der Region. Neben der Kirche führen Stiegen auf eine Anhöhe, die alte Steintreppe nach rechts führt zu einem grandiosen Ausblick auf den nun herbstlich bunten Alpenbogen. Wer es kurios mag, schaut noch kurz in „Tonis Fensterl-Galerie“ gegenüber. Dann geht es mit einem letzten Blick auf die Marienkirche Richtung Katzelsdorf. Hier liegt die Marienquelle im stillen Winkel. Aus dem „Sauerbründl“ der Wiener Neustädter „Armen und Bürgerspitalstiftung“ tritt Wasser beständig und fröhlich plätschernd ans Tageslicht. Alte Steinstufen, die vieler Wanderer Füße beschritten haben, führen zum Brunnen. Im Wasser werden die zulässigen Höchstwerte von Eisen und Mangan überschritten, aber „es bestehen keine Bedenken gegen den gelegentlichen Genuss“, wie auf einem in die Jahre gekommenen Hinweisschild zu lesen ist. Ein Genuss ist dieses Wasser wahrlich nicht, der Aufenthalt an der Quelle aber umso mehr – eine Idylle mit kleiner Holzhütte am Wegesrand im Wald. Hier hat sich das Wasser ein kleines Bett geschaffen. In der mit Liebesschwüren übersäten Holzhütte sollen Salamander heimisch sein. Auf den Bänken aus alten Holzstämmen kommt man zur Ruhe, atmet Waldluft und genießt die beschauliche Stille, die von den Salamandern nicht gestört wird. Wasser enthält auch der nächste stille Winkel in Pitten. Nur wenige Schritte abseits des Trubels am Hauptplatz beim Markttag liegt ein kleiner Teich inmitten des Kurt-Schagerer-Parks. Hier steht ein Salettl. Ein breiter Steg spannt sich über das Wasser, über dem eine Fontäne aufsteigt, einmal hoch anschwellend,

Ein stiller Winkel an der Marienquelle bei Katzelsdorf

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WANDERN

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www.thermengemeinden.at/ rosalia-rundwanderweg

Der Teich im Kurt-Schagerer-Park in Pitten ist ein Ort wie aus einem Gedicht von Peter Rosegger

Nach Teil 1 mit Pfarrkirche Ofenbach und Ulrichskirche Bad Erlach in der vorigen Ausgabe geht es nun zur Marienkirche Walpersbach, Marienquelle Katzelsdorf und zum Teich in Pitten

Fotos: Stefan Knittel

dann wieder leise aufsprudelnd. Tische und Bänke im Schatten der Bäume machen den Aufenthalt hier bequem. Ein stiller Winkel wie aus einem Gedicht von Peter Rosegger, passenderweise mündet die Peter-Rosegger-Gasse in dieses Idyll, umgeben von Gründerzeithäusern und alten Villen in ihren Gärten. Man schaut zur Veste Pitten auf, Zeugin der bewegten Geschichte des Ortes, erwähnt im Nibelungenlied, umkämpft von Ungarnkönig Matthias Corvinus. „Digitale Zeitensprünge“ auf interaktiven Schautafeln führen in diese Geschichte, im stillen Winkel aber kommt ein Gedicht von Peter Rosegger zum Klingen: Wenn alle Wälder schlafen, Und alle Quellen schweigen, Die Nebel stille steigen, Die Sterne leis’ sich neigen, Da ist das einsam’ Leben Ein selig, selig Sein. | 25

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Sommerfrische mit Musik MICHAELA ORTIS

Klein, fein und weltoffen: Das Festival Pitten Classics prägt die Kulturszene der Buckligen Welt

Der Blick schweift von der barocken Bergkirche zur Kulisse von Semmering, Rax und Schneeberg, gleich wird hier „The Millennials Mass“, ein genreübergreifendes Werk für zehn Musikerinnen und Musiker in Form einer lateinischen Messe, erklingen. Im Garten des Restaurants Unger erfreuen die Gäste Kulinarisches sowie ein Jazztrio und ein junger Gitarrist. „Unser Festival Pitten Classics ist familiär und klein, gleichzeitig weltzugewandt – genau das schätzen die Künstlerinnen und Künstler ebenso wie das Publikum“, erklärt Nicole Stark vom Kunst- und Kulturkreis Pitten. Sie lebt hier und gestaltet gemeinsam mit fünf anderen Frauen das kulturelle Leben in Pitten mit. Ihr Engagement ist ehrenamtlich: „Ich bin von Beruf Kulturmanagerin, und das schon mein ganzes berufliches Leben, auch in meiner Freizeit, das ist meine Passion. Man lebt ein Jahr darauf hin, dass das Festival stattfindet und gelingt. Gäste und Musiker sollen sich hier gleichermaßen wohlfühlen und austauschen, das ist uns ein wichtiges Anliegen. Hinter den Kulissen ist natürlich viel

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Fotos: Stefan Knittel, Birgit Finta

„Man lebt ein Jahr darauf hin, dass das Festival stattfindet und gelingt.“ Nicole Stark, Kunstund Kulturkreis Pitten


K U LT U R

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Pitten Classics Wilhelm Hamburger-Weg 2823 Pitten T 0664 441 88 06 https://pittenclassics.com

Sahara und Bucklige Welt ALOIS M. HOLZER

Alois M. Holzer, Meteorologe beim ORF, über das Wetter in der Buckligen Welt

Fotos: Stefan Knittel, Birgit Finta

„Wir haben viel Stammpublikum, manche treffen sich jedes Jahr hier.“ Nicole Stark

zu tun, von Finanzierung über Organisation bis zum Kartenverkauf.“ Vor 25 Jahren entschieden die Gründer der Pitten Classics, im Programm auch internationale KünstlerInnen zu präsentieren – dem ist man bis heute treu geblieben. Seit fünf Jahren liegt die künstlerische Leitung bei Florian Eggner, der mit seinen Brüdern in einem international erfolgreichen Kammermusiktrio spielt. Eggner erweiterte das Format von Klassik zu Jazz und zeitgenössischer Musik, wodurch auch der Publikumskreis gewachsen ist. Für den Sommer 2021 war die Lage schwer abzuschätzen, immerhin kam als Neuerung das Konzert am Lagerfeuer in Guntrams dazu: Dort spielten ein amerikanischer und ein tschechischer Troubadour, vereint als Wahlwiener und vor allem durch die Musik. Ihr Konzert und die neue Location haben das Publikum begeistert, freut sich Stark: „Wir haben viel Stammpublikum, manche treffen sich jedes Jahr hier.“ Unter die Gäste aus Pitten selbst, aus Niederösterreich, Burgenland und Wien mischen sich regelmäßig auch internationale Besucher. Pläne für den nächsten Sommer werden bereits geschmiedet. Von Pitten ausgehend möchte man punktuell neue Orte bespielen, und Nicole Stark sucht Interessenten für eine Kooperation: „Es wäre beispielsweise schön, eine Bühne an einem Samstag in einer Tischlerei oder sonst einem Betrieb aufzubauen. In der Buckligen Welt gibt es so viele kulinarische Spezialitäten, Brauereien oder Handwerksbetriebe – wir möchten gern eine Brücke schlagen von der Kultur zu regionalem Handwerk.“ Ein Grund mehr, das Festival Pitten Classics für den Kultursommer einzuplanen, mit seinem Mix aus familiärer Entspanntheit und weltoffenem Programm. |

Wenn es kalt wird gegen Ende des Jahres, dann schafft der Wind eine gedankliche Verbindung zwischen uns und den Sandwüsten dieser Erde. Nein, nicht dass es bei uns in der Buckligen Welt so trocken oder öd wäre, doch wir haben eines gemeinsam: die Dünen. Sie sind bei uns allerdings nicht aus Sand, sondern aus Schnee. Die Bucklige Welt gehört zu jenen bewohnten Regionen Österreichs mit den meisten Schneewechten. Nur selten bilden sie sich in den Tälern bei den größeren Orten. Recht oft dagegen auf den sanften Hügeln und Rücken, über die Wind aus Nordwesten oder Norden besonders dann recht heftig streicht, wenn sich ein Adriatief auf der unter Meteorologen berühmten Zugbahn „5b“ über Ungarn seinen Weg bahnt und dabei kalte Luft ansaugt. Dann treffen genau über der Buckligen Welt die Mittelmeerfeuchtigkeit mit dem stürmischen Nordwind zusammen, und aus dem Schneefall wird „auf der Höh’“, wie wir dazu sagen, wildes Schneetreiben. Hinter jeder Hecke, hinter jeder Geländekante bilden sich dann wunderschöne Schneedünen. Die Schneewechten erreichen fast jedes Jahr einmal eine Höhe von einem Meter. Wenn es ganz wild hergeht mit dem Schneesturm, können die weißen Sicheln auch zwei oder drei Meter hoch werden. Sobald sich der Wind nach dem Schneegestöber wieder legt, sind das die schönsten Stellen, um mit Kindern in den Tiefschnee zu hüpfen oder Schneehöhlen zu graben. Mit dem Sand der Sahara geht so etwas nicht. 27

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Akkord für Triumph NINI T SCHAVOLL

