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Porträt QUERBEET Ethnobotanik
MAJOR LINS, YOU
VON BIRGIT WITTSTOCK
Psychoaktiv
Alex Lins, 48, ist Berufshedonist, erfahrener Psychonaut, Koryphäe und Aktivist in Sachen Rauschpflanzen und bekennender Exzessliebhaber – alles in allem beste Voraussetzungen, um einen Ethnobotanikladen zu betreiben. Wobei Lins’ Querbeet nicht irgendein Ethnobotanikladen ist: Er war der erste Smartshop des Landes und ist heute führend in ganz Europa.
Fotos: Birgit Wittstock BEST OF VIENNA
In den vergangenen 17 Jahren ist Alex Lins’ Ethnobotanikladen Querbeet zum Kompetenzzentrum für Psychonaut*innen aus ganz Europa aufgestiegen. Ein Streifzug durch exzessive Natur
Es sei ein ungeschriebenes Gesetz dieser Stadt, sagt Alex Lins: „Der Wiener geht fünf Jahre lang an einem Laden vorbei, und erst wenn es ihn dann immer noch gibt, geht er hinein.“ Dass sein Geschäft die wiennatürliche Selektion überlebt hat, liegt an seiner Ware. Lins hat, was sonst keiner hat: Er handelt in einer Art Naturasservatenkammer auf hundert Quadratmetern mit psychoaktiven Pflanzen, deren guter Stoff Psychonaut*innen auf Reisen ins Innere schickt.
Lins ist heute 48 mit grauem Bart, allerlei Hautkunst und dem scannenden Blick eines Menschen, der andere schnell zu lesen versucht. Als er 2005 in der Lindengasse in Neubau eröffnete, wussten nur Eingeweihte, was es mit dem wohnzimmergroßen, minimalistisch eingerichteten Geschäftslokal namens Querbeet auf sich hatte. Für die Fünf-Jahres-RegelWiener*innen gab es durch die Auslagenscheiben wenig Einladendes zu sehen: einige eigentümliche Kakteen, ein paar Regale mit Papierkuverts voller Samen, getrockneter Blüten, Blätter und Stängel – was sollte das denn für ein Blumenladen sein? Statt einer Floristenstammkundschaft gingen bald junge Leute mit bunten Haaren und jeder Menge Metall im kapuzenverdeckten Gesicht ein und aus: Tätowierte, Hippies, Raver mit Kapperl und neonfarbenen PLO-Schals. Statt Tulpen, Orchideen und Rosen gingen im ersten Smartshop des Landes anfangs vor allem Herbal XTCs, Spice und Guaranákapseln über den Verkaufstresen.
Lins, der zuvor alles Mögliche, darunter auch Philosophie und Spanisch studiert hatte, verfolgte eine Mission: Wissen um den Nutzen von Pflanzen zu vermitteln, die der Mensch schon seit Jahrhunderten zur Heilung und Bewusstseinserweiterung verwendet. Als Berufshedonist stehe er dem Exzess „sehr offen und bejahend gegenüber“, sagt der Querbeet-Betreiber. „Ich bin der Überzeugung, dass Exzesse der Psychohygiene absolut zuträglich sind.“
Heute, 17 Jahre und einen Umzug später, hat sich die Botschaft erfolgreich verbreitet: Lins’ Ethnobotanikladen ist nicht nur anderenorts, nämlich in der Neubaugasse, auch seine Waren sind mittlerweile

Dank der Tierpräparate gebe es jetzt auch etwas für die Kinder im Laden zu sehen, sagt Alex Lins
REALLY MADE THE GRADE!

Die Deko-Schaukästen mit den Präparaten hat Lins in Niederösterreich gekauft aus dem Underground im Mainstream angekommen. Der Konsum psychoaktiver Pflanzen und Naturprodukte ist längst nicht mehr nur Sache einiger Freaks. Sie sind im Zuge des BioBooms als natürliche Nootropika, Lifestyleprodukte oder legale Mind-Enhancer in der Gesellschaft etabliert. Dies hat Lins’ Business einen ordentlich Schub verpasst.
„Früher war unsere Kundschaft freakig, inzwischen kommen sie alle: Banker, Manager, Businessleute“, erzählt er. Statt trippiges Zeug sei jetzt vor allem gefragt, was stimuliert, wach, leistungsfähig und konzentriert macht. Kolanuss, der Allzeit-Bestseller Guaraná, aber auch Superfoods wie Ginseng, Macha, Ginkgo und natürlich CBD-Produkte.
Neben einer Bücherauswahl zu Heil- und Rauschpflanzen führt Querbeet aktuell um die 200 verschiedene Kräuter, Extrakte, Samen, Sporen und Pflanzen. Je nach angepeiltem Bewusstseinszustand den Kategorien humorvoll, belebend, entspannend, exotisch und aphrodisierend zugeordnet. Allesamt entweder in Bioqualität oder aus Wildsammlungen stammend, erklärt der Querbeet-Chef mit hörbaren Stolz. Einige wenige, etwa Sorten von Pilzen der Familie Cubensis, auch bekannt als Magic Mushrooms, dürfen nicht zum Konsum, sondern nur als Anschauungsmaterial gehandelt werden. Bestellungen trudeln aus ganz Europa ein. wie Teemischungen, aus einer großen Box in kleine Papiersäckchen portioniert, erklärt Lins das Dilemma: Immer wieder gebe es Bestrebungen, einzelne psychotrope Pflanzen zu illegalisieren, etwa den halluzinogen wirkenden Salvia divinorum, auch Aztekensalbei genannt. 2012 sollte er unter das „Neue Psychoaktive Substanzen Gesetz“ fallen und verboten werden. Lins ging vors Verfassungsgericht. „Ich bin davon überzeugt, dass diese Naturprodukte einen starken Nutzen haben können, und finde es deshalb wichtig, sie für alle leicht zugänglich zu machen.“ Letztendlich erreichten seine Anwälte eine Klarstellung: Der Gesetzgeber verbietet seither nur nicht pflanzliche Stoffe, die aus dem Salvia divinorum gewonnen werden können. Die Pflanzen selbst dürfen weiterhin gehandelt werden – zu Studienzwecken und als Anschauungsmaterial. Der Bedarf an Anschauungsmaterial für Psychohygiene scheint derzeit besonders groß zu sein. Querbeet-Kunden geben einander die Klinke in die Hand, während im Hintergrund die kubanischen Altmeister von Buena Vista Social Club dudeln.
Wie hält es Alex Lins selbst mit dem Exzess? „Er war in meinem Leben ein stetiger Begleiter. Auch wenn die Häufigkeit mit dem Alter natürlich ab- genommen hat, möchte ich ihn nicht missen. Exzesse sind ein ideales Ventil für Geist und Seele.“
Die meisten Rauschpflanzen werden bereits seit Jahrhunderten genutzt. Wie, liest man am besten nach Der Konsum mancher Pflanzen ist zwar verboten, zu Studienzwecken und als Anschauungsmaterial dürfen sie jedoch gehandelt werden



Der Totenkopfschwärmer fährt zwar nicht, gilt aber als schamanisches Krafttier und wacht als solches über den rituellen Konsum psychoaktiver Substanzen