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Interview TEREZA HOSSA Kabarettistin

HONIGSENF ESSEN IST WIE

VON ANNA GOLDENBERG

Mit Tieren ist Tereza Hossa in ihrer Kindheit und Jugend „viel und gerne abgehangen“

Die Kabarettistin Tereza Hossa mag exzessiv derb klingen und hat doch nur ein Auge für absurde Details: Exzess und Kontrolle, Senf und Tierliebe

„Werde heute noch interviewt, welche Wörter lassen mich besonders intelligent und geheimnisvoll wirken“, twittert Tereza Hossa zwei Stunden vor unserem Treffen. Knapp 12.000 User*innen folgen der 26-Jährigen auf Twitter. In Wiens wachsender weiblicher Comedy-Szene ist sie noch keine der ganz Großen – doch das könnte sich bald ändern. Sie hängte im Frühjahr ihren Job als Großtierärztin an den Nagel, um sich ganz der Kleinkunst zu widmen.

In Innsbruck als Tereza Hoser aufgewachsen, nahm sie mit 19 Jahren erstmals an Poetry Slams teil und merkte, dass ihr das Komödiantische lag. Sie legte sich einen Künstlernamen zu, trat mit ihren eigenen Kabarettprogrammen auf, produzierte eine satirische Videokolumne für den „Standard“ und schreibt für das Satireportal „Tagespresse“. Hossa hat ein scharfes Auge für absurde Details und gesellschaftliche Denkfehler und macht sich über Genderfragen ohne erhobenen Zeigefinger lustig. Braucht Humor den Exzess?

Du beschäftigst dich humoristisch exzessiv mit scheinbar belanglosen Kleinigkeiten wie Senf … TEREZA HOSSA: Exzess, also dieses Verstärken von gewissen Sachen, ist der springende Punkt bei Humor. Um etwas sichtbar machen zu können, muss man es übertreiben. Als der Ukraine-Krieg begonnen hatte, war ich von all den Statements so überfordert, dass ich mich exzessiv mit Senf beschäftigt habe. Menschen reden gern drüber, denn es ist nicht oft Thema. Aber es ist auch so leicht, dass man immer darüber sprechen kann. Hast du einen Lieblingssenf?

Ich mag Honigsenf. HOSSA: Das ist die Light-Version, wie bei Leuten, die Cola Zero trinken. Du bist kein echter Senfmensch.

Aber immerhin ist es kein süßer Senf. HOSSA: Süßer Senf kann auch sehr gut sein. Ich hab’ einmal süßen und scharfen Senf gemischt. Das war das Beste beider Welten.

Was macht die Faszination von exzessiven Details aus? HOSSA: Künstler*innen haben Zeit, die Welt zu beobachten, Absurditäten aufzudecken und um zehn Ecken zu denken. Das amüsiert, unterhält und bringt zum Nachdenken. In einem Vierzigstundenhacklerjob, das weiß ich aus eigener Erfahrung, ist nicht mehr viel Platz für das Schöne im Leben. Da ist es gut, wenn es Künstler*innen zeigen. Man bereitet es auf, und im besten Fall hören die Leute was Lustiges und müssen dann lächeln – vor dem Senfregal zum Beispiel.

Braucht Humor den Exzess?

COLA ZERO TRINKEN

Scharfschützin

Die gebürtige Innsbruckerin Tereza Hossa, 26, schießt scharf. Auf Twitter, als Teil der Satireredaktion „Die Tagespresse“ und in ihren Videoclips. Ihr Schmährepertoire umfasst Banales wie Honigsenf ebenso wie gesamtgesellschaftliche Alltime-Brainwrecker wie Sexualität. Und Hossa meint es ernst mit dem Spaß: Vor Kurzem hat sie ihren Job als Tierärztin gekündigt, um als Vollzeitcomedian durchzustarten. In deinen Programmen geht es viel um Sexualität. Das klingt, als ginge es da recht exzessiv zu… HOSSA: Die Sexualität behandle ich so, dass ich mich als machoiden Typen darstelle, der alles fickt, was er will, und übertreib’ die Rolle komplett. Das überrascht die Menschen immer noch – was ich schräg finde. Aber sichtlich ist es für viele überraschend, wenn Frauen über Sexualität reden. Da wirkt es gleich extrem, als würden wir die ganze Zeit herumficken – wobei ich nicht glaube, dass ich mehr Sex habe als eine Durchschnittsperson. Ich spreche nur darüber. Dann wird es gleich exzessiv, ohne dass man es exzessiv macht.

Auch das Thema Essstörungen thematisierst du oft. HOSSA: Bei Essstörungen ist der Exzess allgegenwärtig – bei Hungern wie Bingen. Ich habe keine diagnostizierte Essstörung, aber schon seit der Jugend ein Verhältnis zum Essen, das nicht normal ist. Dabei soll Essen weder Bestrafung noch Belohnung sein. Es ist einfach anstrengend zu kämpfen, um sagen zu können, ich esse das, weil ich Hunger hab’, das ist okay, ich muss dafür nicht büßen. Oder: Ich muss auch nicht so viel essen, bis mir alles wehtut, weil ich was spüren will. Da ist es für mich wichtig, die Balance zu finden, die eben kein Exzess ist. Das kann man eigentlich vom Essen auf alles beziehen. Exzess wird schon immer sehr positiv geframed, aber ich find’ es eigentlich nicht so gut. Warum? HOSSA: Es ist besser, wenn man nicht zu viel und nicht zu wenig Kontrolle hat. Dann schlägt es nicht so aus. Ich hatte einen Freund, der war beinhart zu sich, hat jeden Tag zehn Stunden gelernt. Beim Ausgehen hat er dann so exzessiv gesoffen, dass er nicht mehr gehen konnte. Seine extreme Kontrolle kam mit einem Preis einher, nämlich dass er extrem die Kontrolle verlieren musste. Mir ging das manchmal beim Arbeiten so. Ich wollte konstant urviel zu tun haben, damit ich fühlte, dass ich etwas wert bin. Davon geh’ ich jetzt weg, weil ich darunter leide.

Seit vergangenem Oktober bist du mit dem Studium der Veterinärmedizin fertig. Seit März arbeitest du nicht mehr als Tierärztin, sondern widmest dich ganz der Comedy. Was hat dich dazu gebracht, dieses Fach zu studieren? HOSSA: Mein Großvater war Großtierarzt, ich hab’ ihn oft begleitet. Mein Vater ist Chirurg. Ich hab’ gern draußen gearbeitet und fand Medizin cool. Aufschneiden find’ ich geil! Ich bin keine Veganerin oder exzessive Tierschützerin, aber ich bin viel und gern mit Tieren abgehangen. Ich hab’ Tauben gezüchtet und hatte ein Pferd. Ich fand die Gegenwart von Tieren angenehm, weil sie eine klare Kommunikation haben. Sie lügen nicht. Sie können scheiße sein, das schon, und dir wehtun, aber sie spielen dir meistens nichts vor.

Die Besamung kann warten: Den Tierarztjob hat Hossa vorerst an den Nagel gehängt, um Vollzeitkomödiantin zu sein

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