Triumph, der Wäschehersteller, ist ein Phänomen und eine Erfolgsgeschichte in der Buckligen Welt. Anfang der 1960er-Jahre war hier wie im ganzen Osten Österreichs vom Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit noch wenig zu spüren, das Straßennetz der Region in schlechtem Zustand. Aus dem Marshall-Plan kam wenig Geld in die nach dem Weltkrieg russisch besetzte Zone, es mangelte an Arbeitsplätzen. Dem sollte eine Betriebsansiedlung von Triumph International in der Buckligen Welt, im Wechselland und Südburgenland, abhelfen. Der deutsche Mutterkonzern errichtete seine Österreichzentrale in Wiener Neustadt, ab 1961 wurden im bislang wirtschaftlich gebeutelten Industrieviertel erste Korsett- und Miederwaren produziert. Triumph setzte auf Dezentralisierung und gründete Filialen in strukturschwachen Gebieten des damaligen Billiglohnlandes Österreich. Zunächst wurden in Orten, die als Produktionsstandorte geeignet erschienen, Räume in Gasthäusern oder aufgelassenen Kinos angemietet. Darin wurde provisorisch pro-

duziert, denn es war nicht gleich klar, ob sich vor Ort genügend Arbeitskräfte finden ließen. Nach ein bis zwei Jahren begann der Bau von Fabriken auf billigen Grundstücken und unter Steuernachlässen. Damals wie heute lag der Fokus in den Gemeinden auf der Schaffung von Arbeitsplätzen. Zentrale Elemente einer Triumphfabrik mit ihrem hohen Automatisierungsgrad waren die Nähstraßen mit daneben verlaufenden Fließbändern. Zugeschnitten wurden die Stoffe in der Betriebszentrale, vernäht in den Filialen – fast ausschließlich von Frauen. Sie kamen aus der gesamten Buckligen Welt in Autobussen in die Fabriken. Nach einem halben Tag Einarbeitung wurde ihnen ein sicherer Job mit Aufstiegsmöglichkeiten geboten. Nach ihrem traditionellen Arbeitsverständnis waren sie engagiert, leistungsbereit, verantwortungsbewusst und teamorientiert. Dies wurde für die Fabrikarbeit genutzt und machte sie so hochklassig. Auch deshalb konnte der österreichische Standort so lange produzieren.

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Fotos: Triumph, Stefan Knittel

Landeshauptmann Kery und Direktor Ignaz Längle in einem Triumph-Werk


GESCHICHTE

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Buchtipp: Wir waren Triumph Erinnerungen einer Region, von Peter Becker und Brigitta Schmidt-Lauber, Kral Verlag, 2020, 208 Seiten, 29,90 Euro

Maria Grill (l.) und Maria Weidinger (r.) haben einen Großteil ihres Berufslebens bei Triumph verbracht. Dahinter Peter Becker mit dem Hollenthoner Bürgermeister Manfred Grundtner

Peter Becker kam vor einigen Jahren nach Hollenthon in die Bucklige Welt. Ihm fiel auf, dass den Geschichten der „Triumphlerinnen“ oder „Trumpfn“ kaum Aufmerksamkeit beigemessen wurde. So begann er mit Brigitta Schmidt-Lauber und einigen Studentinnen und Studenten, ihre Geschichte aufzuarbeiten – in einem spannenden, bildreichen Buch lebendiger Zeitgeschichte.

Die „Triumphlerinnen“ oder „Trumpfn“, Frauen, die in Fabriken des Wäscheherstellers im Akkord arbeiteten, trugen wesentlich zur Wirtschaftsgeschichte der Buckligen Welt bei

Fotos: Triumph, Stefan Knittel

Unter www.wirwarentriumph.at findet sich im Internet eine virtuelle Ausstellung mit Kurzfilmen zum Thema.

Dank der Anstellung genossen die Arbeiterinnen bis dahin unbekannte Sozialleistungen. Sie durften vergünstigt TriumphWaren beziehen und erlebten sich als Teil einer „großen Familie“, wie der langjährige, sehr beliebte Direktor Ignaz Längle die Belegschaft nannte. Männer fanden Arbeit als Techniker oder Fahrer. Alle Führungspositionen waren männlich besetzt, mit einer Ausnahme: Maria Weidinger. Die gelernte Zahnarzthelferin aus Hollenthon machte Karriere als eine der wenigen weiblichen Betriebsleiterinnen bei Triumph. Sie konnte ihre Mitarbeiterinnen motivieren und vermochte deren Fähigkeiten präzise einzuschätzen. Ihre Planung der Produktionsabläufe ermöglichte es, die Produktivitätsvorgaben für Wiesmath stets überzuerfüllen. Die Arbeit in den Fabriken war hart, laut, staubig und stand unter ständigem Druck, die Leistungsvorgaben, den „ZeitAkkord“, zu erfüllen bzw. zu übertreffen, um mehr Verdienst zu haben. Maria Grill aus Hollenthon, eine Mitarbeiterin von Frau Weidinger in Wiesmath, erinnert sich: „Es musste immer schnell

gehen. Wir mussten uns beim Nähen den Touren der Maschine anpassen.“ In Spitzenzeiten wurden 245.000 Warenstücke pro Tag für einen weltweiten Absatzmarkt hergestellt. Maria Grills Genauigkeit und Liebe zum Detail verhalfen ihr nach der Werksschließung in Wiesmath zu einer Anstellung in der Modellabteilung bei Triumph in Wiener Neustadt. Hier arbeitete sie bis zur Pension. Die Leistung der MitarbeiterInnen in den Werken der Buckligen Welt sicherte auch für mehr als vierzig Jahre den Standort Wiener Neustadt. In Hollenthon, Wohnort von Maria Weidinger wie von Maria Grill, ist die Triumph-Vergangenheit noch sehr präsent: in den Erinnerungen der ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in der Freundschaft untereinander, aber auch im Stolz auf das Erreichte: ein Haus, die Ausbildung der Kinder, Konsumgüter und Urlaub. Die Frauen von Triumph wissen, was sie zum Aufschwung der Familien und der Region geleistet haben. Es ist in Orten wie Hollenthon deutlich sichtbar. | 29

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Essen mit Programm

„Wir haben alle Wünsche der Gäste erfüllt, und schließlich kam Herr Düringer in die Küche und sagte, wenn der Service nicht sofort eingestellt wird, reise er ab.“ Jürgen Bernhart, Wirt und Betreiber der Wirtshausbühne Schwarzenbach

Fotos: Stefan Knittel

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WIRTSHAUSBÜHNE

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Die Wirtshausbühne Bernhart in Schwarzenbach macht ein erfolgreiches Kulturprogramm. Das verdankt sie nicht zuletzt Roland Düringer

Fotos: Stefan Knittel

Wirtshausbühne Bernhart Platz 104, 2803 Schwarzenbach T 0660 121 12 31 E restaurant-bernhart@aon.at www.wirtshausbuehne-bernhart.at

Zufälle bestimmen das Schicksal des Gastwirts Jürgen Bernhart, seit er den Betrieb von seinen Eltern übernommen hat. Bis 2008 führte er das Lokal mit Extrasaal für Feiern und einigen Zimmern für Übernachtungsgäste weiter wie bisher. Dann fragte eines Abends ein pensionierter Schuldirektor den Wirt, ob er sich nicht auch Kulturveranstaltungen vorstellen könne. Er denke da an einen ehemaligen Schüler, Mitglied der Kabarettgruppe Maschek. Mit dem Auftritt von Maschek im Gasthaus Bernhart begann die Geschichte der Wirtshausbühne. Bernhart spezialisierte sich auf Musik und Kleinkunst. „Anfangs war es mühsam, weil wir mit einer Theaterbestuhlung gearbeitet und die Technik angemietet haben. Da mussten wir jeden Abend wieder umbauen, weil ja am nächsten Tag normaler Gasthausbetrieb war.“ So entstand die Idee der Wirtshausbühne, wo die Gäste vor und nach der Vorstellung an den Tischen essen und trinken können. Das kam gut an. Dennoch wollte die Familie Bernhart nach fünf Jahren mit den Kulturprogrammen Schluss machen. „Es waren schon alle möglichen Künstler bei uns – und wer nicht, dem war die Bühne ohnehin zu klein“, erklärt Jürgen Bernhart. Eines Tages gab es einen Onlinechat, organisiert von einer Zeitung, mit Roland Düringer. Bernhart fragte ihn kurz und bündig, ob er auf einer jungen Wirtshausbühne in der Buckligen Welt auftreten würde. Zwar glaubte er nicht ernsthaft, dass er sich den Star überhaupt leisten könnte. Aber kurz darauf meldete sich das Management von Düringer, und ein Termin wurde vereinbart. Und weil alle Karten weggingen wie die warmen Semmeln, auch noch ein zweiter. Allerdings verlief der Abend nicht wie gewünscht. „Wir waren, ehrlich gesagt, überfordert. Viele Leute kamen erst knapp vor der Vorstellung und wollten trotzdem essen. Wir haben ihre Wünsche erfüllt, und schließlich kam Herr Düringer in die Küche und sagte, wenn der Service nicht sofort eingestellt wird, reise er ab.“ Die Show wurde zwar ein Erfolg, doch am nächsten Morgen wollte Düringer aufgrund des Chaos den zweiten Termin stornieren.

