FALTER Biofrühling 2013

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„Lebensmittel sind unterbezahlt“ Freyer: Weil davon nicht nur die Landwirt-

Falter: Herr Freyer, sollte unsere Gesellschaft auf biologisch produzierte Lebensmittel umsteigen? Bernhard Freyer: Diese Frage lässt sich nur sinnvoll beantworten, wenn man Ihren Rahmen vergrößert. Wir müssen den engen Fokus der Ernährungsfrage verlassen und das Thema aus einer gesellschaftlichen Perspektive betrachten.

schaft betroffen wäre, sondern eine Vielzahl von anderen gesellschaftlichen Systemen. Traditionen bei der Ernährungskultur müssten aufgebrochen und auch wiederentdeckt werden; Forschungsbudgets müssten umgeschichtet und Inhalte der Bildungspolitik verändert werden; die Regional- und Stadtentwickler müssten neue Wege gehen; die Glieder der Versorgungskette müssten neu zusammengesetzt werden. Kurz: Alte Netzwerke bedürften einer völligen Neuordnung. Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass ein Wechsel auf Biolebensmittelproduktion eine enorme Effizienzsteigerung beim Lebensmittelverbrauch verlangen würde.

Warum würde die Produktion von mehr Biolebensmitteln unsere Gesellschaft verändern?

Wie könnte man die Menschen dazu bewegen, so ein weitreichendes Projekt zu unterstützen?

B

ernhard Freyer ist Experte für ÖkoLandbau, doch wer mit ihm nur über Landwirtschaft sprechen will, wird ein große Überraschung erleben.

Bernhard Freyer, Professor für Öko-Landbau an der Boku Wien, über gesunde Lebensmittel für alle, sinnstiftende Ökonomie und die BioSystemfrage

Freyer: Lassen Sie mich Ihre Frage mit ei-

ner Gegenfrage beantworten: Wollen wir als Gesellschaft des dritten Jahrtausends unter würdigen oder unwürdigen Bedingungen leben? Pestizide und Giftstoffe raus, Energieverbrauch und Schadstoffausstoß runter, Umwelt-, Lebensmittel- und Lebensqualität nach oben – dass das technologisch möglich ist, daran zweifle ich keine Sekunde. Das hätte natürlich seinen Preis. Aber auch die Fortsetzung des derzeitigen Systems verursacht immense Kosten! Eine Gesellschaft, die so gerne mit dem Wort Nachhaltigkeit hausieren geht, hat diesen Begriff auf alle Produktionsbereiche umzulegen – oder diese Rhetorik einzustellen. Wie meinen Sie das? Freyer: Nehmen Sie die extrem billigen Lebensmittel in den Supermärkten. Unter ei-

… Faktum. Wir schätzen Biolebensmittel, weil der biologische Landbau …

Stilleben mit Blüten und Honig

Blütenrausch mit Bienen im Weinviertel

Foto: Hans Hochstöger

Gespräch: Wolfgang Zwander


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