Nach einigem Hin und Her machte er dann aber ein großartiges Angebot: Er werde sich mit den Wirtsleuten zusammensetzen und ihnen erklären, wie eine Wirtshausbühne funktionieren muss. Nach drei Stunden stand das neue Konzept, und Mentor Düringer setzte sich auch bei den Kolleginnen und Kollegen in der Kabarettszene für die junge Bühne ein. Bald traten Künstlerinnen und Künstler wie Andrea Händler, Alfred Dorfer und Manuel Rubey im Wirtshaus Bernhart auf. Dann kam Corona. Weil die Wirtshausbühne über ein Außenareal verfügt, konnten viele Auftritte im Sommer im Freien abgehalten werden. Die Programmierung für Herbst und Winter gestaltete sich freilich schwierig, weil die Künstlerinnen und Künstler nur kurzfristig planen können. Aktuell sind Entertainer Tricky Niki und Comedian Clemens Maria Schreiner fix dabei. Im Frühjahr folgen Gery Seidl, Nadja Maleh und Mike Supancic. Genaue Termine stehen aber aufgrund der Pandemie noch nicht fest. „Bitte regelmäßig auf die Website schauen und uns auf Facebook folgen“, sagt der Wirt. Dort erfährt man, was wann los ist. Jürgen Bernhart zeigt sich mit der Entwicklung seiner Wirtshausbühne sehr zufrieden, auch wenn ein Großer der Szene zu seinem Bedauern noch immer nicht bei ihm war: Lukas Resetarits. Aber das kann ja noch werden. |

„Bitte regelmäßig auf die Website schauen und uns auf Facebook folgen“, sagt der Wirt. Dort erfährt man, was wann los ist

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Kult und Kultur in Katzelsdorf WERNER STURMBERGER

Das ehemalige Wasserschloss in Katzelsdorf hat einst Hochadelige in seinen Bann gezogen, heute lockt es Brautpaare und Kulturpublikum an

Katzelsdorf lässt sich nicht ohne das gleichnamige Schloss beschreiben – oder besingen, wie es der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein im 13. Jahrhundert tat. Seine heutige Form erhielt es im 17. Jahrhundert. Das damalige Wasserschloss dürfte viele in Bann geschlagen haben – so lässt sich die Liste seiner illustren Besitzerinnen und Besitzer erklären, darunter die Gräfin Caroline von Lipona, Napoleons Schwester, und Marie Thérèse, die Tochter von Ludwig XVI. und Marie-Antoinette. Das Zentrum der Schlossanlage bildet ein weitläufiger Hof. Die Arkadengänge des Hauptgebäudes verleihen diesem eine fast mediterrane Leichtigkeit – auch wenn die Leitha deutlich näher liegt als das Mittelmeer. Das gediegene Ambiente des Hofs macht ihn zu einem beliebten Ort für viele Paare, die sich das Jawort geben wollen. Und für solche, die hier einen anregenden Abend erleben wollen. Längst ist das Schloss nicht mehr im Besitz gekrönter Häupter, an ihrer Stelle sorgt jetzt die Gemeinde Katzelsdorf für fürstliche Unterhaltung. „Die Gemeinde hat das

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Fotos: Stefan Knittel

Wurde schon im 13. Jahrhundert von Minnesänger Ulrich von Liechtenstein besungen: Schloss Katzelsdorf


FEIERN

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Schloss Katzelsdorf Schlossstraße 1 2801 Katzelsdorf T 02622 780 80 Aktuelle Veranstaltungen: www.katzelsdorf.gv.at/ Schloss_Katzelsdorf/ Veranstaltungs-und_Seminarzentrum/ Veranstaltungsprogramm

Fotos: Stefan Knittel

„Im Schloss findet auch das „Sturmoni“-Fest statt, unser Dorffest mit Sturm, Maroni und Big Band. Im Advent gibt es den Christkindlmarkt mit über sechzig Ausstellern.“ Gabriele Sanz betreut das Schloss für die Gemeinde Katzelsdorf

Schloss 1994 gekauft und zu einem modernen Veranstaltungszentrum umgebaut. Mittlerweile ist es aus dem Kulturleben der Region nicht mehr wegzudenken“, sagt Gabriele Sanz, die das Schloss für die Gemeinde betreut. Kein klassisches Besichtigungsschloss, ist Katzelsdorf zu gleichen Teilen Lust- und Arbeitsschloss. Hier sind neben Postund Schlossservicestelle auch Büros untergebracht. „Wir haben eine große Auswahl an Seminarräumen für unterschiedliche Bedürfnisse. Auch die Kulturvereine im Dorf wie die Theatergruppe oder die Blasmusik nutzen das Schloss gern für ihre Veranstaltungen“, erklärt Sanz. Für Aufführungen steht der Festsaal mit Platz für 250 Personen und einer modernen Bühnenanlage bereit. Hof und Festsaal sind beliebte Spielstätten für Konzerte und Theater. Auch die Prominenz der heimischen Kabarettszene gastiert hier gern. „Im Schloss findet auch das „Sturmoni“-Fest statt, unser Dorffest mit Sturm, Maroni und Big Band. Im Advent

gibt es den Christkindlmarkt mit über sechzig Ausstellern. Das Besondere daran: Die Gastronomie wird nur an gemeinnützige Vereine aus der Gemeinde vergeben, der Erlös kommt allein den Vereinen zugute“, sagt Sanz. Wer seinen Bewegungsdrang nicht mit einer Runde am Christkindlmarkt stillen kann, der sollte die Wanderschuhe einpacken. „Das Schloss ist Ausgangspunkt idyllischer Wanderwege. Da ist für jeden etwas dabei. Etwa der Kulturwanderweg rund um die Leitha-Au und die Heurigen, aber auch mehrtägige Routen wie der Rosalia Rundwanderweg oder der Weg am Wiener Alpenbogen“, erzählt Sanz. Das Schloss Katzelsdorf ist damit der Ort, um einen unterhaltsamen Abend zu verbringen oder die herbstliche Farbenpracht der Buckligen Welt zu erkunden. |

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Fee in Bad Schönau K ARIN WASNER

Sonja Dopler hat zwar keinen Zauberstab, bezaubert ihre Gäste aber mit ihrer Energie und ihren Tipps für einen unterhaltsamen Urlaub

„Heute Kultur oder Natur? Ich seh das meinen Gästen morgens an der Nase an!“ Sonja Dopler ist seit über zehn Jahren charmante Gastgeberin in der Genießerpension Dopler „Zur schönen Au“ in Bad Schönau. Nicht nur in ihrer Pension kümmert sie sich um das Urlaubserlebnis ihrer Gäste. Im Tourismusbüro der Kurgemeinde ist sie zuständig für Kultur, Kurinformation und Veranstaltungen. „So weiß ich immer, wo grad was los ist!“ Und in dem wunderschönen Kurort ist jede Menge los. Für heilendes Mineralwasser bekannt, gilt Bad Schönau als eine führende Gesundheitsgemeinde Österreichs. Wer hier nur Menschen in Bademänteln und Latschen erwartet, der irrt. Mit dem „Sconarium“ lädt ein modernes Veranstaltungszentrum zu einer interaktiven Ausstellung über jenes Kohlensäuregas, das den Ort berühmt gemacht hat. Außerdem dient es für Kulturveranstaltungen. „Ob Jazz, Kabarett oder Klavierkonzert, mit unserem Kultursaal können wir Künstlerinnen und Künstlern einen Raum bieten, der alle Stückerl spielt.“ 256 Gäste finden Platz und

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Fotos: Karin Wasner

„In meiner Pension bin ich Mädchen für alles: Hausmeisterin, Zimmermädchen und Frühstücksköchin“, sagt Sonja Dopler. Und im Tourismusbüro gibt sie die gute Fee


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Genießerpension Dopler „Zur schönen Au“ Maierhöfnerstraße 6 2853 Bad Schönau T 02646 85 06-0 E office@pension-dopler.at www.pension-dopler.at fabelhaft! in Bad Schönau „Matinee der Fantastischen Geschichten“ am 20.10.2021, 9 Uhr, im Sconarium Bad Schönau. Vorverkauf & Informationen: Gemeinde Bad Schönau, Sonja Dopler T 02646 82 84 E fabelhaft@bad-schoenau.gv.at www.fabelhaft-storytellingfestival.at

Fotos: Karin Wasner

Die Genießerzimmer der Pension sind nach Menschen mit Bezug zur Region benannt: Folke Tegetthoff, dem Leiter von fabelhaft!, oder dem Musiker Georg Danzer

genießen unter anderem Konzerte oder Lesungen mit modernster Lichttechnik und Akustik. „Unsere Gäste finden es großartig, dass sich so viel tut“, sagt Sonja Dopler. Wöchentliche Konzerte im Musikpavillon gehören schon lange zum Programm, jetzt ist der Kulturgenuss auch abseits der Sommermonate gesichert. „Die Region hat sich enorm entwickelt. Verschlafenes Dorf war gestern.“ Und die Natur ist wie eh und je, ideal fürs Wandern, sei es eine halbe Stunde oder gleich mehrere Tage. Kaum einer fährt wieder nach Hause, ohne zumindest einmal eine Fahrradtour genossen zu haben. Mehr und mehr erweitern kulturelle und kulinarische Angebote das Naturerlebnis. „Jetzt besuchen die Gäste auch den Ziegenhof Mandl oder die Erlebniswelt vom Eis-Greissler.“ Seit 2008 findet in Bad Schönau das internationale Erzählkunstfestival „fabelhaft! Niederösterreich“ statt. Bei seinem Story-Dinner treten internationale Performerinnen und Performer zwischen den Gängen auf, die Koch Alfred Weber serviert.

„Wer heute die drei Hauben im Triad geschätzt hat, den schick ich morgen zum Buchegger nach Tiefenbach. Dort gibt es weder Kartenzahlung noch Internet, dafür aber selbst gebackenes Bauernbrot und Forellen aus der eigenen Zucht.“ Sonja Dopler sagt über ihre Pension: „Dort bin ich Mädchen für alles: Hausmeisterin, Zimmermädchen und Frühstücksköchin.“ Im Tourismusbüro gibt sie die gute Fee, die etwa einen vergessenen Liegestuhl ins Auto lädt und in den Kurpark bringt. „Wir sind alle gern dabei, der Bürgermeister ebenso wie meine Kollegen und Kolleginnen.“ Stillsitzen ist ohnehin nicht Sonjas Stärke. Die quirlige Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt ist stets in Bewegung. Abends arrangiert sie die Stehtische bei einer Veranstaltung, morgens die Semmerln am Frühstücksbuffet. „Ohne Hilfe könnte ich das nicht schaffen.“ In der Genießerpension Dopler wird sie von ihrer Schwiegermutter unterstützt. „Ab und zu dürfen auch meine Söhne Betten abziehen. Schadet jungen Männern ja nicht!“ An schönen Tagen sitzt man auf einer der großen Terrassen der Pension nahe dem Kurzentrum und hat den Hutwisch, die örtliche Bergikone, im Blick sowie ein Glas Wein vor sich – aus dem gut sortierten Weinschrank ihres Mannes Martin Dopler, einem Weinakademiker. Die Genießerzimmer der Pension sind nach Menschen mit Bezug zur Region benannt: Folke Tegetthoff, dem Leiter von fabelhaft!, oder dem Musiker Georg Danzer. Er verbrachte seine Ferien mit Oma und Opa in der Buckligen Welt und hielt seine Erinnerungen im Lied „Große Dinge“ fest. Tegetthoff ist im Oktober wieder bei fabelhaft! | 35

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Das Beste der Buckl NINI T SCHAVOLL

Mit fünf Jahren bekam Franz Piribauer seinen ersten Bucklkorb, ein Flechtwerk mit dreißig Zentimetern im Durchmesser. Damit wurde er am elterlichen Hof zum Obstsammeln und Brennholzholen ausgeschickt – woran er sich gern erinnert. In weitaus größeren Bucklkörben trugen Bauern früher Stroh oder Laub zum Einstreuen der Ställe für das Vieh. Piribauers kleiner Korb hängt nun zur Dekoration und zur Erinnerung im Eingangsbereich seines Hauses. Seit 2001 arbeitet er als Geschäftsführer der „LEADER Region Bucklige Welt-Wechselland“. „Als wir begonnen haben, die Region zu entwickeln, war schnell klar, dass eine ihrer größten Stärken die Kulinarik ist. Selten findet man so viele kleine Produzenten und hervorragende Gastronomie in so großer Dichte vor“, erklärt er. Einen Korb mit hochwertigen Lebensmitteln aus der Region zu füllen, erschien als naheliegender Schritt zur Entwicklung der Marke „Bucklkorb“. Vor Kurzem wurde ein Bucklkorb für einen Besuch beim Bundespräsidenten bestellt. „Da war ich schon ein wenig stolz darauf, dass unser

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Fotos: Stefan Knittel

„Ich mag die Herzlichkeit und die Handschlagqualität der Leute“, sagt Ulla Zodl und packt nur das Beste in den Bucklkorb


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Der „Bucklkorb“, Markenprodukt der Buckligen Welt voll regionaler Köstlichkeiten, ist auch im kost.bar Laden von Ulla Zodl in Kirchschlag zu haben

kost.bar Ulla Zodl Hauptplatz 32/02, 2860 Kirchschlag T 0664 35 12 910 www.kostbar-laden.at Hier gibt es auch den Bucklkorb: Mandl‘s Ziegenhof Pengersdorf 7, 2813 Lichtenegg T 0676 944 49 63 www.ziegenhof.at Gut Guntrams Guntrams 11, 2625 Schwarzau/ Steinfeld T 02627 833 33 www.guntrams11.at Fleischerei Höller Kampichl 35, 2871 Zöbern T 02642 82 46 www.hoeller-fleischer.at Alles Schwarz Hofstätten 10, 2833 Bromberg T 0676 626 91 09 oder 02629 86 05 www.alles-schwarz.com www.sooogutschmeckt.at

Fotos: Stefan Knittel

Der kost.bar Laden von Ulla Zodl am Hauptplatz in Kirchschlag

Bucklkorb auch in höchsten Kreisen einen so guten Namen hat.“ Das Geschäft von Ulla Zodl am Hauptplatz in Kirchschlag ist noch etwas jünger als der Bucklkorb, im Sortiment hat sie ihn aber von Anfang an. Von Hof zu Hof zu fahren, um Erdäpfel, Eier und Gemüse zu kaufen, erschien der zweifachen Mutter und Erziehungswissenschaftlerin unpraktisch. So entstand die Idee für einen Laden, der den umliegenden Produzenten als gemeinsamer Verkaufsraum dienen konnte. Im ersten Jahr, 2019, war es nicht einfach, erzählt Zodl rückblickend. Auch musste sie Personal abbauen und stand vor der Entscheidung, in einen neuen Standort zu investieren. Gemeinsam mit ihrem Mann Thomas, einem Baumeister, gestaltete sie schließlich einen Wohlfühlladen mit dem Namen „kost.bar“ samt Aussichts- und Veranstaltungsterrasse. Hier bietet sie seit 2019, was die Region hergibt: frisches Brot, Wurstwaren, Käse, Säfte, Marmeladen und vieles mehr. Auch Kunsthandwerk findet sich im Laden, demnächst soll es zusätzlich noch hochwertige Mitbringsel mit KirchschlagMotiven bei ihr zu kaufen geben. Der Bucklkorb ist der Geschäftsfrau ein besonderes Anliegen. Bestellt wird er für Jubiläen, Geburtstage oder von Firmen. Auch die etwas kleineren „Genusskörberln“ werden gut angenommen, besonders zu Weihnachten. Den Bucklkorb präsentiert Zodl oft vor dem Geschäft, „damit die Kunden sehen, was das für eine tolle Geschenkidee ist“. Früher habe sie sich nicht vorstellen können, im Verkauf zu arbeiten, doch das hat sich geändert. Heute, sagt die geborene Piestingerin, schätzt sie den Kontakt zu den Menschen sehr: „Es gibt viele schöne Erlebnisse, man hilft hier wirklich zusammen. Ich mag die Herzlichkeit und die Handschlagqualität der Leute.“ Auch ihre zwölfjährige Tochter Lara steht begeistert im Geschäft und hilft, wann immer es die Schule zulässt. „Sie ist meine Juniorchefin“, lacht die Mutter. Der siebenjährige Leonard ist noch nicht im Einsatz, kommt aber immer gern im Geschäft vorbei. Die Wohnungen der Schwiegereltern und der Mutter befinden sich im selben Haus wie der „kost.bar“-Laden, das erleichtert Ulla Zodl den Arbeitsalltag zwischen Familie und Beruf. Für die nächste Zeit hat sie sich viel vorgenommen, denkt an Veranstaltungen, Workshops oder Verkostungen mit regionalen Produkten, vielleicht sogar in Kombination mit Stadtführungen. Langweilig wird es in ihrem Laden ganz bestimmt nicht. | 37

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Endlich alles auf der Karte essen K ARIN WASNER

Vitalzeit Hotel Weber Kurhausstraße 16 2853 Bad Schönau T 02646 84 08 E rezeption@hotelweber.at www.hotelweber.at

„Nur weil kein Zucker drin ist, muss es ja nicht fad schmecken!“ Petra und Alfred Weber führen das VitalZeit Hotel mitten im Kurzentrum von Bad Schönau. Heilendes Kohlensäuregas hat den Ort berühmt gemacht, auch im Hotel dreht sich alles um Gesundheit, Wohlbefinden und Erholung. Für das Ehepaar Weber gibt es die allerdings selten. „Die durch die Pandemie verordnete Pause haben wir gut genutzt!“ Wo zuvor eine Bar für Nachtschwärmer war, eröffnete Alfred Weber das À-la-carte-Restaurant DerWeber und kocht dort jetzt zucker- und weizenfrei. Koch aus Leidenschaft, erfüllte er sich damit einen Jugendtraum. „Im 37. Lehrjahr kann ich mein Handwerk hier ausleben.“ Regionale Zutaten, nach Möglichkeit bio, sind in seiner Küche selbstverständlich. Die Webers beschäftigen sich schon lange mit gesunden Ernährungsformen. Alfred und Petra wissen, was dem Körper schadet und was ihm guttut. Dabei verliert der Chefkoch das Wichtigste nie aus den Augen: „Schmecken muss es! Wenn es

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Fotos: Karin Wasner

„Im 37. Lehrjahr kann ich mein Handwerk hier ausleben.“ Alfred und Petra Weber im neuen Restaurant DerWeber


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Fotos: Karin Wasner

Das neue DerWeber lockt nicht nur mit gesunden, zuckerfreien Speisen, sondern belebt auch die Tradition der „Assietten“ wieder: klein, fein und einfach alles

dann auch noch gesund ist, kann man es noch mehr genießen!“ Sättigende Beilagen werden durch Gemüse oder Pilze ersetzt, ungesundes Weizenmehl durch Bio-Dinkel. „Es muss ja nicht immer ein Knödel sein!“ Statt Zucker verwendet Alfred für seine Desserts Erythrit – zahnfreundlich und mit einem glykämischen Index von null perfekt für Diabetiker, Kinder und Schleckermäulchen, die auf sich achten wollen. Nichts auf der Karte klingt nach Verzicht. Allen voran wird dem Wiener Backhendl gehuldigt, dazu serviert Alfred köstlichen Kernöl-Dip und bunte Salate. Auf der Karte finden sich Entenbrust, rosa gebratenes Rinderfiletsteak, Schnitzel vom Bio-Schwein und ein Zwiebelrostbraten, der mit Braterdäpfeln und Speckfisolen sicher niemanden hungrig heimgehen lässt. Vegetarisch, vegan oder Low Carb – alles gibt es bei Webers. Sie sind Spezialisten für Keto-Ernährung, im Hotel finden regelmäßig Workshops und Kurse mit Experten statt. Die kohlehydratreduzierte Kost fällt überraschend leicht, wenn man sich zwischen hausgebeiztem Forellenfilet an Honig-Senfsauce und Hühnerlebermousse auf Apfel-Selleriesalat entscheiden darf. Noch besser wäre nur, man müsste sich erst gar nicht entscheiden. Aus diesem Grund hat Alfred Weber die vergessene Tradition der „Assietten“ für sich und sein neues Restaurant wiederbelebt. „Ich bin einer, der am liebsten jede Karte rauf und runter probieren würde.“ Zu den „Altwiener Einschiebspeisen“, die um 1900 zwischen den Gängen serviert wurden, würde der Spanier vielleicht Tapas sagen und der Baske Pintxos. Was alle gemeinsam haben: Man kann sich durchkosten. Außergewöhnliche Gerichte auf kleinen Tellerchen, die so hübsch aussehen, dass man sie gar nicht essen möchte. Teilen schon gar nicht. So löffelt man sich durch traditionelle Wiener Gerichte-Minis wie Bio-Kalbsgulasch, Rahmherz und eingemachtes Hendl und landet irgendwann bei Gemüsesulz, Ziegenfrischkäseterrine und veganen faschierten Laibchen. Mit bestem Gewissen bestellt man dann nach dem Schokomousse auch noch die pochierte Rotweinbirne. |

Rezept: Ziegenfrischkäseterrine 10 Portionen Zutaten 20 dag Ziegen-Frischkäse aus der Buckligen Welt 10 dag Sauerrahm oder Sauerrahmdressing 30 dag Obers 6 Blatt Gelatine Salz, Pfeffer ein Schuss Distelöl ein Schuss Weißwein 0,2 l 2/3 Weißwein und 1/3 Sherry 1 EL Erythrit – Stevia 1:1 (Zuckeraustauschstoff) 4 Blatt Gelatine Zubereitung Ziegen-Frischkäse mit Sauerrahm und einem Schuss Distelöl glattrühren. Salzen und pfeffern. Eingeweichte Gelatine mit einem Schuss Weißwein erwärmen und schnell einrühren. Zum Schluss geschlagenes Obers unterziehen. In Förmchen füllen und kaltstellen. Erythrit mit Wein und Sherry aufkochen. Zum Schluss eingeweichte Gelatine darin auflösen. Auskühlen lassen und im handwarmen, noch flüssigen Zustand über die Ziegenkäseterrine gießen. Am besten serviert man die Terrine auf Blattsalat mit mariniertem Gemüse und Eierschwammerln und dekoriert die Vorspeise mit lila Kartoffelchips und frischen Kräutern. Gutes Gelingen!

Ziegenfrischkäseterrine mit lila Erdäpfelchips, Tomaten und Eierschwammerln

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Wo der Kraxados am besten schmeckt CL AUDIA STIEGLECKER

Der Apfeledelbrand von Werner Kölbel ist bei den Gästen des urig-gemütlichen Schlosswirtshauses von Alexander Wödl besonders beliebt

Kurve um Kurve führt die Straße zum trutzigen Schloss Krumbach hinauf, das weithin sichtbar auf einem bewaldeten Hügel südlich des Ortes thront. Direkt am Scheitelpunkt der vorletzten Kehre liegt, von hohen Bäumen umgeben, das Schlosswirtshaus. Einst als zum Schloss gehörendes Wirtschaftsgebäude errichtet, wurde es bis Ende der 1970er-Jahre als Wirtshaus genutzt – und stand dann vierzig Jahre lang leer. „Das Gebäude ist mindestens 200 Jahre alt“, erzählt Alexander Wödl, der junge Schlosswirt. Wödls Großonkel erwarb das Schlosswirtshaus im Jahr 2015 von der Gemeinde, um sich in der Pension den Traum vom eigenen Gasthaus zu erfüllen. „Zum damaligen Zeitpunkt war das Haus eine Bruchbude“, sagt Wödl. „Es regnete sogar durchs Dach hinein.“ Doch 2018 wurde das Schlosswirtshaus wiedereröffnet – und erstrahlt seitdem in neuem Glanz. Die knapp drei Jahre dauernden Renovierungsarbeiten hat die Familie mit vereinten Kräften gemeistert. Fast alles wurde in Eigenregie abgewickelt:

Kölbel Edelbrände & Whisky Kraxenberg 1, 2851 Krumbach Besichtigungen, Verkostungen und Ab-Hof-Verkauf ganzjährig nach Voranmeldung unter T 0664 870 90 13 oder T 0664 945 03 93 www.kraxados.at

Vom Verlegen der Leitungen über das Ausgraben des Weinkellers bis zum Restaurieren der Inneneinrichtung, die liebevoll in der gesamten Buckligen Welt zusammengetragen wurde. Das Ergebnis der Anstrengungen spricht für sich: Das Schlosswirtshaus verbreitet eine urig-gemütliche Atmosphäre. „Authentizität und Ehrlichkeit sind mir sehr wichtig – und genauso kochen wir auch“, sagt Wödl. Serviert wird gutbürgerliche, österreichische Küche, Wert legt man dabei besonders auf Saisonalität und Regionalität: „Soweit möglich, stammen unsere Zutaten aus der Buckligen Welt.“ Dies gilt nicht nur für das Essen, sondern auch für die Spirituosen: Im Schlosswirtshaus werden Spezialitäten aus der Brennerei von Werner Kölbel angeboten. Sie liegt etwas mehr als zwei Kilometer Luftlinie entfernt auf dem Höhenrücken Kraxenberg. Schnaps wurde auf dem idyllisch gelegenen Bergbauernhof der Familie Kölbel zwar schon immer gebrannt, doch erst als Sohn Werner 1990 den Betrieb von seinen Eltern übernahm, kam die

Fotos: Stefan Knittel

Das 200 Jahre alte Schlosswirtshaus ist jetzt frisch renoviert

Schlosswirtshaus Schloss 2, 2851 Krumbach Do bis Mo ab 9 Uhr, Dienstag und Mittwoch Ruhetag Küche: Mo und Do 11:30 – 14 Uhr, 17:30 – 19:30 Uhr Fr und Sa 11:30 – 19:30 Uhr So 11:30 – 17 Uhr T 02647 423 79 www.schlosswirtshaus.at

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Weltgeschmack ROLAND GRAF

Roland Graf stammt aus der Buckligen Welt und schreibt Gastround Bar-Geschichten für den deutschen Sprachraum. www.trinkprotokoll.at

Pilzfurze und Maroni „Soweit möglich, stammen unsere Zutaten aus der Buckligen Welt.“ Edelbrandsommelier Werner Kölbel und Wirt Alexander Wödl

Sache richtig in Schwung: „Da habe ich begonnen, mich intensiver mit der Brennerei auseinanderzusetzen“, sagt Kölbel. Im Lauf der Jahre ist das Interesse zum Beruf geworden: Mittlerweile führt Kölbel den Titel „Edelbrandsommelier“ und betreibt eine moderne Brennanlage, in der er großteils selbst angebautes Obst oder Früchte aus der nächsten Umgebung verarbeitet. Hier entstehen Edelbrände, die aus der reinen Frucht destilliert werden, aber auch Liköre, Whisky und sogar Gin – vieles davon prämiert. Tiere gibt es auf seinem Hof keine mehr. „Ich lebe allein vom Alkohol“, meint Kölbel lachend. Insgesamt 25 verschiedene Sorten produziert Werner Kölbel in seiner Brennerei, zwölf davon kann man im Schlosswirtshaus probieren. Besonders beliebt ist der „Kraxados“, ein Apfelbrand, der in Eichenfässern gelagert wird und dessen Name abgeleitet ist von Kraxenberg und dem Calvados, der ebenfalls in Eichenfässern reift. Alles in allem eine Komposition, die weit mehr ist als die Summe der einzelnen Teile: Wohl bekomm’s! |

Fotos: Stefan Knittel

Im Schlosswirtshaus wird gutbürgerliche österreichische Küche serviert, Wert legt man dabei besonders auf Saisonalität und Regionalität

So schnell wird man zum Experten. Kaum hatte ich den Apollofalter im Wiener Vorortgarten gelobt („sieht man selten“), musste auch noch der Unterschied zwischen Ahorn und Esskastanie erklärt werden. „Du weißt so viel über die Natur“, kopfschüttelte der Prosecco-Damen-Tisch. Nun, dafür bedarf es allerdings keines Botanikstudiums. Sondern lediglich einer ausgedehnten Kindheit in der Buckligen Welt. Die wenigen Maronibäume zwischen Ofenbach und Klingfurth zu erkennen, machte sich schließlich an Winterabenden bezahlt. Frisch von der Herdplatte schmeckten sie immer besser als vom Maronibrater. Noch schöner ist, dass mittlerweile wieder Aufmerksamkeit für das „alte Wissen“ herrscht. Wobei ich von umfassendem Heilkräuterwissen und der damit einhergehenden Esoterik weit entfernt bin. Aber auch einen Bovist per Fußtritt zum Stauben zu bringen wie anno 1980, hat für Stadtkinder etwas fast Magisches. Wenn man dann noch die Namensgeschichte vom „vohenfist“ erzählt – aus dem Frühneuhochdeutschen übersetzt: Fuchsfurz –, sind plötzlich auch die Spiele am Handy kurz vergessen. Persönlich sind mir aber die echten Experten lieber. Wenn in Lembach die Kräuterwirtin auftischt, fällt der „Umweg“ des Selbersammelns weg. Regelrecht sentimental wird das Essen bei Uwe Machreich im triad, wenn er wieder Knollenziest aus dem Garten mit Kräutern kombiniert. „Crosne“ nannte die Oma diesen Lippenblütler immer. Wenn im Herbst die Wurzeln frisch ausgebacken wurden, brauchte ich keine Pommes frites! 41

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Die Spinnerin von Mittermühl

Christine und Erik Söllner mit Schaf Dalmaltina im Obstgarten

Erik & Christine Söllner Altenheimstraße 21 2831 Gleißenfeld E erik.soellner@mittermuehl.at www.mittermuehl.at E kontakt@wollhandwerk.at www.wollhandwerk.at

Fotos: Karin Wasner

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Fotos: Karin Wasner

Christine Söllner betreibt das traditionelle Spinnhandwerk, Erik, ihr Mann, kümmert sich um die Tiere und Obstbäume am Hof in Mittermühl

„Ich habe ihm gleich gesagt, dass ich spinne“, sagt Christine und beschreibt damit, wie sie und Erik Söllner einander an einem Sandstrand der Dominikanischen Republik kennengelernt haben. Beim Filmdreh zu einer Folge „Traumhotel“ entdeckten die Kostümbildnerin und der Kameramann ihre Gemeinsamkeit: Sie spinnt und er hält Wollschafe. Vierzehn Jahre später leben die beiden mit elf Schafen, vier Ziegen, zwei Eseln, 15 Einstellpferden und einer laut gackernden Altsteirer-Hühnerschar auf ihrem 400 Jahre alten Hof und betreiben Gemüse- und Obstanbau in einer biologisch geführten Landwirtschaft. Auf halbem Weg zwischen Gleißenfeld und Scheiblingkirchen liegt „Mittermühl“, einst mittlere von drei verschwundenen Mühlen, umgeben von Feldern, Koppeln und Obstbäumen. „Dieses historische Industriegebäude wollte ich unbedingt erhalten!“ Wenn Erik über die Geschichte der einstigen Papiermühle spricht, blitzen seine Augen vor Begeisterung. „1784 hat Kaiser Joseph II. Österreich karthografieren lassen, im Josephinischen Kataster von damals ist unser Hof schon erfasst.“ Sechzig Jahre lang war die Mühle eine „Pappendeckelfabrik“, nach dem Krieg wurden Reißnägel und Heftklammern produziert. „Wir fragen uns: Was kann man mit dem schaffen, was da ist?“ Die Söllners passen ihre Projekte und Ideen an das Gebäude an, nicht umgekehrt. Wo früher laute Maschinen dröhnten, klappert heute Christines hölzernes Spinnrad. Laut wird es nur, wenn sie auf der nach Steampunk aussehenden Kardiermaschine Wollfasern „kämmt“. Auf Spinnrädern und Webstühlen inmitten alter Mauern verrichtet sie ihr „Wollhandwerk“. Den wunderschönen Seminarraum nebenan mit Blick auf die Pferdeweiden kann man mieten. In den ehemaligen Papiertrockenhallen lagert duftendes Heu für die Schafschar. „Textiles Handwerk hat mich immer schon begeistert.“ Christine forscht, tüftelt und experimentiert. In alten Büchern entziffert sie Kurrentschrift, um mehr über traditionelle Wollverarbeitung oder Färbetechniken zu erfahren. „Mit der Zeit ist viel Wissen verloren gegangen, das will ich wieder ausgraben.“ Das Wissen und ihre Begeisterung für den Rohstoff Wolle gibt sie an

„Wir fragen uns: Was kann man mit dem schaffen, was da ist?“ Die Söllners passen ihre Projekte und Ideen an das Gebäude an, nicht umgekehrt. Mit einer Kardiermaschine aus 1900 wird die Wolle verarbeitet

Interessierte weiter. In Kursen und Workshops kann man von ihr Spinnen oder Weben lernen. Oder natürliches Färben, etwa mit Goldrute oder Krapp. „Statt wie früher Ochsenblut verwende ich lieber Weizenkleie als prozessförderndes Eiweiß,“ schmunzelt Christine. Schafgarben werden nicht nur mit Vorliebe von ihren Namensgebern gefressen, sie färben Wolle ohne Chemie und ganz natürlich gelb. „Wolle ist für uns mehr als die ungewollte Bedeckung eines Schlachtkörpers,“ dröhnt es unter Eriks Rauschebart hervor. Das älteste ihrer Schafe, Dalmaltina, ist 16 Jahre alt und fast blind, ihre Hühner dürfen an Altersschwäche sterben. „Aber wir sind keine romantischen Spinner. Das alles muss ökonomisch funktionieren – und ökologisch.“ Erik ist zuständig für den Obstgarten, über die Jahre hat er achtzig neue Apfelbäume gepflanzt. „Alles alte Sorten! Bei uns gibt’s keinen Baum doppelt.“ Den Apfelsaft pressen die beiden früher im Jahr als alle andern. „Wir wollen den vollen Geschmack und brauchen nicht so viel Zucker.“ Jeder Apfel wird in Mittermühl händisch gepflückt. „Das Fallobst bekommen die Tiere, es kommt bei uns nicht in den Saft!“ Die Einstellpferde, Schafe und Ziegen fühlen sich sichtlich wohl. Sie leben im Herdenverband, toben oder grasen je nach Gemüt auf den Weiden oder suchen Ruhe und Schutz im Offenstall. „Wir wollen den Tieren hier ein annähernd natürliches Artverhalten ermöglichen.“ Hier leben also alle im Einklang mit der Natur. Besonders stolz sind Christine und Erik auf 909 dokumentierte Insektenarten, die auf und um den Hof ihr natürliches Lebensumfeld finden. „Leben und leben lassen“ heißt es auf Mittermühl. | 43

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Ronny Grundtner lässt 700 Gänse mit Aussicht auf die Ruine Kirchschlag weiden, Familie Karnthaler 350 auf ihrem Bilderbuchbauernhof in Lanzenkirchen

Gans zufrieden

„Unsere Gansln dürfen den ganzen Tag draußen Gras jausnen, nur abends kommen sie wegen Fuchs und Marder in den Stall.“ Ronny Grundtner, Aigen, Kirchschlag

Wenn 700 schnatternde Gänse über die grünen Hügel hinter Kirchschlag in der Buckligen Welt watscheln, kann es richtig laut werden. Zweimal pro Tag ist das der Fall, weil Ronny Grundtner bei seiner Ankunft auf der Weide von seinen Gänsen stets lauthals empfangen wird. „Unsere Gansln dürfen den ganzen Tag draußen Gras jausnen, nur abends kommen sie wegen Fuchs und Marder in den Stall.“ Seine Großeltern ließen früher auf der Weide mit Blick auf die Ruine Kirchschlag Pferde grasen, jetzt aber sind diese Wiesen weiß gesprenkelt mit Gänsen und Schafen. Zweiundzwanzig war Ronny, als er von seinen Großeltern den Weingartleitenhof übernommen hat. „Schon als kleiner Bub war ich gern hier oben beim Opa und seinen Tieren.“ Gemeinsam mit seiner Frau Andrea setzt er auf landwirtschaftliche Alternativen. 2009 sind die ersten Weidegänse auf dem Hof eingezogen. Und geblieben. „Zumindest bis Martini!“ 25 Wochen watscheln Ronnys Gänse durch die Landschaft und setzen langsam Fleisch an.

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Fotos: Karin Wasner

K ARIN WASNER


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Termine: 25. September und 30. Oktober Genussmarkt Lanzenkirchen 6.­/­7. + 13.­/­14. November 2021 Weideganslessen Weingartleitenhof Weingartleitenhof Aigen 53, 2860 Kirchschlag i. d. B. W. T 02646 23 96 oder T 0664 153 89 15 www.weingartleitenhof.at Familie Karnthaler Hoffeldgasse 7, 2821 Lanzenkirchen T 02627 458 01 bernhard.karnthaler@aon.at

Fotos: Karin Wasner

Schinken, Speck, Geselchtes und Würste entstehen in Handarbeit am Hof der Familie Karnthaler in Lanzenkirchen, sechs- bis achtmal pro Jahr gibt es Frischfleisch und einmal auch Ganseln

„Artgerecht, naturnah und mit der besten Aussicht, die man sich wünschen kann.“ Die herkömmliche Mastgans aus dem Stall wird nur zwölf Wochen alt. „Den Unterschied schmeckt man!“ Das Fleisch der Weidegans ist dunkler, feinfasriger und damit viel zarter. Sechsmal im Jahr wird auf dem Weingartleitenhof für zehn Tage ein Mostheuriger geöffnet. „Meine Großmutter stand ihr Leben lang im Gasthaus, aber ich war nie der geborene Wirt. Ich bin ein Landwirt.“ Nach alten Rezepten von der Oma beträufelt Andrea dann Schweinsbraten, paniert Surschnitzel und rollt Semmelknödel. „Der Mostheurige taugt uns, das ist was Besonderes, an dem immer alle eine Freude haben.“ An den beiden Martini-Wochenenden kommen bis zu 150 ihrer „Gansln“ auf die Teller. Die übrigen werden direkt vermarktet, die Bestelllisten sind schon im Sommer lang. „Letztes Jahr habe ich selber keines bekommen, nur Restln. Dieses Jahr leg ich mir eines auf die Seite!“

Direktvermarktung lautet auch das Zauberwort vierzig Kilometer nördlich am Hof der Familie Karnthaler in Lanzenkirchen. 1984 begannen Bernhard und Martina, ihre Produkte direkt zu den Endkunden zu bringen. Schinken, Speck, Geselchtes und Würste entstehen in Handarbeit auf dem Hof, sechs bis achtmal pro Jahr gibt es Frischfleisch. Neuerdings ist die Familie von März bis Oktober Teil des Genussmarktes in Lanzenkirchen. „Ich liebe es, wenn man die Begeisterung der Menschen für unsere Arbeit in ihren Gesichtern sehen kann“, sagt Martina Karnthaler in ihrem schmucken Hofladen. Die Holzkiste, in der sie vor über dreißig Jahren erstmals Erdäpfel zum Verkauf vor die Tür gestellt haben, gibt es immer noch. Einen Hof wie ihren findet man sonst nur noch in Bilderbüchern. Die Kühe gefleckt, braun und grau, manche tragen Hörner. Zuchtstier Jelzin überblickt seine Damen und den Nachwuchs mit Gleichmut. Ein paar Schweine wühlen im Schlamm, Kaninchen fläzen im Stroh. Auf den Wiesen neben dem Gemüsegarten, wo die sorgsam gehegten Kürbisse langsam Farbe und Form annehmen, tummelt sich von Mai bis Oktober eine Gänseschar. „Einen Tag sind sie alt, wenn sie gelb und flauschig zu uns kommen“, erklärt die Bäuerin. Mit etwa fünfeinhalb Kilo gelten sie Ende Oktober als schlachtreif. Begonnen haben die Karnthalers vor 15 Jahren mit dreißig Gänsen. „Unsere Stammkunden haben danach gefragt, und wir haben für jeden ein Gansl gehabt.“ Inzwischen sind es 350, die die Wiesen um den Hof beweiden. In Sichtweite wachsen neuerdings Fisolen, Zucchini, Kraut, Zwiebeln und Salat, die Martina per Hand gießt und pflegt. „Jetzt sind wir bald so weit, dass man sich alle Zutaten fürs Gansl-Menü bei uns im Hofladen kaufen kann.“ | 45

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Ein Franzerl zum Bier NINI T SCHAVOLL

Man sieht es ihr nicht an, doch Claudia Wöhrer ist bereits seit zwölf Jahren leidenschaftliche Wirtin und Gastgeberin in Innerschildgraben. Als ihr Vater Franz unerwartet früh verstarb, besuchte sie noch die Tourismusschule Semmering. Fest entschlossen, das Gasthaus der Familie auch in fünfter Generation weiterzuführen, übernahm sie mit nur 18 Jahren den Betrieb. Ins Gasthaus Wöhrer kommen Stammgäste, Gäste aus der umliegenden Region und Ausflügler aus Wien. Sie schätzen die gutbürgerliche Küche, das frische und bekömmliche Wolfsbräu und die freundliche Atmosphäre. Die junge Wirtin legt großen Wert auf aufmerksames Personal, die Gäste sollen sich bei ihr rundum wohlfühlen. In der Küche sorgen Köchin Larissa und Mama Gerda Wöhrer für traditionelle Speisen wie Grammelknödel, Zwiebelrostbraten und Wiener Schnitzel. Gern empfiehlt Claudia auch den Schweinslungenbraten mit hausgemachten Kroketten und Gemüse, eine ihrer Lieblingsspeisen. Die Leibspeise vieler Gäste ist das „Franzerl“, eine Kreation von Claudias Vater: ein mit Zwiebeln, Lauch und Camembert gefülltes Schnitzel – zum Gedenken an den Senior wird es immer auf der Karte stehen. Das Fleisch für ihre Küche bezieht Claudia Wöhrer von den Fleischhauern ihres Vertrauens: Aus dem Nachbarort Scheiblingkirchen liefert es die Fleischerei Schlögl, aus Neunkirchen der Fleischer Birnbauer. Gemüse und frische Kräuter kommen von der Familie Schefcig aus der Region. Den kürzesten Anfahrtsweg haben jedoch ihre Bierlieferanten Markus und Karin Wagner. Die beiden übersiedelten die Handwerksbrauerei von Karins Vater Hubert Moser von Wolfsberg nach Thernberg und brauen seit 2012 das Bucklige Weltbier. Hubert, der mittlerweile verstorbene Vater, war gelernter Braumeister in achter Generation. Mit großem Engagement brachte er seinem Schwiegersohn am neu errichteten Standort das Handwerk mit Malz, Hopfen, Wasser und Hefe bei. Ein Jahr lang brauten die beiden Schulter an Schulter, bis Markus sich der Herausforderung der alten Familienrezeptur gewachsen sah. Heute stellt er routiniert, aber mit Begeisterung jährlich um die hundert Biersude her, aus denen 60.000 Liter Bier gewonnen werden (siehe auch Bierreise, Seite 6). Von einem Bauernhof in Thernberg, alt und baufällig, erfuhren Karin und Markus zufällig. Sie kauften ihn und bauten ihn gemeinsam zu einem mit der Brauerei harmonierenden Wohngebäude um. Bereut haben sie den Kauf nie, zu wohl fühlen sie sich im Ort, wo auch ihre Kinder Leo (14) und Hanna (10) aufwachsen. Markus und Karin sind von Anfang an offen auf

Braumeister Markus Wagner liefert Claudia Wöhrer sein Wolfsbräu in ihr Gasthaus in Innerschildgraben – wenn nötig auch am Wochenende

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GASTLICHKEIT

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Gasthaus Wöhrer Innerschildgraben 43 2832 Thernberg T 02629 22 65 woehrer-gasthaus.at Wolfsbräu – Das Bucklige Weltbier Blumengasse 7, 2832 Thernberg T 02629 219 28 wolfsbrau.at

Zum „Franzerl“ von Claudia Wöhrer passt am besten ein Wolfsbräu

Fotos:Stefan Knittel,

Das „Franzerl“ ist eine Kreation und zugleich Erinnerung an ihren Vater, sagt die Wirtin Claudia Wöhrer. Am besten schmeckt dazu ein Wolfsbräu aus der Region

die Menschen in der Region zugegangen. Das half ihnen, das „Zuagrasten“-Image bald zu überwinden. Wolfsbräu wird an ausgesuchte Lokale in Wien geliefert, großteils schenken es aber die Landgasthöfe der Region aus. Das naturbelassene Bier auf der Basis des besonders reinen Thernberger Wassers wird nicht pasteurisiert. Denn dadurch würde die spezielle, bekömmliche Note verloren gehen. Für den Braumeister Wagner ist das Wolfsbräu ein „lebendiges Lebensmittel“, das wöchentlich in Fässer abgefüllt und in Wirtshäusern frisch ausgeschenkt wird. Ausgeliefert wird es meist persönlich, denn der direkte Kontakt zu ihren Kunden ist den Bierbrauern wichtig. Für Private gibt es das Wolfsbräu auf Anfrage in Ein- und ZweiLiter-Bügelverschlussflaschen oder in Partyfässern ab Hof. Im Gasthaus Wöhrer kann es schon vorkommen, dass das Bier ausgeht, gerade am Wochenende. So schätzt es die Wirtin Claudia ganz besonders, dass Karin oder Markus Wagner ihr schnell ein neues Fass vorbeibringen können. | 47

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Wandern mit Väterchen Frost K ARIN WASNER

Ich hab’s nicht so mit dem Winter. Kalte Zehen, klamme Finger, kurze Tage und viel zu viele Schichten Kleidung zwischen mir und der Welt. Jeglichen Wintersportaktivitäten habe ich seit Jahren abgeschworen. Zu teuer, zu viele Menschen, verschwitztes Goretex, Naturzerstörung. Ist nicht alles im Sommer schöner, leichter, heller, fröhlicher? Nein, nicht alles. Im letzten Winter lernte ich das Wandern mit Väterchen Frost lieben. Knirschender Schnee unter den Stiefeln, glitzernder Raureif auf kahlen Ästen und die tiefstehende Wintersonne, die dich blendet. So wandert man in der Buckligen Welt durch eine Winterlandschaft – und kommt am Ende ganz bei sich selber an. Kaum etwas, das den Kopf freier macht als ein Spaziergang in klar-klirrender Winterluft. Fernab der lauten Stadt trifft man höchstens den einen oder anderen eingemummten Hunde- oder Kinderauslüfter und ist den Rest des Weges wieder mit sich und seinen Gedanken allein.

Schritt für Schritt, immer der weißen Atemwolke hinterher, stapfe ich auf den Kirchschlager Schlossberg. Die gelben Schilder des Tut-gut-Schrittewegs tragen Häubchen so wie ich. Hinauf auf 480 Meter zur Ruine der ehemaligen Grenzfestung, wo sich der Pulsschlag langsam wieder beruhigt. Weil überall Schnee liegt und man sich ohnehin nicht hinsetzen kann, nimmt man auch noch die vielen Holztreppen auf den imposanten Feuerturm, auf dem im 12. Jahrhundert Wachtposten die Bevölkerung mit Feuer- und Rauchzeichen vor feindlichen Angriffen gewarnt haben. Ein wenig flackerndes Feuer für meine kalten Füße wäre jetzt nicht schlecht. Hoch oben, wo einst die Grafen von Wildon, die Kuenringer, Güssinger und zuletzt die ungarischen Grafen Palffy Ausschau hielten, blicke ich über eine Winterwelt bis hinüber ins Burgenland. Weniger Aussicht, dafür mehr Einsicht gibt es unterwegs auf dem Walderlebnisweg Gschaidt. Ja, Waldbaden geht auch im Winter. Den betörenden Duft eines Nadelwalds nimmt man auch

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Fotos: Wiener Alpen/Florian Luckerbauer

Hinauf auf 480 Meter zur Ruine der ehemaligen Grenzfestung, wo sich der Pulsschlag langsam wieder beruhigt


WINTERWANDERN

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Auch im Winter oder gerade da lohnen sich Touren durch die Bucklige Welt, denn unterwegs warten Erlebnisse, die man im Sommer missen muss

Ein zugefrorener Teich auf dem Walderlebnisweg Gschaidt. Was man hier im Sommer verpasst: Der spiegelglatte Eisteich verbreitet im Winter eine magische Aura

Fotos: Wiener Alpen/Florian Luckerbauer

Die schönsten Winterwanderwege der Buckligen Welt im Detail: www.buckligewelt.info/ winterwandern

Den Weg beleuchtet der Gläserne Kreuzweg des Bad Erlacher Glaskünstlers Alois Hammer

bei Kälte wahr, ein stiller Winterwald strahlt Ruhe aus. Von den 250.000 Blättern der großen Rotbuche, von denen ich auf der Infotafel lese, hängt jetzt keines mehr am Baum. Die 250 Jahre alte Rotföhre hingegen lässt der Winter kalt – von ihren Nadeln tropft es mir frech auf den Kopf. Den Barfußweg kann ich unter der tauenden Schneedecke nur erahnen, ebenso einen imposanten Ameisenhügel. Mit noch trockenen Füßen erreiche ich die hölzerne Drei-Länder-Eck-Aussichtswarte und muss erst das Schild freifegen, das mir erklärt, was ich hier sehe. Was man hier im Sommer verpasst: Der spiegelglatte Eisteich verbreitet jetzt im Winter eine magischer Aura. Besonders stimmungsvoll ist die Runde am Kulturwanderweg Bad Erlach vor allem zu Allerheiligen oder um Weihnachten. Bei minus vier Grad entscheide ich mich für die kurze Variante mit etwa neun Kilometern Länge und gehe den Weg so, dass mich die mittelalterliche Ulrichskirche als Grande Finale erwartet. Mönche siedelten hier schon um 987, heute begrüßt ein überlebensgroßer buddhistischer Mönch die Gäste der nahegelegenen Therme Linsberg Asia. Die kleine Kirche liegt zwischen knorrigen Schwarzföhren inmitten eines verschlafenen Waldfriedhofs. Den Weg dorthin beleuchtet der Gläserne Kreuzweg des Bad Erlacher Glaskünstlers Alois Hammer. Wer für die letzten Wintersonnenstrahlen zu spät kommt, sei getröstet: In den Abendstunden sind die Kunstwerke beleuchtet. Als ich dem verurteilten Jesus tröstend die Hand auf die Schultern lege, spendet der meinen klammen Fingern wie zum Dank ein bisschen Wärme. | 49

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Im Mittelpunkt das Miteinander NINI T SCHAVOLL

Auf ihrer Hütte bei Thernberg findet die Krankenhausmanagerin Christa Grosz Ruhe und Ausgleich

Die Geschichte des Landesklinikums Hochegg beginnt 1915 mit einer auf 780 Metern Seehöhe errichteten Heilstätte für lungenkranke Militärangehörige. Das im Jugendstil erbaute Offiziersgebäude (Kurhaus) stammt aus dieser Zeit. In der Folge fanden viele Veränderungen statt, immer wieder wurde modernisiert und erweitert. Heute gilt es als eines der modernsten Lungenkrankenhäuser Österreichs. Auch die Neurologische Abteilung genießt einen ausgezeichneten Ruf, sie dient zur Akutnachversorgung und Rehabilitation von neurologischen Patienten. An Multipler Sklerose Erkrankte finden in Hochegg eine einzigartige Erholungsstation vor.

Fotos: Nini Tschavoll, Landesklinikukm Hochegg

Landesklinikum Hochegg

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P O R T R ÄT

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Christa Grosz ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig – eine Herausforderung für die Krankenhausmanagerin in Hochegg und Wiener Neustadt

Christa Grosz ist in der Buckligen Welt geboren und aufgewachsen. Für ein paar Jahre ging sie der Arbeit und der Liebe wegen nach Wien. Doch bald zog es sie wieder in ihre alte Heimat, wo sie heute mit ihrer Familie lebt und die Schönheit der Natur in der Region jeden Tag zu schätzen weiß. Die Pflegedirektorin und ausgebildete Krankenhausbetriebswirtin leitet in kollegialer Führung die Geschicke des Landesklinikums in Hochegg, ist verantwortlich für den Pflegebereich mit 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 2018 kam eine weitere Größenordnung dazu. Gemeinsam mit einem ärztlichen und einem kaufmännischen Direktor ist sie in Wiener Neustadt für die Führung des Landesklinikums zuständig, mit knapp 1.000 Personen in der Pflege. „Geht nicht“ gibt es für die Krankenhausmanagerin nicht. „Ich arbeite grundsätzlich lösungs- und nicht problemorientiert. Kreative Lösungen sind mir wichtig“, erklärt sie ihre Mitarbeiterführung, Wertschätzung spielt dabei eine große Rolle. Die beiden Krankenhäuser sind wichtige Arbeitgeber und Gesundheitsversorger in der Region. Ist das Arbeitsklima gut, wirkt sich das auf die Pflege und das Wohlbefinden der Patienten aus, ist Christa Grosz überzeugt. Sie gilt als hart in der Sache, aber weich im Herzen. So bewertet sie die ergebnisorientierte Zusammenarbeit in der kollegialen Führung als besonders positiv. Aber: „Die Wertschät-

Blick auf das Landesklinikum Hochegg, im Vordergrund das ehemalige Kurhaus

zung der Pflege lässt noch immer zu wünschen übrig, hier ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.“ Ihre Masterarbeit hat sich mit „Machtdynamiken in triadischen Führungsstrukturen im Krankenhauswesen“ befasst, einem in diesem Bereich üblichen Führungsmodell durch drei Verantwortliche. Dabei ist die Pflegebereichführung oft als einzige weiblich besetzt. „Das Verhältnis in der Pflege sind bis zu 85 Prozent Frauen zu maximal zwanzig Prozent Männern“, erklärt sie, fest entschlossen, hier etwas zu bewegen. „Der Pflegeberuf ist ein bereichernder und schöner Beruf, mit Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, den auch Männer ergreifen sollten.“ Als zweites Kind einer Bauernfamilie musste sie am Hof mitarbeiten, war im Ort die erste Ministrantin, dann Jungscharführerin und später Klassensprecherin. Erfahrungen mit dem autoritären Stil einer Stationsschwester brachten sie dazu, während der Karenz mit ihrem ersten Kind die Ausbildung zur Stationsleiterin zu machen. Es folgte eine Ausbildung zu Qualitätsmanagement, zwei Studien und zahlreiche Weiterbildungen. „Das ist sich ausgegangen, weil ich ein gutes soziales Netz hatte. Allen voran meinen Mann, der mir den Rücken freigehalten hat.“ Ihre Kinder Lorenz (24) und Edda (17) sind mittlerweile groß, die Wochenenden verbringt sie in einer Hütte in Eichberg bei Thernberg. „Es erdet mich, wenn ich in die Hütte komme und erst einmal Feuer im Herd machen muss. Ein Ritual, das mir hilft, abzuschalten.“ Hier kann sie lesen, gute Gespräche führen oder einfach nur in die Bucklige Welt hineinschauen. Auch ihr kürzlich verstorbener Vater und ihre Großmutter scheinen ihr an diesem Ort auf friedvolle Weise noch nahe zu sein, wie sie lächelnd schildert. Wenn es dunkel wird, sitzt sie am liebsten mit Familie und Freunden an der Feuerstelle vor der Hütte, den Blick auf die in der Dämmerung versinkende Ruine Thernberg gerichtet. Zu hören sind nur noch die Grillen und die Tiere am benachbarten Bauernhof, der heute von ihrem Bruder bewirtschaftet wird. Der Hof, auf dem sie, weil sie es vor 49 Jahren so eilig hatte und das Rettungsauto irrtümlich erst nach Eichberg bei Gloggnitz fuhr, auf einem Strohsack geboren wurde. So erzählt es die Familiengeschichte und auf ungläubige Nachfrage auch ihre Mutter, die es wohl wissen muss. | 51

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